Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 87d)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine.

2. Vollzugsaufwand

Keine.

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 87d)

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 13. März 2009
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium des Innern.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
DrAngela Merkel
Fristablauf: 15.05.09

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 87d)

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen;

Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Artikel 87d Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom ... (BGBl. I S. ... ) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Die Luftverkehrsverwaltung ist nach bisheriger Verfassungsrechtslage in bundeseigener Verwaltung zu führen, wobei über die öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Organisationsform durch Bundesgesetz entschieden wird (Artikel 87d Abs. 1 GG). Nach der vom Bundespräsidenten im Zusammenhang mit der Entscheidung zur Nichtausfertigung des vom Deutschen Bundestag am 7. April 2006 beschlossenen Gesetzes zur Neuregelung der Flugsicherung vertretenen Rechtsauffassung bedeutet dies, dass die Verwaltungsaufgaben zwingend entweder durch Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung oder durch ebenfalls der bundeseigenen Verwaltung zuzurechnende organisationsprivatisierte Einrichtungen (DFS Deutsche Flugsicherung GmbH) ausgeführt werden müssen. Durch das verfassungsändernde Gesetz wird die Luftverkehrsverwaltung nunmehr allgemein der Bundesverwaltung zugeordnet. Sie bleibt damit Hoheitsaufgabe.

Es wird jedoch ermöglicht, Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung nicht nur durch Behörden und Personal des Bundes, sondern auch durch mittelbare Bundesverwaltung einschließlich privater Beliehener zu erfüllen. Die Möglichkeit zur Wahrnehmung von Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung in mittelbarer Bundesverwaltung einschließlich der Wahrnehmung durch geeignete Beauftragte ist aus fachlicher Sicht unverzichtbar und entspricht im Übrigen der schon langjährig bestehenden Praxis z.B. bei Flugsicherungsbetriebsdiensten und Flugwetterdiensten an Regionalflughäfen (vgl. § 27d Abs. 4, § 27f Abs. 5 LuftVG).

Die Luftverkehrsverwaltung ist danach weiterhin hoheitlich zu führen. Im Hinblick auf das geltende und noch in Fortentwicklung begriffene Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG) wird jedoch sichergestellt, dass dessen davon abweichenden Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf eine diskriminierungsfreie Zulassung von nach EG-Recht zertifizierten ausländischen Flugsicherungsorganisationen, z.B. im Rahmen des angestrebten Einheitlichen Europäischen Luftraums (Single European Sky - SES), Rechnung getragen werden kann, ohne den Rahmen grundgesetzlich zulässiger Gestaltungen zu sprengen. Im Einzelnen:

Bereits geltendes EG-Recht sieht vor, dass technische Dienste der Flugsicherung (Kommunikations-, Navigations- und Überwachungsdienste sowie Flugberatungsdienste) nicht mehr als Teil der hoheitlichen Luftverkehrsverwaltung zu führen sind (vgl. Erwägungsgrund Nr. 3 der Verordnung [EG] Nr. 550/2004).

Das vorliegende Gesetz soll insbesondere die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die uneingeschränkte deutsche Beteiligung an der Herstellung eines Einheitlichen Europäischen Luftraums schaffen. Die Verordnungen zum Einheitlichen Europäischen Luftraum (Verordnungen [EG] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004: Nr. 549/2004, ABl. L 96 vom 31. 3. 2004, S. 1; Nr. 550/2004, ABl. L 96 vom 31.3.2004, S.10; Nr. 551/2004, ABl. L 96 vom 31.3.2004, S. 20; Nr. 552/2004, ABl. L 96 vom 31.3.2004, S. 26; SES-Verordnungen) sehen schon in der bisher geltenden Fassung vor, den Luftraum in Europa in funktionale Luftraumblöcke umzustrukturieren. Die Einrichtung der Luftraumblöcke obliegt den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Ziel der Neugestaltung ist es, die bisherige Fragmentierung des Luftraums durch nationale Grenzen zu beseitigen und die sichere und effiziente Erbringung von Flugsicherungsdiensten gemäß betrieblichen Anforderungen über bestehende Grenzen hinweg zu gewährleisten.

Über die Öffnung für EG-Recht hinaus soll mit dem Gesetz die Möglichkeit geschaffen werden, die Wahrnehmung von Aufgaben der Flugsicherung durch ausländische Flugsicherungsorganisationen auch unabhängig bzw. in gestaltender Ausfüllung von Vorgaben des Europäischen Rechts zu regeln. Dies betrifft beispielsweise die konkrete Betrauung eines Anbieters mit Flugsicherungsaufgaben auf Regionalflughäfen. Aus praktischen und technischen Gründen kann zudem in vielen Fällen nicht auf die Wahrnehmung von Flugsicherungsdiensten aus einem angrenzenden Staat im Luftraum über deutschem Hoheitsgebiet verzichtet werden. Zusätzlich zu den fortbestehenden Möglichkeiten einer völkervertraglichen Regelung und der Übertragung von Hoheitsrechten an eine zwischenstaatliche Organisation wird eine Zulassung der Tätigkeit ausländischer Flugsicherungsorganisationen durch oder auf Grund Bundesgesetzes ermöglicht und auf diese Weise Rechtssicherheit geschaffen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Artikel 87d Absatz 1)

Nach Satz 1 wird die Luftverkehrsverwaltung in Bundesverwaltung geführt, soweit Recht der Europäischen Gemeinschaft nicht entgegensteht. Aufgrund der im ersten Halbsatz getroffenen Bestimmung, dass die Luftverkehrsverwaltung in Bundesverwaltung geführt wird, kann sie durch eigene Behörden und eigenes Personal des Bundes in unmittelbarer oder in mittelbarer Bundesverwaltung erfolgen. Im Rahmen mittelbarer Bundesverwaltung kann auch Dritten die Kompetenz zur selbstständigen hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung unter der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundes übertragen werden (Beleihung).

Der zweite Halbsatz des Satzes 1 stellt sicher, dass die für die Organisation der Luftverkehrsverwaltung grundsätzlich vorgegebene Hoheitlichkeit der Aufgabenwahrnehmung nur so weit gilt, als Recht der Europäischen Gemeinschaft nicht entgegensteht.

Die Luftverkehrsverwaltung einschließlich der Flugsicherung kann und soll danach grundsätzlich weiterhin in den Handlungsformen der Bundesverwaltung geführt werden.

Der zweite Halbsatz des Satzes 1 macht deutlich, dass hiervon nur abgewichen werden kann, wenn und soweit zwingende Vorgaben des Rechts der Europäischen Gemeinschaft dies gebieten.

Derartige zwingende Vorgaben des EG-Rechts, die bei der Ausgestaltung der Luftverkehrsverwaltung zu berücksichtigen sind, betreffen derzeit vor allem die Flugsicherung als einen Teilbereich der Luftverkehrsverwaltung. Flugsicherung wird in Form von verschiedenen Flugsicherungsdiensten erbracht. Zu diesen gehören nach der Terminologie der SES-Verordnungen Flugverkehrsdienste, Kommunikations-, Navigations- und Überwachungsdienste sowie Flugberatungsdienste (Artikel 2 Nr. 4, 16, 30 und 38 sowie Artikel 3 der Verordnung [EG] Nr. 549/2004). Kommunikations-, Navigations- und Überwachungsdienste (sog. CNS-Dienste: Communication, Navigation, Surveillance) sowie Flugberatungsdienste sollen nach dem Konzept der SES-Verordnungen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale dieser Dienste und unter Aufrechterhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus von den Mitgliedstaaten zu Marktbedingungen organisiert werden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 13 der Verordnung [EG] Nr. 550/2004). Insbesondere CNS-Dienste können daher schon nach geltendem EG-Recht nicht mehr als hoheitliche Aufgaben ausgestaltet werden.

Nach dem gegenwärtig in den Gremien der Europäischen Gemeinschaft beratenen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 549/2004, (EG) Nr. 550/2004, (EG) Nr. 551/2004 und (EG) Nr. 552/2004 im Hinblick auf die Verbesserung der Leistung und Nachhaltigkeit des Europäischen Luftverkehrssystems ("SES II") sollen außerdem die Mitgliedstaaten u.a. die Benennung einer Flugsicherungsorganisation im eigenen Luftraum nicht mehr mit der Begründung verweigern können, dass diese in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist oder sich im Eigentum von Staatsangehörigen jenes Staates befindet oder nur Einrichtungen in dem betreffenden Staat zu nutzen hat (Vorschlag der Europäischen Kommission, KOM (2008) 388 endg. (BR-Drs. 482/08 (PDF) ), Änderung des Artikels 8 der Verordnung (EG) Nr. 550/2004). Auch insofern ist eine Öffnung der grundsätzlich hoheitlich organisierten Luftverkehrsverwaltung geboten.

Schließlich erfordert auch die angestrebte Beteiligung Deutschlands an der nach dem gegenwärtigen Regelungskonzept staatsvertraglich zu vereinbarenden Zusammenarbeit in einem funktionalen Luftraumblock zur Umsetzung der SES-Verordnungen eine flexible Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Diese Entwicklungen auf europäischer Ebene machen die Modifikation des Grundprinzips nationaler hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung in der Luftverkehrsverwaltung durch Einfügung des Vorbehalts entgegenstehenden Rechts der Europäischen Gemeinschaft nötig.

Auch wo das Europäische Recht keine zwingenden Vorgaben enthält (so etwa hinsichtlich der Übergaben im grenznahen Bereich) bzw. den Mitgliedstaaten ein Auswahlermessen belässt (z.B. bei der Wahrnehmung von Flugsicherungsaufgaben auf Flughäfen), kann eine Tätigkeit ausländischer Flugsicherungsorganisationen fachlich unverzichtbar sein. Nach Satz 2 wird deshalb - neben der generellen Öffnung für EG-Recht in Satz 1, das allgemein eine diskriminierungsfreie Zulassung der Tätigkeit zertifizierter ausländischer Flugsicherungsorganisationen vorgibt - explizit bestimmt, dass Aufgaben der Flugsicherung auch unabhängig von zwingenden Vorgaben des Europäischen Rechts durch gemäß EG-Recht zertifizierte ausländische Flugsicherungsorganisationen wahrgenommen werden können. Dies unterliegt ebenfalls der näheren Regelung durch den Bundesgesetzgeber gemäß Satz 3.

Da bei ausländischen Organisationen die für eine Beleihung notwendige Einbindung in die staatliche Verwaltung nicht in gleicher Weise möglich ist wie bei inländischen Stellen, bedarf ihre Zulassung einer besonderen Ausgestaltung der öffentlichrechtlichen Aufsichts-, Kontroll- und Steuerungsrechte für die zivile und die zivilmilitärische Flugsicherung.

Hierbei ist zu beachten, dass die Wahrnehmung der verfassungsmäßigen Aufgaben der Streitkräfte nicht beeinträchtigt, verzögert oder in sonstiger Weise erschwert werden darf. Die zu gewährleistenden personellen und sachlichen Voraussetzungen für eine sachgerechte, den Anforderungen an die Verkehrssicherheit genügende Aufgabenwahrnehmung und deren Kontrolle sind zu regeln.

Satz 3 bestimmt, dass die mit dem zweiten Halbsatz des Satzes 1 ermöglichten Modifikationen des Grundsatzes hoheitlicher Aufgabenwahrnehmung ebenso wie die Wahrnehmung von Aufgaben der Flugsicherung durch nach EG-Recht zugelassene ausländische Flugsicherungsorganisationen einer bundesgesetzlichen Regelung bedürfen.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

C. Gesetzesfolgen

Durch die Verfassungsänderung ergeben sich keine finanziellen Auswirkungen.

Die Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte hängen von der einfachgesetzlichen Ausformung der Verfassungsänderung ab und sind noch nicht bezifferbar. Der Wirtschaft und insbesondere den mittelständischen Unternehmen entstehen durch dieses Gesetz keine Kosten. Auswirkungen auf die Einzelpreise, das allgemeine Preisniveau und das Verbraucherpreisniveau sind nicht zu erwarten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz

NKR-Nr. 866:
Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 87d)

Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetzentwurf werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Daher hat der Nationale Normenkontrollrat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter