COM (2018) 392 final; Ratsdok. 9645/18 Drucksache: 246/18 (PDF) und zu 246/18 (PDF) in Verbindung mit
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013
- COM (2018) 393 final; Ratsdok. 9634/18 Drucksache: 247/18 (PDF) und zu 247/18 (PDF) in Verbindung mit
Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1308/2013
über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse, (EU) Nr. 1151/2012
über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, (EU) Nr. 251/2014 über die Begriffsbestimmung, Beschreibung, Aufmachung und Etikettierung von aromatisierten Weinerzeugnissen sowie den Schutz geografischer Angaben für aromatisierte Weinerzeugnisse, (EU) Nr. 228/2013 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der Regionen in äußerster Randlage der Union und (EU) Nr. 229/2013 über Sondermaßnahmen im Bereich der Landwirtschaft zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen Meeres - COM (2018) 394 final/2; Ratsdok. 9556/1/18 Drucksache: 248/18 (PDF) und zu 248/18 (PDF)
971. Sitzung des Bundesrates am 19. Oktober 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Finanzausschuss (Fz) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu den Vorlagen gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu den Vorlagen insgesamt
- 1. Der Bundesrat nimmt die Vorschläge der Kommission für die zukünftige Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und für die Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der GAP zur Kenntnis.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Jahre 2021 bis 2027 sowie den Legislativvorschlägen vom 1. Juni 2018 die GAP nach 2020 neu ausrichten will.
Er unterstützt daher das Bestreben der Kommission, Leistungen der Landwirtschaft für den Umwelt- und Klimaschutz stärker zu fördern. Die Vorschläge bilden einen Ansatz, mit dem die gemeinsamen europäischen Ziele effizienter verfolgt, die Herausforderungen der Landwirtschaft sowie der ländlichen Entwicklung nachhaltig angegangen werden und gleichzeitig grundlegende Vereinfachungen bei der Programmierung, Verwaltung und Kontrolle der Agrarfonds erreicht werden sollen.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Bedeutung der Landwirtschaft für eine nachhaltige europäische Wirtschaft anerkennt und am Zwei-Säulen-Modell der GAP als zentralem Integrationselement der EU festhält.
- 4. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den von der Kommission eingeleiteten Paradigmenwechsel hin zu einer zielorientierten GAP mit größeren Gestaltungsspielräumen für die Mitgliedstaaten.
- 5. Der Bundesrat bedauert allerdings, dass mit dem Vorschlag zur Gestaltung der GAP bislang keine Perspektive für eine Entwicklung der GAP nach 2020 nach dem Grundsatz öffentliches Geld für öffentliche Leistungen aufgezeigt wird. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen bei der biologischen Vielfalt und beim Klimawandel sieht der Bundesrat es als notwendig an, auch die GAP konsequent auf diese Herausforderungen auszurichten.
- 6. Diesbezüglich bekräftigt der Bundesrat seine Stellungnahme vom 6. Juli 2018, dass eine intakte Umwelt, saubere Böden und Gewässer, der Schutz der Biodiversität und des Tierwohls sowie eine gute Luftqualität als Richtschnur bei der Agrarpolitik anzuwenden sind (vergleiche BR-Drucksache 166/18(B) , Ziffer 114).
- 7. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die vielfältigen Leistungen des europäischen Agrarmodells einer multifunktionalen Landwirtschaft keine Selbstverständlichkeiten sind. Die GAP muss deshalb auch künftig einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der landwirtschaftlichen Unternehmen leisten.
Finanzierung
- 8. Der Bundesrat begrüßt die stärkere Zielorientierung der GAP auf die Entwicklung ländlicher Räume, den Umwelt- und Klimaschutz und gesunde Ernährung bei gleichzeitiger Einkommenssicherung sowie die Absicht der Kommission, den MFR der EU ab 2021 einschließlich seiner Sektorverordnungen stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten.
- 9. Der Bundesrat bekräftigt seine Kritik an der geplanten unverhältnismäßigen Kürzung der 2. Säule der GAP (BR-Drucksache 166/18(B) ).
- 10. Es darf jedoch kein Missverhältnis zwischen den ambitionierteren Zielen und dem Mittelvolumen der GAP entstehen. Vor diesem Hintergrund ist die von der Kommission vorgeschlagene überdurchschnittliche Kürzung in der zweiten Säule der GAP abzulehnen, ebenso wie die Kürzung der ernährungsbezogenen Programme (Schulprogramm). Die finanzielle Flexibilität zwischen den Säulen ist zu wahren und die Tierwohlförderung in der 2. Säule ausreichend zu dotieren.
Der Bundesrat fordert daher eine finanzielle Ausstattung der GAP auf dem bisherigen Niveau.
- 11. Er sieht einen deutlich über die bisherigen Mittel hinausgehenden Mitteleinsatz für Interventionen in den Bereichen Umwelt-, Natur-, Tier- und Klimaschutz als erforderlich an.
- 12. Der Bundesrat befürchtet, dass für Deutschland spürbare Mittelrückgänge in beiden Säulen der GAP zu erwarten sind. Er gibt zu bedenken, dass die Länder insbesondere die wegfallenden ELER-Mittel nicht kompensieren können.
- 13. Die Bundesregierung wird daher gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass es bei der Ausgestaltung der zukünftigen EU-Finanzen und der GAP nicht zu finanziellen Verschiebungen zu Lasten der Länderhaushalte kommt. Dies betrifft neben der Mittelausstattung vor allem auch Auswirkungen von veränderten nationalen Kofinanzierungssätzen.
- 14. Der Bundesrat sieht zudem die Notwendigkeit, die ELER-Beteiligung nicht nur auf der Grundlage der förderfähigen öffentlichen Ausgaben, sondern auch auf Grundlage der förderfähigen Gesamtausgaben zu berechnen, mithin in der Verordnung die Erbringung des nationalen Anteils wie bei den EU-Strukturfonds durch private Mittel zuzulassen.
- 15. Im Hinblick auf den Naturschutz im Offenland weist der Bundesrat darauf hin, dass derzeit dessen Finanzierung weit überwiegend aus EU-Mitteln und hier insbesondere aus dem ELER, der 2. Säule der GAP, erfolgt. Der Bundesrat teilt die Feststellung der Bundesregierung, dass es ein bundesweites Finanzierungsdefizit des Naturschutzes gibt. Der Bedarf übertrifft die bisher verfügbaren Mittel mindestens um den Faktor drei.
- 16. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Bundesregierung bei den Verhandlungen auf EU-Ebene zum MFR für eine Verbesserung der EU-Naturschutzfinanzierung einsetzen will. Bereits jetzt stehen für die kooperative Umsetzung der EU-Umweltvorgaben nicht die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung. Leistungen der Land- und Forstwirtschaft im Umwelt- und Naturschutz können auf diese Weise nicht ausreichend honoriert werden. Der Bundesrat ist insbesondere der Auffassung, dass die Finanzierung von Maßnahmen für die Umsetzung von Natura 2000 in der 2. Säule der GAP spürbar verbessert werden muss.
- 17. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die zusätzlichen Anforderungen, wie zum Beispiel eine ehrgeizige Konditionalität, ein "Eco-Scheme" sowie Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, die in den Vorschlägen der Kommission an die Landwirtschaft aufgestellt werden, im Widerspruch zu den geplanten Kürzungen im GAP-Budget stehen. Die neuen Anforderungen können nur dann wirksam verwirklicht werden, wenn die Mittel in der 1. und 2. Säule auf bisherigem Niveau beibehalten werden. Hinsichtlich der Finanzierung der GAP verweist der Bundesrat erneut auf seine Stellungnahme vom 6. Juli 2018, in der insbesondere die überproportionalen Kürzungen in der 2. Säule kritisiert werden.
- 18. Für den Fall einer Kürzung der GAP-Mittel in der 2. Säule [und/oder erhöhter nationaler Kofinanzierungssätze] wird die Bundesregierung aufgefordert, einen entsprechenden finanziellen Ausgleich im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) aus Bundesmitteln bereitzustellen [und eine stärkere Verknüpfung der GAK mit dem ELER zu ermöglichen].
- 20. Der Bundesrat begrüßt, dass die Übertragbarkeit von Mitteln aus der 1. in die 2. Säule der GAP auf 30 Prozent ausgedehnt wurde. Dies ist erforderlich, um die befürchtete Reduzierung der Finanzierung des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes in der 2. Säule auszugleichen.
Direktzahlungen
- 21. Der Bundesrat steht der weiteren Angleichung der Direktzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten sowohl wegen der vorgeschlagenen Mittelkürzungen für die deutsche Landwirtschaft als auch mit Blick auf die deutsche Nettozahlerposition äußerst kritisch gegenüber.
- 22. Bei der Umsetzung des Ziels, die Verteilung der Direktzahlungen an Landwirte ausgewogener zu gestalten, benötigen die Mitgliedstaaten einen angemessenen Spielraum[, um die agrarstrukturelle Vielfalt und Beschäftigungsverhältnisse im ländlichen Raum genügend berücksichtigen zu können. Der Mittelplafond und die Entscheidung zu Degression oder Umverteilung von Direktzahlungen aufgrund der Obergrenzen müssen in den Mitgliedstaaten bzw. Regionen verbleiben].
- 24. Die Regelungen zur Degression und Kappung einschließlich der Berücksichtigung der Arbeitskräfte müssen daher fakultativ für die Mitgliedstaaten sein. Das bisherige Instrument der Förderung der ersten Hektare unterstützt kleine und mittlere Betriebe. Derartige Regelungen sollen nicht zu einer unverhältnismäßigen Umverteilung zwischen den Ländern führen.
- 25. Der Bundesrat lehnt EU-weite Vorgaben für verbindliche Obergrenzen pro Betrieb ab. In diesem Zusammenhang verweist der Bundesrat auf die beihilferechtlichen Regelungen, welche mit etwaigen Kofinanzierungen oder nationalen Ausgleichsprogrammen anzuwenden sind und in der Folge insgesamt hohe wirtschaftliche Benachteiligungen auch aufgrund heterogener Betriebsstrukturen zur Folge hätten.
Umwelt-, Natur- und Klimaschutz
- 26. Der Bundesrat spricht sich für eine starke 1. Säule der GAP aus, mit der die Einkommensunterstützung und ein zielgerichteter und ambitionierterer Beitrag zur Stärkung der biologischen Vielfalt und zum Klima- und Ressourcenschutz erreicht werden können. Dabei sind anspruchsvolle Leitplanken auf europäischer Ebene erforderlich, um einen Wettbewerb um die niedrigsten Umweltstandards zu verhindern.
Die Anwendung und Ausgestaltung der verpflichtenden Klima- und Umweltregelungen der 1. Säule müssen im Zusammenhang mit der Gestaltung der Regelungen zur erweiterten Konditionalität sowie den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen erfolgen.
Letzteres gilt auch für eine damit verbundene eventuelle Umschichtung von Mitteln der Direktzahlungen in die 2. Säule, um Ziele des Tierwohls, Umwelt-, Natur- und Klimaschutzes zu erreichen. Landwirtinnen und Landwirte brauchen höhere Anreize, um mehr freiwillige Leistungen zu erbringen.
- 27. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die von der Kommission gesetzten Ziele hinsichtlich des Schutzes der Biodiversität, der Verbesserung von Ökosystemleistungen und der Erhaltung von Lebensräumen und Landschaften lassen sich nicht erreichen, wenn keine entsprechenden Anreize für Landwirtinnen und Landwirte zur Umsetzung der Maßnahmen geschaffen werden.
- 28. Eine Kappung oder Degression bei Zahlungen für Umwelt-, Naturschutz-, Tierschutz- und Klimaschutzleistungen der Antragstellenden ist kontraproduktiv. Der Bundesrat sieht es als erforderlich an, die Öko-Regelungen, die für die biologische Vielfalt eingesetzte gekoppelte Prämie sowie die Prämie für kleine Bewirtschaftungsschläge von der Kappung und Degression auszunehmen.
- 29. Der Bundesrat unterstützt die Zielsetzung der Kommission, kleinere und mittlere Betriebe zu stärken und damit eine vielfältige Agrarstruktur zu ermöglichen. Er bittet die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass dies in der konkreten Ausgestaltung auch mit einem erkennbaren ökologischen Mehrwert einhergeht.
- 30. Der Bundesrat weist darauf hin, dass zur Erreichung der Umwelt-, Natur- und Klimaschutzziele alle Interventionen einen positiven Beitrag zum Erhalt der Umwelt, des Klimas und der biologischen Vielfalt leisten müssen. Umwelt-, natur- und klimaschädliche Interventionen dürfen nicht mehr Bestandteil des GAP-Strategieplanes sein.
- 31. Der Bundesrat sieht die im vorgelegten Verordnungsvorschlag zum Strategieplan der GAP enthaltenen Interventionstypen Konditionalität, Öko-Regelungen sowie Agrarumwelt- und Klimaförderung als besonders geeignet an, den Beitrag für die Umwelt, das Klima und die biologische Vielfalt der GAP zu erhöhen. Diese Interventionen sind zielgerichtet auszugestalten und zu kombinieren, um die Landwirtschaft umwelt-, klima-, tier- und naturverträglich zu gestalten.
Nur so ist das Ziel einer uneingeschränkt nachhaltigen Landwirtschaft zu erreichen.
- 32. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im folgenden Sinne auf EU-Ebene für eine klarstellende Begriffsdefinition "landwirtschaftliche Fläche" und "Dauergrünland" einzusetzen: In die Definition von Dauergrünland sind auch Bäume und Sträucher einzubeziehen, soweit dies fachlich geboten ist. In Weidegebieten müssen auch die Areale, auf denen Grünfutterpflanzen nicht vorhanden sind, sowie wiedervernässte landwirtschaftliche Flächen, die mittels Paludikulturen genutzt werden, Bestandteile der förderfähigen Hektarfläche sein. Insbesondere sollten extensiv genutzte Flächen wie Almweiden, Schafhutungen und Streuwiesen in vollem Umfang, ohne bürokratische Hürden und ohne Abzüge, im Rahmen der 1. und 2. Säule der GAP förderfähig sein, da diese Flächen erheblich zum Erhalt der Biodiversität beitragen.
- 33. Der Bundesrat unterstützt das Ansinnen der Kommission, auch mit den Direktzahlungen vermehrt Biodiversitäts-, Umwelt- und Klimaschutzziele zu verfolgen. Er sieht es daher als erforderlich an, dass in beiden Säulen der GAP Umwelt- und Klimaleistungen erbracht werden, und begrüßt vor diesem Hintergrund die vorgeschlagene Öko-Regelung in der 1. Säule der GAP.
- 34. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Ausstattung der Öko-Regelungen in der 1. Säule mindestens in der Höhe der bisherigen Zahlungen für umwelt- und klimaförderliche Landnutzungssysteme erfolgen sollte, und schlägt eine europäische Mindestquote für den Finanzierungsanteil der Öko-Regelungen vor.
- 35. Der Bundesrat regt an, die Öko-Regelungen gezielt auch für Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes, des investiven Naturschutzes und des Gewässerschutzes sowie zur gezielten Förderung von Betrieben mit hoher Gemeinwohlleistung einzusetzen.
- 36. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass die Förderung des Ausbaus des Ökologischen Landbaus gemäß der ZÖL-Strategie der Bundesregierung auf einen Anteil von mindestens 20 Prozent der Anbaufläche sichergestellt wird. Er regt dazu an, dass die Förderung des Ökologischen Landbaus und der ertragsschwachen Gebiete in der 1. Säule erfolgen kann.
- 37. Aufgrund von Wettbewerbsnachteilen droht die Landbewirtschaftung in ertragsschwachen Gebieten wegzubrechen. Damit entfiele auch die Pflege der Kulturlandschaft zur Aufrechterhaltung der dortigen Biodiversität. Daher ist die Sicherung der Landwirtschaft in benachteiligten Gebieten als öffentliche Leistung aufrechtzuerhalten.
- 38. Der Bundesrat sieht bei den Öko-Regelungen sowie bei den Agrarumwelt- und Klimaförderungen Anreizkomponenten als zwingend erforderlich an, um zusätzliche betriebliche Aufwendungen für die Erbringung dieser öffentlichen Leistungen auszugleichen.
- 39. Die Bundesregierung wird gebeten, sich in den weiteren Verhandlungen zur Ausgestaltung der oben genannten Verordnungen dafür einzusetzen, dass eine echte Honorierung der ökologischen und klimarelevanten Leistungen als Bestandteil der Verordnung aufgenommen wird. So sollten über den Standard hinausgehende freiwillige Maßnahmen entsprechend ihrer ökologischen Wertigkeit mit einem Bonus von 15 Prozent ("hellgrüne" Maßnahmen) und bis zu 50 Prozent ("dunkelgrüne" Maßnahmen) über den kalkulierten Aufwand hinaus gefördert werden können.
- 40. Der Bundesrat begrüßt die vorgesehene Möglichkeit der gekoppelten Prämien und bittet die Bundesregierung, sich für die Beibehaltung einzusetzen, um in der kommenden Förderperiode gesellschaftlich erwünschte und naturschutzfachlich bedeutsame extensive Beweidungsformen (zum Beispiel die Beweidung mit Schafen und Ziegen) gezielt fördern zu können.
