9. Der Bundesrat stellt fest, dass der nach wie vor zu hohe Eintrag von Stickstoffverbindungen insbesondere aus der landwirtschaftlichen Flächennutzung in Boden, Wasser, Luft und schützenswerte Lebensräume ein ungelöstes Umweltproblem darstellt. Zielsetzung ist, den Wasser- und Gewässerschutz vollumfänglich zu gewährleisten und der Landwirtschaft für eine nachhaltige und umweltgerechte Lebensmittelerzeugung eine gute Perspektive zu geben.
Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung die erneute Anpassung der Düngeverordnung aus 2017 auf die Abwehr drohender Sanktionen im Rahmen des Zweitverfahrens der Europäischen Kommission ausgerichtet, aber versäumt hat, die Düngeverordnung für alle Betroffenen zukunftssicher und praktikabel zu machen. Durch das Vorgehen des Bundes zur Erarbeitung der Verordnung wurde eine Mitwirkung der Länder im Bundesratsverfahren de facto verhindert.
Die Düngeverordnung als wesentliches Element eines effizienten Nährstoffmanagements in der Landwirtschaft muss in eine nachhaltige und umfassende Zukunftsstrategie eingebettet werden, damit nicht nur die Anforderungen der EG-Nitratrichtlinie in Folge der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (Rechtssache C-543/16), sondern auch die Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie, der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, der NERC-Richtlinie und der nationalen Biodiversitätsstrategie berücksichtigt werden. Nur so lässt sich eine immer wiederkehrende Änderung der Rechtsvorgaben vermeiden und Rechtssicherheit für die Betroffenen schaffen.
Der Bundesrat sieht Bedarf für eine ganzheitliche integrierte Stickstoffstrategie, um die bisher zu sehr auf Einzelaspekte ausgerichteten Stickstoffminderungsansätze zu ersetzen und Einträge von Stickstoffverbindungen auf ein tragfähiges Niveau zum Schutz von Ökosystemen, des Klimas sowie der menschlichen Gesundheit zu senken.
Der Bundesrat bezweifelt, dass mit der aktuellen Düngeverordnung der beste Weg für die Belange der Landwirtschaft auf der einen und des Gewässerschutzes auf der anderen Seite beschritten wurde. Der Bundesrat hätte vielmehr eine stärkere Verankerung des Verursacherprinzips auf Basis des betriebsindividuellen Nährstoffmanagements begrüßt, um nicht Betriebe in Mithaftung zu nehmen, die nachweislich nicht oder nur unwesentlich zur Nitratbelastung beitragen. Weiterhin wird mit der aktuellen Novelle der Fokus zu stark auf die bereits belasteten Gebietskulissen gelenkt und zu wenig dafür getan, dass in aktuell nicht so hoch belasteten Gebiete der gute Zustand auch künftig erhalten bleibt.
Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung die Länder jeweils nur im Nachgang über den Verhandlungsstand mit der EU-Kommission informiert hat und damit eine fachliche und politische Diskussion, wie Deutschland die Vorgaben aus dem EUGH-Urteil in einer für die Länder gut administrierbaren Weise umsetzen kann, jeweils erst stattfand, als mit der Kommission bereits Vorfestlegungen getroffen waren.
Der Bundesrat betont daher, dass die Verantwortung für die Frage, ob die vorgelegte Form der Düngeverordnung für die Aussetzung bzw. mittelfristig Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens ausreicht, bei der Bundesregierung liegt. Für den weiteren Prozess sichern die Länder dem Bund zu, sich im Sinne der Vermeidung von Strafzahlungen mit allen zur Verfügung stehenden Ressourcen einzubringen, sie sind jedoch auf realistische Fristen angewiesen, nachdem zur Vorlage der neuen Düngeverordnung an den Bundesrat fast zwei Jahre vergangen sind. Auch die Länder benötigen ausreichend Zeit, um die erforderlichen Rechtssetzungsverfahren mit der nötigen Sorgfalt und unter Einhaltung der formellen und materiellen Anforderungen umzusetzen.
Der Bundesrat erwartet eine wissensbasierte Weiterentwicklung der Düngeverordnung sowie ergänzender kooperativer Instrumente zur wirksamen Stickstoffminderung unter Beteiligung der Länder und Beachtung folgender Aspekte:
- a) Die Stickstoffeffizienz muss, besonders auch in der Landwirtschaft mit ihren vor- und nachgelagerten Bereichen, deutlich gesteigert werden. Dazu müssen zielgenaue Maßnahmen bei der Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik und im Rahmen der GAK implementiert werden.
- b) Dem Verursacherprinzip muss deutlich mehr Rechnung getragen werden. Ökologisch und nachweislich gewässerschonend wirtschaftende Betriebe sind Teil der Lösung, hierfür gilt es, Fördermöglichkeiten zu erhalten und auszubauen, auch im Rahmen der neuen GAP.
- c) Die Bindung der Tierhaltung an die Fläche muss als Beitrag zur Vermeidung von Nährstoffüberschüssen konsequent umgesetzt werden.
- d) Für die hauptsächlich durch zu hohe Viehbesatzdichten und ineffizienten N-Düngereinsatz hervorgerufene Überschreitung der zulässigen Ammoniak-Emission in Deutschland sind verursachergerechte Minderungsmaßnahmen zu entwickeln.
- e) Für einen effizienten Vollzug des Düngerechts bedarf es auf fachlicher Grundlage zielgenauer, vollzugstauglicher und für die Betriebe umsetzbarer bundeseinheitlicher rechtlicher Regelungen. Diese müssen den Besonderheiten bei Kulturen oder Betriebsformen sowie klimatischen regionalen Besonderheiten Rechnung tragen.
- f) Der vorliegende Änderungsentwurf der Düngeverordnung sieht für die Gebietsabgrenzung weiterhin allein einen immissionsbezogenen Ansatz vor. Im Sinne der Verursachergerechtigkeit sollten die Kriterien darüber hinaus um einen emissionsbezogenen Ansatz erweitert werden. Sinnvoll wäre es, darüber hinaus auch standörtliche Faktoren zur Beschreibung des Gefährdungspotenzials berücksichtigen zu können.
- g) Das Düngegesetz ist unverzüglich anzupassen und die Begrifflichkeiten differenzierter zu definieren. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass die im Rahmen des Wirkungsmonitorings erforderlichen landwirtschaftlichen Betriebsdaten rechtssicher erhoben und verarbeitet werden können und zum Zwecke der Plausibilisierung dieser Angaben Zugriffe auf bestimmte Datenquellen (InVeKoS, HIT-Datenbank zum Tierbestand etc.) ermöglicht werden. Darüber hinaus sind in der Düngeverordnung die Vorlage-, Mitteilungs- und Meldepflichten mit konkreter Benennung der sowohl für die Überwachung der düngerechtlichen Vorschriften als auch für das Wirkungsmonitoring erforderlichen Daten bundesweit einheitlich vorzuschreiben.
- h) Die Stoffstrombilanz ist nach wie vor ein geeignetes Instrument, mit dem ein effizienter Umgang mit Stickstoff auf dem gesamten landwirtschaftlichen Betrieb nachgewiesen werden kann. In der Stoffstrombilanzverordnung müssen dazu auf wissenschaftlicher Basis anerkannte Kontrollwerte für Nitrat und Phosphat verbindlich eingeführt werden.
- i) Zur besseren Nachvollziehbarkeit der Transporte von Wirtschaftsdüngern muss in der Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdüngern der Schwellenwert für Dokumentationspflichten deutlich unter die bisher vorgeschriebenen 200 t Frischmasse gesenkt werden. Die Meldefristen sind unmittelbar an die Lieferung zu binden. Weiterhin sollten bundesweite Regelungen zu Genehmigungspflichten geprüft werden.