Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu der am 19. Juni 1997 beschlossenen Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation

A. Problem und Ziel

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation beschloss auf ihrer fünfundachzigsten Tagung in Genf am 19. Juni 1997 die Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). Ziel der Abänderung der Verfassung der IAO ist es, dem Verwaltungsrat und der Allgemeinen Konferenz ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, veraltete und nicht mehr relevante Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation aufzuheben.

Die Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation trat gemäß ihrem Artikel 3 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 36 der IAO-Verfassung für alle Mitgliedstaaten am 8. Oktober 2015 in Kraft. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Urkunde nicht ratifiziert.

B. Lösung

Durch das Vertragsgesetz sollen die Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die nach innerstaatlichem Recht durchzuführende parlamentarische Zustimmung zu der Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation erfüllt werden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Weitere Kosten

Keine.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu der am 19. Juni 1997 beschlossenen Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, den 21. April 2017
Die Bundeskanzlerin

An die Präsidentin des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu der am 19. Juni 1997 beschlossenen Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation mit Begründung und Vorblatt.

Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, um das Gesetzgebungsverfahren bis zur parlamentarischen Sommerpause abzuschließen.

Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 02.06.17
besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf
Gesetz zu der am 19. Juni 1997 beschlossenen Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Der von der Allgemeinen Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation auf ihrer fünfundachtzigsten Tagung in Genf am 19. Juni 1997 beschlossenen Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation in der durch die Urkunde vom 25. Juni 1953 geänderten Fassung (BGBl. 1957 II S. 317, 318), die zuletzt durch Abänderungsurkunde vom 27. Juni 1972 (BGBl. 1975 II S. 2206, 2208) geändert worden ist, wird zugestimmt. Die Abänderungsurkunde zur Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation, 1997, wird nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.

Artikel 2

Begründung zum Vertragsgesetz

Zu Artikel 1

Auf die Urkunde vom 19. Juni 1997 zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden, da sie sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.

Zu Artikel 2

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach Absatz 2 ist die Abänderungsurkunde nach ihrem Artikel 3 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 36 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation für die Bundesrepublik Deutschland am 8. Oktober 2015 in Kraft getreten.

Schlussbemerkung

Bund, Länder und Gemeinden werden durch die Ausführung dieses Gesetzes nicht mit Kosten belastet.

Für die Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft und für die Verwaltung entsteht kein Erfüllungsaufwand. Es werden auch keine Informationspflichten im Sinne des § 2 Absatz 1 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates geschaffen.

Auch sonstige Kosten sind nicht zu erwarten. Das Gesetz hat aufgrund der bloßen Zustimmung zur Urkunde zur Änderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation keine Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere nicht auf das Verbraucherpreisniveau.

Urkunde zur Abänderung der Verfassung der internationalen Arbeitsorganisation (Übersetzung)

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1997 zu ihrer fünfundachtzigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, eine Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation anzunehmen, eine Frage, die zum siebenten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört.

Die Konferenz nimmt heute, am 19. Juni 1997, die folgende Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation an, die als Abänderungsurkunde zur Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation, 1997, bezeichnet wird.

Artikel 1

Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Abänderungsurkunde an wird Artikel 19 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation durch die Hinzufügung des folgenden neuen Absatzes nach Absatz 8 abgeändert:

Artikel 2

Zwei authentische Ausfertigungen dieser Abänderungsurkunde werden vom Präsidenten der Konferenz und vom Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes unterzeichnet. Eine Ausfertigung wird im Archiv des Internationalen Arbeitsamtes hinterlegt, die andere dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen übermittelt. Der Generaldirektor stellt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation eine beglaubigte Abschrift dieser Urkunde zu.

Artikel 3

Denkschrift

I. Allgemeines

1. Entstehungsgeschichte

Die Allgemeine Konferenz beschloss auf ihrer fünfundachtzigsten Tagung am 19. Juni 1997 in Genf die Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). Ziel der Abänderung der IAO-Verfassung ist es, dem Verwaltungsrat und der Allgemeinen Konferenz ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, veraltete und nicht mehr relevante Übereinkommen der IAO aufzuheben. Nach bisheriger Rechtslage musste die Internationale Arbeitsorganisation Übereinkommen, die als nicht mehr zeitgemäß empfunden werden, durch eine Neufassung aktualisieren. Die Neufassung enthielt eine Kündigungsklausel, der zufolge Vertragsstaaten des alten Übereinkommens, die die Neufassung ratifizieren, das alte Übereinkommen automatisch kündigen. Der Vorteil gegenüber der Ausgangslage liegt in dem zusätzlichen Verfahren. Die IAO kann nun auch Übereinkommen aufheben, bei denen keine Neufassung erforderlich ist.

2. Wesentlicher Inhalt der Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation

Mit der Urkunde zur Abänderung der Verfassung der IAO wird die Verfassung um eine Bestimmung erweitert. In Artikel 19 wird der Absatz 9 neu eingefügt. Danach kann die Allgemeine Konferenz auf Vorschlag des Verwaltungsrates künftig ein Übereinkommen, das "gegenstandslos geworden ist oder keinen nützlichen Beitrag zur Erreichung der Ziele der Organisation mehr leistet," mit qualifizierter Mehrheit aufheben. Damit die Konferenz ein Übereinkommen aufheben kann, ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen der anwesenden Delegierten erforderlich. Die Mitgliedstaaten der IAO müssen diesen Beschluss nicht mehr ratifizieren.

