Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und die Europäische Zentralbank: Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion C(2016) 2173 final

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Europäische Kommission
Brüssel, 19.4.2016
C(2016) 2173 final

Herrn Stanislaw TILLICH
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,

Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission vom 21. Oktober 2015 an das Europäische Parlament, den Rat und die Europäische Zentralbank über Schritte zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion
{COM (2015) 600 final}.

Der im Juni 2015 veröffentlichte Bericht der fünf Präsidenten zeichnet den Weg zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) bis spätestens 2025 vor. Der Bericht ist zugleich ehrgeizig und pragmatisch. Einige Schritte können und sollten unverzüglich umgesetzt werden, da sie keine Änderung der Verträge erfordern; andere werden mehr Zeit in Anspruch nehmen. Um eine rasche und konkrete Umsetzung der nächsten Schritte zu gewährleisten, legte die Kommission im Oktober 2015 ein Maßnahmenpaket zur Vollendung der WWU vor, zu dem sich der Bundesrat in seiner Stellungnahme äußerte. Auf das Paket folgte im November 2015 der Vorschlag der Kommission für ein europäisches Einlagensicherungssystem1.

Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Befürwortung einer Vertiefung der WWU.

Sie begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für eine stärkere Einbeziehung der Sozialpartner, Jur Maßnahmen zur Vereinfachung des Europäischen Semesters, fur eine stärkere Fokussierung auf Soziales und auf Benchmarking, unter anderem im Hinblick auf die verstärkte Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen durch die Mitgliedstaaten. Sie verstärkte Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen durch die Mitgliedstaaten. Sie nimmt ferner die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich des Europäischen Fiskalausschusses und seine Ablehnung der Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit zur Kenntnis und begrüßt die Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

Das Europäische Semester, insbesondere das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten, gibt einen Rahmen für eine integrierte wirtschaftspolitische Koordinierung und Überwachung vor.

Entwicklungen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit sind sowohl für den Aufbau makroökonomischer Ungleichgewichte und ihre Korrektur als auch für die Anpassung an länderspezifische Schocks von Bedeutung. Eine Koordinierung politischer Maßnahmen, die sich auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, wäre hilfreich, wenn sichergestellt werden soll, dass die Entwicklungen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit mit dem Ziel eines reibungslosen Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) vereinbar sind. Deshalb umfasst das Oktober-Paket der Kommission einen Entwurf für eine Empfehlung des Rates zur Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit.

Die Ausschüsse sollen einen Beitrag dazu leisten, die Eigenverantwortung für notwendige Maßnahmen und Reformen auf nationaler Ebene zu steigern und die wissensbasierte Kompetenz zur wirtschaftspolitischen Koordinierung der Union im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die Ausschüsse werden eine unabhängige Fachinstanz zur Bewertung der Entwicklungen und Maßnahmen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit bilden; sie werden Ratschläge zur Umsetzung von Reformen erteilen, die den jeweiligen nationalen Besonderheiten und üblichen Praktiken Rechnung tragen. Im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sollte die Einrichtung der Ausschüsse nicht das Recht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder ihrer jeweiligen Verbände beeinträchtigen, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen oder kollektive Maßnahmen zu ergreifen.

Der Ausschuss für Wettbewerbsfähigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats kann sich auch auf verschiedene, bereits bestehende Fachgremien stützen.

Die Kommission hält ein wirksameres System der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung für notwendig.

Im Anschluss an den Bericht der fünf Präsidenten, der auch auf Beiträgen der Mitgliedstaaten beruht, wurde durch einen einschlägigen Beschluss der Kommission, der am 1. November 2015 in Kraft trat, der unabhängige beratende Europäische Fiskalausschuss eingerichtet.

Der Ausschuss wird unabhängig handeln und die Kommission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen der multilateralen haushaltspolitischen Überwachung des Euro-Währungsgebiets beraten. Er setzt sich zusammen aus einem Vorsitzenden und vier Mitgliedern, die aufgrund ihrer Kompetenz und Erfahrung ausgewählt und von einem Sekretariat unterstützt werden. Der Ausschuss wird für die Kommission eine Evaluierung der Umsetzung der finanzpolitischen Rahmenvorschriften der Union vornehmen, insbesondere im Hinblick auf die horizontale Kohärenz der Beschlüsse, besonders schwere Verstöße gegen die Vorschriften sowie die Angemessenheit des auf Ebene des Euro-Währungsgebiets verfolgten haushaltspolitischen Kurses.

Seine Arbeit wird daher zu einer stärkeren Steuerung der Wirtschafts- und Währungsunion beitragen.

Der Ausschuss wird EU-weit mit nationalen Fiskalräten zusammenarbeiten, um den Austausch bewährter Methoden und ein gemeinsames Verständnis im Bereich der EU-Haushaltspolitik zu fördern. Diese Zusammenarbeit wird auf freiwilliger Basis und unter voller Achtung der Unabhängigkeit aller beteiligten Stellen erfolgen.

Die Kommission begrüßt die Unterstützung des Bundesrates für die Anstrengungen der Kommission, durch Schwächung der Verbindung zwischen Banken und dem Staat die Risiken im Bankensektor weiter zu verringern und gleiche Wettbewerbsbedingungen in der Bankenunion zu schaffen. Sie nimmt die Bedenken des Bundesrates hinsichtlich des Europäischen Einlagensicherungssystems (EDIS) jedoch zur Kenntnis.

In diesem Zusammenhang möchte die Kommission betonen, dass die Umsetzung der Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD) und der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme (DGSD) weiter fortgeschritten ist als der Bundesrat in seiner Stellungnahme annimmt. In Bezug auf die BRRD hatten vier Mitgliedstaaten zum 8. März 2016 mitgeteilt, die Richtlinie nur teilweise umgesetzt zu haben. In Bezug auf die DGSD hatten fünf Mitgliedstaaten der Kommission noch keine Umsetzungsmaßnahmen gemeldet. Alle anderen Mitgliedstaaten haben die vollständige Umsetzung mitgeteilt.

Was das EDIS betrifft, wurde der Gedanke eines gemeinsamen europäischen Einlagensicherungssystems bereits zum Zeitpunkt der Einführung der Bankenunion im Jahr 2012 diskutiert und in jüngerer Zeit im Bericht der fünf Präsidenten aufgegriffen.

Nach Auffassung der Kommission ist die Vollendung der Bankenunion ein unerlässlicher Schritt auf dem Weg zur Vollendung der WWU. Das EDIS ist eine notwendige Ergänzung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) und des einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF).

Aber seine Schaffung kann - und sollte - nicht in einem einzigen Schritt erfolgen, weil die Unterschiede zwischen den derzeit existierenden nationalen Einlagensicherungssystemen noch zu groß sind.

Daher hat die Kommission als ersten Schritt eine gemeinsame "Rückversicherungsregelung" vorgeschlagen, die parallel zu diesen nationalen Systemen bestehen wird.

Der Vorschlag beinhaltet auch Garantien gegen unverantwortliches Handeln und potenziellen Missbrauch, denn die Rückversicherung wird nur greifen, wenn nationale Einlagensicherungsfonds ausgeschöpft sind.

Der Zugriff auf die Rückversicherungsregelung wird nur bei strikter Einhaltung der EU-Vorschriften möglich sein. Diese "kostenneutrale" Gestaltung bedeutet, dass die Gesamtkosten für den Bankensektor nicht steigen werden.

Die Kommission ist der Ansicht, dass diese Konzeption der Regelung sich als wirksame Methode der Risikoteilung im Eurogebiet erweisen wird. Gleichzeitig teilt sie die Auffassung, dass es ebenfalls wichtig ist, die Risiken insgesamt zu verringern. Seit Einsetzen der Krise wurde viel zur Risikominderung unternommen, aber es sind noch weitere Maßnahmen erforderlich.

Je stärker das Gesamtsystem, desto besser kann eine Bank Stress bewältigen, ganz unabhängig von ihrem Standort.

Die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen in der Bankenunion erfordert auch einen Rechtsrahmen, der den Besonderheiten, die sich aus der Rechtsform und den Eigentumsverhältnissen der Kreditinstitute im Binnenmarkt ergeben, Rechnung trägt, damit die Rechtsvorschriften Kreditinstitute nicht deswegen ohne Vorliegen aufsichtsrechtlicher Gründe benachteiligen.

Ferner stimmt die Kommission dem Bundesrat darin zu, dass die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung tragen sollte. Gleiche Wettbewerbsbedingungen können nur dann bestehen, wenn kleinere und weniger komplexe Banken verhältnismäßigen Anforderungen unterliegen und auf den Märkten im Wettbewerb bestehen können. Die Kommission wird prüfen, wie dies bei künftigen Regulierungsmaßnahmen erreicht werden kann und ob am geltenden Rechtsrahmen etwaige Anpassungen vorgenommen werden müssen. Was die regulatorische Behandlung von Staatsanleihen betrifft, wird die Kommission alle in Frage kommenden Optionen sorgfältig prüfen und dabei der Gefahr Rechnung tragen, dass diese Optionen unter Umständen unbeabsichtigte Nebenwirkungen haben könnten.

Die Kommission hofft, dass die vom Bundesrat geäußerten Bedenken mit diesen Ausführungen ausgeräumt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermans
Erster Vizepräsident
Valdis Dombrovskis
Vizepräsident