Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren

A. Problem und Ziel

Die Zivilprozessordnung ist in ihrer Konzeption auf Einzelverfahren und die Geltendmachung von Einzelansprüchen zugeschnitten. Falsche Darstellungen gegenüber dem Kapitalmarkt, wie z.B. eine unrichtige Adhoc-Meldung über Gewinnerwartungen oder unrichtige Börsenprospekte, verursachen in aller Regel Streuschäden mit vielen Geschädigten und vergleichsweise geringen Schadensersatzsummen beim einzelnen Geschädigten. Der angerichtete Gesamtschaden kann dagegen durchaus im mehrstelligen Millionenbereich liegen. Das Geltendmachen solcher Schäden steht in der Praxis häufig in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Aufwand. Wenn jeder einzelne Kapitalanleger einen relativ geringen Verlust erlitten hat, besteht bei ihm schon wegen des auch bei Obsiegen nicht erstattungsfähigen Privataufwands und des Prozessverlustrisikos oft kein Interesse daran, seinen an sich bestehenden Anspruch auch gerichtlich durchzusetzen. Denn in jedem einzelnen Rechtsstreit sind meist aufwändige Beweisaufnahmen mit teuren Sachverständigengutachten erforderlich, um die komplexen kapitalmarktrechtlichen Fragen zu klären. Das kann dazu führen, dass die Kapitalanleger sich von einer Klage abhalten lassen und dadurch die kapitalmarktrechtlichen Haftungsnormen ihre ordnungspolitische Steuerungsfunktion zu einem Gutteil einbüßen.
Zudem bietet die Zivilprozessordnung zur kollektiven Durchsetzung gleichgerichteter Gläubigerinteressen, insbesondere bei einer Vielzahl von Geschädigten, keine hinreichenden Möglichkeiten an. Die traditionellen Bündelungsformen, die von der Verfahrensverbindung über die Streitgenossenschaft bis zur Musterprozessabrede reichen, genügen nicht, um eine effiziente Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten. Das zeigen derzeit aktuelle Prospekthaftungsklagen. Ziel der Bundesregierung ist es, den Anlegerschutz durch Einführung kollektiver Rechtsschutzformen zu verbessern und dem einzelnen Kapitalanleger dadurch effektiven Rechtsschutz zu gewähren.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf schlägt zur Bündelung gleichgerichteter Ansprüche geschädigter Kapitalanleger die Einführung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens vor. Ziel des Entwurfs ist es, eine in verschiedenen Prozessen gestellte Musterfrage einheitlich mit Breitenwirkung klären zu lassen. Zentrales Instrument ist der vom Oberlandesgericht zu erlassende Musterentscheid. Dieser Musterentscheid wird im Rahmen eines eigenständigen, vom Ausgangsverfahren losgelösten Musterverfahrens getroffen.

Das Musterverfahren zerfällt in zwei Verfahrensabschnitte. In einem ersten Abschnitt wird über die Zulassung eines Musterverfahrens entschieden. Voraussetzung hierfür ist, dass mindestens 10 gleichgerichtete Anträge zur Klärung derselben streitentscheidenden Musterfrage gestellt und in einem einzurichtenden Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemacht wurden. Sind diese Voraussetzungen gegeben, holt das Ausgangsgericht einen Musterentscheid beim übergeordneten Oberlandesgericht ein. In einem zweiten Abschnitt wird dann das
Musterverfahren durchgeführt. Unter Zugrundelegung dieses Musterentscheids wird abschließend der individuelle Rechtsstreit des einzelnen Kapitalanlegers entschieden.

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen

Sowohl für den Bundeshaushalt auch für die Länder und die Kommunen entstehen keine zusätzlichen Kosten. Zwar können wegen des Verzichts auf eine Vorschusspflicht die insbesondere für Sachverständigengutachten entstehenden Auslagen erst nach Abschluss des Musterverfahrens eingezogen werden; zudem wird die Einführung des Musterverfahrens zu einer gewissen Mehrbelastung bei den Oberlandesgerichten führen. Dem steht jedoch eine deutliche Entlastung der Landgerichte gegenüber, die sich im Fall eines Musterverfahrens nicht mehr mit den komplexen Beweis- und Rechtsfragen in einer Vielzahl von kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten beschäftigen müssen.

E. Sonstige Kosten

Mit der Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren wird das Prozesskostenrisiko der geschädigten Kapitalanleger gesenkt. Die Eintragung eines Musterfeststellungsantrags im elektronischen Klageregister wird kostenpflichtig sein. lm übrigen entstehen im erstinstanzlichen Musterverfahren keine zusätzlichen Gerichts- oder Rechtsanwaltsgebühren. Eine Auswirkung des Gesetzentwurfs auf Einzelpreise, Preisniveau und Verbraucherpreisniveau ist daher nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 7. Januar 2005 Der Bundeskanzler An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck


Sehr geehrter Herr Präsident,


hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.


Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schröder

Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz - KapMuG)

Abschnitt 1
Musterfeststellungsantrag; Vorlageverfahren

§ 1 Musterfeststellungsantrag

(1) Durch Musterfeststellungsantrag kann in einem erstinstanzlichen Verfahren, in dem

1. ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen oder

2. ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruht, geltend gemacht wird, die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung begehrt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits hiervon abhängt. Durch Musterfeststellungsantrag kann in den Fällen des Satzes 1 auch nur die Klärung einer Rechtsfrage begehrt werden. Der Musterfeststellungsantrag kann vom Kläger und vom Beklagten gestellt werden. Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind für eine Vielzahl von Kapitalanlegern zugängliche oder zugänglich zu machende Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren betreffen, insbesondere

(2) Der Musterfeststellungsantrag ist bei dem Prozessgericht zu stellen. Der Antragsteller hat das entscheidungserhebliche Feststellungsziel unter Angabe der öffentlichen Kapitalmarktinformation, der geltend gemachten Streitpunkte und der Beweismittel darzustellen. Er hat darzulegen, dass der Entscheidung über den Musterfeststellungsantrag Bedeutung über den einzelnen Rechtsstreit hinaus für andere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten zukommen kann. Dem Musterfeststellungsantrag sind die Abschriften der Schriftsätze des Rechtsstreits beizufügen. Dem Antragsgegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(3) Das Prozessgericht entscheidet durch Beschluss über die Zulässigkeit des Musterfeststellungsantrags. Es weist einen Musterfeststellungsantrag nach Absatz 1 Satz 1 als unzulässig ab, wenn

Einen Musterfeststellungsantrag nach Absatz 1 Satz 2 weist das Prozessgericht dann ab, wenn eine ausschließlich gestellte Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig erscheint.

§ 2 Bekanntmachung im Klageregister

(1) Einen zulässigen Musterfeststellungsantrag macht das Prozessgericht im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers (Klageregister) öffentlich bekannt. Der Bekanntmachungsbeschluss ist unanfechtbar. Die Bekanntmachung enthält nur folgende Angaben:

1. den Namen und die Anschrift des Beklagten,

2. das Prozessgericht,

3. das Aktenzeichen des Rechtsstreits,

4. das Feststellungsziel des Musterfeststellungsantrags,

5. den Tag der Bekanntmachung und

6. die Höhe des dem Musterfeststellungsantrag zugrunde liegenden Anspruchs.

Gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge werden in einer Tabelle des Klageregisters in Reihenfolge des Eingangs des Bekanntmachungsbeschlusses beim Bundesanzeiger eingetragen. Bei Eingang an demselben Tag richtet sich die Eintragung nach der alphabetischen Reihenfolge der Prozessgerichte, im übrigen nach der numerischen Reihenfolge der Aktenzeichen.

(2) Die Einsicht in das Klageregister steht jedem unentgeltlich zu.

(3) Das Prozessgericht trägt die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihm im Klageregister bekannt gemachten Daten, insbesondere für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Daten.

(4) Der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers erstellt im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik ein Sicherheitskonzept für Bekanntmachungen im Klageregister, das insbesondere die nach § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen umfasst. Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist in regelmäßigen Abständen unter Berücksichtigung der aktuellen technischen Entwicklungen zu überprüfen.

(5) Die im Klageregister gespeicherten Daten sind nach Abweisung des Musterfeststellungsantrags, anderenfalls nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens zu löschen.

(6) Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die äußere Gestaltung des Klageregisters und weitere Einzelheiten der Bekanntmachung zu regeln. Insbesondere sind die Einsichtnahme in das Klageregister zu regeln, Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Bekanntmachungen

1. unversehrt, vollständig und aktuell bleiben,

2. jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.

§ 3 Unterbrechung des Verfahrens

Mit der Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags im Klageregister wird das Verfahren unterbrochen.

§ 4 Vorlage an das Oberlandesgericht

(1) Das Prozessgericht führt durch Beschluss eine Entscheidung des im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung oder eine Rechtsfrage (Musterentscheid) herbei, wenn

1. in dem Verfahren bei dem Prozessgericht der zeitlich erste Musterfeststellungsantrag gestellt wurde und

2. innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntmachung in mindestens neun weiteren Verfahren bei demselben oder anderen Gerichten gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in das Klageregister eingetragen wurden.

Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Die zeitliche Reihenfolge der bei den Prozessgerichten gestellten Musterfeststellungsanträge bestimmt sich nach der Bekanntmachung im Klageregister. Musterfeststellungsanträge sind gleichgerichtet, wenn das Feststellungsziel und das zugrunde liegende Ereignis identisch sind.

(2) Das Prozessgericht hat die Gleichgerichtetheit der Musterfeststellungsanträge nur insoweit zu prüfen, als es für das Erreichen der notwendigen Anzahl erforderlich ist. Der Vorlagebeschluss hat zu enthalten:

1. eine kurze Sachverhaltsschilderung der zehn Rechtsstreite,

2. die Schriftsätze der Antragsteller und des Antragsgegners dieser Rechtsstreite,

3. das entscheidungserhebliche Feststellungsziel unter Angabe der Kapitalmarktinformation, der geltend gemachten Streitpunkte und der Beweismittel und

4. eine Begründung zur Gleichgerichtetheit der zehn Musterfeststellungsanträge. Das Oberlandesgericht ist an die Vorlage des Prozessgerichts gebunden.

(3) lst seit Bekanntmachung des jeweiligen Musterfeststellungsantrags innerhalb von vier Monaten nicht die für die Vorlage an das Oberlandesgericht erforderliche Anzahl
gleichgerichteter Anträge in das Klageregister eingetragen worden, weist das Prozessgericht den Antrag zurück und setzt das Verfahren fort.

(4) Sind in einem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet, so können die Musterentscheide, für die nach Absatz 1 die Oberlandesgerichte zuständig sind, von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zugewiesen werden, sofern dies der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienlich ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Durch Staatsverträge zwischen Ländern kann die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichtes für einzelne Bezirke oder das gesamte Gebiet mehrerer Länder begründet werden.

§ 5 Sperrwirkung des Vorlagebeschlusses

Mit Erlass des Vorlagebeschlusses ist die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die gemäß § 7 auszusetzenden Verfahren unzulässig.

Abschnitt 2
Durchführung des Musterverfahrens

§ 6 Bekanntmachung des Musterverfahrens

Nach Eingang des Vorlagebeschlusses macht das Oberlandesgericht im Klageregister bekannt:

1. den Namen des Musterklägers (§ 8 Abs. 1 Nr. 1),

2. den Namen und die Anschrift der Musterbeklagten (§ 8 Abs. 1 Nr. 2),

3. das Feststellungsziel des Musterverfahrens,

4. den zuständigen Senat und

5. den Inhalt des Vorlagebeschlusses.
Das Oberlandesgericht trägt die datenschutzrechtliche Verantwortung entsprechend § 2 Abs. 3.

§ 7 Aussetzung

(1) Nach Veröffentlichung des Musterverfahrens im Klageregister setzt das Prozessgericht das Verfahren aus, dessen Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder der im Musterverfahren zu klärenden Rechtsfrage abhängt. Das gilt unabhängig davon, ob in dem Verfahren ein Musterfeststellungsantrag gestellt wurde. Die Parteien sind anzuhören, es sei denn, dass sie darauf verzichtet haben.

(2) Das Prozessgericht hat den im Klageregister veröffentlichten Senat des Oberlandesgerichts unverzüglich über eine Aussetzung unter Angabe der Höhe des Anspruchs, soweit er Gegenstand des Musterverfahrens ist, zu unterrichten.

§ 8 Beteiligte des Musterverfahrens

(1) Beteiligte des Musterverfahrens sind:

1. der Musterkläger,

2. der Musterbeklagte,

3. die Beigeladenen.

(2) Das Oberlandesgericht bestimmt nach billigem Ermessen durch Beschluss den Musterkläger aus den Klägern bei dem Gericht, das den Musterentscheid einholt. Zu berücksichtigen sind

1. die Höhe des Anspruchs, soweit er Gegenstand des Musterverfahrens ist, und

2. eine Verständigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt.
(3) Die Kläger der übrigen ausgesetzten Verfahren sind zu dem Musterverfahren beizuladen. Der Aussetzungsbeschluss gilt als Beiladung im Musterverfahren. Mit dem Aussetzungsbeschluss unterrichtet das Prozessgericht die Beigeladenen über

1. die anteilige Haftung für die Kosten des Musterverfahrens, und

2. das Entfallen dieser Haftung, sofern sie innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses ihre Klage in der Hauptsache zurücknehmen.

§ 9 Allgemeine Verfahrensregeln

(1) Auf das Musterverfahren sind die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die §§ 278, 348 bis 350, 379 der Zivilprozessordnung finden keine Anwendung. In Beschlüssen müssen die Beigeladenen nicht bezeichnet werden.

(2) Die Zustellung von Terminsladungen an Beigeladene kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird durch Eintragung ins Klageregister bewirkt. Zwischen öffentlicher Bekanntmachung und Terminstag müssen mindestens vier Wochen liegen.

(3) Die Bundesregierung und die Landesregierungen können für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt bestimmen, von dem an im Musterverfahren elektronische Akten geführt werden sowie die hierfür geltenden organisatorischtechnischen Rahmenbedingungen für die Bildung, Führung und Aufbewahrung der elektronischen Akten. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(4) Die Bundesregierung und die Landesregierungen können für ihren Bereich durch Rechtsverordnung bestimmen, dass im Musterverfahren Schriftsätze als elektronische Dokumente bei Gericht einzureichen sind, Empfangsbekenntnisse als elektronische Dokumente zurückzusenden sind und dass die Beteiligten dafür Sorge zu tragen haben, dass ihnen elektronische Dokumente durch das Gericht zugestellt werden können. Die Rechtsverordnung regelt die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form. Die
Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

§ 10 Vorbereitung des Termins

Zur Vorbereitung des Termins kann der Vorsitzende oder ein von ihm bestimmtes Mitglied des Senats den Beigeladenen die Ergänzung des Schriftsatzes des Musterklägers aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Streitpunkte setzen. Die Ergänzung der Beigeladenen in ihren vorbereitenden Schriftsätzen werden dem Musterkläger und dem Musterbeklagten mitgeteilt. Schriftsätze der Beigeladenen werden den übrigen Beigeladenen nicht mitgeteilt. Schriftsätze des Musterklägers und des Musterbeklagten werden den Beigeladenen nur mitgeteilt, wenn sie dies gegenüber dem Senat schriftlich beantragt haben.

§ 11 Wirkung von Rücknahmen

(1) Eine Rücknahme des Musterfeststellungsantrags hat auf die Stellung als Musterkläger oder Musterbeklagter keinen Einfluss.

(2) Nimmt der Musterkläger im Laufe des Musterverfahrens seine Klage in der Hauptsache zurück, so bestimmt das Gericht einen neuen Musterkläger. Das Gleiche gilt im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Musterklägers sowie in den Fällen seines Todes, des Verlustes der Prozessfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Nachlassverwaltung oder des Eintritts der Nacherbfolge, wenn der Prozessbevollmächtigte des Musterklägers die Aussetzung des Musterverfahrens beantragt. Die Klagerücknahme von Beigeladenen hat auf den Fortgang des Musterverfahrens keinen Einfluss.

§ 12 Rechtsstellung des Beigeladenen

Der Beigeladene muss das Musterverfahren in der Lage annehmen, in der es sich zur Zeit seiner Beiladung befindet; er ist berechtigt, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit nicht seine
Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen des Musterklägers in Widerspruch stehen.

§ 13 Erweiterung des Gegenstandes des Musterverfahrens

Die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens weiterer anspruchsbegründender oder anspruchsausschließender Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 können der Musterkläger und der Musterbeklagte begehren, soweit das Oberlandesgericht dies für sachdienlich erachtet. Satz 1 gilt entsprechend, wenn mindestens zehn Beigeladene eine derartige Feststellung begehren.

§ 14 Musterentscheid

(1) Das Oberlandesgericht erlässt aufgrund mündlicher Verhandlung den Musterentscheid durch Beschluss. Die Beigeladenen müssen nicht im Rubrum des Musterentscheids bezeichnet werden. Der Musterentscheid wird dem Musterkläger und dem Musterbeklagten zugestellt; den Beigeladenen wird er formlos mitgeteilt. Die Mitteilungen einschließlich der Zustellung an den Musterkläger und den Musterbeklagten können durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. § 9 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Die Entscheidung über die im Musterverfahren angefallenen Kosten bleibt den Prozessgerichten der ausgesetzten Verfahren vorbehalten.

(3) Die §§ 91a, 306 der Zivilprozessordnung finden auf das Musterverfahren keine entsprechende Anwendung. Ein vergleichsweiser Abschluss des Rechtstreits ist ausgeschlossen.

§ 15 Rechtsbeschwerde

Abschnitt 3
Wirkung des Musterentscheids; Kosten

§ 16 Wirkung des Musterentscheids

(1) Der Musterentscheid bindet die Prozessgerichte, deren Entscheidung von der im Musterverfahren getroffenen Feststellung oder der im Musterverfahren zu klärenden Rechtsfrage abhängt. Der Beschluss ist der Rechtskraft insoweit fähig, als über den Streitgegenstand des Musterverfahrens entschieden ist. Unbeschadet von Absatz 2 wirkt der Musterentscheid für und gegen die Beigeladenen des Musterverfahrens. Dies gilt auch dann, wenn der Beigeladene seine Klage in der Hauptsache zurückgenommen hat. Mit der Einreichung des rechtskräftigen Musterentscheids durch einen Beteiligten des Musterverfahrens wird das Verfahren in der Hauptsache wieder aufgenommen.

(2) Nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens wird der beigeladene Kläger in seinem Rechtsstreit gegenüber dem Beklagten mit der Behauptung, dass der Musterkläger das Musterverfahren mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Musterverfahrens zur Zeit seiner Beiladung oder durch Erklärungen und Handlungen des Musterklägers verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von dem Musterkläger absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.

(3) Der Musterentscheid wirkt auch für und gegen die Beigeladenen, die dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind.

§ 17 Gegenstand der Kostenentscheidung im Prozessverfahren

Die dem Musterkläger und den Beigeladenen im erstinstanzlichen Musterverfahren erwachsenen Kosten gelten als Teil der Kosten des ersten Rechtszugs des jeweiligen Prozessverfahrens. Die dem Musterbeklagten im erstinstanzlichen Musterverfahren erwachsenen Kosten gelten anteilig als Kosten des ersten Rechtszugs des jeweiligen Prozessverfahrens. Die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnis der Höhe des von dem jeweiligen Kläger geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist, zu der Gesamthöhe der von dem Musterkläger und den Beigeladenen
des Musterverfahrens in den Prozessverfahren geltend gemachten Ansprüchen, soweit diese Gegenstand des Musterverfahrens sind. Der Anspruch eines Beteiligten ist hierbei nicht zu berücksichtigen, wenn er innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses nach § 7 seine Klage in der Hauptsache zurückgenommen hat. § 96 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.

§ 18 Verstoß gegen die Vorlagevoraussetzungen an das Oberlandesgericht

Das Urteil eines Prozessgerichts in der Hauptsache kann nicht aus dem Grunde angefochten werden, dass das Oberlandesgericht zum Erlass eines Musterentscheids nicht zuständig gewesen sei oder die Vorlagevoraussetzungen für einen Musterentscheid nicht vorgelegen hätten.

§ 19 Kostenentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren

(1) Die Kosten einer von dem Musterkläger oder einem Beigeladenen ohne Erfolg eingelegten Rechtsbeschwerde haben nach dem Grad ihrer Beteiligung der Musterrechtsbeschwerdeführer und diejenigen Beigeladenen zu tragen, welche dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten sind.

(2) Entscheidet das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache selbst, haben die Kosten einer von der Musterbeklagten erfolgreich eingelegten Rechtsbeschwerde der Musterkläger und alle Beigeladenen nach dem Grad ihrer Beteiligung im erstinstanzlichen Musterverfahren zu tragen.

(3) Bei teilweisem Obsiegen und Unterliegen gilt § 92 der Zivilprozessordnung entsprechend.

(4) Hebt das Rechtsbeschwerdegericht den Musterentscheid des Oberlandesgerichts auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung zurück, so entscheidet das Oberlandesgericht gleichzeitig mit dem Erlass des Musterentscheids über die Kostentragung im Rechtsbeschwerdeverfahren nach billigem Ermessen. Dabei ist der Ausgang des Musterverfahrens zugrunde zu legen. § 99 Abs. 1 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(5) Soweit dem Musterkläger und den Beigeladenen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens auferlegt werden, haben sie die von dem Musterbeklagten entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts jeweils nur nach nur nach dem Wert zu erstatten, der sich aus den von ihnen im Prozessverfahren geltend gemachten Ansprüchen, die Gegenstand des Musterverfahrens sind, ergibt.

Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil lll, Gliederungsnummer 310-4, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch , wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Nach der Angabe zu § 32a wird folgende Angabe eingefügt:

" § 32b Ausschließlicher Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen".

b) Nach der Angabe zu § 325 wird folgende Angabe eingefügt: " § 325a Feststellungswirkung des Musterentscheids".

2. Nach § 32a wird folgender § 32b eingefügt:

" § 32b
Ausschließlicher Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen

(1) Für Klagen, mit denen

1. der Ersatz eines auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens oder

2. ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruht,
geltend gemacht wird, ist das Gericht ausschließlich am Sitz des betroffenen Emittenten oder der Zielgesellschaft zuständig. Dies gilt nicht, wenn sich der Sitz des Emittenten oder der Zielgesellschaft im Ausland befindet.

(2) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die in Absatz 1 genannten Klagen einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuzuweisen, sofern dies der sachlichen Förderung oder schnelleren Erledigung der Verfahren dienlich ist. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen."

3. Nach § 325 wird folgender § 325a eingefügt:

§ 325a
Feststellungswirkung des Musterentscheids

"Für die weitergehenden Wirkungen des Musterentscheids gelten die Vorschriften des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes."

Artikel 3
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch , wird wie folgt geändert:

1. In § 71 Abs. 2 wird der Punkt durch ein Semikolon ersetzt und folgende Nummer 3 angefügt:

"3. für Schadensersatzansprüche auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen."

2. In § 95 Abs. 1 Nr. 6 wird die Angabe " §§ 45 bis 48 des Börsengesetzes (Reichsgesetzbl. 1908 S. 215)" durch die Angabe " §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes" ersetzt.
3. Nach § 117 wird folgender § 118 eingefügt:

" § 118

"Die Oberlandesgerichte sind in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten im ersten Rechtszug zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz."

4. In § 119 Abs. 1 wird nach den Wörtern "bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten" das Wort "ferner" eingefügt.

Artikel 4
Änderung des Gerichtskostengesetzes

Das Gerichtskostengesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 51 folgende Angabe eingefügt: " § 51a Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz"

2. Dem § 1 Nr. 1 wird folgender Buchstabe o angefügt:

"o) nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz;"

3. Dem § 5 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

"Für die Ansprüche auf Zahlung von Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz beginnt die Frist frühestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens."
4. § 9 wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 1 wird folgender Absatz vorangestellt:

(1) Die Auslagen des Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz werden mit dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens fällig."

b) Die bisherigen Absätze 1 und 2 werden die Absätze 2 und 3.

5. In § 17 Abs. 4 Satz 1 werden nach den Wörtern "gilt nicht" die Wörter "in Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz," eingefügt.

6. Dem § 22 wird folgender Absatz 3 angefügt:

(3) lm erstinstanzlichen Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist Absatz 1 nicht anzuwenden. lm Verfahren über die Rechtsbeschwerde nach § 15 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes schuldet neben dem Rechtsbeschwerdeführer auch der Beigeladene, der dem Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten des Rechtsbeschwerdeführers beigetreten ist, die Kosten."

7. Nach § 51 wird folgender § 51a eingefügt:

" § 51a
Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem
Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz

(1) lm Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen nach § 7 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ausgesetzten Prozessverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese Gegenstand des Musterverfahrens sind.

(2) Der Musterkläger und die Beigeladenen schulden Gerichtsgebühren jeweils nur nach dem Wert, der sich aus den von ihnen im Prozessverfahren geltend gemachten Ansprüchen, die Gegenstand des Musterverfahrens sind, ergibt."
8. Dem § 66 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

"Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht."

9. Die Anlage 1 (Kostenverzeichnis) wird wie folgt geändert:

a) Nach der überschrift zu Teil 1 Hauptabschnitt 2 Abschnitt 1 wird folgende Vorbemerkung 1.2.1 eingefügt:

"Vorbemerkung 1.2.1:
Die Gebühren dieses Abschnitts entstehen nicht im Musterverfahren nach dem Kap-MuG; das erstinstanzliche Musterverfahren gilt als Teil des ersten Rechtszugs des Prozessverfahrens."

b) lm Gebührentatbestand der Nummer 1211 werden nach den Wörtern "in Nummer 2 genannten Urteile" die Wörter "oder ein Musterentscheid nach dem KapMuG" eingefügt.

c) Nach Nummer 1820 wird folgende Nummer 1821 eingefügt:
Nr. Gebührentatbestand Gebühr oder Satz der
                Gebühr nach § 34 GKG
"1821 Verfahren über Rechtsbeschwerden nach § 15 KapMuG 5,0"
d) Die bisherigen Nummern 1821 bis 1823 werden die Nummern 1822 bis 1824.
e) lm Gebührentatbestand der neuen Nummer 1822 werden die Wörter "Die Gebühr 1820 ermäßigt" durch die Wörter "Die Gebühren 1820 und 1821 ermäßigen" ersetzt.
f) Dem Absatz 1 der Anmerkung zu Nummer 9000 wird folgender Satz angefügt:
"Die Dokumentenpauschale ist auch im erstinstanzlichen Musterverfahren nach dem KapMuG gesondert zu berechnen."
g) Der Anmerkung zu Nummer 9002 wird folgender Satz angefügt:
"lm erstinstanzlichen Musterverfahren nach dem KapMuG werden Auslagen für sämtliche Zustellungen erhoben."
h) Dem Teil 9 wird folgende Nummer 9019 angefügt:
Nr. Auslagentatbestand Höhe

"9019 Im ersten Rechtszug des Prozessverfahrens: Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach
dem KapMuG anteilig"
(1) Die Auslagen werden nur erhoben, wenn der Kläger nicht innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses nach § 7 KapMuG seine Klage in der Hauptsache zurücknimmt.
(2) Der Anteil bestimmt sich nach dem Verhältnis der Höhe des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist, zu der Gesamthöhe der vom Musterkläger und den Beigeladenen des Musterverfahrens in den Prozessverfahren geltend gemachten Ansprüche, soweit diese Gegenstand des Musterverfahrens sind. Der Anspruch des Musterklägers oder eines Beigeladenen ist hierbei nicht zu berücksichtigen, wenn er innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses nach § 7 KapMuG seine Klage in der Hauptsache zurücknimmt.

Artikel 5
Änderung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes

Dem § 13 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird folgender Absatz 3 angefügt:

(3) lm Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ist die Vergütung unabhängig davon zu gewähren, ob ein ausreichender Betrag an die Staatskasse gezahlt ist. lm Fall des Absatzes 2 genügt die Erklärung eines Beteiligten (§ 8 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes). Die Anhörung der übrigen Beteiligten kann dadurch ersetzt werden, dass die Vergütungshöhe, für die die Zustimmung des Gerichts erteilt werden soll, öffentlich bekannt gemacht wird. Die öffentliche Bekanntmachung wird durch Eintragung in das Klageregister nach § 2 des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes bewirkt. Zwischen der öffentlichen Bekanntmachung und der Entscheidung über die Zustimmung müssen mindestens vier Wochen liegen."

Artikel 6
Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004(BGBl. I S. 718, 788), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 23 folgende Angabe eingefügt:

"23a Gegenstandswert im Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz"

2. § 16 wird wie folgt geändert:

a) ln Nummer 13 wird das abschließende Wort "und" gestrichen.

b) Nach Nummer 14 wird der Punkt durch das Wort "und" ersetzt und folgende Nummer 15 angefügt:

"15. das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz."

3. Nach § 23 wird folgender § 23a eingefügt:

" § 23a
Gegenstandswert im Musterverfahren
nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz

lm Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist."
4. Die Vorbemerkung 3.2.2 der Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis) wird wie folgt gefasst:

"Vorbemerkung 3.2.2:
Dieser Unterabschnitt ist auch anzuwenden

1. in den in Vorbemerkung 3.2.1 Absatz 1 genannten Verfahren, wenn sich die Parteien nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können,

2. in Verfahren über die Rechtsbeschwerde nach § 15 KapMuG."

Artikel 7
Änderung des Verkaufsprospektgesetzes

§ 13 Abs. 2 des Verkaufsprospektgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2701), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 8
Änderung des Börsengesetzes

Das Börsengesetz vom 21. Juni 2002 (BGBl. l. S. 2010), zuletzt geändert durch ... wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 48 wie folgt gefasst: " § 48 (weggefallen)".

2. § 48 wird aufgehoben.
3. § 55 wird wie folgt gefasst:
" § 55
Haftung für den Unternehmensbericht
Sind Angaben im Unternehmensbericht unrichtig oder unvollständig, so sind die Vorschriften der §§ 44 bis 47 entsprechend anzuwenden."
Artikel 9
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Vorbemerkung

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Kapitalmarkt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland weiter zu stärken. Dazu gehören nicht nur praxisorientierte Rahmenbedingungen für einen innovativen und international wettbewerbsfähigen Finanzmarkt; eine entscheidende Rolle spielt auch das Vertrauen der Anleger in die Kapitalmärkte. Unternehmenskrisen wegen Missmanagements und Unternehmenszusammenbrüche haben das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Unternehmensführung und damit zugleich das Vertrauen in den Kapitalmarkt tief erschüttert. Wiederherstellen lässt sich dieses Vertrauen nur durch mehr Transparenz auf dem Kapitalmarkt, Selbstregulierung der Marktteilnehmer und, wo dies nötig ist, verbesserte Kontrolle von Unternehmen, bis hin zur übernahme persönlicher Verantwortung und angemessener Erweiterung der Haftung für geschädigte Anleger. Flankiert werden sollen diese Maßnahmen durch die Verbesserung der prozessualen Möglichkeiten der Anleger, ihre Ansprüche vor Gericht auch im Kollektiv geltend zu machen. Gerade durch die Stärkung des effektiven Rechtsschutzes des Einzelnen gegenüber Unternehmen wird auch für Effizienz des Kapitalmarkts und für das Vertrauen in sein von deliktischen Störungen weitgehend freies Funktionieren gesorgt.

Mit der Verbesserung der prozessualen Möglichkeiten der Anleger hat sich 2002 insbesondere der 64. Deutsche Juristentag zu Berlin auseinandergesetzt. Zur wirkungsvollen Durchsetzung der Anlegerrechte empfiehlt er die Einführung einer zivilprozessualen Anspruchsbündelung in Form einer bereichsspezifischen Gruppenklage. Diese Empfehlung beruht auf der Feststellung, dass z.B. falsche Darstellungen gegenüber dem Kapitalmarkt in aller Regel Streuschäden mit vielen Geschädigten und vergleichsweise geringen Schadensersatzsummen verursachen. Die prozessuale Geltendmachung werde dem einzelnen Anleger durch den hohen, auch bei Obsiegen nicht erstattungsfähigen Privataufwand, und die hohen Prozessrisiken und -kosten, insbesondere Sachverständigenkosten, schwer gemacht. Dadurch drohe das kapitalmarktrechtliche Haftungsrecht seine Steuerungs- und Abschreckungsfunktion zu verlieren.

Zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangt auch die unter Vorsitz von Prof. Dr. Dr. h.c. Baums geführte Regierungskommission "Corporate Governance" (Bericht der Regierungskommission, BT-Drs. 014/7515, Rdn. 186 - 190). Diese verweist darauf, dass entwickelte Kapitalmärkte wie beispielsweise in den USA und Großbritannien, bei vorsätzlichen oder gravierenden leichtfertigen Anlegerschädigungen einen effektiven Vertretungsmechanismus kennen, bei dem die Geltendmachung weit gestreuter Einzelschäden gebündelt werden. Allerdings lehnt sie die übernahme der US-amerikanischen Sammelklage ab. Für die deutsche Rechtsordnung stellt sie vielmehr zur Diskussion, in Anlehnung an §§ 26, 206 UmwG sowie an das in § 308 a.F. UmwG geregelte Spruchverfahren prozessual flankierend ein Vertretermodell (Partei kraft Amtes für die geschädigten Anleger) zu institutionalisieren und durch diese Anspruchsbündelung bei einer Person eine wirksame Durchsetzung der Schadensersatzansprüche der geschädigten Anleger zu gewährleisten.

II. Bündelungsmöglichkeiten nach geltendem Recht - Defizite und Alternativen

Das deutsche Prozessrecht geht in seinem Grundverständnis von einem Zwei-Parteien-Prozess aus. Darüber hinaus kennt es aber auch eine Reihe von herkömmlichen Formen zur Bündelung von Verfahren. Diese unterscheiden sich von den kollektiven Rechtsschutzformen, wie beispielsweise der Verbands- und Gruppenklage, dadurch, dass alle Betroffenen Parteien des Rechtsstreits werden oder bleiben, wohingegen bei den kollektiven Rechtsschutzformen nur der Verband oder der Gruppenkläger als Partei auftritt.

1. Herkömmliche Bündelungsformen und Defizite

a) Streitgenossenschaft, Nebenintervention, Verfahrensverbindung und Verfahrensaussetzung

Zu den traditionellen Bündelungsformen in der Zivilprozessordnung gehört vor allem die Streitgenossenschaft. Eine Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO liegt vor, wenn in einem Verfahren auf der Kläger- oder der Beklagtenseite mehrere Parteien auftreten. Bei Streuschäden liegen grundsätzlich gleichartige Ansprüche vor, welche auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grunde beruhen. Beispielsweise können die geschädigten Anleger bei Schadensersatzansprüchen auf Grund einer falschen Adhoc-Meldung gemeinschaftlich als Kläger auftreten. Insbesondere kann die Beweisaufnahme dann für alle verbundenen Verfahren einheitlich erfolgen. Für die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten bedeutet dies gewisse Vorteile gegenüber Einzelklagen. Da die Streitgenossen in der Regel einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten haben, in Schriftsätzen und mündlichem Vortrag einheitlich handeln sowie eine gemeinsame Beweisaufnahme und eine
einheitliche Beweiswürdigung durch das Gericht stattfindet, wird auch das Kostenrisiko der Kläger gegenüber selbständigen Einzelklagen erheblich verringert.

