Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Hinweis: vgl.
Drucksache 468/99 = AE-Nr. 992399,
Drucksache 506/03 (PDF) = AE-Nr. 032596,
Drucksache 829/05 (PDF) = AE-Nr. 053100,
Drucksache 817/13 (PDF) = AE-Nr. 131148,
Drucksache 249/16 (PDF) = AE-Nr. 160379 Europäische Kommission
Brüssel, den 17.5.2018 COM (2018) 330 final
Mitteilung der Kommission an Das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Ein Europa, das schützt: Saubere Luft für alle
1. Herausforderung LUFTQUALITÄT
Durch die gemeinsamen Bemühungen der EU und der nationalen, regionalen und lokalen Behörden hat sich die Luftqualität in der Europäischen Union (EU) in den letzten Jahrzehnten verbessert. Dies führte dazu, dass das BIP der EU seit 2000 um 32 % gestiegen ist und die Emissionen der wichtigsten vier Luftschadstoffe - je nach Schadstoff - um 10 % bis 70 % zurückgegangen sind.'
Dessen ungeachtet wird die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger der EU weiterhin dadurch beeinträchtigt, dass die Luftqualitätsnormen immer noch nicht eingehalten werden. Besonders spürbar ist dies in urbanen Gebieten, in denen die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Europas leben.
Die Luftverschmutzung verursacht chronische und ernsthafte Erkrankungen wie Asthma, Herz-Kreislauf-Probleme und Lungenkrebs. Jüngsten Daten der Weltgesundheitsorganisation zufolge2 sind die Luftverschmutzungswerte in vielen Teilen der Welt nach wie vor bedrohlich hoch; so atmen neun von zehn Menschen Luft mit hohem Luftschadstoffgehalt ein. Die Luftverschmutzung stellt - mit über 400 000 vorzeitigen Todesfällen jährlich - weiterhin die häufigste umweltbedingte Ursache für frühe Sterblichkeit dar.3 Die Gesellschaft entrichtet dafür mit enormen externen Gesundheitskosten einen hohen Preis.4
Die Öffentlichkeit ist für die Luftverschmutzung stark sensibilisiert, und die Bürgerinnen und Bürger erwarten Taten seitens der Behörden. Aus der jüngst durchgeführten Umfrage zur Umweltsituation in der EU geht hervor, dass die Luftverschmutzung nach dem Klimawandel von der Bevölkerung als das besorgniserregendste Problem angesehen wird.5 Sie hat berechtigte Erwartungen, dass auf allen Ebenen wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung und zum Schutz vor ihren schädlichen Auswirkungen ergriffen werden.
Zur Bewältigung dieser Situation legte die EU mit Rechtsvorschriften, die zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament vereinbart wurden, als Ziel fest, die Luftverschmutzung auf ein Niveau zu senken, das weder negative Auswirkungen auf noch Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit sich bringt. Zur Erreichung dieses Ziels gilt es, im Rahmen wirksamer Maßnahmen für eine bessere Luftqualität auf globaler, europäischer, nationaler und lokaler Ebene zu handeln und zusammenzuarbeiten.
Im Einklang mit dem Grundsatz der Subsidiarität erfolgt die Umsetzung größtenteils über nationale, regionale und lokale, auf die besonderen Anforderungen und Umstände zugeschnittene Maßnahmen.
In dieser Mitteilung werden die breit angelegten politischen Bemühungen, mit denen die EU die zur Einhaltung ihrer Ziele erforderlichen Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützt und fördert, dargelegt; ferner wird darin auf die Durchsetzungsmaßnahmen eingegangen, mit deren Hilfe derzeit gewährleistet wird, dass das gemeinsame Ziel einer sauberen Luft für alle Bürgerinnen und Bürger Europas in der gesamten EU auf Dauer verwirklicht wird.
2. EU-STRATEGIE für SAUBERE LUFT
Die EU setzt sich seit Jahrzehnten durch die Kontrolle der Emissionen von Schadstoffen in die Atmosphäre, die Verbesserung der Kraftstoffqualität sowie durch die Integration von Umweltschutzanforderungen in die Sektoren Verkehr, Industrie und Energie für eine bessere Luftqualität ein. Damit soll die Luftverschmutzung auf ein Niveau reduziert werden, bei dem die schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt im gesamten Gebiet der EU minimiert werden. Da die Luftverschmutzung vor nationalen Grenzen nicht haltmacht, ist eine Koordinierung auf EU-Ebene so wichtig. Nach EU-Recht wird die Wahl der Mittel für die Einhaltung der auf EU-Ebene vereinbarten Grenzwerte den Mitgliedstaaten überlassen. Bei den wichtigsten Verschmutzungsquellen wird mit auf EU-Ebene geltenden Normen eine effiziente Funktionsweise des Binnenmarktes gewährleistet.
Im Rahmen des Programms "Saubere Luft für Europa" aus dem Jahr 20136 wurde das Ziel bekräftigt, eine möglichst rasche vollumfängliche Einhaltung bestehender Luftqualitätsstandards in der EU anzustreben, und es wurden Zielvorgaben für die Jahre 2020 und 2030 festgelegt. Die diesbezüglichen Bemühungen der EU ruhen auf drei Hauptsäulen.
Die erste Säule umfasst die Luftqualitätsnormen, die in den Luftqualitätsrichtlinien7 für bodennahes Ozon, Partikel, Stickoxide, gefährliche Schwermetalle und eine Reihe weiterer Schadstoffe festgelegt sind.8 Diese Luftqualitätsnormen sollten von allen Mitgliedstaaten in ihrem gesamten Hoheitsgebiet je nach Schadstoff ab 2005 bzw. 2010 eingehalten werden.9 Bei Überschreitung der festgelegten Grenzwerte sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Luftqualitätspläne mit einer detaillierten Beschreibung von Maßnahmen zu erstellen, mit deren Hilfe der Zeitraum, in dem die Grenzwerte überschritten werden, so kurz wie möglich gehalten wird.
Die zweite Säule umfasst die nationalen Emissionsreduktionsziele, die im Rahmen der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für die wichtigsten grenzübergreifenden Luftschadstoffe festgelegt wurden, nämlich für Schwefeloxide, Stickstoffoxide, Ammoniak, flüchtige organische Verbindungen und Staub.10 Unlängst wurden die nationalen Emissionsreduktionsziele im Hinblick auf die Aufnahme neuer Grenzwerte für die Jahre 2020 und 2030 sowie eines zusätzlichen Schadstoffes - Feinstaub (PM2,5) - überarbeitet. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zur Emissionsbegrenzung sind die Mitgliedstaaten gehalten, bis 2019 nationale Programme zur Überwachung der Luftverschmutzung zu entwickeln.
Die dritte Säule umfasst Emissionsnormen für die wichtigsten Verschmutzungsquellen, angefangen bei Fahrzeug- und Schiffsemissionen bis hin zu den Bereichen Energie und Industrie. Die Festlegung dieser Normen erfolgt in EU-Rechtsvorschriften, die auf Industrieemissionen11, Emissionen von Kraftwerken12, Fahrzeugen13 und Kraftstoffen14 sowie auf die Energieeffizienz von Produkten15 abzielen.
Darüber hinaus wurde im Nachgang zum Skandal um die Schadstoffemissionen durch Kraftfahrzeuge im Jahr 2015 das Legislativpaket zur Kontrolle der Emissionen von Fahrzeugen im praktischen Fahrbetrieb16 erlassen, mit dem gewährleistet wird, dass die Emissionsnormen ordnungsgemäß umgesetzt und die Typgenehmigungsanforderungen verschärft werden. Das Paket umfasst Tests für Stickstoffoxid- und Partikelemissionen sowie neu einzuführende Regeln für die Prüfung der Übereinstimmung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge, mit denen die Prüfungen bereits in Betrieb befindlicher Fahrzeuge verbessert werden sollen. Mit den letzten, am 3. Mai erlassenen Änderungen wurden die Spielräume technischer Unsicherheiten bei den Prüfungen der Emissionen unter realen Fahrbedingungen reduziert, die Emissionsprüfungen bereits im Verkehr eingesetzter Fahrzeuge ausgeweitet sowie Prüfungen durch unabhängige und zugelassene Dritte eingeführt. Darüber hinaus müssen seit September 2017 neue Typen von leichten Nutzfahrzeugen ein neuartiges Prüfverfahren für Labortests im Rahmen von Typgenehmigungen durchlaufen, das den realen Fahrbedingungen näherkommt.17
Darüber hinaus legte die Europäische Kommission einen Vorschlag für neue CO₂-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vor, der die Hersteller dabei unterstützen soll, weitere Innovationen vorzunehmen und eine wesentlich höhere Zahl emissionsarmer und -freier Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.18 Auch der im Rahmen des dritten Mobilitätspakets erstmalig vorgelegte Legislativvorschlag der Europäischen Kommission zu CO₂-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge dürfte langfristige und indirekte Auswirkungen auf die Luftqualität haben, und zwar durch weitere Verbesserungen bei der Kraftstoffeffizienz und den Treibhausgasemissionen in diesem Segment sowie durch die Schaffung von Anreizen für das Inverkehrbringen emissionsarmer und -freier Fahrzeuge (einschließlich Busse) und den damit verbundenen positiven Folgewirkungen für die Luftschadstoffemissionen.
Darüber hinaus ist die EU mit Rechtsvorschriften zur Festlegung von Mindestanforderungen für die Luftqualität am Arbeitsplatz19 sowie durch die Festlegung von Arbeitsplatzgrenzwerten für eine Reihe gefährlicher chemischer Stoffe um den Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern bemüht. Besonders aktiv agierte die Kommission, als sie mit einer Reihe von Vorschlägen zur Änderung der Richtlinie über Karzinogene und Mutagene Grenzwerte festgelegte, die auf einen besseren Schutz von Millionen von Arbeitnehmern vor berufsbedingten Krebserkrankungen - die häufigste Ursache für auf die Berufsausübung zurückzuführende Todesfälle - abzielen.20
3. Beispiele für Maßnahmen zur Verringerung der LUFTVERSCHMUTZUNG
In den vergangenen Jahren wurden auf der Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und auf lokaler Ebene mit verschiedenen Maßnahmenpaketen die Luftschadstoffemissionen, unter anderem von Großfeuerungs- und Industrieanlagen und verkehrsbedingte Emissionen (z.B. durch Verbesserungen der Treibstoffqualität und die stufenweise eingeführten "Euro-Normen" für Schadstoffemissionen), erfolgreich reduziert. Dies ist ein Beweis dafür, dass es mit kostenwirksamen Lösungen möglich ist, die Innovationstätigkeit zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit der EU im Einklang mit den breiter gefassten Prioritäten der Europäischen Kommission in den Bereichen nachhaltiges Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen positiv zu beeinflussen.21
3.1. Maßnahmen zur Verringerung verkehrsbedingter Emissionen
Laut den aktuellsten verfügbaren Daten ist der Verkehrssektor der Hauptverursacher von Stickstoffoxidemissionen und eine wesentliche Quelle von Partikelemissionen.22
Maßnahmen zur weiteren Verringerung der Emissionen können auf technische Verbesserungen, Verhaltensänderungen und Nachfragesteuerung (Förderung saubererer Verkehrsmittel durch Städteplanung oder Carsharing-Optionen) oder auf Infrastrukturinvestitionen (Stichwort alternative Treibstoffe oder öffentlicher Verkehr) abzielen.
Zur Unterstützung der Behörden bei der Durchführung dieser Maßnahmen legte die Europäische Kommission im Vorjahr zwei Mobilitätspakete vor. Im Rahmen des ersten Mobilitätspakets schlug die Europäische Kommission eine Aktualisierung der EU-Rechtsvorschriften für Straßenbenutzungsgebühren und die Ausdehnung ihres Anwendungsbereichs auf Autobusse, leichte Nutzfahrzeuge und Personenkraftwagen23 vor, sodass angemessene, entfernungsabhängige Straßenbenutzungsgebühren - differenziert nach der Umweltverträglichkeit schwerer und leichter Nutzfahrzeuge im Hinblick auf die Internalisierung ihrer realen Nutzungskosten - gefördert werden. Das zweite Mobilitätspaket enthielt Maßnahmen zur Förderung besser integrierter und umweltfreundlicherer öffentlicher Verkehrsmittel für eine Verlagerung des Güterfernverkehrs von der Straße auf die Schiene, auf Binnenwasserwege oder Kurzstreckenseewege sowie für einen rascheren Umstieg auf emissionsarme und -freie Fahrzeuge mithilfe der neuen CO₂-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge sowie im Wege öffentlicher Aufträge24, insbesondere zur Anschaffung emissionsfreier Stadtbusse. Ferner präsentierte die Europäische Kommission einen durch zusätzliche Mittel finanzierten Aktionsplan25 für die europaweite Einführung einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, der auch Ladestationen für Elektrofahrzeuge vorsieht. Darüber hinaus schlug die Kommission im Rahmen des dritten Mobilitätspakets CO₂-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge sowie Anreize für emissionsfreie und -arme Fahrzeuge vor. Überdies unterbreitete die Kommission einen strategischen Plan für ein konkurrenzfähiges und nachhaltiges "Batterie-Ökosystem" in Europa, bei dem die Herstellung von Batteriezellen im Mittelpunkt steht. Für die Automobilindustrie der EU wird die Konkurrenzfähigkeit bei der Produktion von Batterien in Europa eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, sich Wettbewerbsvorteile im Bereich emissionsfreier und -armer Fahrzeuge zu verschaffen.
Schließlich erstellt die Europäische Kommission nicht bindende Leitlinien mit Empfehlungen und bewährten Verfahren, die für lokale Verwaltungen im Zusammenhang mit Zufahrtsbeschränkungen für Fahrzeuge in Städten hilfreich sein können. So gibt es über den Einsatz herkömmlicher Aufkleber hinaus - auch dank moderner Informationstechnologien - unterschiedlichste Möglichkeiten zur Durchsetzung von Umweltzonen. Die Europäische Kommission bemüht sich gemeinsam mit den Interessenträgern und den nationalen und lokalen Behörden darum, Zufahrtsregelungen einheitlicher zu gestalten und besser zu bewerben und unterstützt die Stadtverwaltungen bei der Bereitstellung diesbezüglicher Informationen/Daten. In jedem Fall ist es wichtig, dass alle Pläne für Zufahrtsregelungen nicht isoliert, sondern als Bestandteil eines umfassenden Plans für nachhaltige urbane Mobilität konzipiert und ordnungsgemäß in lokale Luftqualitätspläne gemäß der Richtlinie 2008/50/EG
/EU integriert werden.
Veranstaltungen wie die Kampagne zur Europäischen Mobilitätswoche, die häufig einen autofreien Tag als Komponente umfassen, können ein nützliches Instrument zur Sensibilisierung für die Vorteile der sauberen Luft mit Maßnahmen wie Zu-Fuß-Gehen oder Radfahren darstellen.
3.2. Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen aus Strom- und Wärmeerzeugung
Die Verfeuerung von Brennstoffen in Kraftwerken, Industrieanlagen und Haushalten zur Strom- und Wärmeerzeugung ist der Hauptverursacher von Emissionen von Partikeln und Schwefeldioxid.26
Maßnahmen zur Verringerung von Schadstoffemissionen aus Strom- und Wärmeerzeugung und Bemühungen um eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen gehen oftmals Hand in Hand. Dabei werden ohne Verbrennungstechnologie auskommende Energiequellen (Solar- und Windenergie oder Wasserkraft), Kraft-Wärme-Kopplung, dezentrale Energieerzeugungseinheiten (z.B. Mini-Netze und Solardachanlagen), Programme, auch steuerliche Anreize, für den Austausch älterer und ineffizienter Kessel in Haushalten, Fernwärme- und Fernkälteversorgung oder - in bestimmten Fällen - Festbrennstoffverbote verstärkt genutzt. Durch diese Maßnahmen werden Partikelemissionen sehr wirksam verringert. Die EU-Beihilfevorschriften geben den Mitgliedstaaten einen Rahmen vor, der es ihnen ermöglicht, Investitionen in solche Maßnahmen zu fördern.
3.3. Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen aus der Industrie
Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen aus der Industrie - die zweitwichtigste Quelle von Partikelemissionen und die größte Quelle von flüchtigen organischen Verbindungen - werden größtenteils durch die Anwendung der gemäß der EU-Richtlinie über Industrieemissionen27 festgelegten "besten verfügbaren Techniken" durchgeführt. In der Praxis müssen große Industrieanlagen in der EU sowie große Wärmekraftwerke die wirksamsten Techniken zur Emissionsvermeidung oder -verringerung einsetzen, die technisch durchführbar und innerhalb der Branche wirtschaftlich durchsetzbar sind.
Mit derartigen Maßnahmen konnten bereits erhebliche Verbesserungen der Luftqualität erzielt werden und durch die Umsetzung der neuen, im Jahr 2017 angenommenen EU-Umweltstandards für Großfeuerungsanlagen werden die Schwefeldioxid- und Stickstoffdioxidemissionen in ganz Europa weiter verringert.
3.4. Maßnahmen zur Verringerung von Emissionen aus der Landwirtschaft
Die Landwirtschaft ist eine der Hauptquellen von Luftschadstoffen wie z.B. Ammoniak, einer wichtigen Vorläufersubstanz für Partikel mit nicht unbeträchtlichen Auswirkungen auf städtische Gebiete. Zur Reduzierung solcher Emissionen werden agronomische Maßnahmen (zur Verringerung des Bedarfs an Stickstoffdünger) ergriffen, ferner die tierische Erzeugung betreffende Maßnahmen (geschlossene Lagerung von Wirtschaftsdünger, verbesserte Anwendung von Wirtschafts- und Harnstoffdünger, bessere Fütterungsstrategien, sodass die Tiere ammoniumärmeren Dünger produzieren, sowie anaerobe Vergärung für große Landwirtschaftsbetriebe) oder Energiesparmaßnahmen (Entwicklung von Fotovoltaikanlagen oder Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs). Diese Maßnahmen sind bereits nutzbar, sie sind technisch und wirtschaftlich durchführbar und sollten in größerem Umfang zur Anwendung kommen.
4. Zusammenarbeit für eine SAUBERE LUFT für alle EUROPÄERINNEN und EUROPÄER
Mit Blick auf die Sorgen, die sich die Bürgerinnen und Bürger zu Recht um ihre Gesundheit machen, haben sich die Mitgliedstaaten im Rat und das Europäische Parlament auf Luftqualitätsstandards verständigt. Durch gemeinsame Luftqualitätsstandards wird für alle Menschen in der gesamten EU ein Mindeststandard für die Luftqualität gewährleistet, zudem werden EU-weit gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Industrie geschaffen. Als Voraussetzung für ihre wirksame Umsetzung gilt es, über die Verwaltungsgrenzen zwischen den Behörden hinweg wirksame Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zu ergreifen. Wenn aufgrund von Untätigkeit die einschlägigen EU-Rechtsvorschriften nicht eingehalten werden, liegt die Entscheidungsbefugnis bei den nationalen Gerichten, wie aus den unlängst in den in einer Reihe von Mitgliedstaaten gefällten Urteilen ersichtlich ist.28
Die finanzielle Unterstützung der EU und eine enge Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission sind ebenfalls unerlässlich. Die Europäische Kommission hat daher ihre Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten intensiviert und fördert deren Bemühungen durch verschiedene Initiativen und Maßnahmen. Sie ist bereit, diese Kooperation - auch auf der Grundlage der nationalen Energie- und Klimapläne - auszuweiten.
4.1. Ausweitung der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten im Rahmen von Dialogen über saubere Luft
Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei ihren Umsetzungsmaßnahmen hat die Europäische Kommission mit den Mitgliedstaaten bereits mehrere Dialoge über saubere Luft geführt. Die Kommission bemüht sich ferner um Synergien mit politischen Maßnahmen in den Bereichen Energieunion und Klimawandel, wie dem Paket für saubere Mobilität, und mit Dialoginitiativen wie der im Rahmen des Pakets "Saubere Energie für alle Europäer" eingerichteten Plattform für Kohleregionen im Wandel29.
Darüber hinaus ist die Europäische Kommission bereit, weitere Gespräche mit den Mitgliedstaaten zu führen, und zwar auch im Rahmen von Veranstaltungen in den Hauptstädten, die als Forum für "Dialoge über saubere Luft" in Mitgliedstaaten mit erheblichen Umsetzungslücken dienen. Ziel ist es, einschlägige Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten in allen Branchen voll umzusetzen, Sensibilisierungsarbeit zu leisten und den Bürgerinnen und Bürgern eine direkte Mitwirkung an den zur Verbesserung der Luftqualität eingeleiteten Maßnahmen zu ermöglichen. Damit wird die Teilnahme hochrangiger Politiker an diesen Dialogen gewährleistet, und die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die Dialoge zu nutzen, um einen integrierten, über Branchen und Governance-Ebenen hinweg konzipierten Ansatz zur Bewältigung der Herausforderungen der Luftqualität zu entwickeln.
Auf diese Weise wird die Zusammenarbeit ergänzt, die im Kontext der Überprüfung der Umsetzung des Umweltrechts und des Peerto-Peer-Instruments - beide wurden 2017 zur besseren Umsetzung des Umweltrechts in der EU eingeführt - betrieben wird. Mit der gleichen Zielsetzung sowie zur Förderung der auf Ebene der Mitgliedstaaten bei einer Überschreitung luftqualitätsrelevanter Werte eingeleiteten Maßnahmen wird die Europäische Kommission das Forum für den Vollzug des Umweltrechts und Umweltordnungspolitik30 nutzen.
4.2. Mitgliedstaaten, Regionen und Städte zusammenbringen
Mit den Initiativen "EU-Städteagenda" und "Innovative Maßnahmen für eine nachhaltige Stadtentwicklung", für die im laufenden Finanzierungszeitraum 372 Mio. EUR vorgesehen werden31, wird die Zusammenarbeit mit und zwischen den Akteuren in den Städten der EU zur Bewältigung der Luftverschmutzung in urbanen Gebieten weiter gefördert. Damit sollen konkrete Maßnahmen zur Bewältigung von Herausforderungen in städtischen Gebieten von der Bekämpfung der Luftverschmutzung bis hin zur Mobilität und nachhaltigen Stadtentwicklung unterstützt werden.
Das von der Europäischen Kommission im November 2017 in Paris ins Leben gerufene Forum "Saubere Luft" sowie die dem Thema urbane Herausforderungen gewidmete Grüne Woche 1832 ermöglichen einen Austausch bewährter Verfahren zwischen allen Akteuren aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor und helfen gleichzeitig maßgeblichen Interessenträgern ihre Kapazitäten zur Verbesserung der Luftqualität auszubauen. Darüber hinaus wird damit auch die Kohärenz der auf allen Governance-Ebenen eingeleiteten Maßnahmen gestärkt.
Zur Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte, die in europäischen Städten - auch im Zuge der Agenda für eine saubere Luft - betrieben werden, haben die Europäische Kommission und die Europäische Investitionsbank URBIS33, eine neue spezielle Beratungsplattform für städtische Behörden, eingerichtet. Mit URBIS sollten die Städte einen besseren Zugang zu der technischen und finanziellen Beratung erhalten, die für die Entwicklung von städtischen Investitionsprojekten und -programmen und von innovativen Finanzierungs-/Investitionsplattformen erforderlich ist. Es ist bereits abzusehen, dass seitens der städtischen Behörden eine starke Nachfrage nach Dienstleistungen dieser Art besteht.
Ferner könnten Synergien mit dem globalen Bürgermeisterkonvent angestrebt werden, um erfolgreich zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beizutragen und den Umstieg auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft und Resilienz auf städtischer Ebene zu fördern.
4.3. Bereitstellung von EU-Finanzmitteln für die Unterstützung von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität
Es wurden EU-Finanzmittel aus verschiedenen Finanzströmen zur Verfügung gestellt und von den Mitgliedstaaten erfolgreich bei der Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Luftqualität eingesetzt, indem entweder Projekte für die Luftqualität direkt unterstützt oder Luftqualitätsziele effizient in andere Investitionen (z.B. Infrastruktur, Landwirtschaft sowie ländliche und regionale Entwicklung) integriert wurden. Die Europäische Kommission wird ihre Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ausbauen, um diese bei der optimalen Nutzung der in diesem Programmplanungszeitraum noch verfügbaren Mittel zu unterstützen.
Im gegenwärtigen Programmplanungszeitraum 2014-2020 haben die Mitgliedstaaten im Rahmen der europäischen Struktur- und Investitionsfonds 1,8 Mrd. EUR für die Unterstützung von Maßnahmen für die Luftqualität vorgesehen. Außerdem dürften potenzielle indirekte Beiträge für eine sauberere Luft noch in Form von Investitionen geleistet werden, die aus Mitteln der europäischen Struktur- und Investitionsfonds 2014-2020 in die CO₂-arme Wirtschaft (45 Mrd. EUR), in Umweltschutz und Ressourceneffizienz (insgesamt 63 Mrd. EUR) und in Netzinfrastrukturen (insgesamt 58 Mrd. EUR) fließen und insbesondere benachteiligten Regionen und Bürgern zugutekommen.
Bisher ist ein Viertel aller Investitionen im Rahmen des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (ca. 80 Mrd. EUR) in den Bereichen Energie, Verkehr und Umwelt getätigt worden. All dies wirkt sich indirekt positiv auf die Luftqualität aus. Des Weiteren sorgt auch das Rahmenprogramm der EU für Forschung und Innovation - Horizont 2020 - indirekt für die Verringerung von Emissionen und eine Verbesserung der Luftqualität. Finanzmittel werden auch für Forschungskomponenten für sauberere Verkehrslösungen bereitgestellt.
Die Europäische Kommission hat vor Kurzem vorgeschlagen, 1 Mrd. EUR in 39 Projekte für sauberen Verkehr zu investieren und damit das Schienennetz in Europa zu modernisieren, die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe weiterzuentwickeln und den Weg für einen emissionsfreien Verkehr auf dem Wasserweg zu ebnen. Durch den Beitrag der Kommission werden insgesamt 4,5 Mrd. EUR an öffentlichen und privaten Kofinanzierungsmitteln im Rahmen der Fazilität "Connecting Europe" mobilisiert. Bei der vor Kurzem abgeschlossen Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für Mischfinanzierungsprojekte für Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und sauberere Mobilität wurden 69 Projektvorschläge mit einem Gesamtinvestitionswert von 4,2 Mrd. EUR eingereicht, für die das Dreifache der verfügbaren Finanzhilfen von 350 Mio. EUR erforderlich wäre. Ergebnisse sollen im Oktober 2018 vorliegen. Diese Investitionen werden zur Förderung eines saubereren Verkehrs in Europa und damit zu einer Verringerung der Emissionen beitragen.
Auch das LIFE-Programm für Umwelt- und Klimapolitik hat einen maßgeblichen Beitrag für saubere Luft geleistet. So erleichterte etwa das integrierte Projekt im Rahmen von LIFE für eine gesunde Atmosphäre in Małopolska ("Małopolska in a healthy atmosphere") - mit einem ursprünglichen Etat von rund 16 Mio. EUR und über 800 Mio. EUR an zusätzlich mobilisierten Mitteln - die Umsetzung des Plans zur Verbesserung der Luftqualität in der Region Małopolska und trug damit zur Verbesserung der Lebensqualität für ca. 20 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Małopolska und Schlesien (Polen), aber auch in anderen Mitgliedstaaten wie der Slowakei und der Tschechischen Republik bei. In zukünftigen Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen werden integrierte Projekte für eine bessere Luftqualität im Rahmen des LIFE-Programms besonders gefördert.
Im Vorschlag der Europäischen Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen 212734 ist vorgesehen, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität weiterhin zu unterstützen, indem unter anderem angestrebt wird, dass 25 % der Ausgaben der EU zur Erreichung von Klimazielen beitragen sollen, und indem das LIFE-Programm ausgebaut wird; außerdem werden Maßnahmen zur Förderung von sauberen Energien, Energieeffizienz und eine reformierte Gemeinsame Agrarpolitik unterstützt.
4.4. Staatliche Beihilfen zur Erleichterung inländischer Investitionen in emissionsarme und emissionsfreie Mobilität
Zur Erleichterung inländischer Finanzierungsprogramme bieten die EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen einen Rahmen, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Investitionen in emissionsarme und emissionsfreie Mobilität zu erleichtern und damit einen Beitrag zu sauberer Luft und zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten und zugleich unsere Industrie wettbewerbsfähiger zu machen. Die Mitgliedstaaten können diese Regelungen (auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene) nutzen, um - etwa aus dem Straßenverkehr stammende - Emissionen wirksam zu bekämpfen. Das im Februar 2018 genehmigte Programm für staatliche Beihilfen in Deutschland ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie die Mitgliedstaaten durch Vorschriften der EU dabei unterstützt werden, Investitionen zum Ankauf von Elektrobussen, aufladbaren Hybridbussen und der zugehörigen Ladeinfrastruktur zu erleichtern und damit die Luftverschmutzung einzudämmen.35
4.5. Fortgesetzte Durchsetzungsmaßnahmen
Die Europäische Kommission hat in den vergangenen Jahren - schon vor dem Inkrafttreten von Grenzwerten - intensiv mit nationalen Behörden zusammengearbeitet, um schrittweise Veränderungen zu steuern und ihnen Hilfestellung bei der Einhaltung der Vorschriften zur Luftqualität zu geben. Dies hat zwar zu Verbesserungen geführt, einige zentrale Probleme sind jedoch noch ungelöst. Besonders besorgt ist die Europäische Kommission über die anhaltenden Überschreitungen der Grenzwerte für zwei Schadstoffe mit erheblichen Auswirkungen auf die Gesundheit, nämlich Stickstoffdioxid, das vorrangig durch den Straßenverkehr36 und die Industrie freigesetzt wird, und Partikel, die in erster Linie in Emissionen aus Industrie, Verkehr, Beheizung von Wohngebäuden und Landwirtschaft vorkommen. Die Europäische Kommission ist entschlossen, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten weiter daran zu arbeiten, die vereinbarten Standards für die Luftqualität zu erreichen und parallel ihre rechtlichen Befugnisse zur Durchsetzung der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften zu nutzen.
Übermäßige Luftverschmutzung durch Partikel und Stickstoffdioxid
Aktueller Stand
Für Partikel gelten die Grenzwerte der EU seit dem 1. Januar 2005. Die Partikelkonzentration liegt jedoch in großen Teilen Europas weiterhin über den Grenzwerten, in 19 von 28 Mitgliedstaaten wurden Überschreitungen gemeldet.37 Laut den aktuellsten verfügbaren Daten waren 19 % der städtischen Bevölkerung in der EU Partikelkonzentrationen über dem EU-Tagesgrenzwert ausgesetzt, etwa die Hälfte war Konzentrationen ausgesetzt, die über den strikteren Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation lagen.38
Die Europäische Kommission hat gegen 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Portugal, Polen, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik und Ungarn) Vertragsverletzungsverfahren wegen anhaltend hoher Partikelkonzentrationen (PM10) durchgeführt.
In den Jahren 1739 und 1840 hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits Urteile zu zwei der gravierendsten Fälle überhöhter Partikelbelastung in Europa, nämlich in Bulgarien und Polen, erlassen. Diese Urteile bestätigen die Auffassung der Europäischen Kommission, wonach die betreffenden Mitgliedstaaten bei anhaltenden Überschreitungen wirksamere Maßnahmen ergreifen müssen, um die Dauer der Überschreitungen so kurz wie möglich zu halten.41
Außerdem wurde aufgrund von Überschreitungen des Grenzwerts für Schwefeldioxid ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Bulgarien eingeleitet. Da die Verschmutzung durch Schwefeldioxid in erster Linie von der Industrie verursacht wird, hätten Fortschritte bei der Verringerung von Partikeln auch positive Auswirkungen in Bezug auf Schwefeldioxid.
Für Stickstoffdioxid gelten verbindliche Grenzwerte der EU seit dem 1. Januar 2010. Der Jahresgrenzwert wird weiterhin in ganz Europa regelmäßig überschritten - insgesamt wurden in 22 der 28 Mitgliedstaaten Überschreitungen gemeldet.42 Laut den neuesten verfügbaren Daten waren 9 % der städtischen Bevölkerung in der EU Stickstoffdioxidkonzentrationen ausgesetzt, die über dem Jahresgrenzwert lagen.43
Bisher wurden gegen 13 Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich) Vertragsverletzungsverfahren wegen anhaltender Überschreitungen der Grenzwerte für Stickstoffdioxid eingeleitet.
Weitere Maßnahmen
Neun Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Rumänien, die Slowakei, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich), gegen die Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit übermäßiger Luftverschmutzung durch Partikel oder Stickstoffdioxid laufen, deren nächster Schritt die Anrufung des EU-Gerichtshofes wäre, wurden von der Europäische Kommission am 30. Januar 2018 zu einem Luftqualitätsgipfel nach Brüssel eingeladen.
Bei dem Treffen wurde an die betreffenden Mitgliedstaaten appelliert, zusätzliche verbindliche Zusagen für zeitnahe, wirksame und glaubwürdige Maßnahmen zur Behebung der Ursachen der derzeitigen Überschreitungen zu machen und sobald wie möglich in allen Ballungsräumen für die Einhaltung der Grenzwerte zu sorgen.
Nach der Auswertung der von diesen Mitgliedstaaten im Anschluss an dieses Treffen übermittelten zusätzlichen Informationen kommt die Europäische Kommission zu dem Schluss, dass die von sechs dieser Mitgliedstaaten44 geplanten oder ergriffenen Maßnahmen ungeeignet sind, die Zeiträume der Überschreitungen so kurz wie möglich zu halten, so wie dies in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefordert wird. Daher hat die Kommission beschlossen, diese Mitgliedstaaten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen.45
Außerdem ist es von zentraler Bedeutung, eine ordnungsgemäße Überwachung der Luftqualität auf dem gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sicherzustellen. Dazu gehört beispielsweise die Einrichtung von Messstellen in Gebieten mit den höchsten Schadstoffkonzentrationen, denen die Bevölkerung in Bezug auf die geltenden Grenzwerte über einen erheblichen Zeitraum ausgesetzt sein dürfte. Diesbezüglich hat die Kommission Vertragsverletzungsverfahren in den Fällen angestrengt, in denen die Überwachung und Berichterstattung nachweislich nicht ordnungsgemäß erfolgte und Maßnahmen zur Einrichtung angemessener Systeme unterblieben; betroffen s i.d.R. mänien, die Slowakei, Belgien und Luxemburg. Sollten diese Mitgliedstaaten keine angemessenen Maßnahmen ergreifen, wird die Kommission den nächsten Schritt in diesen Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Sicherstellung der vollständigen Einhaltung der Schadstoffemissionsnormen für Fahrzeuge
Einhaltung der geltenden Vorschriften durch die Mitgliedstaaten
Infolge des Skandals um die Emissionen von Dieselfahrzeugen im Jahr 2015 forderte die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten auf, tätig zu werden und insbesondere die EU-Rechtsvorschriften durchzusetzen. Auf EU-Ebene wurden Maßnahmen ergriffen, und zwar vor allem angesichts
- a) der ungenügenden Rückrufquote von Fahrzeugen, die mit nach EU-Recht verbotenen Abschalteinrichtungen ausgestattet waren, und
- b) der Nichtverhängung von Verwaltungsstrafen - insbesondere Bußgeldern - für Kfz-Hersteller, nachdem es zu Verstößen gegen EU-Rechtsvorschriften nach manipulierten Abgasprüfungen gekommen war.
Diesbezüglich ersuchte die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten, EU-weit verpflichtende und/oder freiwillige Rückrufe durchzuführen. Außerdem bat die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten, die Möglichkeit zu prüfen, ergänzend zu Software-Updates Nachbesserungen der Hardware vorzunehmen, um sicherzustellen, dass die Emissionen der betroffenen Fahrzeuge den Rechtsvorschriften der EU voll und ganz entsprechen.
Ferner geht die Europäische Kommission entschlossen gegen EU-Mitgliedstaaten vor, von denen die in den EU-Rechtsvorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen vorgesehenen Verpflichtungen nicht erfüllt werden. Bezüglich der Strafen für die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen einerseits und der von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Korrekturmaßnahmen andererseits wurden Schritte gegen drei Arten von Problemen eingeleitet. Mehrere Vertragsverletzungsverfahren sind noch nicht abgeschlossen.46 Gegenstand der ersten Serie von Vertragsverletzungsverfahren sind fehlende Strafmechanismen in den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften. Die zweite Serie von Verfahren betrifft die Mitgliedstaaten, die Typgenehmigungen für einen Automobilhersteller in der EU erteilt haben, und beruht auf der mutmaßlichen Nichtanwendung nationaler Strafvorschriften trotz der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungssoftware durch die Unternehmen. Bei dem dritten Durchsetzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat geht es um die von einem Fahrzeughersteller eingesetzten Emissionsminderungsstrategien sowie um die Nichtverhängung von Strafen.47
Die Europäische Kommission geht gemeinsam mit den Mitgliedstaaten gegen das Phänomen des Handels mit zurückgerufenen Gebrauchtfahrzeugen vor.
Weitere Maßnahmen
Im Zusammenhang mit den erwähnten Vertragsverletzungsverfahren und dem mit den betreffenden Mitgliedstaaten geführten Dialog hat die Europäische Kommission nun beschlossen, in zwei Fällen weitere ergänzende Aufforderungsschreiben zu versenden. In einem Fall werden drei Mitgliedstaaten48 um zusätzliche Klarstellungen dazu gebeten, aus welchen Gründen keine rechtskräftigen Entscheidungen über Sanktionen im Zusammenhang mit der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungssoftware durch eine Kraftfahrzeugherstellergruppe gefällt wurden. Ein Mitgliedstaat wurde in einem ergänzenden Aufforderungsschreiben49 um Klarstellungen über die jüngsten Schritte ersucht, die hinsichtlich der bei bestimmten Fahrzeugen eines Fahrzeugherstellers eingesetzten Abschalteinrichtungssoftware und des Ausbleibens einer endgültigen Entscheidung über Sanktionen eingeleitet wurden. Die von den Mitgliedstaaten in Beantwortung dieser ergänzenden Aufforderungsschreiben zu übermittelnden Informationen werden von der Europäischen Kommission im Hinblick auf etwaige nächste Schritte ausgewertet.
Neue Vorschriften für eine bessere Marktüberwachung
Mit Blick auf die Zukunft hat sich die EU auf neue Vorschriften verständigt, die für wesentlich mehr Qualität und Unabhängigkeit bei der Typgenehmigung und Prüfung von Fahrzeugen sowie für häufigere Überprüfungen von Fahrzeugen, die bereits in der EU auf dem Markt sind, sorgen. Zudem wird das Gesamtsystem durch europäische Aufsicht gestärkt. Die Vorschriften gelten ab September 2020 verbindlich und werden sicherstellen, dass in der EU auf dem Markt befindliche Fahrzeuge - einschließlich solcher mit Dieselmotor - den EU-Emissionsnormen (Euro 5/6) entsprechen.50 Dank der neuen Vorschriften wird die Europäische Kommission, falls die Mitgliedstaaten nicht tätig werden, direkte Durchsetzungsmaßnahmen gegen Hersteller ergreifen können, die gegen EU-Recht - unter anderem Emissionsvorschriften - verstoßen. Insbesondere könnte die Europäische Kommission unionsweite Rückrufe durchführen und gegen Hersteller oder technische Dienstleister Bußgelder in Höhe von bis zu 30 000 EUR pro nicht konformem Kraftfahrzeug verhängen. Zudem wären die Mitgliedstaaten verpflichtet, obligatorische (Schadstoffemissions-)Prüfungen bei Fahrzeugen durchzuführen, die in der EU bereits auf den Markt gebracht wurden.
5. Das weitere Vorgehen
Es ist dringend erforderlich, die Luftqualität in Europa zu verbessern und dafür die von den Mitgliedstaaten und vom Europäischen Parlament vor mehr als zehn Jahren vereinbarten Luftqualitätsstandards vollständig umzusetzen. Dafür muss auf allen Ebenen (also auf der nationalen, regionalen und lokalen Ebene) gehandelt werden, und die Europäische Kommission unterstützt diesbezügliche Maßnahmen mit sämtlichen ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten.
Die Verbesserung der Luftqualität stellt auch langfristig eine Herausforderung für Europa dar. Dies erfordert ein alle Sektoren - von Verkehr über Energie bis zur lokalen Planung - einbeziehendes Gesamtkonzept, an dem alle betroffenen Akteure beteiligt sind. Die Europäische Kommission wird ihrerseits weiterhin die Mitgliedstaaten unterstützen, zum Beispiel im Rahmen der sogenannten Dialoge über die Luftqualität.
Schlechte Luftqualität wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus und verursacht erhebliche Kosten für die Wirtschaft. Es darf keine Zeit verloren werden. Es gibt durchaus kosteneffiziente Lösungen zur Verbesserung der Luftqualität, auf die überall zurückgegriffen werden kann. Jetzt muss gehandelt werden, um diese Lösungen optimal zu nutzen und unverzüglich EU-weit zum Wohle einer halben Milliarde Bürgerinnen und Bürger umzusetzen.
- 1. EUA (2017) Air Quality in Europe - 2017 Report: Zwischen 2000 und 2015 gingen in der EU die Emissionen zwischen 8 % (Ammoniak) und 72 % (Schwefeloxide) zurück.
- 2. http://www.who.int/news-room/detail/02-05-2018-9-out-of-10-peopleworldwidebreathepollutedairbutmorecountriesaretakingaction
- 3. EUA (2017). Air Quality in Europe - 2017 Report. Europäische Umweltagentur.
- 4. Die Kosten belaufen sich auf schätzungsweise 330 bis 940 Mrd. EUR jährlich (Folgenabschätzung zu dem Vorschlag für das Programm "Saubere Luft für Europa", SWD(2013) 532).
- 5. Spezial-Eurobarometer 468, Einstellungen der europäischen Bürger gegenüber der Umwelt.
- 6. COM (2013) 918.
- 7. Richtlinie 2004/107/EG und Richtlinie 2008/50/EG.
- 8. Unter diese Rechtsvorschriften fallen insgesamt 12 Schadstoffe: Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickoxide, Partikel (PM10 und PM2,5), Ozon, Benzol, Blei, Kohlenmonoxid, Arsen, Kadmium, Nickel und Benzo[a]pyren.
- 9. Eine Verlängerung der Frist (bis 2015 für Stickstoffdioxid und Benzol und bis Juni 2011 für Feinstaub) war unter bestimmten Bedingungen zulässig.
- 10. Richtlinie 2001/81/EG, ersetzt durch die Richtlinie 2016/2284
/EU.
- 11. Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen.
- 12. Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen und Richtlinie 2015/2193
/EU zu Emissionen aus mittelgroßen Feuerungsanlagen.
- 13. Verordnung (EG) Nr. 443/2009
zur Festsetzung von CO₂-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und Verordnung (EG) Nr. 510/2011
zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue leichte Nutzfahrzeuge, Verordnungen zu CO₂-Emissionsnormen für neue Fahrzeuge und leichte Nutzfahrzeuge.
- 14. Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Kraftstoffen.
- 15. Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG.
- 16. Verordnung (EU) Nr. 2016/427, Verordnung (EU) Nr. 2016/646
, Verordnung (EU) Nr. 2017/1154
.
- 17. Das sogenannte weltweit harmonisierte Prüfverfahren für leichte Nutzfahrzeuge (WLTP).
- 18. Vorschlag für eine Verordnung zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge (COM (2017) 676.
- 19. Rahmenrichtlinie 89/391/EWG
/EWG (ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1), ergänzt insbesondere durch die Richtlinie 89/654/EWG
/EWG über Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitsstätten (ABl. L 393 vom 30.12.89, S. 1), die Richtlinie 98/24/EG über chemische Arbeitsstoffe (ABl. L 131 vom 5.5.1998, S. 11) und die Richtlinie 2004/37/EG über Karzinogene oder Mutagene bei der Arbeit (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 50).
- 20. Vorgelegt wurden bisher drei Vorschläge (COM (2016) 248, COM (2017) 11 und COM (2018) 171); der erste Vorschlag ist mittlerweile vom Europäischen Parlament und dem Rat als Richtlinie (EU) Nr. 2017/2398
angenommen worden (ABl. L vom 27.12.2017, S. 8).
- 21. Folgenabschätzung zu dem Vorschlag für das Programm "Saubere Luft für Europa", SWD(2013) 532, Anhang 9).
- 22. EUA (2017). Air Quality in Europe - 2017 Report. Europäische Umweltagentur.
- 23. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (COM (2017) 275).
- 24. Vorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie über die Förderung saubererer und energieeffizienterer Straßenfahrzeuge - COM (2017) 653.
- 25. COM (2017) 652.
- 26. EUA (2017). Air Quality in Europe - 2017 Report. Europäische Umweltagentur.
- 27. Richtlinie 2010/75/EU.
- 28. In der Mitteilung der Kommission über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (C(2017) 2616 final), in der die Vorgehensweise der nationalen Gerichte bei Klagen von Einzelpersonen und Verbänden detailliert erläutert wird, wird auf maßgebliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Bestimmungen der EU über die Anforderungen an die Luftqualität verwiesen (C-237/07 Janecek, C404/13 Client Earth).
- 29. https://ec.europa.eu/info/news/no-regionleftbehindlaunchplatformcoalregionstransition-2017-dec-08 en.
- 30. Beschluss der Kommission vom 18.1.2018 zur Einsetzung einer Expertengruppe für einen besseren Vollzug des Umweltrechts und eine bessere Umweltordnungspolitik (C(2018) 10).
- 31. Im Bereich Luftqualität wurde der einschlägige Aktionsplan zur Luftreinhaltung bereits angenommen. https://ec.europa.eu/futurium/en/air-quality.
- 32. https://www.eugreenweek.eu/.
- 33. http://eiah.eib.org/about/initiative-urbis.htm .
- 34. COM (2018) 321.
- 35. http://europa.eu/rapid/press-release IP-18-1222 de.htm
- 36. 40 % der Stickstoffoxidemissionen in der EU sind auf den Straßenverkehr zurückzuführen. Rund 80 % der gesamten durch den Verkehr verursachten Stickstoffoxidemissionen stammen von Dieselfahrzeugen.
- 37. Durch mindestens eine Messstation.
- 38. EUA (2017). Air Quality in Europe - 2017 Report. Europäische Umweltagentur.
- 39. Urteil des Gerichtshofs vom 5. April 2017 in der Rechtssache C-488/15, Kommission gegen Bulgarien.
- 40. Urteil des Gerichtshofs vom 22. Februar 2018 in der Rechtssache C-336/16, Kommission gegen Polen.
- 41. http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?num=C-488/15 und http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?num=C-336/16.
- 42. Durch mindestens eine Messstation.
- 43. EUA (2017). Air Quality in Europe - 2017 Report. Europäische Umweltagentur.
- 44. Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich wegen NO₂ sowie Italien, Ungarn und Rumänien wegen PM10.
- 45. Siehe Pressemitteilung http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-3450_de.htm .
- 46. Im Dezember 2016 wurden Verfahren gegen Deutschland, Griechenland, Litauen, Luxemburg, Spanien, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich eingeleitet. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-4214_de.htm . Das Verfahren gegen Litauen wurde im Juli 2017 abgeschlossen. Im Fall von fünf Mitgliedstaaten wurden die Verfahren im Juli 2017 in Form ergänzender Aufforderungsschreiben fortgeführt (http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-17-1935_DE .htm ).
- 47. Im Mai 2017 leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien ein (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1288_de.htm ).
- 48. Ein zweites ergänzendes Aufforderungsschreiben erging an Deutschland, Luxemburg und das Vereinigte Königreich. Siehe Pressemitteilung http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-3450_de.htm . Angesichts der Entwicklungen in Griechenland, der Tschechischen Republik und Spanien, die zur Beseitigung der von der Kommission aufgezeigten Probleme führen sollten, sind bei diesen drei Verfahren in diesem Stadium keine weiteren Schritte im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens erforderlich.
- 49. Ergänzendes Aufforderungsschreiben an Italien, siehe Pressemitteilung http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-3450_de.htm .
- 50. http://europa.eu/rapid/press-release IP-17-5131 de.htm