3. Völkerrechtliche Einschätzung der Bundesregierung und Stand der Ratifikation

Die Abänderungsurkunde trat am 8. Oktober 2015 in Kraft, nachdem zwei Drittel der Mitglieder, einschließlich fünf der zehn Mitgliedstaaten, denen wirtschaftlich die größte Bedeutung zukommt, sie ratifizierten. Damit lagen die Voraussetzungen nach Artikel 36 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vor.

Deutschland hat die Abänderungsurkunde jedoch nicht ratifiziert. Die Bundesregierung vertrat die Auffassung, dass gegen den neuen Absatz 9 des Artikels 19 völkerrechtliche Bedenken bestehen. Danach wäre eine Aufhebung von IAO-Übereinkommen dann völkerrechtlich vertretbar, wenn alle Staaten, die das jeweilige Übereinkommen ratifiziert (und zum Zeitpunkt der Aufhebung nicht gekündigt) haben, der Aufhebung zustimmen. Es müsste wenigstens für diese Vertragsstaaten die Möglichkeit geschaffen werden, dass das Übereinkommen zwischen ihnen weiter angewandt wird. Die Abänderungsurkunde von 1997 enthalte weder das Erfordernis der Zustimmung der Regierungsvertreter aller Vertragsstaaten noch die Einführung der Möglichkeit einer Weiteranwendungserklärung für an diesen (Alt-)Regelungen interessierten Vertragsstaaten. Aus diesem Grund bestanden gegen das Aufhebungsverfahren (Artikel 1 der Urkunde) nach Auffassung der Bundesregierung völkerrechtliche Einwände. Dieser deutschen Auffassung sind jedoch zwei Drittel der Mitglieder, einschließlich fünf der zehn Mitgliedstaaten, denen wirtschaftlich die größte Bedeutung zukommt, darunter auch Australien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien, Vereinigtes Königreich und Zypern, nicht gefolgt und haben inzwischen die Abänderungsurkunde von 1997 ratifiziert oder angenommen.

Für Deutschland ist die Änderungsurkunde jedoch nach dem Grundsatz "pacta sunt servanda" völkerrechtlich bindend (Artikel 26 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (BGBl. 1985 II S. 926, 927)), unabhängig davon, ob Deutschland sie ratifiziert hat. Aufgrund des dadurch innerstaatlich bestehenden verfassungswidrigen Zustands, ist das innerstaatliche Zustimmungsverfahren durchzuführen. Eine Klage vor einem IAO-Gericht nach Artikel 37 Absatz 2 oder ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof nach Artikel 37 Absatz 1 der IAO-Verfassung hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Letztendlich wäre als ultima ratio nur die von der Bundesregierung aufgrund der weitreichenden negativen Konsequenzen nicht zu befürwortende Kündigung der IAO-Verfassung als Option in Betracht gekommen, die gegen die Änderung bestehenden völkerrechtlichen Bedenken auszuräumen und den verfassungsmäßigen Zustand herzustellen. Deutschland würde so ein fatales Signal setzen, den Schutz der Arbeitnehmerrechte, der sozialen Standards und der Menschenrechte nicht mehr ernst zu nehmen. Zudem würde Deutschland die Rolle der IAO massiv schwächen. Neben dem international nicht wiedergutzumachenden Glaubwürdigkeitsverlust nähme sich Deutschland zudem die Chance, konstruktiv in der IAO mitzuarbeiten. Die Bundesregierung befürwortet daher die Durchführung des innerstaatlichen Zustimmungsverfahrens, trotz aller völkerrechtlichen Bedenken.

II. Besonderes

Artikel 1 der Abänderungsurkunde verkündet, dass folgende Ergänzung als Absatz 9 des Artikels 19 der Verfassung beigefügt wird, sobald die Urkunde Gültigkeit erhält. Falls dem Verwaltungsrat ein angenommenes

Übereinkommen als gegenstandslos oder überholt erscheint, kann er der Konferenz vorschlagen, das Übereinkommen aufzuheben. Dazu wird eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Delegierten benötigt.

Diese neue konstitutionelle Klausel soll bewirken, dass die IAO stets einen zeitgemäßen Rahmen an Normen vertritt. Die Bundesregierung befürwortet grundsätzlich die Schaffung der Möglichkeit, Übereinkommen der IAO, die "gegenstandslos geworden [sind] oder keinen nützlichen Beitrag zum Erreichen der Ziele der Organisation mehr leisten", aufzuheben.

Artikel 2 spezifiziert die prozessualen Schritte, die nach dem Inkrafttreten der Abänderungsurkunde seitens der IAO genommen werden. Der Präsident der Konferenz sowie der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes unterzeichnen zwei authentische Exemplare der Urkunde. Ein Exemplar wird an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übermittelt, das andere wird im Archiv des Internationalen Arbeitsamtes aufbewahrt. Des Weiteren erhalten alle Mitglieder der IAO ein beglaubigtes Duplikat der Urkunde.

Artikel 3 Absatz 1 ordnet an, dass Staaten, die die Abänderungsurkunde ratifizieren, dies dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes mitteilen. Dieser setzt dann die anderen Mitglieder der IAO davon in Kenntnis.

Artikel 3 Absatz 2 äußert, dass die Abänderungsurkunde nach den Bestimmungen des Artikels 36 der Verfassung der IAO in Kraft tritt.

Artikel 3 Absatz 3 befasst sich mit der Verbreitung der Abänderungsurkunde. Nachdem die Urkunde Gültigkeit erlangt, werden alle Mitglieder der IAO durch den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes davon informiert. Dieses erfolgte am 29. Oktober 2015 in einem Schreiben des Generaldirektors der IAO an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.