Freilich kommt die Streitgenossenschaft nur in Betracht, wenn sich die Geschädigten überhaupt zusammenfinden; dies setzt Information und Organisation voraus, so dass häufig nur Zufallsgemeinschaften entstehen. Angesichts einer großen Anzahl von Geschädigten dürfte es bei Streuschäden im Kapitalmarktbereich eher unwahrscheinlich sein, dass diese vor demselben Gericht klagen werden. Eine derartige Verfahrenskanalisation ließe sich im Bereich des Kapitalmarktrechts nur mit einer Zuständigkeitskonzentration durch Festlegung ausschließlicher Gerichtsstände erreichen. Angesichts der Vergemeinschaftung der Gesetzgebungskompetenz für die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen und der Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) kann der nationale Gesetzgeber nicht mehr uneingeschränkt örtliche Gerichtsstände schaffen.

Nach § 66 ZPO kann ein Dritter sich an einem Rechtsstreit zur Unterstützung einer Partei in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung beteiligen. Voraussetzung der Nebenintervention ist nach § 66 Abs. 1 ZPO grundsätzlich das rechtliche Interesse eines Dritten daran, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege. Die Nebenintervention dürfte jedoch kaum zur Bewältigung von Massenverfahren geeignet sein. lm Zivilprozess ist eine Nebenintervention des Dritten, der sich in einer gleichen Rechtslage befindet, durch § 68 ZPO ausgeschlossen, soweit sich Erst- und Zweitverfahren gegen denselben Gegner richten.

Eine Bündelung von Einzelklagen, welche die mehrfache Verhandlung und Entscheidung über dieselben Rechts- und Tatsachenfragen verhindert, lässt sich über die Verfahrensverbindung nach § 147 ZPO erreichen. Sie dient dem Interesse an höherer Effizienz und einheitlichen Entscheidungen; zudem beinhaltet sie einen Kostenvorteil, da nicht über gleiche Fragen mehrfach verhandelt und Beweis erhoben werden muss. Die Verfahrensverbindung setzt jedoch voraus, dass mehrere Prozesse in gleicher Instanz bei demselben Gericht, nicht notwendig bei demselben Spruchkörper anhängig sind. Dadurch erfährt das Institut der Verfahrensverbindung eine deutliche Einschränkung, weil es nicht möglich ist, Rechtsstreite zum Zwecke der Verbindung von einem Gericht an ein anderes zu verweisen.

Die Verfahrensaussetzung nach § 148 ZPO ist ebenfalls ein Mittel zur Bündelung gleichgerichteter Interessen. Nach § 148 ZPO kann das Gericht ein Verfahren im Hinblick auf die
Entscheidung einer vorgreiflichen Rechtsfrage, welche Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, aussetzen, um widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift knüpft die Verfahrensaussetzung an die Vorgreiflichkeit einer Rechtsfrage an. Von Vorgreiflichkeit kann nur dann gesprochen werden, wenn die Entscheidung von einem Rechtsverhältnis abhängt, das im auszusetzenden Prozess Vorfrage ist und den Gegenstand des anderen anhängigen Prozesses bildet. lm Falle von Streuschäden liegen zwar auf Grund desselben Vorfalls gleichartige Ansprüche vor; jedoch fehlt es für eine Verfahrensaussetzung der anhängigen Prozesse auf einen Parallelprozess an der Vorgreiflichkeit einer Rechtsfrage.

b) Interessengemeinschaften, Musterverfahren

Als weitere Bündelungsform zur vorprozessualen und gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche geschädigter Kapitalanleger kommen Interessengemeinschaften in Betracht. Die Durchsetzung von Individualansprüchen Aktionärsvereinigungen oder sonstigen Interessengemeinschaften durch Abtretung oder Einzugsermächtigung ( § 185 BGB) zu überlassen, begegnet nach dem Rechtsberatungsgesetz Bedenken. Die Abtretung der Ansprüche an eine Interessengemeinschaft verstößt gegen Artikel 1 § 1 Abs. 1 RBerG, da die Tätigkeit der Interessengemeinschaft nach Art und Umfang über ein Gelegenheitsgeschäft hinausgeht und damit als geschäftsmäßig im Sinne dieser Vorschrift angesehen wird. Ferner stellt eine Interessengemeinschaft auch keine berufsstandsähnliche Vereinigung nach Artikel 1 § 7 Satz 1 RBerG dar.

Die Führung von Musterverfahren dient ebenfalls der Anspruchs- und Interessenbündelung mehrerer geschädigter Kapitalanleger. lm Gegensatz zur Verwaltungsgerichtsordnung kennt die Zivilprozessordnung das Institut des Musterverfahrens nicht. Die fehlende gesetzliche Verankerung dieses Instituts in der Zivilprozessordnung erschwert die Führung von Musterverfahren nicht unerheblich. So wirkt ein Musterverfahren nur zwischen den Musterverfahrensparteien. Eine Erstreckung der Rechtskraft auf die erfassten Parallelfälle ist nach geltendem Prozessverständnis nicht möglich, weil den Parteien die Dispositionsbefugnis über die Rechtskraftwirkung des Urteils fehlt. Um dennoch für die Parallelfälle eine Bindungswirkung zu erreichen, bedarf es einer Musterverfahrensabrede zur Übertragung des Urteilsinhalts. Die entscheidenden Nachteile des Musterverfahrens liegen jedoch darin, dass es häufig nicht gelingen wird, den Schädiger oder alle Geschädigten für eine solche Vereinbarung zu gewinnen. Gerade der Beklagte kann sich aus der Aufsplitterung in eine Vielzahl von Verfahren taktische Vorteile erhoffen. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der drohenden Verjährung, da eine Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB nur für den im Musterverfahren geltend gemachten Anspruch gilt, dagegen die Verantwortung für das Betreiben der Parallelverfahren nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB bei den Klägern liegt. Diese Schwierigkeiten lassen sich letztlich nur durch ein sog. Stillhalteabkommen nach § 203 Satz 1 BGB befriedigend lösen.

Diese Nachteile ließen sich durch eine gesetzliche Verankerung des Musterverfahrens vermeiden. Die Verwaltungsgerichtsordnung kennt zur Bewältigung von Massenverfahren das Institut des Musterverfahrens in § 93a. Diese Vorschrift wurde zum 1. Januar 1991 in die Verwaltungsgerichtsordnung eingeführt und durch das 6. VwGO-Änderungsgesetz (BGBl. 1996 I S. 1626) novelliert. Sie findet immer dann Anwendung, wenn in mehr als 20 Verfahren über die Rechtmäßigkeit ein und derselben behördlichen Maßnahme entschieden wird. Das Gericht kann nach Anhörung der Beteiligten sämtlicher Verfahren eines oder mehrere geeignete Verfahren vorab als Musterverfahren durchführen und die übrigen aussetzen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Eine vorbehaltslose Übertragung der Regelung des § 93a VwGO auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten begegnet Bedenken:

lm Verwaltungsgerichtsprozess gilt der Grundsatz der Amtsermittlung. Dieser gewährleistet eine umfassende Aufklärung in den ausgewählten Musterverfahren, so dass die Übertragung der Ergebnisse des Musterverfahrens ohne weiteres auf die ausgesetzten Verfahren möglich ist. lm Zivilprozess obläge es auf Grund des Beibringungsgrundsatzes allein den Klägern des Musterverfahrens, umfassend vorzutragen und Beweis anzubieten. Die Übertragung der Ergebnisse des Musterverfahrens auf die Parallelverfahren würde von den Klägern der ausgesetzten Rechtsstreite mit dem Hinweis der unzureichenden Aufklärung oder einer abweichenden Sachlage angegriffen und wäre unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs verfassungsrechtlich bedenklich.

Ferner ist die Interessenlage im Verwaltungsgerichtsprozess nicht mit der im Zivilprozess vergleichbar: während es bei der verwaltungsrechtlichen Anfechtungsklage um die für alle Kläger tatsächlich identische Frage der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes geht, reduzieren sich die Gemeinsamkeiten bei einem Schadensersatzprozess im Zivilprozess schnell auf wenige Punkte. Wegen der Unterschiede im Schadensverlauf und in der Schadenshöhe können die Schadensersatzklagen als solche nicht in einem Musterverfahren entschieden werden. Vielmehr können bei schadensersatzrechtlichen Klagen im Zivilprozess nur einzelne gemeinsame Tatbestandsvoraussetzungen und -elemente festgestellt werden.
Darüber hinaus tragen die Kosten des Musterverfahrens im Verwaltungsgerichtsverfahren nur die Parteien dieses Verfahrens. Die Übertragung dieser an § 93a VwGO anknüpfenden Kostenregelung auf die Zivilprozessordnung erscheint bedenklich: Warum sollte bei einer von Amts wegen vorgenommenen Auswahl des Musterverfahrens nur der betroffene Musterkläger allein das Kosten- und Prozessrisiko tragen, wenngleich dem Verfahren Breitenwirkung für alle Betroffenen zukommen soll?

2. Kollektivvertretung im Kapitalgesellschaftrecht

Das Kapitalgesellschaftsrecht kennt die Kollektivvertretung sowohl im Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dezember 1899 als auch im Spruchverfahrensgesetz. Die Regierungskommission "Corporate Governance" schlägt in Anlehnung an das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren ein Vertretermodell zur Durchsetzung kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzansprüche vor (vgl. Rdn. 190 des Berichts der Regierungskommission, BT-Drs 014/7515). Nach dem Kommissionsvorschlag kann jeder Anspruchsinhaber einen Antrag auf Bestellung eines gemeinsamen Vertreters bei demjenigen Prozessgericht erster Instanz stellen, das über die spätere Klage des gemeinsamen Vertreters zu entscheiden hat. Nach seiner Bestellung durch das Gericht soll der Vertreter die Anleger öffentlich darauf hinweisen, dass sie ihre Ansprüche unter Angabe des Sachverhalts und der Mitteilung des oder der Beklagten binnen einer angemessenen Frist anmelden können. Die Verteilung des erstrittenen Erlöses soll entsprechend § 26 Abs. 3 des Umwandlungsgesetzes erfolgen.

Gegen dieses Modell lassen sich mehrere Bedenken anführen. Zunächst kann das vorgeschlagene Modell die Gefahr divergierender Entscheidungen nicht verhindern. Denn dem geschädigten Anleger steht es nach wie vor frei, seine Ansprüche durch den besonderen Vertreter oder selbst gerichtlich zu verfolgen. Um einen gewissen Anschlusszwang an das vom Vertreter geführte Verfahren herbeizuführen, sucht die Regierungskommission eine Lösung über die Kostentragungspflicht. Abweichend von § 91 ZPO soll der Anleger bei einer eigenständigen Durchsetzung seiner Ansprüche damit rechnen müssen, dass das Gericht ihm auch im Obsiegensfalle die Kosten des Rechtsstreits auferlegen kann. Zwar lässt sich dadurch ein faktischer Anschlusszwang an das Gruppenverfahren erreichen. Jedoch werden damit nicht die Probleme der Feststellung der jeweils unterschiedlichen Schadensverläufe gelöst. Ferner führt das Vertretermodell zu einer unnötigen Mediatisierung der klagenden Anleger und wirft insbesondere bei fehlerhafter Prozessführung im Innenverhältnis zwischen Vertreter und dem Kläger weitere ungelöste Probleme auf. Die Verteilung des Erlöses an die Geschädigten könnte sich verzögern, sobald ein Kläger einwendet, dass aufgrund fehlerhafter Prozessführung des Vertreters sein eingeklagter Anspruch in falscher Höhe festgestellt wurde.

3. Alternativen in ausländischen Rechtsordnungen

Die aufgezeigten herkömmlichen Bündelungsformen des deutschen Zivilprozessrechts sind zur prozessualen Bewältigung von Streuschäden mit einer Vielzahl von Geschädigten kaum geeignet. Andere Länder wie beispielsweise die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Japan, Österreich und die Schweiz haben schon seit längerem Gruppen- und Vertreterklagen eingeführt, um Streuschäden prozessual befriedigend zu bewältigen:

a) Die class action (Gruppenklage) in den Vereinigten Staaten

Die class action ist in Rule 23 Federal Rules of Civil Procedure geregelt. Nach dieser Vorschrift können eine oder mehrere zu einer beispielsweise durch ein Massenschadensereignis betroffenen und dadurch definierten Gruppe (class) gehörende Personen als Repräsentanten für die übrigen Gruppenmitglieder eine Klage erheben. Formelle Parteistellung erlangen nur die sog. Gruppenkläger (named plaintiffs). Die repräsentierten Gruppenmitglieder werden weder namentlich genannt noch müssen sie vor dem Gericht erscheinen. Ein Urteil oder ein Vergleich binden jedoch sowohl die named plaintiffs als auch die repräsentierten Gruppenmitglieder.

b) Group litigation im englischen Prozessrecht

Das englische Zivilverfahrensrecht kannte bis vor kurzem als kollektive Klageform nur die sog. representative action. Diese Klageform sieht in begrenztem Umfang die Befugnis der Prozessparteien vor, Klageansprüche auch für andere Personen geltend zu machen, die nicht Parteien des jeweiligen Verfahrens sind. lm Mai 2000 wurden zusätzlich zur repräsentative action Verfahrensregeln in Part 19 der Civil Procedure Rules über die sog. group litigation eingeführt. Nach diesen Verfahrensregeln wird auf Antrag oder von Amts wegen eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung gleichgelagerter Tatsachen- und Rechtsfragen ermöglicht. Organisatorisch knüpft die group litigation an ein Register beim Prozessgericht an, in das sämtliche Klagen einzutragen sind. Das Gericht bestimmt unter anderem, inwieweit über Streitpunkte gemeinsam oder getrennt verhandelt wird, ob einzelne Verfahren als Musterverfahren ausgewählt und wie die Verfahrenskosten zwischen den in das Register eingetragenen Kläger verteilt werden. Das durchgeführte Musterverfahren entfaltet Bindungswirkung für alle eingetragenen Ansprüche und gegenüber allen Beteiligten.
c) Die Gruppenklage im japanischen Prozessrecht

Das japanische Zivilprozessgesetz (ZPG), das infolge der Rezeption europäischen Rechts in Japan im Wesentlichen auf der deutschen Zivilprozessordnung basiert, kennt ebenfalls eine Rechtsschutzform zur Durchsetzung von Gruppeninteressen. Diese Rechtsschutzform, die der "bill of peace" der Equity-Klage des englischen Rechts nachgebildet ist, wurde mit dem ersten Änderungsgesetz zum japanischen Zivilprozessgesetz im Jahre 1926 eingeführt: Nach § 30 Abs. 1 ZPG in der Fassung vom 18. Juni 1996 können mehrere Personen mit gemeinsamen Interesse eine oder mehrere Personen von ihnen bestellen, die als Kläger oder Beklagter für die Gesamtheit auftreten. Mit der Übertragung des Prozessführungsrechts auf einen Gruppenvertreter scheiden alle übrigen Personen kraft Gesetzes aus dem Prozess nach § 30 Abs. 2 ZPG aus. Das Urteil, das gegen die bestellte Partei gefällt wird, wirkt gemäß § 115 Abs. 1 ZPG auch gegenüber den anderen Personen.

d) Die besondere Vertreterklage in Österreich

Zur Bündelung der Interessen kennt das österreichische Recht die sog. Vertreterklage. Das sog. Kuratorengesetz vom 24. April 1874 (ÖRGBl. S. 95) regelt die Bestellung eines gemeinsamen Kurators für die Inhaber sog. Teilschuldverschreibungen, sofern deren Rechte mangels gemeinsamer Vertretung gefährdet oder dadurch die Ausübung der Rechte Dritter behindert würde. Der Kurator wird nach den allgemein zivilrechtlichen Bestimmungen über die Pflegschaft für Abwesende durch das Gericht eingesetzt. Er vertritt die Schuldverschreibungsgläubiger gerichtlich und außergerichtlich. Zwar steht dem einzelnen Schuldverschreibungsgläubiger nach § 9 Abs. 1 des Kuratorengesetzes ein eigenständiges Klagerecht nicht zu; jedoch kann jeder Schuldverschreibungsgläubiger einem vom Kurator geführten Prozess als streitgenössischer Nebenintervenient nach § 9 Abs. 2 des Kuratorengesetzes in Verbindung mit § 17 Abs. 2, § 20 der österreichischen Zivilprozessordnung beitreten.

e) Die besondere Vertreterklage in der Schweiz

Ähnlich wie die Vertreterklage im österreichischen Kuratorengesetz kennt das schweizerische Anlagefondsgesetz (AFG) eine echte Form der Gruppenklage. Gemäß Artikel 27 Abs. 2 AFG können die Anleger gegen die Fondsleitung, die Depotbank oder die für sie handelnden natürlichen oder juristischen Personen auf Erfüllung ihrer Pflichten und auf Haftung gegenüber dem Fonds selbst klagen. Nach Artikel 28 Abs. 1 AFG kann der Richter einen Vertreter der Anleger ernennen, wenn Schadensersatzansprüche auf Leistung an den Anlagefonds
glaubhaft gemacht werden. Zur Vermeidung paralleler Verfahren können einzelne Anleger nach Artikel 28 Abs. 4 AFG nicht mehr auf Leistung klagen, sobald der Vertreter Klage erhoben hat.

f) übertragbarkeit der Vorbilder in das deutsche Prozessrechtssystem

Die Vorbilder der anderen Rechtsordnungen lassen sich in das deutsche Rechtssystem nicht vollständig übernehmen. Die automatische Rechtskrafterstreckung auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte ist den individualistisch geprägten Rechtsschutzgrundsätzen des deutschen Verfassungs- und Prozessrechts fremd. Bei dem vorgeschlagenen Lösungskonzept wurden jedoch einzelne Gesichtspunkte, wie Einführung eines Klageregister und die Beiladung der Parteien zum Musterverfahren berücksichtigt.

III. Lösungskonzept

Der Gesetzentwurf schlägt zur Bündelung gleichgerichteter Interessen und Ansprüche von Kapitalanlegern die Führung von Musterverfahren vor. Diese kollektive Rechtsschutzform soll ausschließlich auf die Geltendmachung kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzansprüche sowie vertragliche Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruhen, beschränkt bleiben. Für die Beschränkung und für die rechtspolitische Notwendigkeit eines Musterverfahrens im Kapitalmarktbereich sprechen die folgenden Erwägungen:

Ordnungspolitische Gründe

Die Einführung des Musterverfahrens dient der Stärkung der zivil- und kapitalmarktrechtlichen Informations- und Prospekthaftung. Ein schlagkräftiges kollektives Rechtsverfolgungsinstrument soll Emittenten im Bereich des Kapitalmarktrechts verstärkt dazu veranlassen, die Publizitäts-, Vertriebs- oder sonstigen Verhaltensregeln einzuhalten. Die kollektive Rechtsschutzform in Gestalt eines Musterverfahrens verstärkt die staatliche Finanzmarktaufsicht als sog. zweite Spur. Den geschädigten Anlegern kommt dabei eine wesentliche Rolle bei der Durchsetzung des Marktordnungsrechts zu, soweit dieses individuelle Ansprüche der Anleger vorsieht.
Effektiverer Rechtsschutz

Die prozessuale Bündelung gleichgerichteter Interessen in einem Musterverfahren dient der Verbesserung des Rechtsschutzes. Auf Grund der im Kapitalmarktbereich in der Regel hohen Rechtsverfolgungskosten besteht die Gefahr, dass der einzelne Anspruch gar nicht durchgesetzt werden kann oder seine Durchsetzung in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Aufwand steht. Die Anspruchsbündelung hat den Vorteil kostengünstiger Prozessführung und effektiver Rechtsdurchsetzung: Der Gesetzentwurf schafft zum einen für den einzelnen Anleger den Anreiz, sich dem Musterverfahren durch Klageerhebung auch dann anzuschließen, wenn er wegen der hohen Prozessrisiken und -kosten den eigenen Anspruch im Einzelrechtsstreit gar nicht durchsetzen würde. Zum anderen soll mittels der Einführung eines Musterverfahrens, die Lenkungs- und Steuerungsfunktion des materiellen Haftungsrechts für Fälle der im Kapitalmarktbereich typischen sog. Streu- und Distanzschäden wiederhergestellt werden. Die prozessuale Anspruchsbündelung in Gestalt eines Musterverfahrens vermeidet darüber hinaus die Gefahr divergierender Entscheidungen der Gerichte zu ein und denselben Tatsachen- und Rechtsfragen. Dabei spielt eine Rolle, dass die Haftungsnormen gerade im Bereich des Kapitalmarktrechts auf besondere Weise typisiert und standardisiert sind. Den Prototyp einer standardisierten Haftung stellt die börsenrechtliche Prospekthaftung nach den §§ 44 ff. BörsG dar. Die Haftung beruht auf der Fehlerhaftigkeit des Börsenzulassungsprospekts. Die Frage, ob wesentliche Angaben fehlen, der Prospekt einen unzutreffenden Gesamteindruck vermittelt, die Mängel für eine bilanzkundigen Durchschnittsanleger nicht ersichtlichen waren, kann nur einheitlich für alle Anleger beantwortet werden und nicht nach den individuellen Verhältnissen jedes einzelnen Anlegers.

Mit der Einbeziehung von vertraglichen Erfüllungsansprüchen, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz (im Folgenden: WpüG) beruhen und die bei verschiedenen Gerichten geltend gemacht werden können (§ 66 Abs. 1 Satz 3 WpüG), in den Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes soll sichergestellt werden, dass die schuldrechtlichen Ansprüche hinsichtlich des Wertes der Gegenleistung einheitlich beurteilt werden. Zwar ist vereinzelt vorgeschlagen worden, die Einhaltung der Angemessenheitskriterien nach dem WpüG und der WpüG-Angebotsverordnung für die Gegenleistung im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren überprüfen zu lassen; das Spruchverfahren kommt aber im vorliegenden Fall nicht Betracht. Das Spruchverfahren bietet als besonderes FGG-Verfahren mit der weitgehenden Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes ein besonders hohes Maß an Rechtsschutz, setzt aber umgekehrt eine erhöhte Schutzbedürftigkeit des betreffenden Antragstellers voraus. Diese ist aber nur bei einem Aktionär anzuerkennen, in dessen Rechtsstellung durch einen Mehrheitsaktionär oder ein herrschendes Unternehmen einseitig und eigenmächtig eingegriffen wird. Ein typischer Fall ist das Squeeze-out, bei dem ein Großaktionär Minderheitsaktionäre zwangsweise aus einer Gesellschaft - gegen Abfindung - ausschließt. Wo sich dagegen nur unterschiedliche Interessen verschiedener Parteien gegenüberstehen, ist diesen zuzumuten, sich des allgemeinen Klageverfahrens nach der ZPO (mit der Geltung des Beibringungsgrundsatzes) zu bedienen. Dies gilt auch für die Geltendmachung der Erfüllungsansprüche bei Übernahmeangeboten und dabei insbesondere für die Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung. Denn der Aktionär ist nicht gezwungen, das Angebot anzunehmen, und befindet sich damit in keiner dem Squeeze-out vergleichbaren Zwangssituation.

Justizentlastung

Die Einführung eines Musterverfahrens bringt ferner eine deutliche Entlastung für die Gerichte. Die Gerichte müssen bei Durchführung eines Musterverfahrens nicht mehr über eine Vielzahl gleichgelagerter, komplizierter Rechts- und Tatfragen in parallelen Rechtsstreiten entscheiden. Vielmehr befasst sich nur noch das Oberlandesgericht mit der vorgelegten Musterfrage und erledigt dadurch für alle bei den Prozessgerichten anhängigen Rechtsstreiten die gleichen Sach- und Rechtsfragen.

