Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates zum Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten im Zirkus

Der Bundesrat hat in seiner 890. Sitzung am 25. November 2011 beschlossen, die aus der Anlage ersichtliche Entschließung zu fassen.

Anlage
Entschließung des Bundesrates zum Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten im Zirkus

Die Bundesregierung möge dem Bundesrat unverzüglich eine Rechtsverordnung gemäß § 13 Absatz 3 Satz 1 des Tierschutzgesetzes zuleiten, die das Halten von Tieren bestimmter wild lebender Arten in Zirkusbetrieben verbietet. Das Verbot soll insbesondere für Affen (nicht menschliche Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde gelten. Für bereits vorhandene Tiere soll unter Berücksichtigung deren Lebensdauer eine Übergangsfrist vorgesehen werden.

Begründung:

I. Allgemeines

Bereits im Jahr 2003 hat der Bundesrat (BR-Drucksache 595/03(B) HTML PDF ) einem Entschließungsantrag zugestimmt, nach dem zum einen ein zentrales Register für Zirkusbetriebe geschaffen und zum anderen ein Haltungsverbot für Affen, Elefanten und Großbären ausgesprochen werden sollte. Während das Zirkuszentralregister inzwischen eingeführt ist, wurde das Verbot zur Haltung bestimmter wild lebender Tierarten von der Bundesregierung nicht ausgesprochen.

Mit der zentralen Erfassung aller Wanderzirkusse ist zwar nun eine wirkungsvolle länderübergreifende Überwachung möglich geworden, aber für bestimmte Tierarten ist eine artgerechte Haltung in diesen Betrieben systemimmanent nicht möglich. Auf der Vollzugsebene lässt sich diese Problematik nicht lösen.

II. Zur Verfassungsmäßigkeit eines Verbotes bestimmter Wildtiere und im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit der EU

Das Verbot der Haltung bestimmter Tiere stellt einen Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Personen dar, der aber als geringgradig zu beurteilen ist.

Es geht hier allein um eine marginale Berufsausübungsbeschränkung, nicht etwa um einen Eingriff in die Berufswahl (weder objektiv noch subjektiv).

Die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit wird für verhältnismäßig erachtet. Der Tierschutz ist mit der Aufnahme als Staatsziel in Artikel 20a GG als überragend wichtiges Gemeinschaftsgut einzuordnen.

Das Verbot zur Haltung der genannten Arten ist zum einen geeignet, den Tierschutz zu fördern und zum anderen auch erforderlich, da ein gleich wirksames, weniger stark die Berufsausübung einschränkendes Mittel nicht vorhanden ist. Die Erforderlichkeit unterstellt, ist das Verbot somit verhältnismäßig im engeren Sinne. Eine Abwägung zwischen der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs und dem zu schützenden Rechtsgut "Tierschutz" ergibt, dass das Verbot eine angemessene und auch zumutbare Belastung für den Zirkusunternehmer darstellt.

Zirkusunternehmen bestehen in aller Regel aus einer Vielzahl von Präsentationsnummern. Das Verbot der Haltung einiger weniger (nämlich 6 Tierarten) betrifft nur einen äußerst geringen Teil des beruflichen Tuns angesichts der Vielfalt der Tierarten, die noch gehalten werden können.

Für die eigenständigen Engagementnummern könnte ein Verbot der Haltung dieser Tierarten einem Berufsverbot gleichkommen. Dagegen spricht allerdings, dass das Verbot zum einen lediglich einige wenige Arten umfasst und dass zum anderen viele der klassischen Tierlehrer eben nicht nur solche Tiere trainieren, für die künftig die Haltung verboten wird (siehe Veröffentlichung des Berufsverbandes der Tierlehrer e. V - http://www.tierlehrerverband.de/ sowie diverse Ausgaben der Circus Zeitung). Andere Berufe haben sich im Laufe der Zeit auch wandeln und auf gesellschaftliche Veränderungen einstellen müssen. Es bleibt darüber hinaus für die betroffenen Tierlehrer möglich, entweder in festen Ortseinrichtungen mit den entsprechenden Tierarten aufzutreten oder bspw. als Tiertrainer weiterhin für Film- und Fernsehproduktionen tätig zu sein - zumal es sich bei der Tätigkeit des Elefanten- oder Affendompteurs nicht um einen jeweils eigenständigen Beruf handelt. Ein Verbot bestimmter Tierarten betrifft daher auch bei den Tierlehrern "nur" die Berufsausübungsfreiheit und nicht die Berufswahl und ist somit verhältnismäßig.

Sofern die Berufsausübungsregelung zulässig ist, dürfte grundsätzlich auch die Eigentumsbeschränkung zulässig sein und damit der Eingriff in Artikel 14 Absatz 1 GG ebenfalls verfassungsmäßig sein.

Die Dienstleistungsfreiheit zählt zu den Grundfreiheiten der EU und darf durch das Recht der Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht beschränkt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist dies jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind:

Mildere Mittel, wie die des Vollzugs im Einzelfall und die Einführung des Zirkusregisters haben bisher keine ausreichende Wirkung entfaltet. Darüber hinaus haben Wildtiere eine geringere Anpassungsfähigkeit als domestizierte Tiere an eine restriktive Haltung. Sie stellen zweifelsfrei damit noch höhere Anforderungen an eine verhaltensgerechte Betreuung, Unterbringung und Pflege. Die Haltung der o.g. Wildtiere im Zirkus ist mit einer Reihe von Belastungen verbunden, die einen angemessenen Schutz der Tiere in solchen Einrichtungen faktisch unmöglich machen.

Im Einzelnen sind zu nennen Transport, Unterbringung und Dressur. Diese Gründe sind systemimmanent, liegen in der Natur des Zirkus selbst und können auch durch strengere Anforderungen an die Haltung der Tiere nicht verändert werden. Selbst eine behördliche Bewilligungspflicht kann deshalb den Schutz dieser Tiere nicht gewährleisten. Das Verbot ist aus diesen Gründen erforderlich.

Ein Verbot bestimmter Wildtierarten im Zirkus ist somit auf Grund der sorgfältigen Abwägung und Nennung nur einiger weniger Tierarten verfassungs- und EU-rechtskonform.

Andere Länder sind diesen Schritt längst gegangen. Mittlerweile gibt es in 13 Ländern der EU ein vollständiges Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus oder starke Einschränkungen. Die EU gesteht ihren Mitgliedstaaten ausdrücklich das Recht zu, den Bereich der Haltung von Wildtieren im Zirkus eigenständig zu regeln. Auch weltweit sind schon viele Staaten diesen Weg eines Verbotes gegangen.

Auch bleibt der Zirkus als Kulturgut erhalten. Die Herausnahme einiger weniger exotischer Tierarten, die nicht mehr mitgeführt werden dürfen, ändert daran nichts. Darüber hinaus haben auch andere Kulturgüter bzw. Kulturerben, in denen Tiere Verwendung fanden, in den vergangenen Jahren eine Wandlung erfahren. Beispiele sind die Abschaffung der traditionellen Fuchsjagd in England und Schottland oder die Beendigung des Stierkampfes in Katalonien.

III. Zur Frage der art- und verhaltensgerechten Haltung bestimmter Tierarten im Zirkus

Zurzeit können grundsätzlich alle Wildtierarten in Zirkussen gehalten werden.

Spezielle ausführende Rechtsvorschriften für die Tierhaltung im Zirkus gibt es nicht. Die einschlägigen Leitlinien entsprechen nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und dienen zudem lediglich der Orientierung. Sie sind nicht rechtsverbindlich und gehen darüber hinaus von einer wissenschaftlich nicht belegten und inzwischen überkommenen Hypothese aus. Diese besagt, dass Wildtiere die Reduktion ihres Lebensraumes auf ein Minimum und das Nichterfüllen ganzer Verhaltenskreise dadurch kompensieren könnten, dass sie nicht selbstbestimmte Dressurleistungen in der Manege zeigen. Wie die aus 2009 stammenden "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten" auch belegen, ist nicht selbstbestimmte Arbeit nicht einmal ausreichend, um den Verhaltenskreis "Bewegung" angemessen zu erfüllen bzw. zu berücksichtigen.

Es gibt in Deutschland etwa zehn größere Zirkusse, einige mittlere und in der Überzahl kleine und Kleinstzirkusse, die teilweise nur regional reisen sowie 250 Unternehmen, die den reisenden Zirkusbetrieben zugeordnet werden können.

Die Erfahrung zeigt, dass die bestehenden Regelungen zum Schutz von Tieren bei einigen Wildtierarten nicht greifen, weil eine art- und verhaltensgerechte Unterbringung unter den besonderen Bedingungen eines reisenden Zirkusunternehmens praktisch nicht möglich ist. Oft können die betroffenen Tiere auch nicht weggenommen und anderweitig untergebracht werden, da Auffangmöglichkeiten nicht immer und ausreichend vorhanden sind. Deshalb muss dringend verhindert werden, dass weiterhin Tiere dieser Arten in Zirkusbetriebe gelangen können. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich weggenommene und anderweitig untergebrachte Tiere, anders als oft angenommen, in sachkundig geleiteten Haltungen fast immer resozialisieren lassen.

Bei einigen Tierarten, nämlich insbesondere bei Affen (nicht menschliche Primaten), Bären, Elefanten, Giraffen, Nilpferden und Nashörnern, können die Verhaltensansprüche der Arten in einem reisenden Zirkus schon im Grundsatz nicht erfüllt werden, denn:

Auch verfügt bislang kein einziger ständig reisender Zirkus über eine Unterbringungsmöglichkeit für seine alten und nicht mehr reisefähigen Tiere aller mitgeführten Arten. Stattdessen bedient man sich zunehmend ehrenamtlich geführter Auffangstationen, um Tiere, wenn sie wirtschaftlich uninteressant geworden sind, unterzubringen.

Eine besondere Problematik stellt die Handaufzucht von nicht menschlichen Primaten dar. Ohne sie ist ein Vorführen im Zirkus nicht möglich.

Sie führt aber, insbesondere bei Menschenaffen, zu lebenslangem Leiden durch diese Fehlprägung, da die Tiere wichtige innerartliche Kommunikationsmöglichkeiten nicht lernen. Die Resozialisierung solcher Tiere ist, wie die Dokumentationen der einschlägigen Auffangstationen eindrucksvoll belegen, zwar erfolgreich möglich, aber nur noch mit einem enormen Aufwand und großer Sachkunde.

Auf der Vollzugsebene ist die Problematik nicht lösbar. Die Verweigerung einer Erlaubnis nach § 11 des Tierschutzgesetzes ist nur im Einzelfall anwendbar, aber zur generellen Regelung von Missständen nicht geeignet. Ebenso wenig lassen sich bei bestimmten Tierarten grundlegende Verbesserungen der Tierhaltung über Verfügungen nach § 16 des Tierschutzgesetzes praktisch durchsetzen. Und auch die Wegnahme und anderweitige Unterbringung von Tieren ist oft problematisch. Geeignete Auffangstationen übernehmen die Tiere zu Recht oft nur dann, wenn gleichzeitig ein Wiederauffüllen der Plätze verhindert wird.

Um der Problematik wirkungsvoll begegnen zu können, muss daher verhindert werden, dass die Tierarten, die absehbar gefährdet sind, weiter in Zirkussen gehalten werden.

Die ersten Erfahrungen mit dem Zirkusregister haben gezeigt, dass es systemimmanent bedingt trotz der zentralen Erfassung aller Wanderzirkusse nicht zu spürbaren Verbesserungen in den Tierhaltungen der genannten Arten gekommen ist.