Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren

A. Problem und Ziel

Die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zum Nachweis der Identität eines Spurenlegers gehört mittlerweile zum Standardrepertoire staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Ermittlungstätigkeit. Als besonders erfolgreich erweist sich dabei die Nutzung der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes, die in einer weiterhin steigenden Anzahl von Fällen die schnelle und zuverlässige Identifikation von Spurenlegern ermöglicht. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden besteht ein dringendes Bedürfnis, den Aufbau und die Pflege der DNAAnalyse-Datei auf eine breitere Grundlage zu stellen und damit die Effizienz der Tataufklärung weiter zu verbessern. Dieses Bedürfnis begründet sich auch in einer Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Straftaten.

Das geltende Recht sieht die Erhebung des genetischen Fingerabdrucks zu Zwecken künftiger Strafverfahren nur in engen Grenzen vor. Voraussetzung ist der Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder eines Deliktes gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie die Prognose, dass gegen den Betroffenen künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Mit diesen Einschränkungen will das bisherige Recht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insbesondere im Hinblick auf den Schutz der in der DNA verschlüsselten Erbinformationen Rechnung tragen. Die Erhebung und Nutzung des genetischen Fingerabdrucks erlaubt indes im Zusammenhang mit der DNA-Identitätsfeststellung über die Geschlechtsbestimmung hinaus keine qualitative Auswertung der Erbinformation, sondern hat ausschließlich eine Überprüfung von Mustern auf Übereinstimmung oder Abweichung zum Gegenstand.

B. Lösung

Der Entwurf schlägt vor, den Anwendungsbereich der DNA-Analyse für die Zwecke künftiger Strafverfahren zu erweitern und den im geltenden Recht für die Durchführung sonstiger erkennungsdienstlicher Maßnahmen vorgesehenen materiellen Voraussetzungen anzugleichen. Damit entfallen die im geltenden Recht vorgegebenen besonderen Verhältnismäßigkeitsabwägungen durch Bewertung von Anlassverdacht und prognostiziertem künftigen Verfahren nach dem Kriterium der Straftat von erheblicher Bedeutung. Die Maßnahme unterliegt vielmehr einer allgemeinen Negativprognose, wie sie der Polizei bereits im geltenden Recht für erkennungsdienstliche Maßnahmen aufgegeben ist. Auch der Richtervorbehalt hinsichtlich der Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters wird damit entbehrlich und ermöglicht eine Vereinfachung.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine.

2. Vollzugsaufwand

Wenn häufiger als bisher DNA-Analysen für Zwecke künftiger Strafverfahren durchgeführt werden, kann dies zu erhöhtem Aufwand bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht führen. Dem können jedoch Erleichterungen bei der Tataufklärung und damit die Vermeidung ansonsten notwendiger Ermittlungstätigkeiten mit entsprechendem Aufwand gegenüberstehen. Auch werden die Gerichte dadurch entlastet, dass der Richtervorbehalt für die Anordnung der molekulargenetischen Untersuchung gestrichen wird. Weder Belastungs- noch Entlastungswirkung der vorgeschlagenen Regelungen lassen sich näher quantifizieren.

E. Sonstige Kosten

Keine.

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren

Der Bayerische Ministerpräsident München, 21. März 2017

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.

Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 956. Sitzung am 31. März 2017 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer

Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl I S. 1074, 1319), die zuletzt geändert worden ist durch ..., wird wie folgt geändert:

1. § 81f wird wie folgt geändert:

2. § 81g wird wie folgt geändert:

"Die Entnahme von Körperzellen durch körperlichen Eingriff darf nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen ( § 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) angeordnet werden. Die Antragstellung obliegt auch den Behörden und Beamten des Polizeidienstes. § 81f gilt entsprechend."

3. § 81h wird wie folgt geändert:

In Absatz 3 Satz 1 werden nach den Worten " § 81f" die Worte "Abs. 2" gestrichen.

4. § 88 wird wie folgt geändert:

In Absatz 1 Satz 3 werden die Worte "Abs. 2" gestrichen.

Artikel 2
Zitiergebot

Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit ( Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) wird durch dieses Gesetz eingeschränkt.

Artikel 3
Übergangsvorschrift

Artikel 1 Nummer 2 (Änderung der Strafprozessordnung) ist auf Fälle des § 81g Absatz 4 Strafprozessordnung nicht anzuwenden, wenn die Verurteilung vor Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig geworden oder die das Strafverfahren auf andere Weise abschließende Entscheidung vor diesem Zeitpunkt ergangen ist.

Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

Seit der Einstellung von Vorschriften über die DNA-Analyse in die Strafprozessordnung durch das Strafverfahrensänderungsgesetz - DNA-Analyse ("Genetischer Fingerabdruck") vom 17. März 1997 (BGBl I S. 534) hat sich die Bedeutung dieses Mittels der Tataufklärung in der Praxis der Strafverfolgung erheblich gewandelt. Mehr und mehr entwickelte sich die Erhebung des genetischen Fingerabdrucks mit dem Ziel des Nachweises der Identität eines Spurenlegers in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer Standardmaßnahme staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Ermittlungstätigkeit. Als besonders erfolgreich erwies sich dabei die in § 81g StPO zugelassene Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters zu Zwecken künftiger Strafverfahren und die Nutzung der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes. Bei nach wie vor steigenden Trefferzahlen wird hierdurch in zahlreichen Fällen eine sehr schnelle und zuverlässige Identifikation von Spurenlegern ermöglicht. Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden besteht daher ein dringendes Bedürfnis, den Aufbau und die Pflege der DNA-Analyse-Datei auf eine breitere Grundlage zu stellen und damit die Effizienz der Tataufklärung weiter zu verbessern. Es ist davon auszugehen, dass weitgehend proportional zur Anzahl der Datensätze auch die Anzahl der Treffer und damit die Zuordnung von Spurenverursachern ansteigen wird. Dem Anliegen nach einer breiteren Datenbasis trägt der Entwurf Rechnung, indem er den Anwendungsbereich der DNA-Analyse für die Zwecke künftiger Strafverfahren erweitert und den im geltenden Recht für die Durchführung sonstiger erkennungsdienstlicher Maßnahmen vorgesehenen materiellen Voraussetzungen angleicht. Auch das Verfahren zur Erhebung des genetischen Fingerabdrucks soll erleichtert werden.

Anders als die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nach § 81b zweite Alternative StPO unterwirft das geltende Recht die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen zu Zwecken künftiger Strafverfahren in § 81g StPO in mehrfacher Hinsicht materiellen und verfahrensrechtlichen Schranken:

Mit diesen Einschränkungen will das bisherige Recht der besonderen informationellen Sensibilität von Untersuchungen der menschlichen DNA und dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Die Vorschriften sind dabei vor allem durch die Befürchtung einer Offenlegung der eigentlich persönlichkeitsrelevanten Erbinformationen motiviert.

In der Praxis erweist sich jedoch, dass diese Befürchtung nicht begründet ist. Die in § 81g StPO geregelte molekulargenetische Untersuchung zielt allein auf die Feststellung der Identität und ggf. des Geschlechts des Spurenlegers. Andere Untersuchungen sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 81g Abs. 2 Satz 2 StPO nicht zulässig. Die Erhebung des Identifizierungsmusters und dessen Abgleich mit den Vergleichsdaten etwa aus der DNA-Datei hat über die Geschlechtsbestimmung hinaus keinerlei qualitative Auswertung der in der DNA enthaltenen Erbinformation, sondern ausschließlich eine Überprüfung auf Übereinstimmung oder Abweichung zum Gegenstand ("hit/nohit"-Mechanismus).

Das Verfahren des genetischen Fingerabdrucks stützt sich auf den Vergleich so genannter Längenpolymorphismen. Es handelt sich dabei um Teile der DNA, die in den unterschiedlichen Zellen einer Person zwar konstante Längen, in der Bevölkerung aber Variationen aufweisen. Zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit wird das DNAIdentifizierungsmuster durch Markierung festgelegter Abschnitte (short tandem repeats [STRs]) unterschiedlicher Chromosomen erhoben. Diese Teile der DNA finden sich ausschließlich und mit besonders deutlicher Varianz in den sogenannten nicht kodierenden Bereichen, die überwiegend aus sich wiederholenden Sequenzen spezifischer Basenabfolgen (DNA-Blöcke) bestehen. Unter dem Begriff der "nicht kodierenden Bereiche" werden die Teile der DNA verstanden, die gerade keine genetisch kodierten Erbinformationen enthalten.

Die Identitätsfeststellung unter Einsatz molekulargenetischer Untersuchungen nach § 81g StPO beinhaltet keine qualitative Exploration der Erbinformation. Vielmehr ergibt sich, dass die Maßnahme hinsichtlich der informationellen Eingriffsintensität weitgehend mit dem in § 81b StPO geregelten daktyloskopischen Fingerabdruck zu vergleichen ist. Beide Methoden führen ausschließlich zur Feststellung von Kongruenz oder Divergenz der Muster - seien diese in den Papillarlinien der Fingerspitzen oder einer Sequenzwiederholung in der DNA enthalten.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht unter dem Blickwinkel etwaiger Missbrauchsgefahren. Soweit dabei die generellen Möglichkeiten des Missbrauchs der für die Untersuchung gesicherten Körperzellen betroffen sind, handelt es sich nicht um eine speziell der DNA-Analyse anhaftende Gefahr - diese Möglichkeit besteht etwa bei jeder Blutprobe, aus der sich auch ohne DNA-Analyse eine Reihe von im Phänotyp nicht erkennbarer Krankheiten feststellen lässt. Gerade im Bereich des genetischen Fingerabdrucks wird aber dem Missbrauch durch die Anonymisierung der DNA-Proben und die im Gesetz geregelten Anforderungen an den Sachverständigen entgegengewirkt. Schon das geltende Verfahrensrecht enthält im Übrigen in § 81g Abs. 2 StPO eindeutige Verbote hinsichtlich der Gewinnung und Nutzung von Überschussinformationen, die die missbräuchliche Erhebung solcher Daten schon mit Blick auf die fehlende Verwertbarkeit als Beweismittel sinnlos macht. Der Entwurf schlägt zu diesen Schranken keine sachlichen Änderungen vor.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung der StPO):

Zu Nummer 1 (§ 81f StPO):

Bei der Aufhebung des bisher in § 81f Abs. 1 normierten einfachgesetzlichen Richtervorbehalts handelt es sich um eine konsequente Folgeänderung zur Streichung des richterlichen Anordnungsverfahrens bezüglich molekulargenetischer Untersuchungen in § 81g Abs. 3, die aufgrund des entsprechenden Sachzusammenhangs unter Nummer 2 (insbesondere Buchstabe c) näher erläutert wird.

Zu Nummer 2 (§ 81g StPO):

Zu Nummer 3 (§ 81h StPO):

Es handelt sich um eine rein redaktionelle Änderung infolge der Streichung von § 81f Abs. 1 (vgl. Nummer 1).

Zu Nummer 4 (§ 88 StPO):

Es handelt sich um eine rein redaktionelle Änderung infolge der Streichung von § 81f Abs. 1 (vgl. Nummer 1).

Zu Artikel 2 (Zitiergebot)

Mit der Vorschrift wird dem in Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Zitiergebot Rechnung getragen.

Zu Artikel 3 (Übergangsvorschrift)

Die Vorschrift enthält eine Übergangsregelung für die durch die Änderungen in Artikel 1 Nr. 2 betroffene Erhebung von DNA-Identifizierungsmustern nach rechtskräftiger Verurteilung bzw. nach einer in Schuld- oder Verhandlungsunfähigkeit respektive in fehlender Verantwortlichkeit begründeten Verfahrensbeendigung nach § 81g Abs. 4. Es wird klargestellt, dass die auch insoweit vorgesehenen Erweiterungen nicht auf solche Fälle anzuwenden sind, in denen eine rechtskräftige Verurteilung oder eine sonstige in § 81g Abs. 4 vorgesehene Verfahrenserledigung vor Inkrafttreten der Änderungen erzielt wurde. Für die anderenfalls insoweit erneut entstehenden "Altfälle" in beträchtlicher Anzahl wäre eine retrograde Rückerfassung weder praktisch durchführbar noch erforderlich. Nachdem die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden die Aufarbeitung der abgeschlossenen, aus dem Bundeszentralregister aber noch nicht getilgten Verfahren im bisher zugelassenen Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung weitestgehend bewältigt haben, reicht es aus, wenn die erweiterte Befugnis zur vorbeugenden Erhebung des DNA-Identifizierungsmusters nur für die Zeit nach Inkrafttreten der gesetzlichen Änderungen eröffnet wird.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.