Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe - COM (2011) 897 final; Ratsdok. 18960/11

Siehe Drucksache 874/11(B) HTML PDF

Europäische Kommission
Brüssel, den 19.10.2012
C(2012) 7317 final

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine mit Gründen versehene Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe {KOM (2011) 897 endg.} und bedauert die verspätete Antwort.

Das Hauptziel des Vorschlags besteht darin, die Rechtssicherheit für öffentliche Auftraggeber und Bieter zu gewährleisten. Eine solche Rechtssicherheit ist innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens nicht gegeben, da er unvollständig ist und unterschiedlich ausgelegt werden kann. Dies führt zum einen zu einem Mangel an geeigneten Rechtsgarantien für öffentliche Auftraggeber und Bieter, zum anderen zu Behinderungen des Marktzugangs und ungleichen Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsakteure.

Eine Prüfung der nationalen Rechtsvorschriften über Konzessionen ergab, dass der anzuwendende Rechtsrahmen, insbesondere in Bezug auf Dienstleistungskonzessionen, lückenhaft und unvollständig ist. Aus der Folgenabschätzung ging hervor, dass die geringe Verbreitung von PPP (60 % davon entfallen schätzungsweise auf Konzessionen) auch auf das Fehlen klarer und fester Regeln zurückzuführen ist. Die von der Kommission im Rahmen der Ausarbeitung des Vorschlags durchgeführte Konsultation der Interessengruppen ergab, dass viele Konzessionsverträge direkt vergeben wurden, was den schwersten Verstoß gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung darstellt, und zeigte, dass der Zugang zum Konzessionsmarkt beschränkt ist.

Die Analyse der Kommission bestätigte, dass die Mitgliedstaaten die einschlägigen, im Vertrag verankerten Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung nicht einheitlich ausgelegt oder in ausreichendem Maße umgesetzt haben. Die Folgen - ein Mangel an Rechtssicherheit und eine Abschottung der Märkte - dürften ohne eine Intervention auf geeigneter Ebene nicht behoben werden. Doch selbst wenn die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene legislativ tätig würden, um einen Rechtsrahmen auf der Grundlage der im Vertrag verankerten Prinzipien zu schaffen, blieben zwei Probleme ungelöst: das Risiko der Rechtsunsicherheit aufgrund potenziell unterschiedlicher Auslegungen dieser Grundsätze im Rahmen des innerstaatlichen Rechts und die Gefahr großer Unterschiede zwischen den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten aufgrund der mangelnden Genauigkeit geltender EU-Normen.

Herrn Horst Seehofer
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D-10117 Berlin

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nicht ausreichend um öffentlichen Auftraggebern und Wirtschaftsakteuren im Rahmen ihres Tagesgeschäfts die notwendige Rechtssicherheit zu bieten. Bisher hat der Gerichtshof 26 Urteile über Konzessionen gefällt, von denen 18 die Definition dieser Verträge betrafen. Darüber hinaus ist die einschlägige Rechtsprechung nicht erschöpfend und bisweilen widersprüchlich', und der genaue Inhalt der aus dem Vertrag erwachsenden Verpflichtungen zu Transparenz und Nichtdiskriminierung ist nach wie vor unklar.2 Desgleichen ist in der Rechtsprechung nicht spezifiziert, welche konkreten Anforderungen hinsichtlich der Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bestehen. In jedem Fall können die Gerichtsurteile das fehlende umfassende Sekundärrecht nicht vollständig ersetzen.

Der Vorschlag der Kommission steht voll und ganz im Einklang mit dem Grundsatz der Autonomie der kommunalen und lokalen Selbstverwaltung sowie mit der besonderen, durch den Vertrag über die Europäische Union (EUV) und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUTO anerkannten Bedeutung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.

Dienstleistungskonzessionen können die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betreffen. Der Vorschlag würde unter keinen Umständen zu Zwangsprivatisierungen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse führen, und den Behörden stünde es nach wie vor frei, derartige Tätigkeiten selbst durchzuführen (d h. unter Einsatz eigener Ressourcen), sie an Inhouse-Unternehmen zu vergeben oder wahlweise Dritte zu beauftragen. Die Entscheidung darüber bliebe ihnen überlassen.

Der Vorschlag dürfte die Unabhängigkeit der Behörden stärken, da er explizit Bestimmungen über die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit enthält, die in Bezug auf die Arten von öffentlicher Zusammenarbeit, die nicht in den Anwendungsbereich des öffentlichen Auftragswesens fallen, Rechtssicherheit bieten.

Nur in Fällen, in denen die Behörden beschließen, die Erbringung einer Dienstleistung auszulagern, ist die vorgeschlagene Richtlinie zu beachten, und zwar lediglich im Hinblick auf Konzessionsverträge, die nach dem Datum, an dem der Vorschlag möglicherweise in Kraft tritt, bekanntgegeben werden.

Was den Gegenstand derartiger Konzessionsverträge angeht, so hätte die Richtlinie keine Auswirkungen auf die Freiheit der zuständigen Behörde, die Merkmale der zu erbringenden Dienstleistung (d h. das Qualitätsniveau, Gebühren usw.) festzulegen. Daher würde die vorgeschlagene Richtlinie nicht die Autonomie der betreffenden Behörden einschränken, öffentliche Aufgaben in der ihrer Auffassung nach am besten geeigneten Form durchzuführen, um die spezifischen Bedürfnisse der Nutzer zu erfüllen.

In der Folgenabschätzung zur vorgeschlagenen Richtlinie wurde festgestellt, dass die einschlägigen neuen Vorschriften keinen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen würden. Der Vorschlag zielt nicht auf eine Harmonisierung der Regelungen für die Vergabe von Konzessionen ab, sondern darauf die vertraglich verankerten Grundsätze klar und eindeutig zu fassen.

Die vorgeschlagenen Vorschriften stehen im Einklang mit den wirtschaftlichen Besonderheiten der unter die vorgeschlagene Richtlinie fallenden Sektoren, auch im Hinblick auf die Rettungsdienste, auf die in der Entschließung Bezug genommen wird. Insbesondere hätten diese Vorschriften keinen Einfluss auf die Art und Weise, wie die betreffenden Dienste erbracht werden. Es sei darauf hingewiesen, dass die Vergabe von Rettungsdienstleistungen derzeit insoweit den Grundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlung unterliegt, als diese Dienste von grenzübergreifendem Interesse sind.

Allerdings würden nach Maßgabe des Vorschlag Rettungsdienste als Gesundheitsdienste gelten und daher unter eine besondere, flexiblere Regelung fallen. Handelt es sich also beim Hauptgegenstand eines Vertrags um Rettungsdienste, so wären die öffentlichen Auftraggeber lediglich verpflichtet, den Anforderungen an die Transparenz ex ante und ex post zu genügen.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Klarstellungen gedient zu haben, und sehe der Fortsetzung unseres politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen