Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und anderer Gesetze

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung

G. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und anderer Gesetze

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 10. August 2007
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, um ein rechtzeitiges Inkrafttreten vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist sicherzustellen.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
Der Stellvertreter der Bundeskanzlerin
Franz Müntefering
Fristablauf: 21.09.07
Besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 GG.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und anderer Gesetze

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Das Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz

Artikel 3
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Artikel 4
Änderung des Gerichtskostengesetzes

Das Gerichtskostengesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 370), wird wie folgt geändert:

Artikel 5
Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Die Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch Artikel 3 Abs. 3 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 370) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 6
Änderung der Strafvollzugsvergütungsordnung

Die Strafvollzugsvergütungsordnung vom 11. Januar 1977 (BGBl. I S. 57) wird wie folgt geändert:

Artikel 7
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Anlass und Inhalt des Entwurfs

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zu einer gesetzlichen Grundlage für den Jugendstrafvollzug vom 31. Mai 2006 (BVerfGE 116, 69 ff.) festgestellt, dass bislang keine gesetzlichen Grundlagen für den Jugendstrafvollzug existieren, die notwendig sind, um eine Vollzugsgestaltung zu sichern, die den besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, und die eine Grundlage der erforderlichen Grundrechtseingriffe darstellen.

Besonderer Regelungsbedarf bestehe auch für die Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes, der auf die im Jugendstrafvollzug inhaftierten, typischerweise im Umgang mit Institutionen und Schriftsprache besonders ungeübten jungen Menschen zugeschnitten werden müsse. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 1. Januar 2008 gesetzt. Der Entwurf setzt diese Forderung um durch Schaffung einer ortsnahen Gerichtszuständigkeit, die die Möglichkeit mündlicher Kommunikation vorsieht. Die Vorschrift wird in das Jugendgerichtsgesetz eingestellt, da dieses das Jugendstrafverfahren regelt.

Die von den gesetzgebenden Körperschaften beschlossene Änderung des Grundgesetzes (BT-Drs. 16/813 i. V. m. 16/2010 - "Föderalismusreform") hatte zur Folge, dass die bislang in Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes (allgemeigg_ges.htm ) enthaltene Zuständigkeit für die Gesetzgebung im Bereich des Strafvollzuges mit Wirkung vom 1. September 2006 gestrichen worden und damit (vgl. Artikel 70 GG) auf die Länder übergegangen (BGBl. I S. 2034) ist. Da die Länder in Wahrnehmung dieser Gesetzgebungskompetenz unter Beachtung der ihnen vom Bundesverfassungsgericht in der o.g. Entscheidung gesetzten Frist bis Ende 2007 eigene Jugendstrafvollzugsgesetze verabschieden werden, enthält der Entwurf darüber hinaus die sich hieraus ergebenden Änderungsvorschriften zum Jugendgerichtsgesetz, soweit dieses bislang Regelungen zum Vollzug der Jugendstrafe enthielt.

Schließlich wird das Jugendgerichtsgesetz (JGG) in seinem § 2 um eine ausdrückliche Bestimmung des Ziels des Jugendstrafrechts ergänzt. Diese bietet nicht nur eine Orientierungshilfe für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, sondern auch zur inhaltlichen Bestimmung der Eigenart der jugendstrafrechtlichen Sanktionen.

II. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Die Gesetzgebungskompetenz ergibt sich aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.

Die neue Regelung zum gerichtlichen Rechtsschutz in § 92 JGG unterfällt dem darin enthaltenen Kompetenztitel "gerichtliches Verfahren".

Die als § 2 Abs. 1 Satz 1 JGG neu vorgesehene Regelung ist dem Kompetenztitel "Strafrecht" des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen. Es handelt sich hier um eine generelle Festlegung des Ziels der Anwendung des Jugendstrafrechts und der Leitlinie für die Berücksichtigung des Erziehungsgedankens zur Erreichung dieses Ziels. Soweit die Jugendstrafe und andere Rechtsfolgen des Jugendgerichtsgesetzes davon betroffen sind, handelt es sich nicht um das Vollzugsziel, sondern um den Sanktionszweck. Traditionell ist es vom Kompetenztitel Strafrecht gedeckt, die Art der Sanktion festzulegen. Denn die Befugnis, eine bestimmte Rechtsfolge vorzusehen, liefe ohne gleichzeitige Definitionsmacht über diese Rechtsfolge ins Leere. Nicht in Frage gestellt wird die Kompetenz der Länder als Vollzugsgesetzgeber, die Vollzugsziele und ihre Ausgestaltung selbst zu regeln.

Bei der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 JGG, wonach auch das Jugendstrafverfahren soweit wie möglich am Erziehungsgedanken ausgerichtet werden soll, handelt es sich wiederum um die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.

Für die Regelung zur Ausnahme vom Jugendstrafvollzug in dem neu gefassten § 91 JGG greift ebenfalls der Kompetenztitel "gerichtliches Verfahren", dem das Recht der Strafvollstreckung zugeordnet wird. Strafvollstreckung ist die Anordnung und Überwachung des Strafvollzuges durch die Strafvollstreckungsbehörden. Hierzu gehört auch die Frage, in welcher Art des Vollzugs ein Straftäter oder eine Straftäterin untergebracht werden soll. Die Ausgestaltung der jeweiligen Vollzugsart, die zum Bereich des Strafvollzugsrechts gehört, bleibt davon unberührt.

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

III. Kosten und Preise

Die Mehrkosten, die bei den Landgerichten dadurch entstehen, dass die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Anträge auf gerichtliche Entscheidung auf diese übertragen wird, werden kompensiert durch die Entlastung der bislang zuständigen Oberlandesgerichte.

Durch die fakultative Anhörung der Gefangenen bzw. Durchführung einer mündlichen Verhandlung entstehen Mehrkosten in nicht abschätzbarer Höhe. Gering sein dürfte der Umfang allerdings im Hinblick auf die ohnehin geringe Anzahl der Fälle, die sich durch das - fakultativ - vorgesehene Verfahren zur gütlichen Streitbeilegung voraussichtlich noch reduzieren wird gering sein. Soweit ein solches vorgeschaltet wird, kompensiert seine - erfolgreiche - Durchführung gerichtlichen Aufwand, so dass mit weiteren Kosten nicht zu rechnen ist.

Auswirkungen auf Einzelpreise, das allgemeine Preisniveau und das Verbraucherpreisniveau sind mit den vorgesehenen Regelungen nicht verbunden.

IV. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung

Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten.

V. Bürokratiekosten

Informationspflichten werden nicht eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes)

Zu Nummer 1

Der Fortfall der Vollzugsvorschriften im Jugendgerichtsgesetz (JGG) gibt Anlass, § 2 um eine ausdrückliche Bestimmung des Ziels des Jugendstrafrechts zu ergänzen, denn es lässt sich zum Beispiel aus dem Jugendgerichtsgesetz nicht hinreichend entnehmen, worin sich die Jugendstrafe sachlich von der Freiheitsstrafe des allgemeinen Strafrechts unterscheidet. Die neue Vorschrift dient aber nicht nur der inhaltlichen Bestimmung der Eigenart der jugendstrafrechtlichen Sanktionen, sondern bietet allgemein eine Orientierungshilfe für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im Jugendgerichtsgesetz und fördert die Klärung von Zweifelsfragen.

Vorrangiges Ziel des Jugendstrafrechts ist es, dass sich junge Menschen, die sich wegen einer Straftat zu verantworten haben, künftig gesetzestreu verhalten und nicht erneut straffällig werden. Der Entwurf bringt dies mit dem neuen § 2 Abs. 1 Satz 1 zum ersten Mal in der Geschichte des Jugendgerichtsgesetzes klar zum Ausdruck. Weiter bekennt sich der Entwurf zum Erziehungsgedanken als Leitprinzip, indem er in § 2 Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass zur Erreichung dieses Ziels die Rechtsfolgen und, soweit möglich, auch das Verfahren vorrangig an ihm auszurichten sind. Die Verknüpfung der Sätze 1 und 2 verdeutlicht, dass nicht Erziehung selbst Ziel oder Anliegen des Jugendstrafrechts ist. Die Bedeutung des Erziehungsgrundsatzes liegt vielmehr darin, dass zur Erreichung des Ziels künftiger Legalbewährung primär erzieherische Mittel eingesetzt werden sollen und dass auch im Übrigen nach Möglichkeit erzieherische Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. Damit gibt der neue Absatz 1 zugleich eine Orientierungshilfe für die Interpretation all jener Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes, in denen Formulierungen wie "aus Gründen der Erziehung", "erzieherische Einwirkung", "Nachteile für die/seine Erziehung" oder "erhebliche erzieherische Nachteile" verwendet werden.

Nach dem neuen § 2 Abs. 1 ist "Erziehung" im jugendstrafrechtlichen Zusammenhang zwar nicht im Sinne einer umfassenden Einwirkung auf die Persönlichkeit, das Verhalten und die Entwicklung der beschuldigten Jugendlichen und Heranwachsenden zu verstehen. Als solche ist und bleibt sie vorrangig Aufgabe der Eltern. Gleichwohl geht es auch im Jugendstrafrecht nicht lediglich um eine äußere Reaktion auf begangenes Unrecht und die Befähigung zu rechtstreuem Verhalten etwa durch Vermittlung von Handlungskompetenzen oder von eher technischen Konfliktvermeidungsstrategien. Vielmehr wird die Verhütung künftiger Straffälligkeit als Ziel des Jugendstrafrechts oft nicht erreichbar sein, ohne dass eine positive innere Beeinflussung - im Hinblick auf Unrechtseinsicht und Motivation zur Befolgung der Gesetze - und eine diesbezügliche Festigung der Jugendlichen erfolgen. Umfang und Gestaltung der erzieherischen Einwirkung im Jugendstrafrecht mit ihrer spezialpräventiven Intention werden aber durch dieses Ziel eines künftigen Lebens ohne Straftaten begrenzt.

Zudem trägt die Formulierung des neuen § 2 Abs. 1 Satz 2 der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 2003 (BGBl. I S.178; BVerfGE 107, 104 ff.) bei der Berücksichtigung des Erziehungsgedankens von Verfassungs wegen gebotenen Unterscheidung zwischen Verfahren und Rechtsfolgen Rechnung. Während eines noch nicht abgeschlossenen Strafverfahrens ist nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für eine allein mit erzieherischen Zielen begründete Zurückdrängung des Elternrechts verfassungsrechtlich kein Raum. Der neue § 2 Abs. 1 Satz 2 macht durch den hinsichtlich des Verfahrens eingefügten Zusatz "soweit möglich" deutlich, dass vor dem justizförmigen Nachweis der durch die Straftat erkennbar gewordenen Erziehungsbedürftigkeit grundsätzlich Zurückhaltung bei der Ausrichtung am Erziehungsgedanken geboten ist. Erzieherisch begründete Maßnahmen vor Feststellung eines entsprechenden erzieherischen Bedarfs im Urteil werden mithin in der Regel nur dann zulässig sein, wenn sie keinen Zwangscharakter haben oder für die jungen Beschuldigten - auch im Vergleich zu sonst zulässigen Zwangsmaßnahmen wie z.B. bei vorläufigen Anordnungen über die Erziehung nach § 72 Abs. 1 Satz 1 anstelle von Untersuchungshaft - lediglich vorteilhaft und auf ihr Wohl ausgerichtet sind oder wenn sie darauf beschränkt sind, die erzieherische Wirkung etwaiger im Urteil zu treffender Anordnungen gegenüber den Jugendlichen zu sichern. Nach rechtskräftiger Verurteilung darf der Staat hingegen, soweit erforderlich, trotz des damit verbundenen Eingriffs in das Erziehungsrecht der Eltern in größerem Umfang erzieherisch mit dem Ziel künftigen straffreien Lebens auf die jugendlichen Angeklagten einwirken; das elterliche Erziehungsrecht steht der Verfolgung erzieherischer Belange bei der Sanktionsauswahl und Sanktionsbemessung für die Verurteilten nicht in gleicher Weise entgegen. Insoweit kann daher auf einen einschränkenden Zusatz verzichtet werden.

Die Formulierung "vor allem" in Satz 1 lässt Raum dafür, in Einzelfällen neben dem Gedanken der Spezialprävention auch andere Sanktionszwecke zu berücksichtigen. Entsprechend verdeutlicht der Zusatz "vorrangig" in Satz 2, dass nicht in allen Fällen ausschließlich erzieherische Erwägungen im Sinne moderner Pädagogik, die vornehmlich auf helfende und fördernde Maßnahmen ausgerichtet sind, maßgeblich sein können. Dies kann etwa bei den Zu.htm .tteln von Bedeutung sein, wenn erzieherische Maßnahmen nicht erforderlich erscheinen, gleichwohl aber das begangene Unrecht normverdeutlichend zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. § 13). Insbesondere bei der Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2, 2. Alt.), die bereits als solche eine Berücksichtigung des Schuldgedankens über das erziehungsnotwendige Maß hinaus impliziert, und bei der "vorrangig" am Erziehungsgedanken orientierten Bemessung der Jugendstrafe kann danach auch Belangen des Schuldausgleichs Rechnung getragen werden (vgl. auch Nummer 2 der Richtlinien zu § 18 JGG). Durch die Öffnung für andere Erwägungen neben dem Erziehungsgedanken bleibt es ohne Konflikt mit § 2 Abs. 1 möglich, bei besonders schwerer Schuld auch Jugendstrafen von mehr als fünf Jahren zu verhängen, auch in Fällen, in denen eine solche Dauer ausschließlich unter erzieherischen Gesichtspunkten nicht mehr zu rechtfertigen wäre. Schulderwägungen kommt im Übrigen noch eine weitere Funktion zu, die ihre Berücksichtigung neben erzieherischen Belangen verlangt: Auch jugendstrafrechtliche Maßnahmen, die allein erzieherisch begründet und auf Hilfe, Förderung und Befähigung ausgerichtet sind, bleiben als förmliche Rechtsfolgen vorwerfbaren Unrechts doch strafrechtliche Sanktionen und sind als solche nach Art und Umfang durch die strafrechtlich relevante Schuld nach oben begrenzt. Selbst wenn eine bestimmte Maßnahme oder z.B. deren längere Dauer erzieherisch durchaus sinnvoll und wünschenswert wäre, darf das Jugendgericht über das schuldangemessene Maß nicht hinausgehen.

Unzulässig bleibt bei der konkreten Anwendung des Jugendstrafrechts im Einzelfall entsprechend der ganz herrschenden Meinung die eigenständige Verfolgung generalpräventiver Zwecke im Sinne der Abschreckung anderer potenzieller Täter, auch wenn generalpräventive Nebeneffekte einer konsequenten Anwendung des jugendstrafrechtlichen Instrumentariums - insbesondere im Sinne der Normverdeutlichung - nicht ausgeschlossen sind. § 2 Abs. 1 Satz 1 bestimmt es deshalb als Ziel, "erneuten" Straftaten "eines Jugendlichen oder Heranwachsenden" entgegenzuwirken, und verwendet nicht etwa eine allgemeinere Formulierung wie "Straftaten von Jugendlichen und Heranwachsenden entgegenwirken". Damit bringt er - übereinstimmend mit der spezialpräventiven Täterorientierung des Jugendstrafrechts - zum Ausdruck, dass Maßstab für dessen Anwendung allein der erzieherische Bedarf und gegebenenfalls die Schuld des konkret wegen einer Straftat vor Gericht stehenden jungen Menschen zu sein hat und nicht etwa eine intendierte Auswirkung auf andere.

Die Aufgabenumschreibung in § 2 Abs. 1 verdeutlicht schließlich, dass bei der Auslegung und Anwendung des Jugendstrafrechts normative Erwägungen nicht genügen können. Bei der im Jugendstrafrecht maßgeblichen Frage, was dem Ziel einer künftigen Legalbewährung dient müssen die Berücksichtigung von Wirkungszusammenhängen und empirische Einschätzungen im Vordergrund stehen. § 2 Abs. 1 verlangt deshalb auch die besondere Beachtung kriminologischer pädagogischer, jugendpsychologischer und anderer fachlicher Erkenntnisse. In dieser Hinsicht ist die Regelung auch als Ergänzung zu § 37 zu sehen.

Aus der Zielsetzung und dem Primat des Erziehungsgedankens lassen sich im Übrigen zahlreiche Besonderheiten des Jugendstrafrechts ableiten, etwa der grundsätzliche Vorrang informeller Erledigung vor förmlicher Sanktionierung, der Vorrang ambulanter und fördernder Maßnahmen vor eher repressiven und freiheitsentziehenden, der Ultima-Ratio-Charakter der Jugendstrafe, aber z.B. auch die Notwendigkeit besonderer Verfahrensbeschleunigung, die umfangreichen Ermittlungen zum persönlichen Hintergrund oder die Nichtöffentlichkeit der Hauptverhandlung und generell das Postulat, schädliche Nebenfolgen zu vermeiden. Damit stellt der Erziehungsgedanke neben einer - gegenüber voll verantwortlichen Erwachsenen - generell herabgesetzten Schuld das wesentliche Standbein für ein eigenständiges Jugendstrafrecht überhaupt dar. Auch aus diesem Grund erscheint eine ausdrückliche Regelung, wie sie in § 2 Abs. 1 vorgeschlagen wird, angezeigt.

Zu Nummer 2

Jugendstrafe wird heute nicht mehr ausschließlich in Jugendstrafanstalten vollzogen, sondern im Rahmen des Vollzugs in freien Formen auch in eigens hierfür geschaffenen Einrichtungen freier Träger. Dieser Entwicklung ist durch die Änderung der Bezeichnung zu entsprechen.

Zu Nummer 3

Die Änderung ist eine Folge der Verschiebung der Regelung des bisherigen § 92 Abs. 3 in § 91 Abs. 2.

Zu Nummer 4

Bei der Änderung handelt es sich um eine Anpassung der Begrifflichkeit an die heutigen Vollzugsformen (vgl. Ausführungen zu Nummer 2).

Zu Nummer 5

Der bisherige Regelungsinhalt des § 91 ist durch die spätestens zum 1. Januar 2008 in Kraft tretenden Jugendstrafvollzugsgesetze der Länder überflüssig geworden. Er kann ebenso ebenso wie die in § 92 enthaltenen vollzugsrechtlichen Regelungen zur Jugendstrafe durch einen anderen Regelungsgehalt ersetzt werden.

Als Folge der Aufhebung des § 92 werden die in der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes verbleibenden bislang in § 92 Absatz 2 und 3 enthaltenen, vollstreckungsrechtlichen Regelungen in den sprachlich neu gefassten § 91 eingestellt.

In § 92 werden nunmehr die Rechtsbehelfe der Verurteilten im Vollzug der Jugendstrafe ähnlich wie im 2. Abschnitt Vierzehnter Titel des Strafvollzugsgesetzes für den Erwachsenenstrafvollzug geregelt. Gleiches gilt für Rechtsbehelfe im Vollzug des Jugendarrests und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt.

Die Absätze 1 bis 4 sehen für die Überprüfung von Maßnahmen im Vollzug der Jugendstrafe im Wesentlichen die entsprechende Anwendung der §§ 109 und 111 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) vor, berücksichtigen aber die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2006 enthaltene Forderung nach einer jugendgerechten Ausgestaltung des gerichtlichen Rechtsschutzes. Dasselbe soll für den Vollzug des Jugendarrests und für den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt gelten.

Entgegen den Vorschlägen einiger Länder verzichtet der Entwurf auf eine eigenständige, abweichende Regelung des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen im Jugendarrest. Eine Befassung weiterer gerichtlicher Ressourcen mit den inhaltlich vermutlich häufig vergleichbaren Sachverhalten erscheint angesichts der Erwartung sehr geringer Fallzahlen nicht angezeigt.

Soweit die Länder von der Ermächtigung zur Schaffung eines vorgeschalteten Verfahrens zur gütlichen Streitbeilegung Gebrauch machen, dürften gerade im Bereich des Jugendarrests einverständliche Lösungen häufig gefunden werden.

In Absatz 1 wird dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, Regelungen zu erlassen, die im Vollzug des Jugendarrests, der Jugendstrafe und der Maßregeln nach § 61 Nr. 1 und 2 des Strafgesetzbuches (StGB) anstelle eines Verwaltungsvorverfahrens die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vorsehen mit dem Ziel einer gütlichen Streitbeilegung. Die Elternrechte sind gewahrt, weil § 67 Abs. 1 bis 3 und 5 JGG entsprechend gilt.und die Erziehungsberechtigten die gleiche Stellung haben wie im Verfahren bei Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe. Dies entspricht der verfassungsrechtlich durch Artikel 6 GG gesicherten Position der Eltern, die Verantwortung für den Schutz der Rechte ihrer Kinder tragen und darüber hinaus das eigene Recht haben, im Rahmen des Vollzugs von Jugendstrafe, Jugendarrest und Unterbringung die eigenen Erziehungsvorstellungen geltend zu machen.

In Übereinstimmung mit dem Vorschlag der Jugendstrafvollzugskommission überträgt der Entwurf in Absatz 2 Satz 1 die Zuständigkeit für die gerichtliche Entscheidung über eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Jugendstrafvollzuges der Jugendkammer im Bezirk der beteiligten Vollzugsbehörde. Den Fällen, dass die Maßnahme nicht von der Leitung der für den Vollzug vorgesehenen Einrichtung stammt, sondern von deren Aufsichtsbehörde, ist Rechnung getragen.

Gegen die Entscheidung der Jugendkammer ist unter den Voraussetzungen der §§ 116 ff. StVollzG die Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht zulässig.

Für die Zuständigkeit der Jugendkammer anstelle der Strafvollstreckungskammer spricht, dass die Jugendkammer aufgrund ihrer Tätigkeit als erkennendes Gericht über vielfältige Erfahrungen mit straffälligen Jugendlichen und Heranwachsenden verfügt und hier Richterinnen und Richter tätig werden, die erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sind ( § 37 JGG). Bei der Auslegung der für den Jugendstrafvollzug geltenden Vorschriften, bei der der für den Jugendstrafvollzug maßgebliche Gedanke der Förderung zu berücksichtigen ist ist dies von großem Vorteil. Zudem ist nicht sichergestellt, dass in jedem für die Einrichtungen des Vollzuges der Jugendstrafe zuständigen Landgerichtsbezirk eine Strafvollstreckungskammer eingerichtet ist. Hieran kann es beispielsweise fehlen, wenn es keine Justizvollzugsanstalt für Erwachsene in dem betreffenden Bezirk gibt. In diesen Fällen müssten Strafvollstreckungskammern erst unter finanziellem Aufwand eingerichtet werden. Gegen eine Übertragung der Zuständigkeit auf die Jugendrichterin oder den Jugendrichter als Vollstreckungsleiterin oder Vollstreckungsleiter, der bzw. die auf dem Gebiet des Jugendstrafvollzuges in besonderem Maße sachverständig ist, spricht deren außerordentliche Vollzugsnähe, die - zumindest aus Sicht der Gefangenen - in größerem Maße die Gefahr der Befangenheit mit sich bringt. Dies ist auch die Auffassung der Leiterinnen und Leiter der Jugendstrafanstalten, die 1988 einen Gesetzentwurf vorgelegt haben.

Absatz 2 Satz 2 stellt klar, dass ein der gerichtlichen Entscheidung vorausgehendes Verwaltungsverfahren die in Satz 1 geregelte örtliche Zuständigkeit der Jugendkammer nicht verändert.

Absatz 2 Satz 3 trifft entsprechend § 78a Abs. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) eine Zuständigkeitsregelung für den Fall, dass ein Land eine Einrichtung des Vollzuges der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines anderes Landes unterhält.

Nach Absatz 3 Satz 2 und 3 muss auf Antrag der Gefangenen eine mündliche Anhörung in der Regel in der Einrichtung des Vollzuges der Jugendstrafe stattfinden bzw. kann das Gericht eine mündliche Verhandlung anberaumen, wenn es auf Grund der eingegangenen Schriftsätze weiteren Aufklärungsbedarf sieht, der auf dem Schriftwege nicht zu decken ist.

Die Möglichkeit der Anhörung auch außerhalb der Vollzugseinrichtung trägt der Tatsache Rechnung, dass Gefangene bei entsprechender Eignung zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen auch Vollzugslockerungen erhalten können. Die Regelung wird - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert (BVerfGE 116, 69 ff.) - der Situation der im Jugendstrafvollzug Inhaftierten gerecht, die "typischerweise besonders ungeübt"... sind ..."im Umgang mit Institutionen und Schriftsprache; zu geeignetem schriftlichen Ausdruck sind sie häufig überhaupt nicht fähig". Entsprechendes gilt für den Vollzug des Jugendarrests und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt. Die Regelung des Absatzes 4 zur Besetzung der Jugendkammer, die sich an § 78b GVG anlehnt, dient der Entlastung der Rechtspflege.

Die in Absatz 5 der Entwurfsvorschrift entsprechend den für § 74 JGG bestimmenden Erwägungen vorgesehene Möglichkeit, von der Auferlegung der Kosten und Auslagen abzusehen, stellt eine Modifizierung des - im Übrigen für entsprechend anwendbar erklärten - § 121 StVollzG dar. Sie wird namentlich dann in Betracht kommen, wenn die Kostenbelastung dem Vollzugsziel widersprechen und die Eingliederung der Gefangenen behindern würde. Die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) über die Einlegung von Rechtsmitteln durch die gesetzlichen Vertreter (§ 298) gelten gemäß § 120 Abs. 1 StVollzG auch für das Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung von Vollzugsmaßnahmen im Jugendstrafvollzug, sodass es keiner ausdrücklichen Regelung bedarf.

Wird eine Jugendstrafe nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen, finden gemäß Absatz 6 die §§ 109 ff. StVollzG Anwendung, da eine Überprüfung gleichartiger Maßnahmen innerhalb einer Strafanstalt von verschiedenen Gerichten nicht zweckmäßig ist (BGH, NJW 1980, 351). Zudem ist anzunehmen, dass, wenn der Vollstreckungsleiter oder die Vollstreckungsleiterin die Entscheidung nach § 92 Abs. 3 JGG bzw. § 91 Abs. 2 JGG-E getroffen hat, keine schutzwürdigen Belange dem Wegfall der in § 92 Abs. 1 bis 5 JGG-E geregelten Besonderheiten entgegenstehen.

Zu Nummer 6

Die Änderung ist eine Folge der Aufhebung von § 115 Abs. 1 und Abs. 2 (vgl. Ausführungen zu Nummer 8).

Zu Nummer 7

Bei der Änderung handelt es sich um eine Anpassung der Begrifflichkeit an die heutigen Vollzugsformen (vgl. Ausführungen zu Nummer 2).

Zu Nummer 8

Die bisherigen Absätze 1 und 2 der Vorschrift können aufgehoben werden, weil hierin zu Maßnahmen ermächtigt wird, die den Vollzug und dessen Ausgestaltung betreffen. Der Erlass solcher Regelungen gehört zum Strafvollzug und ist damit seit der Föderalismusreform in der Kompetenz der Länder.

Zu Nummer 9

Die Übergangsregelung bestimmt, dass die Oberlandesgerichte zuständig bleiben für bereits anhängige Verfahren. Mit der Übergangsregelung ist auch sichergestellt, dass die neuen Kostenregelungen im Gerichtskostengesetz (vgl. Artikel 4) nur auf Rechtsbehelfe anzuwenden sind die nach Inkrafttreten des Änderungsgesetzes anhängig werden.

Zu Artikel 2 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Artikel 1 Nr. 5 des Entwurfs, wonach für die Überprüfung von Maßnahmen im Jugendstrafvollzug und im Jugendarrest nunmehr ebenso wie im Erwachsenenstrafvollzug spezielle, die Anwendung des § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetzes (EGGVG) ausschließende Regelungen gelten.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Artikel 1 Nr. 5 des Entwurfs, wonach gegen die Entscheidungen der Jugendkammern unter den Voraussetzungen der §§ 116 ff. StVollzG die Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht zulässig ist.

Zu Artikel 4 (Änderung des Gerichtskostengesetzes)

Die Vorschläge beinhalten notwendige Folgeänderungen zur Neuregelung des gerichtlichen Rechtsschutzes im Vollzug des Jugendarrests, der Jugendstrafe und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt (Artikel 1 Nr. 7). Die Gleichstellung der Kosten für die Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz und die Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz ist angesichts der in beiden Verfahren im Wesentlichen gleichgelagerten tatsächlichen und rechtlichen Entscheidungssachverhalte geboten.

Durch die in Artikel 1 Nr. 5 des Entwurfs vorgesehene Neuregelung in § 92 Abs. 5 JGG, die die Möglichkeit vorsieht, von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abzusehen, können im Einzelfall mit einer Kostenbelastung verbundene Härten für die jugendlichen Gefangenen vermieden werden, z.B. wenn die Kostenbelastung dem Vollzugsziel widersprechen und die Eingliederung der Gefangenen behindern würde.

Zu Artikel 5 (Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes)

Die vorgeschlagenen Folgeänderungen sind aus denselben Gründen wie die in Artikel 4 vorgeschlagenen Änderungen des Gerichtskostengesetzes erforderlich. Ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin, der oder die in einem in Artikel 1 Nr. 5 des Entwurfs vorgesehenen gerichtlichen Verfahren nach § 92 JGG tätig wird, soll die gleiche Vergütung wie in einem gerichtlichen Verfahren nach § 109 ff. StVollzG erhalten.

Zu Artikel 6 (Änderung der Strafvollzugsvergütungsverordnung)

Zu Nummer 1 und 2

Es handelt sich um durch die Änderung des § 43 StVollzG durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2000 (BGBl. I S. 2043) veranlasste formale Folgeänderungen.

Zu Nummer 3

Die Regelung hat sich erledigt.

Zu Artikel 7 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten dieses Gesetzes.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten neu eingeführt, geändert oder aufgehoben.

Es entstehen keine Bürokratiekosten für Wirtschaft, Bürger und Verwaltung.

Daher hat der Nationale Normenkontrollrat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter