Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts

C(2016) 3433 final
Brüssel, den 6.6.2016

Herrn Stanislaw TILLICH
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (COM (2016) 26 final) und für seine Unterstützung der Bemühungen der Kommission um eine effiziente Unternehmensbesteuerung.

Im Rahmen ihrer Strategie zur Bekämpfung von aggressiver Steuerplanung ist der Kommission sehr an Fortschritten in diesem Bereich gelegen. Angesichts der Tatsache, dass sich viele Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als OECD-Mitglieder verpflichtet haben, die Ergebnisse des BEPS-Projekts (Gewinnverkürzung und Verlagerung) in nationale Rechtsvorschriften zu übertragen, war es der Kommission wichtig, zügig auf eine Verständigung auf Vorschriften für eine koordinierte Umsetzung der BEPSSchlussfolgerungen in der EU hinzuwirken.

Wie in der Stellungnahme festgestellt, ist nicht das gesamte Spektrum an Themen, die in den BEPS-Abschlussberichten der OECD untersucht werden, in die vorgeschlagene Richtlinie eingeflossen. Der Legislativvorschlag konzentriert sich auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung im Bereich der Unternehmensbesteuerung und beschränkt sich auf die Sachgebiete, in denen die Union befugt ist, einen Rechtsakt vorzuschlagen. In diesem Zusammenhang möchten wir jedoch betonen, dass sich die Arbeit der Kommission zur Umsetzung der Empfehlungen in den OECD-Abschlussberichten nicht auf diesen Gesetzgebungsvorschlag beschränkt. Fragen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen werden in einer Empfehlung der Kommission' behandelt, die ebenfalls Teil des Maßnahmenpakets zur Bekämpfung von Steuervermeidung vom 28. Januar 2016 ist. Der Grund hierfür ist, dass es nach Auffassung der Kommission zweckmäßiger ist, die Vorschriften für Betriebsstätten und die Prüfung des Hauptzwecks in einem nicht zwingenden Rechtsinstrument ("soft law") zu regeln, da diese Punkte untrennbar mit Steuerabkommen verknüpft sind und die Mitgliedstaaten befugt sind, derartige Abkommen bilateral auszuhandeln. Weitere Beispiele sind Boxen für geistiges Eigentum, die im Rahmen der Arbeiten an einem Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung behandelt werden.

Darüber hinaus hat die Kommission eine Reihe von Studien in Auftrag gegeben, um die Lage in Bezug auf die Verrechnungspreise innerhalb der EU zu bewerten, und wird in den nächsten Jahren sehr unterschiedliche Initiativen in diesem Bereich auf den Weg bringen.

Es stimmt, dass Personengesellschaften und Einzelunternehmen nicht in den Geltungsbereich des Legislativvorschlags mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts fallen. Die Einbeziehung von Personengesellschaften und Einzelunternehmen würde mehrere Komplikationen mit sich bringen, die sich in erster Linie aus der Tatsache ergeben, dass der Begriff "Personengesellschaften" auch Einzelpersonen umfasst. Das Sekundärrecht der EU hat - mit Ausnahme der vor kurzem aufgehobenen Richtlinie über die Besteuerung von Zinserträgen - bislang nicht in die Einkommensbesteuerung eingegriffen. Angesichts der Tatsache, dass mit dem vorgeschlagenen Rechtsakt gegen Steuervermeidung lediglich Mindestnormen festgelegt werden, steht es jedem Mitgliedstaat - also auch Deutschland, wo es üblich ist, Personengesellschaften für Geschäftstätigkeiten zu nutzen - frei, die Bestimmungen der Richtlinie mittels Durchführungsvorschriften auch auf diese Fälle anwendbar zu machen.

Was Ausnahmen angeht, so enthält die vorgeschlagene Richtlinie nur sehr wenige, und diese wurden ordnungsgemäß begründet. So wurden beispielsweise beaufsichtigte Finanzunternehmen in der EU vom Geltungsbereich der Vorschriften über beherrschte ausländische Unternehmen ausgenommen, da diese aufgrund der starken Regulierung in diesem Sektor keine Gefahr laufen, als künstlich eingestuft zu werden. Bekanntermaßen ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die künstliche Gestaltung in der Praxis der Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen in der EU

Mit Blick auf die Auswirkungen der Vorschrift über die Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinsen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ist die Kommission zuversichtlich, dass der in dem Vorschlag vorgesehene "sichere Hafen" (d.h. der maximale Nettozinskostenbetrag, der vollständig abzugsfähig ist) in Höhe von 1 Mio. EUR ausreichend hoch ist, um die Finanzen solcher Unternehmen zu schützen.

Die Kommission hat die Anregung des Bundesrates zur Kenntnis genommen, dass die Regelung der Wegzugsbesteuerung um einen Auffangtatbestand ergänzt werden sollte, um auch Nutzungsänderungen bei Vermögenswerten zu erfassen. Die Kommission sieht zwar die Gründe für diesen Vorschlag, doch sollte klargestellt werden, dass Nutzungsänderungen bei Vermögenswerten offensichtlich nicht in den Geltungsbereich der Wegzugsbesteuerung fallen, da solche Änderungen nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Vermögenswerte das Steuergebiet eines Staates verlassen. Gleichwohl sollte darauf hingewiesen werden, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, in solchen Fällen durch ihre nationalen Durchführungsbestimmungen, die über die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften hinausgehen können, die Erhebung einer Steuer vorzusehen.

Ebenso hat die Kommission den Vorschlag zur Kenntnis genommen, dass die mit der Gewerbesteuer in Deutschland verbundene steuerliche Belastung berücksichtigt werden sollte, wenn in dem Vorschlag Schwellenwerte für Niedrigbesteuerung genannt und diese mit dem Besteuerungsniveau in einem Mitgliedstaat verglichen werden. Da in dem Legislativvorschlag nur Mindestnormen zur Verhinderung von Steuervermeidung festgelegt werden, steht es den Mitgliedstaaten frei, eine solche Einbeziehung in ihren nationalen Durchführungsbestimmungen vorzusehen.

Was die Bedenken des Bundesrats in Bezug auf die Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften angeht, so stünr Versuch, jede einzelne potenzielle Missbrauchsmöglichkeit abzudecken, im Widerspruch zum grundsatzbasierten Ansatz der Richtlinie. Nach Auffassung der Kommission sollten diese Einzelheiten den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Diese werden aufgefordert werden, Durchführungsbestimmungen auszuarbeiten, die in ihre Körperschaftssteuersysteme passen.

Auch in Bezug auf die Hybriden stünde die Aufnahme einer langen Reihe von spezifischen Geschäftsmodellen in eine Richtlinie im Widerspruch zum Wesen eines solchen Instruments.

Wie der Bundesrat zweifellos weiß, werden mit Richtlinien lediglich allgemeine Rechtsgrundsätze festgelegt, die für die Mitgliedstaaten nur hinsichtlich der zu erreichenden Ergebnisse oder Ziele bindend sind, während die Form und die Mittel den nationalen Durchführungsbestimmungen überlassen bleiben.

Die Kommission möchte darauf hinweisen, dass sich die vorstehenden Bemerkungen auf den ursprünglichen Vorschlag der Kommission beziehen. Dieser befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren, in dessen Rahmen Verhandlungen im Rat stattfinden, in dem die Bundesregierung vertreten ist.

Die Kommission hofft, dass die vom Bundesrat aufgeworfenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden können, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Frans Timmermans
Erster Vizepräsident
Pierre Moscovici
Mitglied der Kommission

1 COM (2016) 271.