Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
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21. Ammoniumpersulfat
(CAS-Nr.: 7727-540)

(BArbBl. 8/1999 S. 77)
Ausgabe: Juli 1999



Stand: Mai 1999

(Ammoniumperoxodisulfat, Ammoniumperoxydisulfat)

Vorkommen:

Alkali-Persulfate sind starke Bleich- und Oxidationsmittel. Sie werden als Polymerisationsbeschleuniger, Antiseptika, bei der Bearbeitung von Metallen, in der Fotografie, bei der Herstellung von Anilinfarben, in Haarbleichmitteln (Blondiercremes) u.a. eingesetzt [6]. Die Verwendung als Mehlverbesserungsmittel ist in einer Reihe von Ländern verboten.

Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:

Etwa seit der Jahrhundertwende wurden Kalium- und Ammoniumpersulfat als Mehlverbesserungsmittel eingesetzt und war häufig Ursache für das allergische Kontaktekzem bei Bäckern. WAGNER (1959) fand bei einer Analyse von 500 allergischen Kontaktekzemen in 3 Jahren aus der Hautklinik Kiel 31 Fälle mit Persulfatekzem. Bei 13 % der 223 beruflich verursachten Fälle war der Epikutantest mit Persulfat positiv [20]. Bei einer Nachuntersuchung von Bäckern mit einer Berufsdermatose konnte FORCK (1968) bei 27/44 positive Epikutantestreaktionen auf Ammoniumpersulfat und bei 26/44 auf Kaliumpersulfat (beide Substanzen sind zum Nachweis einer Persulfatallergie geeignet) bestätigen [6]. PREYSS (1960) berichtete über 70 Bäcker mit Dermatitis, von denen 62,8 % eine berufliche Persulfatallergie hatten. Nachdem 1957 der Einsatz in Mehl und Backwaren wegen der Häufigkeit von Allergien in der Bundesrepublik Deutschland verboten wurde, sei das Bäckerekzem deutlich zurückgegangen [18].

In den Niederlanden wurden von 1986-1990 2320 Patienten zusätzlich zu der Standardreihe mit Ammonium- und Kaliumpersulfat getestet. 22 Frauen mit Handekzem (0,9 %) zeigen positive Testreaktionen auf eines oder beide Persulfate, 14 davon waren Friseure. 16 Personen reagierten auf beide Persulfate, 3 nur auf Ammoniumpersulfat [11]. Derzeitig sind Haarbleichmittel die häufigste Ursache für ein Persulfatekzem. Prävalenzen für eine Persulfatallergie vom Spättyp werden bei der Testung von Friseuren in 24,5 % (12149) [12], 11,3 % (34/302) [10], 15,9 (30/189) [17] gefunden. Bei der Testung mit der Friseurserie in 9 europäischen Zentren lag die Häufigkeit der Reaktionen auf Ammoniumpersulfat zwischen 1,2 (Finnland) und 20 % (Deutschland) [7]. GUERRa [9] berichtete über 7 (2,7 %) positive Reaktionen auf Ammoniumpersulfat bei 261 Friseurkunden mit Dermatitis.

Persulfate verursachen auch Überempfindlichkeitsreaktionen an den Atemwegen und der Haut unter dem Bild von Typ-I-Reaktionen (Kontakturtikaria, Rhinitis, Asthma). Darüber gibt es zahlreiche Kasuistiken und Untersuchungen zur Prävalenz bei Exponierten [1, 2, 5, 13, 15, 19, 23]. Pathogenetisch werden Irritation der Atemwege, Steigerung der unspezifischen bronchialen Reaktivität und Induktion einer subklinischen Entzündung sowie unspezifische Histaminliberation diskutiert [1,4, 14, 16]. Die Krankheitsbilder, der Verlauf der Beschwerden und in der Regel positive Pricktests sind Hinweise für eine allergische Genese, über den Nachweis von spezifischen IgE wurde jedoch bisher lediglich einmal berichtet (keine Bestätigung durch weitere Positivkontrollen) [3]. Gleichzeitiges Auftreten von allergischen Kontaktekzem und Atemwegsbeschwerden (positiver Epikutantest und Pricktest) wurde beobachtet [21].

Hautveränderungen in Form von Juckreiz, roten Papeln und Ekzemherden ("rashes") wurden bei 20 bis 70 % von neuen Beschäftigten in der Persulfatproduktion beobachtet und als Irritation bewertet [22].

Daten von experimentellen Untersuchungen zur sensibilisierenden Wirkung durch Hautkontakt fanden sich nicht.

Bewertung:

Die Häufigkeit von positiven Testreaktionen in Exponiertenkollektiven und Einzelfallbeobachtungen belegen die sensibilisierende Wirkung durch Hautkontakt (R43) und Überempfindlichkeitsreaktionen durch Einatmen.

Literatur:

[1] Baur, X.; Mensing, T.; Marek, W.: Klinische und experimentelle Untersuchungen zum Blondiermittelasthma. In: Gesundheitsgefährdung im Friseurhandwerk. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag, 1996, 82-86

[2] Blatney, A. D.; Ollier, S.; Cundell, D.; Smith, R. E.; Davie, R. J.: Occupational asthma in a hairdressing salon. Thorax 41(1986), 42-50

[3] Brauel, R.; Brauel, P.; Stresemann, E.: Kontakturtikaria, Rhinopathie und allergisches Bronchialasthma durch Ammoniumpersulfat in Blondiermittel. Allergologie 18 (1995), 438-440

[4] Calnan, C. D.; Shuster, S.: Reactions to ammonium persulfate. Arch. Dermatol. 88 (1963), 812-815

[5] Drexler, H.; Schiel, R.; Lehnert, G.: Berufsbedingte obstruktive Atemwegserkrankungen im Friseurhandwerk. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin. Stuttgart: Gentner Verlag, 1992, 193-196

[6] Forck, G.: Vorkommen und Persistenz von Persulfatallergien. Berufsdermatosen 16 (1968), 84-92

[7] Frosch, P. J.; Barrows, D.; Camarasa, J. G.; Dooms-Goosens, A.; Ducombs, G.; Lahti, A.; Menné, T.; Rycroft, R. J. G.; Shaw, S.; White, I. R.; Wilkinson, J. D.: Allergic reaction to a hairdressers series: results from 9 European centres. Contact Derm. 28 (1993), 180-183

[8] Gamboa, P. M.; de la Cuesta, C. G.; Garcia, B. E.; Castillo, J. G.; Oehling, A.: Late asthma reaction in a hairdresser, due to the inhalation of ammonium persulphate salts. Allergol. et Immunopathol. 17(1989), 109-111

[9] Guerra, L.; Bardazzi, F.; Tosti, A.: Contact dermatitis in hairdressers` clients. Contact Dermatit. 26 (1992), 108-111

[10] Guerra, L.; Tosti, E.; Bardazzi, F.; Pigatto, P.; Lisi, B.; Santucci, R.; Valsecchi, R.; Schena, D.; Angelini, G.; Sertoli, A.; Ayala, F.; Kokelj, F.: Contact dermatitis in hairdressers: the Italien Experience. Contact Derm. 26 (1992), 10 1-107

[11] van Joost, Th.; Roeseyanto, I. D.: Sensitization to persulphates in occupational and non-occupational hand dermatitis. Contact Derm. 24(1991), 376-378

[12] Kellett, J. K.; Beck, M. H.: Ammonium persulphate sensitivity in hairdressers. Contact Derm. 13 (1985), 26-28

[13] Meindl, K.; Meyer, R.: Asthma und Urtikaria im Friseurberuf durch Persulfat-haltige Blondiermittel. Zbl. Arbeitsmed. 3 (1969), 75-79

[14] Mensing, T.; Marek, W.; Raulf-Heimsoth, M.; Baur, X.: Blondiermittelbestandteile als Auslöser einer bronchialen Überempfindlichkeit - Untersuchungen an einem Modell für berufsbedingte Lungenschädigungen. Pneumologie 7 (1995), 4 18-427

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