- 41. Die bodengebundene Haltung von Raufutterfressern ist zur Erhaltung der uns bekannten und ökologisch wertvollen Kulturlandwirtschaft in großen Teilen der EU essentiell. Deshalb wird die Bundesregierung gebeten, sich in den weiteren Verhandlungen dafür einzusetzen, eine europaweite Tierprämie für Rinder, Schafe und Ziegen als Zahlung aus der 1. Säule der GAP aufzunehmen, um die Beweidung und damit den Erhalt des ökologisch besonders wichtigen Dauergrünlandes abzusichern. Außerdem könnten damit bestehende Wettbewerbsverzerrungen durch regional oder national ausgestaltete gekoppelte Zahlungen im Tierbereich abgebaut werden.
- 42. Die Möglichkeit der Differenzierung der Einkommensgrundstützung nach Zielgruppen oder Gebieten wird grundsätzlich begrüßt. Aus Sicht des Bundesrates sollte diese so ausgestaltet werden, dass auch eine höhere Basisförderung für Grünland möglich ist.
- 43. Bei der Sicherung der biologischen Vielfalt spielen die Größen der Bewirtschaftungseinheiten eine bedeutende Rolle. Der Bundesrat fordert daher, in den Verhandlungen die Möglichkeit zu eröffnen, im Bereich der Direktzahlungen eine Zahlung für kleine Bewirtschaftungsschläge zu gewähren. Damit würden die Bewirtschaftungsnachteile der kleinen Schläge abgemildert und der für die biologische Vielfalt und den Erosionsschutz negative Trend zur Schlagvergrößerung gebremst.
- 44. Der Bundesrat sieht die durch die Rückkehr der großen Beutegreifer verursachten Probleme, insbesondere bei der Weidetierhaltung. Er sieht es daher als erforderlich an, in der GAP umfassend Präventionsmaßnahmen und Ausgleichszahlungen bei Schäden durch EU-rechtlich geschützte Tierarten in einem gezielten und schlanken Verfahren zu ermöglichen.
Entwicklung, Umsetzung und Kontrolle von Maßnahmen
- 45. Innerhalb von EU-einheitlichen Leitplanken muss die GAP den Mitgliedstaaten und Regionen mehr Flexibilität als bisher bei der Entwicklung, Umsetzung und Kontrolle von Maßnahmen geben. Anspruchsvolle Förderziele können nur mit regionalen Gestaltungsspielräumen erreicht werden. Die Programmierung des regionalen ELER-Mitteleinsatzes muss weiterhin den Ländern überlassen bleiben, um ihre spezifischen Erfordernisse umsetzen zu können.
- 46. Der Bundesrat lehnt unnötige Bürokratie ab. Sie führt zu Belastungen von Verwaltungen, geht zu Lasten anspruchsvoller Umweltmaßnahmen und mindert deren Akzeptanz bei Landwirtinnen und Landwirten, die für einen kooperativen Ansatz unverzichtbar ist. Für die künftige Förderperiode ist deshalb eine grundlegende Überarbeitung aller Regelungen nötig; für die 2. Säule liegen unter anderem mit dem ELER-RESET Vorschläge vor.
- 47. Zugleich sind die Strategischen Pläne und die neuen Wirkungsindikatoren zentrale Bausteine des neuen, zielorientierten GAP-Modells und werden von der Kommission als Voraussetzung für eine stärkere Flexibilität für die Mitgliedstaaten gesehen. Ermächtigungen für nachträgliche Änderungen oder gar rückwirkende Festlegungen laufen der Planungssicherheit für Verwaltungen und Landbewirtschaftern entgegen.
- 48. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die konsequente Umsetzung des "Single Audit"-Ansatzes vorschlägt, bei dem auf der Grundlage der Arbeit der bescheinigenden Stellen die Zuverlässigkeit festgestellt wird. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass die Anforderungen an die nationalen Prüfsysteme seitens der EU unverhältnismäßig erhöht werden.
Vereinfachung
- 49. Der Bundesrat begrüßt, dass auch im Vorschlag zur Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der GAP eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes sowie eine verstärkte Subsidiarität angestrebt wird. Er bittet die Bundesregierung, sich für ein wirksames, effizientes und verwaltungstechnisch schlankes Verwaltungs- und Kontrollsystem einzusetzen, damit die erhoffte Verwaltungsvereinfachung auch erreicht werden kann.
- 50. Der Bundesrat sieht es als problematisch an, dass nur die Mitgliedstaaten die Vereinfachung und die Leistungsfähigkeit der GAP-Unterstützung gewährleisten sollen. Aufgrund der Vorgaben seitens der EU können die Mitgliedstaaten hier nur in einem gegebenen Rahmen agieren. Der Bundesrat fordert daher, dass auch die EU bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für die Finanzierung, Verwaltung und Kontrolle die Erreichung dieser Ziele gewährleistet.
- 51. Den von der Kommission beschrittenen Weg zu mehr Vereinfachung und Subsidiarität sieht der Bundesrat im Hinblick auf die Zielsetzung positiv. Insbesondere wird das neue Umsetzungsmodell, weg von einer rein an der Einhaltung der Vorschriften orientierten hin zu einer ergebnisorientierten Umsetzung der GAP, grundsätzlich begrüßt. Allerdings wird bezweifelt, dass die vorgesehenen Maßnahmen genügen, um eine durchgreifende Vereinfachung für Begünstigte und Verwaltung herbeizuführen. Dies liegt unter anderem an neuen Elementen, wie zum Beispiel der Verwendung mehrerer Indikatoren oder der jährlichen Überprüfung der Leistung, die großen zusätzlichen Aufwand mit sich bringen werden. Außerdem muss die Systemumstellung hin zu mehr Subsidiarität konsequent umgesetzt werden. Der Bundesrat regt mit Nachdruck an, dass sich die Kommission darauf beschränken sollte, klare Leitlinien für einen gemeinsamen europäischen Rahmen zu setzen. Die konkrete Ausgestaltung der Fördersysteme sollte bei klarer Orientierung an den spezifischen Zielen den Mitgliedstaaten überlassen werden. Der Bundesrat ermutigt insofern die Kommission dazu, den Einsatz für mehr Vereinfachung und Subsidiarität als Schlüsselelemente der GAP unter Wahrung der Effizienz weiter zu betreiben.
- 52. Der Bundesrat fordert zur Verwirklichung der angestrebten Vereinfachung eine konsequente Systemumstellung:
- - Im Rahmen der auf EU-Ebene festzulegenden Leitplanken fordert der Bundesrat eine maximale Flexibilität für die Mitgliedstaaten, bei der Ausgestaltung sowohl der Maßnahmen als auch der Verwaltungs-, Kontroll- und Sanktionssysteme. - Landwirtinnen und Landwirte sowie die Verwaltungen der Mitgliedstaaten benötigen zudem Rechts- und Planungssicherheit. Wesentliche Elemente müssen abschließend im Basisrecht geregelt werden. Die Kommission wird aufgefordert, das Subsidiaritätsprinzip vollumfänglich umzusetzen und delegierte Rechtsakte auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.
- - Bei vorhandenen fachrechtlichen Kontrollsystemen, wie insbesondere bei der Tierkennzeichnung und -registrierung sowie bei Tierseuchen, sollen diese, wo auch immer sie unverhältnismäßig sind, aus der Konditionalität herausgenommen bzw. nicht aufgenommen werden.
- - Die für den Erfolg der Umsetzung der neuen GAP erforderlichen Vorgaben durch die EU an die Mitgliedstaaten müssen eindeutig und klar sein. Die Anforderungen an die bescheinigende Stelle und die Kontrollen sind auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren. Hierzu dient auch die Einführung von Prüfungs- und (monetären) Bagatellgrenzen. - Für die künftige Förderperiode ist eine grundlegende Überarbeitung der ELER-Regelungen nötig. Dafür hat Deutschland mit dem Eckpunktepapier vom 31. März 2017 wichtige Impulse in die europäische Diskussion eingebracht.
- - Alle Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die der Erreichung der GAP-Ziele dienen, aber durch rein nationale Mittel finanziert werden, sollen in die Strategiepläne aufgenommen werden können. Die Maßnahmen sollen, analog zu den durch EU-Mittel finanzierten oder kofinanzierten agrarbezogenen Interventionen, beschrieben und im Verfahren der GAP-Strategiepläneverordnung durch die Kommission genehmigt werden können.
- 53. - [Der Vorschlag zur Einführung des zur Umsetzung verpflichteten "echten Betriebsinhabers" anstelle des bisherigen "aktiven Landwirts" wird sehr kritisch gesehen. Die Umsetzung der obligatorischen Prüfpflicht ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden und überdies für Regionen mit vielen Nebenerwerbsbetrieben mit außerlandwirtschaftlichem Haupteinkommen im Hinblick auf deren künftige Förderfähigkeit gefährlich.] Der Bundesrat fordert daher eine fakultative Anwendungsmöglichkeit der Regelungen zum "echten Betriebsinhaber".
- 54. Der Bundesrat sieht die Erreichung der Umwelt-, Klima- und Naturschutzziele der GAP durch die vorgesehene Einschränkung, viele Zahlungen nur an sogenannte echte Betriebsinhaber zu gewähren, als gefährdet an. Mit dieser Einschränkung würden in der neuen Förderperiode viele für den Umwelt-, Klima- und Naturschutzbereich bisher wichtige Antragstellende wie Nebenerwerbslandwirtinnen und -landwirte, Umwelt- und Naturschutzverbände sowie Kommunen von den entsprechenden GAP-Zahlungen der 1. bzw. 2. Säule ausgeschlossen. Der Bundesrat sieht daher die dringende Notwendigkeit, den vorgesehenen Empfängerkreis entsprechend zu erweitern oder zumindest die Einschränkung für die Mitgliedstaaten fakultativ zu gestalten.
Marktordnung und Risikomanagement
- 55. Der Bundesrat tritt für eine EU-weite Rückführung der gekoppelten Stützung, insbesondere beim Ackerbau, ein.
Zunehmend werden aufgrund von Wetterextremen und Marktvolatilitäten Risikomanagementsysteme erforderlich werden. Ob Mitgliedstaaten Unterstützungen von beispielweise Mehrgefahrenversicherungen im Rahmen des Strategieplans anbieten, sollte allerdings fakultativ bleiben.
Aufgrund des Klimawandels und der damit verbundenen Wetterextreme sollten Wege und Maßnahmen aufgezeigt werden, wie die eigenständige Risikovorsorge der landwirtschaftlichen Unternehmen unterstützt werden kann.
Die Regelungen der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) (Wein, Hopfen, Obst und Gemüse, Bienenzucht) haben sich in ihrer jetzigen Struktur grundsätzlich bewährt. Damit die Überführung der sektoralen Interventionen in die GAP-Strategiepläneverordnung gelingen kann, ist es allerdings notwendig, dass für die bereits laufenden mehrjährigen Operationellen Programme dieser Sektoren Übergangsfristen eingeplant und deutliche Vereinfachungen erreicht werden.
Die Besonderheiten der oben genannten Sektoren müssen bei der Überführung in die Strategiepläneverordnung erhalten bleiben.
Strategieplanung
- 56. Bei der Ausgestaltung eines nationalen GAP-Strategieplans muss der föderalen Struktur Deutschlands Rechnung getragen werden.
- 57. Der Bundesrat sieht es daher kritisch, dass im Rahmen der nationalen Strategiepläne die Einbindung der Länder, denen die Umsetzung der 2. Säule der GAP obliegt, nicht geklärt ist. Gleichzeitig sind die Vorgaben der EU zu den Strategieplänen sehr eng gefasst, so dass der versprochene Freiraum derzeit nicht erkennbar wird. Es muss sichergestellt werden, dass bei Erstellung der GAP-Strategiepläne die verfassungsmäßigen Rechte der Länder gewahrt bleiben. Der Bundesrat bekräftigt insofern seine Forderung an die Kommission, die regionalen Gestaltungsspielräume innerhalb der neuen Umsetzungsstrukturen aufrechtzuerhalten (BR-Drucksache 166/18(B) ).
- 58. Der Bundesrat begrüßt, dass die Umweltverwaltungen nach dem Kommissionsvorschlag bei der Umsetzung der GAP zu umweltrelevanten Aspekten beteiligt werden sollen.
- 59. Der Bundesrat hält eine qualifizierte Mitwirkung und Beteiligung der Umwelt- und Naturschutzverwaltungen an der Erstellung des GAP-Strategieplans für unabdingbar. Er bittet daher die Bundesregierung, die Länder in allen Schritten der Vorbereitung und Erstellung des nationalen Strategieplans in angemessener Weise zu beteiligen und eine Arbeitsstruktur einzurichten, die eine qualifizierte und effiziente Zusammenarbeit auch mit den Umweltressorts der Länder sicherstellt.
- 60. Gleichzeitig erfordern die Ziele der durchgreifenden Vereinfachung und der Konzentration auf wesentliche Inhalte bei der Gestaltung des nationalen GAP-Strategieplans besondere Aufmerksamkeit.
Für die Direktzahlungen ist die Fortführung einer bundeseinheitlichen Umsetzung sicherzustellen. Die 2. Säule und die sektorbezogenen Interventionen der ersten Säule müssen so programmiert werden können, dass die Länder die Ausgestaltung und die Umsetzung dieser Fördermaßnahmen nach ihren regionalen Prioritäten eigenverantwortlich wahrnehmen können.
- 61. Der Bundesrat begrüßt das Ziel der Kommission, den Umwelt- und Klimabeitrag der GAP zu erhöhen und sieht es als erforderlich an, dies bei der Genehmigung der GAP-Strategiepläne auch darzulegen.
- 62. Der Bundesrat unterstützt, dass die zu programmierenden Interventionen der beiden Säulen der GAP aus der Ermittlung und Priorisierung der Bedürfnisse für jedes in der Strategieplanverordnung aufgeführte spezifische Ziel abzuleiten sind, und unterstreicht, dass die umwelt-, natur-, tier- und klimaschutzbezogenen Bedürfnisse sachgerecht ermittelt und angemessen bei der Programmierung der entsprechenden Interventionen berücksichtigt werden müssen.
Zum System der Konditionalität
- 63. Der Bundesrat erkennt an, dass die Kommission mit dem Instrument der Konditionalität den Umwelt- und Klimaschutz stärken will. Die Konditionalität muss so ausgestaltet werden, dass die EU-Umweltziele in der gesamten EU deutlich besser als bisher erreicht werden können. Er erachtet es daher nicht als zielführend, dass die Ausgestaltung der Konditionalität an die Mitgliedstaaten delegiert wird.
- 64. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Vorschlag, dass fortführend auf dem bisherigen System der Auflagenbindung ("Cross Compliance") in dem von der Kommission vorgeschlagenen System der Konditionalität für die GAP nach dem Jahr 2020 der Erhalt der vollen GAP-Unterstützung daran geknüpft ist, dass die Begünstigten grundlegende Normen in Bezug auf Umwelt, Klimawandel, öffentliche Gesundheit, Tiergesundheit, Pflanzengesundheit und Tierschutz einhalten.
- 65. Der Bundesrat sieht es als erforderlich an, dass die Konditionalität europaweit einheitliche ambitionierte Mindeststandards im Bereich des Natur- und Umweltschutzes formuliert und die Umweltziele EU-weit konkret benannt und mit aussagekräftigen, EU-weiten Indikatoren versehen werden. Dabei ist auf eine Kohärenz mit den entsprechenden Richtlinien im Umweltbereich zu achten. Ohne diese anspruchsvollen Leitplanken auf europäischer Ebene befürchtet der Bundesrat Wettbewerbsnachteile für Länder mit hohen gesellschaftlichen Erwartungen an den Klima-, Umwelt- und Naturschutz bzw. ist ein Wettbewerb um die niedrigsten Umweltstandards zu befürchten.
- 66. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass in das neue System der Konditionalität nur solche Normen aufgenommen oder nur solche beibehalten werden sollten, die in Bezug auf die Umwelt, den Klimawandel, die öffentliche Gesundheit, die Tiergesundheit, die Pflanzengesundheit und den Tierschutz einen Mehrwert darstellen. Ferner sollte das neue System der Konditionalität, insbesondere hinsichtlich der Überwachung, zu einer deutlichen Reduzierung der Bürokratie, Vereinfachung des Systems und Gleichbehandlung der Begünstigten führen. Dieses Ziel wird nach Auffassung des Bundesrates in den Verordnungsvorschlägen nicht ausreichend erreicht.
- 67. Mit der anspruchsvollen Konditionalität sind für alle Betriebe zusätzliche Auflagen verbunden, ohne die Betriebe an anderer Stelle zu entlasten. Der Bundesrat kritisiert, dass dies für Landwirtinnen und Landwirte sowie Verwaltungen offenkundig zu mehr Bürokratie führen wird.
- 68. Der Bundesrat lehnt des Weiteren die Aufnahme von Tierseuchen, insbesondere Maul- und Klauenseuche, Blauzungenkrankheit und vesikuläre Schweinekrankheit, als zu prüfenden Rechtsakt in den Rahmen der neuen Konditionalität ab, da diese bereits durch das Fachrecht abschließend geregelt und reglementiert werden.
Ein festgestellter Verstoß im Bereich Tierseuchen ist in Deutschland als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt und würde somit zu einer Doppelsanktionierung führen. Dies ist nicht sachgerecht und führt zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Tierhalter.
- 69. Im Rahmen der Weiterentwicklung der GAP nach dem Jahr 2020 spricht sich der Bundesrat auch für die Herausnahme der Rechtsakte Tierkennzeichnung und -registrierung sowie Pflanzenschutzmittel aus dem neuen System der Konditionalität aus. Für diese bestehen bereits jetzt zusätzliche eigene fachrechtliche Kontrollvorgaben, wie beispielsweise Mindestkontrollraten von drei Prozent für die Rinder-, Schaf- und Ziegenkennzeichnung, die eine entsprechende Überwachung sicherstellen (Verordnung (EU) Nr. 2017/625
, Verordnung (EG) Nr. 1082/2003 und Verordnung (EG) Nr. 1505/2006
).
Die tierhaltenden Betriebe sind daher durch Doppelkontrollvorgaben unverhältnismäßig belastet. Darüber hinaus stellt ein Verstoß gegen die Vorgaben der Tierkennzeichnung und -registrierung gleichzeitig einen fachrechtlichen und einen "Cross-Compliance"-Verstoß dar und ist grundsätzlich doppelt zu ahnden.
Durch die Herausnahme der Tierkennzeichnung und -registrierung (Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine) und der Pflanzenschutzmittel aus der Konditionalität würden vor allem Doppelkontrollen und Doppelsanktionierung vermieden, Widersprüche bei den Kontrollvorgaben aufgehoben und der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert.
Zur Sanktionierung von Verstößen
- 70. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich, dass bei Kontrollen festgestellte Verstöße unter bestimmten Voraussetzungen - beispielsweise geringe Schwere, begrenztes Ausmaß oder keine Gefährdung der Gesundheit - als geringfügig bewertet werden können, sodass diese nicht mit einer Kürzung oder einem Ausschluss aus der GAP-Unterstützung geahndet werden müssen.
Nach dem Verordnungsvorschlag der Kommission über die Finanzierung, Verwaltung und Überwachung der Gemeinsamen Agrarpolitik (BR-Drucksache 247/18 (PDF) , Artikel 86 Absatz 2 Unterabsatz 2) sollen allerdings bei der Bewertung eines Verstoßes als geringfügig die Voraussetzungen der Anwendung des bisher geltenden Frühwarnsystems grundsätzlich beibehalten werden. Das Frühwarnsystem kann demnach nur auf geringfügige Verstöße Anwendung finden, die erstmals auftreten.
Die Fortführung der aktuell geltenden, auch nachträglichen Sanktionierung bei wiederholt festgestellten geringfügigen Verstößen wird vom Bundesrat als unverhältnismäßig angesehen, da geringfügige Verstöße in der Regel auch wiederholt aus Versehen geschehen. Dies zeigen Erfahrungen mit den durchgeführten "Cross-Compliance"-Kontrollen.
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass es im Rahmen der GAP-Reform sachgerecht ist, ein Bagatellsystem als praktikable Fortführung für das bestehende Frühwarnsystem einzuführen, bei dem auch wiederholt auftretende geringfügige Verstöße als Bagatelle bewertet werden können, die zu keiner Kürzung der GAP-Unterstützung führen. Ein Bagatellsystem stellt somit eine erhebliche Verbesserung für die Verwaltung und für die Begünstigten dar und berücksichtigt die Verhältnismäßigkeit.
Kontrollen
- 71. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass ausreichende Bagatellregelungen sowohl bei den Finanzabwicklungen als auch bei den Flächenidentifizierungen geschaffen werden.
- 72. Der Bundesrat hat Zweifel, ob der von der Kommission angekündigte Rückzug aus den direkten Betriebskontrollen auch erfolgen soll. Er bevorzugt ein System der "Kontrolle der Verwaltungssysteme". Wenn das Verwaltungs- und Kontrollsystem seitens der EU anerkannt ist, sollten Mehrfachkontrollen zukünftig ausgeschlossen werden.
- 73. Der Bundesrat bedauert, dass die Ankündigung der Kommission, sich auf die Prüfung der Ergebnisse zu beschränken, sich so im Verordnungsvorschlag zur Finanzierung, Verwaltung und Kontrolle der GAP nicht wiederfindet. Er sieht im Gegenteil wieder sehr umfangreiche Berichtspflichten, teils in sehr engen Intervallen. Die Berichte sollten nur für tatsächlich zwingend erforderliche Tatbestände erstellt werden müssen.
Delegierte Rechtsakte und Durchführungsbefugnisse
- 74. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass der Kommission wieder umfangreiche Befugnisse für Rechtsakte und Durchführungsbefugnisse übertragen werden sollen. Diese Rechtsakte und Durchführungsbestimmungen haben in der aktuellen Förderperiode zu einem immensen Verwaltungsaufwand geführt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass möglichst alle relevanten Regelungen im Basisrecht geregelt werden, um frühzeitig Klarheit über die Ausführung des Rechts zu haben. Detailregelungen wie beispielsweise die Identifizierung von landwirtschaftlichen Parzellen sind im Rahmen der verstärkten Subsidiarität den Mitgliedstaaten zu überlassen. Rechtsakte der Kommission sind auf das erforderliche Maß zu beschränken.
- 75. Die von der Kommission vorbehaltene Möglichkeit, viele delegierte Rechtsakte erlassen zu können, muss auf ein Mindestmaß beschränkt werden und darf nur dann Anwendung finden, wenn damit keine wesentlichen Konsequenzen für die Mitgliedstaaten verbunden sind oder die Mitwirkungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten auf andere Weise gesichert werden können.
Weitere Aspekte
- 76. Der Bundesrat sieht es als erforderlich an, dass die Ziele der GAP, insbesondere im Bereich Umwelt-, Klima-, Tier- und Naturschutz, auch in der EU-Handelspolitik Berücksichtigung finden. Hierdurch muss sichergestellt werden, dass Produktionen nicht auf Standorte mit einem geringeren Schutzniveau verlagert werden können.
Zur BR-Drucksache 248/18 (PDF)
Zum Begriff Alkoholgehalt
- 77. In Artikel 1 Nummer 32 des Verordnungsvorschlags muss es in Anhang VII Teil II in den neu angefügten Nummern 18 Buchstabe c und 19 Buchstabe c entsprechend Artikel 119 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013
jeweils "vorhandenen Alkoholgehalt" statt "Gesamtalkoholgehalt" heißen, da bei der Entalkoholisierung der Ethanolgehalt (vorhandene Alkoholgehalt) reduziert wird. Der Gesamtalkoholgehalt beinhaltet zusätzlich noch den potenziellen Alkoholgehalt (noch nicht umgesetzter Zucker), der hier nicht gemessen wird.
Ferner müssen in Artikel 1 Nummer 32 in Anhang VII Teil II in der neu angefügten Nummer 19 Buchstabe c am Ende in dem Text "um mehr als 20 Prozent vol reduziert" die Buchstaben "vol" gestrichen werden. Es handelt sich um eine anteilsmäßige Reduzierung, vergleiche Anhang I A Anlage 10 Nummer 4 der Verordnung (EG) Nr. 606/2009
.
Zur Fehlerprüfung von Schutzanträgen
- 78. Artikel 1 Nummer 12 des Verordnungsvorschlags sieht für Artikel 97 Absatz 2 Unterabsatz 1 vor, dass die Kommission Schutzanträge nur noch auf "offensichtliche Fehler" hin prüft. Insoweit könnte ein Widerspruch zu dem derzeit in der Diskussion befindlichen Entwurf für eine "Neue Delegierte Verordnung für die Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse" bezüglich Anträgen zum Schutz von geschützten Ursprungsbezeichnungen, geschützten geograpfischen Angaben und traditionellen Begriffen für den Weinsektor entstehen. Nach dem Entwurf der Delegierten Verordnung soll bei Änderungsanträgen für Produktspezifikationen zukünftig zwischen Standardänderungen und Änderungen mit europaweiten Auswirkungen differenziert werden. Nur im letzteren Fall besteht eine Prüfbefugnis der Kommission. Insoweit erscheinen diese Regelungen widersprüchlich. Es wird um Klarstellung gebeten.
Artikel 1 Nummer 12 des Verordnungsvorschlags sieht in Artikel 97 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 1 vor, dass die Kommission für die Prüfung von Schutzanträgen höchstens sechs Monate Zeit haben soll. Diese Befristung wird ausdrücklich begrüßt. Soweit diese Frist nach Unterabsatz 2 Satz 2 durch ein einfaches Unterrichtungsschreiben an die Antragsteller ausgehebelt werden kann, konterkariert dies die Regelung in Satz 1. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, den Wortlaut von Unterabsatz 2 Satz 2 zu streichen und durch eine Genehmigungsfiktion zu ersetzen.
Dies gilt sinngemäß auch für die in Artikel 2 Nummer 11 des Verordnungsvorschlags enthaltene Neufassung des Artikels 50 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012
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Zum Weinbereich
- 79. Der Bundesrat anerkennt die Bemühungen der Kommission zur Anpassung der GAP an die wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Einige inhaltliche Änderungen im Weinbereich erachtet er jedoch als zu weitgehend.
- 80. Der Bundesrat unterstützt die Bemühungen der Kommission, den Anbau und die Vermarktung von Rebsorten mit hohen Krankheitsresistenzen zu fördern. Eine generelle Zulassung aller Reben der Gattung Vitis Lambrusca für die Weinbereitung wird jedoch als zu weitreichend angesehen. Das bisher geltende Verbot bestimmter Rebsorten wie zum Beispiel Noah oder Othello (Vitis lambrusca Direktträger) wurde unter anderem auch mit qualitativen Aspekten begründet. Insbesondere die Geschmacksausprägung eines für europäische Weinsorten atypischen Foxtones wurde in der Vergangenheit als qualitätsmindernd beurteilt.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich in den Beratungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Zulassung von Rebsorten zur Weinbereitung wie bisher auf Kreuzungen der Art Vitis vinifera mit anderen Arten der Gattung Vitis beschränkt bleibt.
- 81. Des Weiteren bittet der Bundesrat die Bundesregierung, in den Beratungen auf EU-Ebene auf folgende grundsätzliche Änderung hinzuwirken. Die im vorliegenden Vorschlag vorgesehene Aufnahme der entalkoholisierten und teilentalkoholisierten Weine als eigene Kategorien von Weinbauerzeugnissen im Sinne des Anhangs VII Teil II der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013
vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse mit den damit verbundenen bezeichnungsrechtlichen und produktregelnden Konsequenzen (zum Beispiel geschützte geografische Begriffe, Verschnittregelungen), sollte abgewendet werden. Der Alkoholentzug bei Weinen erfolgt mit aufwändigen thermischen Verfahren oder Membranprozessen, bei denen gegebenenfalls auch Aromen, die während dieser Herstellungsprozesse entzogen werden, dem Produkt wieder zugeführt werden. Für so hergestellte weiterverarbeitete Produkte sollte eine klare Abgrenzung zum Weinbegriff erhalten bleiben. Darüber hinaus sollte berücksichtigt werden, dass in den Gremien der Internationalen Organisation für Rebe und Wein sowie in der internationalen fachlichen Diskussion eine Einordnung dieser teilentalkoholisierten Weine zu der Kategorie Wein noch strittig geführt wird.
Zu den Vorlagen insgesamt
- 82. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 83. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von den Vorlagen gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.