Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Versichertenentlastungsgesetz - GKV-VEG)

Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a (§ 260 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 SGB V)

In Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe a ist § 260 Absatz 2 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Eine Höchstgrenze in Höhe der bisherigen Soll-Vorgabe des Eineinhalbfachen einer Monatsausgabe ist ausreichend und zielführend. Indem die bisherige Soll-Vorschrift über die Höchstgrenze der Betriebsmittel in eine obligatorische Höchstgrenze umgewandelt wird, ist bereits der Bildung unangemessener Rücklagen wirksam vorgebeugt. Da der heute schon geltende Rahmen eingehalten werden würde, wäre etwaige Kritik der Krankenkassen im Hinblick auf politische Eingriffe in die Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung unbegründet. Das Potenzial an abzubauenden Finanzreserven ist auch bei Kassen mit mehr als Eineinhalbfacher Monatsreserve immer noch deutlich vorhanden.

Darüber hinaus sollte die Ausnahme für Krankenkassen mit bis zu 50 000 Mitgliedern auf Krankenkassen mit bis zu 100 000 Mitgliedern erweitert werden. Nur so sind diese Krankenkassen ausreichend gegen Hochkostenfälle abgesichert, solange ein Hochrisiko-Pool im Sinne des § 269 SGB V a.F. nicht mehr Gegenstand der GKV-Finanzsystematik ist.

2. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe b (§ 260 Absatz 2a Satz 1 SGB V)

In Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe b sind in § 260 Absatz 2a Satz 1 die Wörter "durch Absenkung des kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes" zu streichen.

Begründung:

Nach der Neuregelung ist eine Absenkung der Betriebsmittel zwingend durch Senkung des Zusatzbeitrages herbeizuführen. In vielen Fällen würden Krankenkassen, die bereits einen defizitären Haushalt haben, die Absenkung ihrer Betriebsmittel auch durch Beibehaltung des gegenwärtig erhobenen Zusatzbeitrages erreichen. Ein Zwang zur Senkung des Zusatzbeitrages würde die Abschmelzung des Überschusses zwar beschleunigen, aber anschließend zu einer umso stärkeren Erhöhung des Zusatzbeitrages zwingen. Dies widerspräche dem Grundsatz der Beitragsstabilität und würde unter anderem wegen zu erwartender verstärkter Mitgliedschaftskündigungen zu Wettbewerbsnachteilen führen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 12 (§ 323 Absatz 1 bis 5 SGB V)

In Artikel 1 Nummer 12 ist § 323 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die mit der Bestandsbereinigung sogenannter "ungeklärter passiver Mitgliedschaften" verbundene Zielsetzung der Reduzierung von Beitragsschulden führt zur Entlastung betroffener Mitglieder und ist zu begrüßen. Vor dem Hintergrund des Rückwirkungsverbots und den bei der rückwirkenden Beendigung durch die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Absatz 4 a.F. SGB V zu beachtenden gesetzlichen Regelungen für eine Rücknahme (§ § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch), einen Widerruf (§§ 46 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) oder eine Aufhebung ( § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) kommt hierfür allein die Bereinigung mit Wirkung für die Zukunft in Betracht. Insofern können die Regelungen der §§ 44 ff SGB X, als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Die Bereinigung betrifft ausschließlich diejenigen Mitgliedschaften, die im Wege der obligatorischen Anschlussversicherung zustande kamen, bei denen die Krankenkasse keinen Kontakt zum Mitglied herstellen konnte, für die Mitgliedschaft keine Beiträge geleistet wurden und das Mitglied und familienversicherte Angehörige keine Leistungen in Anspruch genommen haben.

Da für die insoweit passiv geführten Mitgliedschaften gemäß § 240 Absatz 1 Satz 2 SGB V aufgrund fehlender Mitwirkung Höchstbeiträge festzusetzen waren, sind Beitragsschulden in erheblichem Umfang entstanden, deren Beitreibung fruchtlos blieb. Diese Beitragsschulden können im Zuge der Bereinigung der Mitgliedschaften nach Absatz 1 und 2 unter der Maßgabe des § 76 Absatz 2 Satz 1 Ziffer 3 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erlassen werden. Die Fortsetzung ihrer Beitreibung wäre vor dem Hintergrund, dass die Krankenkasse keinerlei Kontakt zu den Versicherten herstellen konnte, es sich eher um Beitragsschulden fiktiver Natur handelt und ihre Beitreibung auch im Weiteren erfolglos sein dürfte, unbillig.

Da keine rückwirkende Aufhebung von Versicherungsverhältnissen vorgenommen werden soll, entfällt die Notwendigkeit, aufwändige Fragen der Datenmeldung und Rückabwicklung der Zuweisungen an die Krankenkassen aus dem Risikostrukturausgleich für die Vergangenheit zu regeln.

Mit der Änderung wird eine bundeseinheitliche Rechtsanwendung gewährleistet.

4. Zu Artikel 2 Nummer 2a - neu - (§ 105 Absatz 1b - neu - SGB V)

In Artikel 2 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2a einzufügen:

"2a. In § 105 wird nach Absatz 1a folgender Absatz 1b eingefügt:

(1b) Die Kassenärztliche Vereinigung oder die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen können gemeinsam oder einzeln zur Finanzierung von weiteren Fördermaßnahmen in Gebieten, für die Beschlüsse nach § 100 Absatz 1 und 3 getroffen wurden, den Strukturfonds nach Absatz 1a jeweils um weitere bis zu 0,2 Prozent der nach § 87a Absatz 3 Satz 1 vereinbarten morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen aufstocken. Über die Verwendung des aufgestockten Strukturfonds entscheidet die Kassenärztliche Vereinigung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die eine Mittelaufstockung vorgenommen haben." "

Begründung:

Mit dem aufgestockten Strukturfonds soll den Vertragspartnern (Krankenkassen bzw. Landesverbände der Krankenkassen) und den Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam oder auch einzeln auf freiwilliger Basis ein größerer Handlungsspielraum gegeben werden, die Versorgung regionaler und flexibler nachhaltig zu sichern.

Mit der Änderung soll es möglich sein, dass die Vertragspartner (Krankenkassen bzw. Landesverbände der Krankenkassen) und die Kassenärztlichen Vereinigungen unabhängig von gegenseitigen Verpflichtungen Mittel in den Strukturfonds einzahlen können.

Über die zweckgebundene Mittelverwendung entscheiden dann die Vertragspartner, die eine Aufstockung des Strukturfonds vorgenommen haben.

5. Zu Artikel 2 Nummer 2b - neu - (§ 105 Absatz 1c - neu - SGB V)

In Artikel 2 ist nach Nummer 2a - neu - folgende Nummer 2b einzufügen:

"2b. In § 105 wird nach dem neuen Absatz 1b folgender Absatz 1c eingefügt:

(1c) Die Mittel des Strukturfonds nach Absatz 1b können insbesondere zur Finanzierung der Förderungen der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin (auch für die ambulanten Abschnitte der fachärztlichen Weiterbildung), zur Finanzierung der Förderung von Weiterbildungsverbünden, für Möglichkeiten der gezielten Nachwuchsförderung oder zur Förderung von zusätzlichen Studienplätzen in der Humanmedizin in Modellstudiengängen eingesetzt werden." "

Begründung:

Mit den in § 105 Absatz 1b - neu - SGB V freiwillig aufgestockten Strukturfondsmitteln soll es den Vertragspartnern (Krankenkassen bzw. Landesverbände der Krankenkassen) und den Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam oder einzeln, mit der nicht abschließenden Aufzählung in § 105 Absatz 1c SGB V ermöglicht werden, explizit die dort genannten Maßnahmen durch eine Förderung zu unterstützen.

Die Regelung ist erforderlich, weil die dort aufgezählten Maßnahmen eine große Bedeutung für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten, haben und es der Selbstverwaltung bisher verwehrt ist, sich an diesen Sicherstellungsmaßnahmen zugunsten einer zukunftsfesten medizinischen (hausärztlichen) Versorgung ihrer Versicherten zu beteiligen.

Auf Grund der großen Bedeutung der Maßnahmen für die vertragsärztliche Versorgung sind die Neuregelungen in § 105 SGB V und den Strukturfondsmittel richtig verortet.

6. Zu Artikel 2 Nummer 2c - neu - (§ 135b Absatz 4 Satz 3 - neu - bis Satz 7 - neu - SGB V)

In Artikel 2 ist nach Nummer 2b - neu - folgende Nummer 2c einzufügen:

"2c. Dem § 135b Absatz 4 werden folgende Sätze angefügt:

"Der Abschlag von dem nach § 87a Absatz 2 Satz 1 vereinbarten Punktwert für die an dem jeweiligen Vertrag beteiligten Krankenkassen und die von dem Vertrag erfassten Leistungen nach Satz 2 kann entfallen, insbesondere um in Gebieten oder in Teilen von Gebieten, für die der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die Feststellung nach § 100 Absatz 1 und 3 getroffen hat, die medizinische Versorgung sicherzustellen. Die Regelungen sind kassenindividuell als Anlagen zum Gesamtvertrag zu vereinbaren. Die Landesausschüsse nach §§ 90, 90a können Stellungnahmen dazu abgeben. Die Wirtschaftlichkeit der Verträge muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrundeliegenden Verträge nachweisbar sein.

§ 89 findet keine Anwendung." "

Begründung:

Grundsätzlich ist es möglich, in Gebieten mit Unterversorgung und drohender Unterversorgung gesamtvertragliche Vereinbarungen zu schließen, in denen für bestimmte Leistungen einheitlich strukturierte und elektronisch dokumentierte besondere Leistungs-, Struktur- oder Qualitätsmerkmale festgelegt werden, bei deren Erfüllung die an dem jeweiligen Vertrag teilnehmenden Ärzte Zuschläge zu den Vergütungen erhalten.

Mit der Änderung soll es zudem ermöglicht werden, von der in diesem Zusammenhang notwendigen Budgetbereinigung Abstand zu nehmen. Die Mehrleistungen müssen nicht mehr durch einen Abschlag auf die von dem Vertrag erfassten Leistungen, die von den an dem Vertrag nicht teilnehmenden Ärzten der jeweiligen Facharztgruppe erbracht werden, kompensiert werden.

Damit soll ein Anreiz für die zusätzliche medizinische Versorgung in unterversorgten bzw. drohend unterversorgten Gebieten geschaffen werden.

7. Zu Artikel 2 Nummer 2d - neu - (§ 135d - neu - SGB V)

In Artikel 2 ist nach Nummer 2c - neu - folgende Nummer 2d einzufügen:

"2d. Nach § 135c wird folgender neuer § 135d eingefügt:

" § 135d Förderung der Qualität durch die Krankenkassen

(1) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung in Ergänzung zur vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Versorgung mit Kassenärztlichen Vereinigungen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Verträge zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung der Versicherten sowie zur Förderung und Weiterentwicklung der Leistungserbringung, der Arzneimittelversorgung oder der sektorenübergreifenden Versorgung in den verschiedenen Leistungsbereichen schließen. Die Verträge können Verfahrens- und Organisationsformen, die Festlegung einheitlich strukturierter und elektronisch dokumentierter Leistungs-, Struktur- oder Qualitätsmerkmale sowie die in § 11 Absatz 6 genannten Satzungsleistungen, Leistungen nach den §§ 20, 20a, 20i, 25, 26, 27b, 63 Absatz 3c, bei Schwangerschaft und Mutterschaft, zum Medikationsmanagement, zur Telemedizin, zur Fortführung von Leistungen aus Modellvorhaben sowie ärztliche und zahnärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen. Gegenstand können nur solche Leistungen sein, über die im Bundesmantelvertrag oder im einheitlichen Bewertungsmaßstab keine widersprechende Regelung getroffen ist oder über deren Eignung als Leistung der Krankenversicherung der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 oder im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c Absatz 1 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat und die ergänzende Regelung dem Sinn und der Eigenart der vereinbarten Versorgung entspricht, sie insbesondere darauf ausgerichtet ist, die Qualität, Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu verbessern. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss sowie die in den Bundesmantelverträgen für die Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung beschlossenen Qualitätsanforderungen gelten als Mindestvoraussetzungen entsprechend. Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Verträge über zusätzliche Vergütungen für Diagnosen können nicht Gegenstand der Verträge sein; § 71 Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(2) In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zugelassene Leistungserbringer oder Gruppen von Leistungserbringern, pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten im Sinne des Gesetzes über Medizinprodukte sowie Unternehmen von Kommunikationstechnologien und Telemedizin können an den Verträgen nach Absatz 1 beteiligt oder in diese einbezogen werden.

(3) Die Verträge nach Absatz 1 können von den Vorschriften des Dritten, Vierten und Zehnten Kapitels dieses Buches, ausgenommen § 136b, des Elften Buches, des Dritten Abschnitts des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes, ausgenommen § 8 Absatz 1 Satz 3 sowie § 21, und des Arzneimittelgesetzes sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen abweichen. Abweichungen vom Zehnten Kapitel dieses Buches können insbesondere informationstechnische und organisatorische Verbesserungen der Datenverwendung, einschließlich der Erweiterung der Befugnisse zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten sein, um die papiergebundene Kommunikation durch elektronische und maschinell verwertbare Übermittlungen der Daten zu ersetzen.

(4) Die Wirtschaftlichkeit der Verträge muss spätestens vier Jahre nach dem Wirksamwerden der zugrundeliegenden Verträge nachweisbar sein. Werden in einem Vertrag nach Absatz 1 Leistungen geregelt, die bereits in den Verträgen nach § 85 oder § 87a, der Ausgabenvolumen nach § 84 oder der Krankenhausbudgets vergütet werden oder von diesen umfasst sind, sind die Vergütungen oder der Behandlungsbedarf nach § 87a Absatz 3 Satz 2, die Ausgabenvolumen oder die Budgets, in denen die Ausgaben für diese Leistungen enthalten sind, entsprechend der Zahl und der Morbiditäts- oder Risikostruktur der die Leistungen gemäß der Verträge nach Absatz 1 in Anspruch nehmenden Versicherten sowie dem in diesen Verträgen jeweils vereinbarten Inhalt zu bereinigen; die Budgets der einbezogenen Krankenhäuser sind dem geringeren Leistungsumfang anzupassen; § 21 Krankenhausentgeltgesetz bleibt davon unberührt. Für die Bereinigung des Behandlungsbedarfs nach § 87a Absatz 3 Satz 2 kann eine rückwirkende Bereinigung vereinbart werden.

§ 89 findet keine Anwendung.

§ 71 Absatz 4 und 5 gelten entsprechend." "

Begründung:

Die Regelung stellt die Gestaltungsfreiheit und Regelungsbefugnis der Vertragspartner nach § 72 SGB V im Rahmen der Regelversorgung für ergänzende Verträge klar. Derzeit können Krankenkassen allenfalls im Rahmen von Modell- oder Selektivverträgen über die Regelversorgung hinaus andere Leistungsinhalte zur Förderung der Qualität vereinbaren. Die Umsetzung von Modell- und Selektivverträgen ist immer an Teilnahme- und Einschreibeverfahren, Evaluations- oder Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, erhebliche Datenlieferungen und teilweise auch an Ausschreibungen zur vertraglichen Bindung der Leistungserbringer geknüpft, was sich insbesondere bei Strukturmodellen und für die qualitative und technische Weiterentwicklung der Regelversorgung nachteilig, innovationshindernd und/oder zeitverzögernd auswirkt. Dieser Aufwand rechtfertigt sich nur, wenn mit dem Modell- oder Selektivvertrag außerhalb der Regelversorgung ein sehr umfassender Versorgungsauftrag definiert wird.

Zusätzlich zur Regelversorgung gibt es aber auch kleine und geringfügige Verbesserungen in der Leistungserbringung, die nicht immer eine neue bisher in der Regelversorgung nicht vorhandene Leistung beschreiben oder einen kompletten Versorgungsauftrag abbilden. Hierfür sind keine einfachen vertraglichen Regelungen möglich, um den Versicherten diese Verbesserungen zugänglich zu machen oder auch um Versorgung regional zu gestalten oder zukunftsfähig zu machen.

Beispielsweise nach Ende von Modellvorhaben (zum Beispiel wegen Erreichens der maximalen Laufzeit von acht Jahren) hat sich gezeigt, dass - wenn diese Leistung für die Einführung in die Regelversorgung prädestiniert ist, das Bewertungsverfahren im Gemeinsamen Bundesausschuss aber noch durchzuführen ist - keine Anschlussregelungen möglich sind. Um hier einen lückenlosen Übergang eines erfolgreichen Modells in die Regelversorgung zu gewährleisten, sind vertragliche Regelungen erforderlich, die es den bisherigen Vertragspartnern ermöglichen, bis zur endgültigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses und Bewertung der Leistung diese vorübergehend weiter anbieten zu können, um einen Bruch und eine Kostenerstattung wegen Systemversagens in der Versorgung zu vermeiden.

Im Hinblick auf die vertragsärztliche Versorgung hat der Gesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen über den § 87a SGB V hinaus mit dem § 135b Absatz 4 SGB V weitere gesamtvertragliche Gestaltungsräume ermöglicht. Diese sind jedoch für die nicht teilnehmenden Ärzte mit Vergütungsabschlägen verbunden, um die aufgrund der gesamtvertraglichen Regelung entstehenden Mehrkosten der Krankenkasse gegenzufinanzieren. Sofern allerdings eine Qualitätsverbesserung in der vertragsärztlichen Versorgung gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung eingeführt wird, wird diese Verbesserung nach einem gewissen Zeitablauf von allen Vertragsärzten erbracht, sodass die Gegenfinanzierung nicht mehr gewährleistet ist, weil keine Ärzte mehr Vergütungsabschlägen unterliegen. Der Vertrag müsste dann, auch wenn er zielführend ist, beendet werden. Diese Vorschrift ist deshalb bisher nirgends zur Anwendung gekommen und für den intendierten Zweck daher nicht alternativ nutzbar.

Bisher kann neben den Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 135b SGB V) auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft Verträge zur Förderung der Qualität schließen (§ 135c SGB V). Für die Krankenkassen dagegen fehlt eine entsprechende Rechtsgrundlage.

Die Neufassung des § 135d SGB V soll die Krankenkassen oder ihre Verbände in die Lage versetzen, mit den in der Regelversorgung vorgesehenen und etablierten Akteuren, auch durch mehrseitige Verträge, kurzfristig und auch regional Regelungen zu schaffen, damit den Versicherten Leistungen zur Verfügung gestellt werden können, ohne dass die mit Modell- oder Selektivverträgen einhergehenden Vorlaufzeiten und Aufwände erforderlich sind. Diese Verträge sollen ergänzend oder übergangsweise, bis zur Einführung in die Regelversorgung oder bis zur Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses möglich sein. Es ist den Vertragspartnern damit möglich, den Versicherten flächendeckend und schnell Lösungen aufgrund der Weiterentwicklung des Gesundheitsmarktes und der technischen Möglichkeiten anzubieten.

Des Weiteren sind davon auch Leistungen betroffen, die nur einmalig für den Versicherten zur Abrechnung gelangen können, wie zum Beispiel die erweiterten Kinderuntersuchungen U10, U11 und J2. Weitere Fallgestaltungen können sich zum Beispiel aus einer umfassenderen Bereitstellung von Telemedizin, Gesundheits-Apps, im Zusammenhang mit der Delegation ärztlicher Leistungen oder im Zusammenhang mit fachärztlichen Videokonsilen ergeben.

Dabei werden die für den stationären Sektor geltenden Qualitätsbestimmungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die Grundsätze der dualen Finanzierung und die in der Verantwortung der Länder liegenden krankenhausplanerischen Festlegungen durch die Verträge nach § 135d SGB V nicht berührt.

8. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 240 Absatz 4 SGB V)

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob und inwieweit dem Artikel 2 Nummer 3 GKV-VEG entsprechende entlastende Regelungen auch für privat krankenversicherte Selbständige geschaffen werden können.

Begründung:

Eine dem Artikel 2 Nummer 3 GKV-VEG entsprechende Regelung in der privaten Krankenversicherung wäre systematisch geboten und sinnvoll. Selbständige sind systematisch der privaten Krankenversicherung zuzuordnen, da sie gemäß § 5 Absatz 5 Satz 1 SGB V nicht versicherungspflichtig nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 oder 5 bis 12 SGB V sind. Daher gilt es zu verhindern, dass prinzipiell der PKV zuzuordnende Personenkreise zunehmend der GKV zugeführt werden, weil sie dort vergünstigte Beitragsbedingungen vorfinden. Gleichzeitig ist es aber aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit geboten, auch den in der privaten Krankenversicherung versicherten Selbständigen mit geringem Einkommen entsprechende Erleichterungen zukommen zu lassen.

9. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung die Bitte der Gesundheitsministerkonferenz aus diesem Jahr bisher nicht aufgegriffen hat, unter Berücksichtigung der Ergebnisse des vorliegenden Gutachtens die Beiträge des Bundes an die Gesetzlichen Krankenkassen für Empfänger von Arbeitslosengeld II umgehend durch eine entsprechende gesetzliche Änderung stufenweise anzuheben, um die festgestellte Finanzierungslücke zu schließen.

Der Bundesrat stellt fest, dass es damit zu einer systematischen Unterdeckung der Leistungsausgaben für diesen Personenkreis in der gesetzlichen Krankenversicherung kommt, die zu Lasten der Solidargemeinschaft geht. Eine ursachengerechte Anhebung würde stattdessen zu einer Entlastung der Versicherten führen und damit auch der Intention des GKV-VEG entsprechen. Nach Inkrafttreten des GKV-VEG würden auch die Arbeitgeber hiervon profitieren.

Auch der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien im Bund sieht ausdrücklich eine schrittweise Einführung von kostendeckenden Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung für die Bezieher von ALG II aus Steuermitteln vor. Angesichts der guten wirtschaftlichen Lage und der hohen Steuerzuschüsse hält der Bundesrat es aktuell für möglich, einen ersten Schritt zur Anhebung der Beiträge vorzunehmen. Andernfalls ist zu befürchten, dass die Unterdeckung längerfristig bestehen bleibt.

Der Bundesrat bittet daher, das laufende Gesetzgebungsverfahren für einen Einstieg in ausgabendeckende GKV-Beiträge für Empfänger von Arbeitslosengeld II zu nutzen.