Ferner wird die in der Gerichtspraxis für den Kapitalmarktbereich häufig schwierige Gewinnung von geeigneten Sachverständigen erleichtert, da nur ein einziger Sachverständiger eingeschaltet werden muss, während ohne die Kollektivierung in einem Musterverfahren in mehreren Rechtsstreiten bei verschiedenen Gerichten eine Vielzahl von Sachverständigen Gutachten zu erstellen hätten. Die Einführung eines Musterverfahrens führt daher zu einem ressourcenschonenden Personaleinsatz von Sachverständigen und steigert die Effizienz der Justiz.

Standortfrage

Schließlich ist die Einführung eines Musterverfahrens im Bereich des Kapitalmarktrechts eine Standortfrage des "Börsen- und Justizplatzes Deutschland". Bei der Standortfrage geht es um die Konkurrenz zwischen verschiedenen Gerichtsplätzen in Europa und anderen Staaten; durch die Einführung eines kollektiven Rechtsinstruments wird das deutsche Prozessrecht modernisiert; das Musterverfahren soll letztlich die Anleger veranlassen, vor deutschen Gerichten zu klagen und nicht im Wege des forum shoppings auf andere Staaten auszuweichen. Darüber hinaus trägt die Einführung eines kollektiven Rechtsverfolgungsinstruments auch dem berechtigten staatlichen Interesse Rechnung, deutsche Kapitalmärkte durch die inländische Justiz zu kontrollieren und eine extraterritorial ausgreifende Gesetzgebung anderer Staaten zu verhindern. Aus der Sicht deutscher Emittenten schafft das Musterverfahren die Möglichkeit, auf ausländischen Kapitalmarktplätzen auf geeignete kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten in Deutschland zu verweisen und dadurch eine Kanalisierung von Rechtsstreiten im Inland bewirken zu können.

Um zu ermöglichen, gleichgerichtete Interessen mehrerer Kläger gegen einen Beklagten prozessual in einem Verfahren zu bündeln, schlägt der Gesetzentwurf die Einführung eines ausschließlichen Gerichtsstands bei falschen öffentlichen Kapitalmarktinformationen am Sitz des Emittenten sowie die gesetzliche Verankerung des Musterverfahrens in einem eigenständigen Gesetz vor:

1. Ausschließlicher Gerichtsstand

Der Gesetzentwurf sieht eine örtliche ausschließliche Zuständigkeit bei Klagen gegen inländische Emittenten vor, mit denen entweder Schadensersatzansprüche wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen oder vertragliche Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruhen, geltend gemacht werden (§ 32b ZPO-E). In diesem Gerichtsstand können unter anderem der Emittent, sein Emissionsbegleiter, die Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans und ein Bieter im Sinne von § 2 Abs. 4 WpüG in Anspruch genommen werden.

Zuständig ist das Gericht am Sitz des Emittenten oder der Zielgesellschaft. lm Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil - und Handelssachen (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) kommt gegenüber ausländischen Emittenten vorrangig deren Artikel 5 Nr. 3 (Gerichtsstand der unerlaubten Handlung) zur Anwendung, der die örtliche Zuständigkeit mit regelt und die Inanspruchnahme deutscher Gerichte begründen kann.

2. Ausgestaltung des Musterverfahrens

Ziel des Musterverfahrens ist es, für eine Mehrheit von Klägern einheitlich das Vorliegen einer in mehreren Prozessen strittigen Anspruchsvoraussetzung in sachlicher wie rechtlicher Hinsicht festzustellen. Bei der Ausgestaltung des Musterverfahrens nimmt der Gesetzentwurf dabei weder die US-amerikanische class action noch die representative action im englischen Zivilverfahrensrecht zum Vorbild. Eine automatische Rechtskrafterstreckung auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte würde den individualistisch geprägten Rechtsschutzgrundsätzen des deutschen Verfassungs- und Prozessrechts zuwiderlaufen. Der Gesetzentwurf wählt vielmehr einen Mittelweg: Die Bindungswirkung der im Musterverfahren getroffenen Entscheidung wird nur auf anhängige Parallelprozesse erstreckt. Dabei wird die Bindungswirkung nicht durch eine Rechtskrafterstreckung des Musterverfahrens auf die Parallelprozesse erzielt. Vielmehr ähnelt die vorgeschlagene Bindung der Streitverkündungs- bzw. Interventionswirkung nach §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO: lm Hinblick auf den tatsächlichen Vortrag und damit verbundene Subsumtionsschlüsse im Musterverfahren tritt eine Bindung für die Parallelprozesse ein. Die intendierte Bindungswirkung auf die Parallelprozesse stellt dabei eine zulässige Modifikation des individuellen Anspruchs auf ein gerichtliches Verfahren dar. Denn die Betroffenen der Parallelprozesse haben über ihre Stellung als Beigeladene im Musterverfahren die Möglichkeit, Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen und dadurch den Verlauf des Verfahrens zu beeinflussen.

Die rechtliche Ausgestaltung des Musterverfahrens lässt sich folgendermaßen skizzieren:

Musterfeststellungsantrag
Das Musterverfahren kann nur in einem erstinstanzlichen Verfahren auf Antrag der Parteien ( § 1 KapMuG-E) eingeleitet werden. Ziel des Musterfeststellungsantrags ist es, eine in verschiedenen Prozessen zu klärendende Musterfrage einheitlich mit Breitenwirkung feststellen zu lassen. Gegenstand der Feststellung können einzelne Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses oder einer Anspruchsgrundlage sein sowie bloße Rechtsfragen sein.

Der Musterfeststellungsantrag ist in Verfahren statthaft, in denen ein Schadensersatzanspruch auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen oder ein vertraglicher Erfüllungsanspruch, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruht, geltend gemacht wird. Zudem muss der Antragsteller darlegen, dass der richterlichen Feststellung der zu klärenden Musterfrage Bedeutung über den einzelnen Rechtsstreit hinaus für andere gleichgelagerte Rechtsstreite zukommen kann.
Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers
Die Durchführung eines Musterverfahrens setzt neben dem gestellten Musterfeststellungsantrag weitere neun gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge voraus. Zulässige Musterfeststellungsanträge werden in einem neu eingerichteten Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemacht. Ziel der Bekanntmachung ist es, die potenziell geschädigten Anleger über die Rechtshängigkeit eines Rechtsstreits zu informieren und ihr Interesse zu wecken, sich an dem beabsichtigten Musterverfahren zu beteiligen. Das Klageregister stellt daher ein modernes Kommunikationsmedium dar, um eine Bündelung von Ansprüchen geschädigter Anleger für die Durchführung eines Musterverfahrens zu erreichen. Mit der Eintragung des Musterfeststellungsantrags im Klageregister wird das Verfahren in der Hauptsache unterbrochen.

Da der ausschließliche Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO-E) nur auf inländische Emittenten beschränkt ist, ist bei der Vergemeinschaftung der gerichtlichen Zuständigkeit im Binnenmarkt kaum zu gewährleisten, dass sich verschiedene Kläger - unabhängig voneinander - quasi zwangsläufig bei einem Gericht treffen. Soweit ein ausländischer Emittent nach Artikel 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) des Rates Nr. 044/2001 in Deutschland vor verschiedenen Gerichten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, trägt das Klageregister dazu bei, dass die bei verschiedenen Gerichten gestellten Musterfeststellungsanträge für die Durchführung eines Musterverfahrens zahlenmäßig berücksichtigt werden können.

Vorlageverfahren an das Oberlandesgericht
Das Prozessgericht holt einen Musterentscheid bei dem im Rechtszuge übergeordneten Oberlandesgericht unter zwei Voraussetzungen ein ( § 4 Abs. 1 KapMuG-E): Zum einen muss in dem Rechtsstreit vor dem Prozessgericht der zeitlich erste Musterfeststellungsantrag gestellt worden sein. Zum anderen müssen innerhalb einer Frist von vier Monaten nach der Bekanntmachung des zeitlichen ersten Musterfeststellungsantrags in mindestens neun weiteren Rechtsstreiten vor demselben oder anderen Gerichten gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in das Klageregister eingetragen worden sein. Die zeitliche Reihenfolge der bei den Prozessgerichten gestellten Musterfeststellungsanträge beurteilt sich ausschließlich nach der Bekanntmachung im Klageregister. Mit Hilfe der Bekanntmachung der Musterfeststellungsanträge im Klageregister lässt sich auch
bestimmen, welches Prozessgericht zur Vorlage an das Oberlandesgericht verpflichtet ist, wenn die Anträge bei verschiedenen Gerichten gestellt wurden. Das Oberlandesgericht ist an den Vorlagebeschluss des Prozessgerichts gebunden.

Musterverfahren und Musterentscheid
Nach Anhängigkeit des Musterverfahrens beim Oberlandesgericht setzen die Prozessgerichte die bei ihnen rechtshängigen Rechtsstreite aus. Mit der Aussetzung soll für alle Rechtsstreite eine einheitliche Entscheidung erreicht werden.

Zur Durchführung des Musterverfahrens bestimmt das Oberlandesgericht einen Musterkläger von Amts wegen; die übrigen Kläger werden zu dem Musterverfahren beigeladen ( § 8 KapMuG-E). Der Aussetzungsbeschluss der Prozessgerichte gilt als Beiladung im Musterverfahren.

Bei Entscheidungsreife entscheidet das Oberlandesgericht über die Musterfrage, d.h. die auf Antrag festzustellende Voraussetzung, durch Musterentscheid (§ 14 KapMuG-E). Der Musterentscheid ergeht durch Beschluss. Gegen den Musterentscheid steht dem Musterkläger, den Beigeladenen sowie dem Musterbeklagten die Rechtsbeschwerde zu
(§ 15 KapMuG-E). Der rechtskräftige Musterentscheid bindet die Prozessgerichte sowie im Umfang seines Feststellungsziels auch die Beigeladenen und den Musterbeklagten
(§ 16 KapMuG-E).

Die Bestimmung des Oberlandesgerichts zur Verhandlung und Entscheidung des Musterverfahrens in erster Instanz (§ 118 GVG-E) findet seine Berechtigung zum einen darin, dass die Erfahrung und die zu erwartende Spezialisierung der Senate am Oberlandesgericht eine hohe Richtigkeitsgewähr der getroffenen Entscheidung gewährleistet. Zum anderen spricht für die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte die Tatsache, dass der Musterentscheid verschiedene Prozessgerichte bindet, wenn gegen einen ausländischen Emittenten an den jeweiligen deutschen Prozessgerichten Musterfeststellungsanträge gestellt wurden. Insofern lehnt sich die vorgeschlagene Entscheidungszuständigkeit und die vertikale Bindungswirkung an das Modell des früheren Rechtsentscheids in Mietsachen (§ 541 a.F. ZPO) an.

Sinn und Zweck der Beiladung
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Kläger der ausgesetzten Verfahren zu dem Musterverfahren beigeladen werden. Die VwGO kennt das Institut der Beiladung in § 65, der ZPO ist es auch nicht fremd, wie beispielsweise die § 640e Abs. 1 Satz 1 sowie § 856
Abs. 3 zeigen. Mit der Beiladung zum Musterverfahren soll dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör Rechnung getragen werden. Die Beigeladenen können auf diese Weise nicht nur Einfluss auf die rechtliche Würdigung des Richters nehmen, indem sie sich mit dem anzuwendenden Rechtsvorschriften auseinandersetzen und dem Richter ihre Rechtsmeinung unterbreiten. Sie können vor allem auf die Sammlung des Tatsachenstoffs hinwirken, der Grundlage für die richterliche Entscheidung ist.

Die Rechtsstellung der Beigeladenen lehnt sich anders als das österreichische Kuratorengesetz nicht an die Rechtsfigur des streitgenössischen Nebenintervenienten, sondern an diejenige des einfachen Nebenintervenienten an. Der Beigeladene bleibt daher Dritter im Musterverfahren.

Mit der Beiladungswirkung nach § 16 Abs. 2 KapMuG-E soll vermieden werden, dass die Beigeladenen nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Musterentscheids im Verhältnis zur Beklagten wieder in Frage stellen können. Soweit jedoch der Beigeladene keinen Einfluss auf die Entscheidung im Musterverfahren nehmen konnte, greift die Bindungswirkung aus Gründen des rechtlichen Gehörs nicht ein.

Beitritt im Rechtsbeschwerdeverfahren
lm Rechtsbeschwerdeverfahren sieht der Gesetzentwurf die Besonderheit vor, dass die Beigeladenen, soweit sie nicht selbst Rechtsbeschwerde einlegen, dem Rechtsbeschwerdeverfahren beitreten können. Mit dem zusätzlichen Beitrittserfordernis soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Beigeladener frei darüber disponieren können soll, ob er gegen einen negativ feststellenden Musterentscheid Rechtsmittel einlegen will oder nicht. Unabhängig davon, ob der Beigeladene aktiv durch Beitritt oder eigene Rechtsbeschwerde am Rechtsbeschwerdeverfahren teilnimmt, wirkt die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts für und gegen ihn (§ 16 Abs. 3 KapMuG-E).

Kosten des Musterverfahrens
Der Gesetzentwurf sieht eine Kostenregelung vor, die das Prozesskostenrisiko der geschädigten Kapitalanleger minimiert und dadurch entscheidend zur Attraktivität des Musterverfahrens beiträgt. So entstehen im erstinstanzlichen Musterverfahren keine zusätzlichen Gerichts- oder Rechtsanwaltsgebühren. Die im Verfahren vor dem Oberlandesgericht anfallenden Auslagen, hierzu zählt insbesondere die Sachverständigenvergütung, werden im Verhältnis der geltend gemachten Forderungen auf die einzelnen
Prozessverfahren verteilt. Das Rechtsbeschwerdeverfahren wird kostenrechtlich der Revision gleichgestellt. Eine Haftung des Beigeladenen für diese Kosten kommt nur dann in Betracht, wenn er als Beschwerdeführer am Rechtsbeschwerdeverfahren teilnimmt oder wenn der Musterbeklagte erfolgreich Rechtsbeschwerde eingelegt hat. Zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Vereinfachung der Kosteneinziehung und - ausgleichung sieht der Gesetzentwurf vor, dass im Musterverfahren keine Gerichtskostenvorschüsse erhoben werden.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungen des Entwurfs ergibt sich aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (gerichtliches Verfahren und Gerichtsverfassung). lm Zuge der Einführung des Musterverfahrens ist auch eine Aufhebung der Vorschriften im Börsengesetz und Verkaufsprospektgesetz über die gerichtliche Zuständigkeit erforderlich. Insoweit ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Börsenwesen und Handel). Das Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung gemäß Artikel 72 Abs. 2 GG ist insbesondere aus Gründen der Rechts- und Wirtschaftseinheit gegeben. Die Einführung einer kollektiven Rechtsschutzform in Gestalt des Musterverfahrens kann zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit nur durch bundesgesetzliche Regelung erfolgen. Da es vorliegend um die Geltendmachung von kapitalmarktrechtlichen Ansprüchen geht, die eine Vielzahl von Klägern aus dem ganzen Bundesgebiet betreffen, ist zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit eine bundeseinheitliche Regelung zur Klagebündelung und zur Schaffung eines einheitlichen Gerichtsstandes zwingend geboten. Bei einer Gesetzesvielfalt auf Länderebene bestünde die Gefahr einer derart unterschiedlichen Ausgestaltung der prozessrechtlichen Regelungen mit der Folge, dass eine Bündelung von Klagen aus dem ganzen Bundesgebiet nicht möglich wäre. Die geschädigten Kapitalanleger wären dann darauf verwiesen, ihre Ansprüche einzeln durchzusetzen. Da falsche Darstellungen auf dem Kapitalmarkt in aller Regel Streuschäden mit vielen Geschädigten und vergleichsweise geringen Schadensersatzsummen verursachen, wäre ihre Geltendmachung durch einzelne Anleger an verschiedenen Gerichtsstandorten ohne das Musterverfahren meist wirtschaftlich unverhältnismäßig, was die Anleger letztlich von einer Klage abhalten könnte. Unterschiedliche Regelungen könnten ferner zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Emittenten, die ihre Sitze im gesamten Bundesgebiet haben, führen.

V. Kosten der öffentlichen Haushalte

Durch die Einführung der kollektiven Rechtsschutzform in Gestalt des Musterverfahrens werden die Haushalte der Länder nicht zusätzlich belastet. Zwar wird der Verzicht auf eine Auslagenvorschusspflicht dazu führen, dass die insbesondere für Sachverständigengutachten entstehenden Auslagen erst nach Abschluss des Musterverfahrens von den Kostenschuldnern eingezogen werden können. Zudem wird durch die Einführung des Musterverfahrens eine arbeitsmäßige Mehrbelastung bei den Oberlandesgerichten eintreten. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass dies durch eine stärkere Entlastung der Landgerichte infolge der Verfahrensaussetzung auf das Musterverfahren kompensiert wird. Bei einer Gesamtschau aller Faktoren wird die Durchführung von Musterverfahren eine Entlastung der Landgerichte insoweit bewirken, als aufgrund des Musterentscheid sich die bei den Prozessgerichten anhängigen Verfahren zügiger erledigen lassen werden. Das Musterverfahren wird daher zu einem ressourcenschonenden Personaleinsatz führen und eine Effizienzsteigerung in der Justiz bewirken.

Die Einführung eines Klageregisters im elektronischen Bundesanzeiger hat keine Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte. lm Hinblick auf das Rechtsbeschwerdeverfahren ist mit Ausnahme der Fälle, in denen die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder verworfen wird, mit Gebühreneinnahmen zu rechnen, die über die Kostendeckung hinausgehen.

Der Entwurf wurde überprüft auf seine Auswirkungen auf Frauen und Männer; eine Gleichstellungsrelevanz liegt nicht vor.

B. Besonderer Teil

Artikel 1 (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz - KapMuG)

Zu Abschnitt 1 (Musterfeststellungsantrag; Vorlageverfahren)

Im ersten Abschnitt des KapMuG-E werden die Voraussetzungen zur Durchführung eines Musterverfahrens geregelt. Das Musterverfahren kann nur auf Antrag der Parteien eines Rechtsstreits, nicht von Amts wegen (§ 1 KapMuG-E) eingeleitet werden. Zulässige Anträge werden vom Prozessgericht im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemacht (§ 2 KapMuG-E). Wurden zehn oder mehr gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in verschiedenen Rechtsstreiten zur Klärung derselben Musterfrage gestellt, holt das Prozessgericht einen Musterentscheid des im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts ein (§ 4 KapMuG-E).

Zu § 1 (Musterfeststellungsantrag)

Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen eines Musterfeststellungsantrags.

Nach Absatz 1 Satz 1 kann in einem Verfahren, das entweder einen Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen oder einen vertraglichen Erfüllungsanspruch, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz (im Folgenden: WpüG) beruht, zum Gegenstand hat, die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung begehrt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits hiervon abhängt.

Unter Nummer 1 fallen Schadensersatzansprüche insbesondere nach § 44 BörsG, §§ 37b und 37c WpHG, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 331 HGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG sowie § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 264a StGB. Die Regelung in Nummer 2 ist auf Erfüllungsansprüche bestehender Verträge, deren Grundlage Angebote nach dem WpüG sind, begrenzt. Nicht erfasst wird der Abschluss entsprechender Verträge, da das WpüG entsprechende Individualansprüche von Anlegern auf den Abschluss solcher Verträge nicht vorsieht.

Der Musterfeststellungsantrag kann nur in einem Leistungsprozess gestellt werden, da er voraussetzt, dass ein Schadensersatzanspruch oder ein vertraglicher Erfüllungsanspruch
geltend gemacht wird. Daneben knüpfen eine Reihe von Vorschriften, wie z.B. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 sowie § 8 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KapMuG-E an die Höhe des dem Musterfeststellungsantrag zugrunde liegenden Anspruchs an. Deren Ermittlung könnte bei Zulassung von Musterfeststellungsanträgen bei Feststellungsklagen Schwierigkeiten bereiten.

Der Musterfeststellungsantrag kann nur in einem erstinstanzlichen Verfahren gestellt werden. Dieses Antragserfordernis schließt die Stellung eines Musterfeststellungsantrags in der Berufungsinstanz aus. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein laufendes Berufungsverfahren nicht gemäß § 7 KapMuG-E auszusetzen wäre.

Ziel des Musterfeststellungsantrags nach Satz 1 ist es, eine in verschiedenen Prozessen zu klärendende Musterfrage einheitlich mit Breitenwirkung feststellen zu lassen. Abweichend vom Anwendungsbereich des § 256 ZPO können dabei auch einzelne Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses oder einer Anspruchsgrundlage, z.B. die Richtigkeit einer Adhoc-Meldung, sowie die Pflichtverletzung festgestellt werden. Nicht feststellungsfähig sind dagegen der individuelle Schaden eines Klägers, Fragen der Kausalität, soweit ihnen ein individueller Tatsachenverlauf zugrunde liegt, ein Mitverschulden des Anlegers. Der Musterfeststellungsantrag kann sowohl auf Feststellung einer Anspruchsvoraussetzung als auf Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils gerichtet werden.

Satz 2 stellt klar, dass in den Fällen des Satzes 1 auch reine Rechtsfragen für eine Vielzahl von Rechtsstreiten geklärt werden können. Feststellfähige Rechtsfragen sind solche, die der Konkretisierung einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung dienen, wenn diese in der jeweiligen Norm durch einen unbestimmten Rechtsbegriff beschrieben ist. In Betracht kommt zum Beispiel eine Bewertung, welche Anforderungen an einen verständigen Anleger im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 WpHG in Bezug auf die Verwertung einer bestimmten Insiderinformation zu stellen sind, welche berechtigten Interessen einen Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen rechtfertigen können oder welche Kennzahlen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG im Geschäftsverkehr üblicherweise verwendet werden. Die Klärung von Rechtsfragen dient damit nicht zuletzt auch der Fortentwicklung des Rechts.

Nach Satz 3 kann der Musterfeststellungsantrag sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten gestellt werden. Damit soll auch dem Beklagten die Möglichkeit der Verfahrenskonzentration eröffnet werden.
Satz 4 umschreibt in einem nicht abschließenden Katalog den Begriff der öffentlichen Kapitalmarktinformation. Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind für eine Vielzahl von Kapitalanlegern zugängliche oder zugänglich zu machende Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren betreffen. In den Nummern 1 bis 7 werden beispielhaft derartige Informationen aufgezählt:

lnsbesondere gehören die Emissionsprospekte (Nummer 1 und Nummer 3) zu den Kapitalmarktinformationen. In der Vergangenheit ist es nach vielen Emissionen zu Rechtsstreiten über die Haftung bei fehlerhaften Angaben in Prospekten gekommen. Solche Rechtsstreite bieten sich in besonderer Weise für ein Musterverfahren an, weil durch fehlerhafte Prospekte eine Vielzahl von Anlegern in gleicher Weise betroffen ist. Ebenso einbezogen sind fehlerhafte Angaben in den vergleichbaren Unternehmensberichten im Sinne des § 55 des Börsengesetzes (Nummer 2). Anlass zu gerichtlichen Verfahren haben in den letzten Jahren auch fehlerhafte Adhoc-Meldungen gegeben. Gerade diese finden in breiten Anlegerkreisen Beachtung und lösen nicht selten Investitionsentscheidungen der Anleger aus. Auch sie stellen öffentliche Kapitalmarktinformationen dar (Nummer 4). Vom Kapitalmarkt wahrgenommen werden aber nicht nur kapitalmarktbezogene Veröffentlichungen. Einbezogen werden daher insbesondere auch die Fälle, in denen die Hauptversammlung als Teilbereich der Öffentlichkeit falsch informiert wird (Nummer 5). Solche Informationen können nicht nur die Teilnehmer der Hauptversammlung schädigen, da auf der Hauptversammlung gegebene Informationen in der Regel schnell Verbreitung finden. Ausgenommen sind aber Informationen gegenüber Prüfern (vgl. § 400 Abs. 1 Nr. 2 Aktiengesetz), weil hier keine Öffentlichkeit hergestellt wird. Breite öffentliche Wahrnehmung erfährt dagegen - nicht zuletzt seit den zahlreichen Bilanzskandalen der letzten Jahre - die Rechnungslegung der Emittenten. Auch diese stellt eine öffentliche Kapitalmarktinformation dar (Nummer 6). Eine bedeutende Kapitalmarktinformation stellt auch die Angebotsunterlage im Sinne des § 12 des Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetzes dar (Nummer 7).

Die Aufzählung in Satz 4 ist bewusst nicht abschließend gefasst. Angesichts der Schnelllebigkeit des Kapitalmarktes sowie des stetigen Fortschrittes in der Kommunikations- und Informationstechnologie ist nicht auszuschließen, dass auch andere als die bisher bekannten Informationsformen Bedeutung erlangen werden. Auch solche neuen Formen der Kapitalmarktinformation sollen einbezogen werden, sofern sie öffentlich sind, d.h. an eine breite Öffentlichkeit zu richten sind.
Nach Absatz 2 Satz 1 kann der Musterfeststellungsantrag nur bei dem Prozessgericht gestellt werden. Der Antragsteller hat das entscheidungserhebliche Feststellungsziel unter Angabe der öffentlichen Kapitalmarktinformation, der geltend gemachten Streitpunkte und der Beweismittel darzustellen (Satz 2). Darüber hinaus muss er nach Satz 3 darlegen, dass die Klärung der Musterfrage in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf andere Rechtsstreite eine Art "Breitenwirkung" zu entfalten vermag. Dabei soll es auf der einen Seite ausreichen, dass auf Grund der falschen öffentlichen Kapitalmarktinformation eine Vielzahl von anderen Anleger betroffen und möglicherweise geschädigt sind. Auf die Rechtshängigkeit weiterer Verfahren vor demselben Prozessgericht oder anderen Gerichten kommt es also im Zeitpunkt der Antragstellung nicht an. Auf der anderen Seite bedeutet die Einführung des Musterverfahrens nicht, dass einem Musterfeststellungsantrag stattgegeben werden müsste, wenn die Klage bereits aus anderen Gründen abweisungsreif ist, wie die Bestimmung des Absatzes 3 Nr. 1 zeigt. In solchen Fällen besteht kein Rechtsschutzinteresse für den betroffenen Kläger an der Teilhabe am Musterverfahren. Nach Satz 4 soll dem Musterfeststellungsantrag die Abschriften des Rechtsstreits beigefügt werden. Diese Abschriften werden im Falle eines Vorlagebeschlusses dem im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgericht zur Entscheidung vorlegt (§ 4 Abs. 1 KapMuG-E).

Nach Absatz 3 Satz 1 entscheidet das Prozessgericht über den Musterfeststellungsantrag durch Beschluss. Die sofortige Beschwerde findet nur gegen einen ablehnenden Beschluss statt.

Satz 2 normiert die Voraussetzungen für die Abweisungen eines Musterfeststellungsantrags nach Absatz 1 Satz 1. Der Regelung liegt die Erwägung zugrunde, dass unzulässige Musterfeststellungsanträge nicht im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers (§ 2 KapMuG-E) bekannt gemacht werden sollen.

Nach Nummer 1 weist das Prozessgericht den Musterfeststellungsantrag ab, wenn der dem Musterfeststellungsantrag zugrunde liegende Rechtsstreit bereits entscheidungsreif ist. Mit diesem Abweisungsgrund soll der Situation Rechnung getragen werden, dass durch die Stellung eines Musterfeststellungsantrags einer durchgeführten Beweisaufnahme nicht nachträglich der Boden entzogen werden kann. Andernfalls könnte die Unterbrechungswirkung gemäß § 3 KapMuG-E genutzt werden, um das Verfahren zu verzögern.

Nach Nummer 2 weist das Prozessgericht Musterfeststellungsanträge, bei denen der Verdacht der Prozessverschleppung besteht, als unzulässig ab. Damit soll vermieden werden, dass die eine oder andere Seite das Verfahren durch Stellung von Musterfeststellungsanträgen unzumutbar in die Länge ziehen kann.

Nach Nummer 3 wird dem Prozessgericht für das potenzielle Musterverfahren die Möglichkeit einer Beweisantizipation eingeräumt. Erscheint das bezeichnete Beweismittel zum Nachweis einer anspruchsbegründenden Voraussetzung ungeeignet, so ist der Musterfeststellungsantrag abzuweisen. Ferner ist er nach Nummer 4 abzulehnen, wenn die Darlegungen des Antragstellers in Bezug auf den Musterfeststellungsantrag nicht schlüssig sind.

Gemäß Satz 3 werden Musterfeststellungsanträge nach Absatz 1 Satz 2 abgewiesen, wenn eine ausschließlich gestellte Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig erscheint. Dadurch soll erreicht werden, dass auch in entscheidungsreifen Rechtsstreiten grundsätzlich eine Rechtsfrage geklärt werden kann, sofern das Gericht diese als klärungsbedürftig ansieht, und der Musterfeststellungsantrag nicht nach Satz 2 Nummer 1 abgewiesen wird.

Zu § 2 (Bekanntmachung im Klageregister)

Absatz 1 Satz 1 sieht vor, dass ein zulässiger Musterfeststellungsantrag im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemacht wird. Ein Musterfeststellungsantrag ist nicht bekannt zu machen, wenn er vom Prozessgericht nach § 1 Abs. 3 KapMuG-E abzuweisen ist. Nach Satz 2 ist der dem Musterfeststellungsantrag stattgebende Beschluss, der im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers öffentlich bekannt zu machen ist, unanfechtbar.

Satz 3 regelt abschließend die im Klageregister bekannt zu machenden Angaben. Satz 4 sieht vor, dass gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in eine Tabelle des Klageregister eingetragen werden. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG-E bestimmt sich die Gleichgerichtetheit der Musterfeststellungsanträge nach der Identität des Feststellungsziels des Musterfeststellungsantrags und der Identität des dem Musterfeststellungsantrag zugrunde liegenden Ereignisses. Das Prozessgericht hat vor der Bekanntmachung zu prüfen, ob ein gestellter Musterfeststellungsantrag in eine bestehende Tabelle mit gleichgerichteten Anträgen einzutragen ist. Gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge sind beispielsweise auch dann gegeben, wenn die Richtigkeit eines Börsenprospekts von einem Kapitalanleger im Hinblick auf eine unrichtige Darstellung des Immobilienvermögens angegriffen wird, von einem anderen Kapitalanleger im Hinblick auf die Risikobewertung, die auf der Darstellung des Immobilienvermögens beruht. Es handelt sich nur um verschiedene Streitpunkte, jedoch um dasselbe Feststellungsziel, da die Unrichtigkeit des Prospekts hier auf ein- und derselben Pflichtverletzung - tatsächliche Angaben zum Komplex Immobilien - beruht.

Satz 4 bestimmt zudem als Handlungsanweisung für den elektronischen Bundesanzeiger, dass gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in Reihe ihres Eingangs, bei Eingang am gleichen Tag in numerischer Reihenfolge der Aktenzeichen in die Tabelle einzutragen sind.

Absatz 2 regelt das Einsichtsrecht in das Klageregister. Nicht nur den Prozessgerichten, dem Antragsteller und Antragsgegner soll Einsicht gewährt werden, sondern auch Personen, die sich überlegen, eine Klage gegen den Beklagten zu erheben und angesichts der hohen Prozesskosten und -risiken ihre Entscheidung vom Zustandekommen eines Musterverfahrens abhängig machen wollen. Das Klageregister stellt somit ein Kommunikationsmedium dar, um eine Bündelung von Ansprüchen geschädigter Anleger für die Durchführung eines Musterverfahrens zu erreichen. Die Einsichtnahme in das Klageregister steht jedem unentgeltlich zu.

Absatz 3 Satz 1 regelt die datenschutzrechtliche Verantwortung für den Inhalt des Klageregisters. Die Vorschrift trägt der besonderen Situation Rechnung, dass der Herausgeber des elektronischen Bundesanzeigers nach den allgemeinen Grundsätzen ( § 3 Abs. 7 BDSG) die für die Verarbeitung der im elektronischen Bundesanzeiger zur Nutzung bereitgehaltenen Daten verantwortliche Stelle ist, aber die Daten nur für die Prozessgerichte und nach deren Weisung verarbeitet. Der Herausgeber des elektronischen Bundesanzeigers kann naturgemäß nicht die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Erhebung der von den Prozessgerichten angelieferten Daten, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Daten tragen. Absatz 3 bestimmt deshalb, dass das jeweilige Prozessgericht die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihm im Klageregister bekannt gemachten Daten trägt. Datenschutzrechtliche Berichtigungs-, Löschungs- und Sperrungsansprüche der Betroffenen sind daher nicht gegenüber dem Herausgeber des elektronischen Bundesanzeigers, sondern gegenüber dem jeweiligen Prozessgericht geltend zu machen, das sodann die entsprechenden Änderungen im Klageregister veranlasst.

Absatz 4 soll insbesondere die Integrität, Verfügbarkeit, Authentizität und Revisionsfähigkeit der im Klageregister zur Nutzung bereitgehaltenen Daten gewährleisten. Zu diesem Zweck soll der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSl) ein Sicherheitskonzept für Bekanntmachungen im Klageregister erstellen. Die besondere Fachkunde des BSl soll insbesondere dafür nutzbar gemacht werden, das Klageregister wirksam gegen unbefugte Manipulationen an den Datenbeständen und andere Angriffe zu schützen. Durch die vorgeschriebene regelmäßige Aktualisierung des Sicherheitskonzepts soll erreicht werden, dass das Sicherheitskonzept dem jeweiligen neuesten Stand der sicherheitstechnischen Entwicklung entspricht.

Absatz 5 regelt die Löschung der im Klageregister gespeicherten Daten. Die Daten sind nach Abweisung des Musterfeststellungsantrags unverzüglich im Fall des § 4 Abs. 3 Satz 1 KapMuG-E mit der Wiederaufnahme und Fortführung des Verfahrens von Amts wegen, anderenfalls nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens zu löschen.

Absatz 6 Satz 1 ermächtigt das Bundesministerium der Justiz, durch Rechtsverordnung die äußere Gestaltung (Aufbau und Gliederung) des Klageregisters und weitere Einzelheiten der Bekanntmachung im Klageregister zu regeln. Nach Satz 2 ist die Einsichtnahme in das Klageregister, insbesondere die Gewährleistung eines barrierefreien Zugangs zum Klageregister für behinderte Menschen und Personen, die nicht über einen eigenen Internetzugang verfügen, sowie die bei Recherchen im Klageregister zulässigen Suchstrategien, zu regeln. Außerdem sind ergänzend zu der Löschungsregelung in Absatz 5 Löschungsfristen zu bestimmen. Nach den Nummern 1 und 2 sind - als Rahmen für das Sicherheitskonzept nach Absatz 4 - durch Verordnung die wesentlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Integrität, Authentizität und Aktualität der im Klageregister veröffentlichten Daten zu regeln. Insbesondere wird zur Gewährleistung der Integrität und Authentizität eine elektronische Signatur der Bekanntmachungen vorzusehen sein.

Zu § 3 (Unterbrechung des Verfahrens)

Die Vorschrift regelt, dass das Verfahren mit der Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags unterbrochen wird. Die Wirkung der Unterbrechung richtet sich nach § 249 ZPO in Verbindung mit § 3 EGZPO.

Zu § 4 (Vorlage an das Oberlandesgericht)

Die Vorschrift regelt das Vorlageverfahren und seine Voraussetzungen zur Einholung eines Musterentscheids. Für den Erlass des Musterentscheids ist das im Rechtszug übergeordnete Oberlandesgericht zuständig. Liegen mindestens zehn gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge vor, wird ein Musterentscheid durch das Prozessgericht im Wege einer Vorlage eingeholt. Das Oberlandesgericht ist dabei an die Vorlageentscheidung des Prozessgerichts gebunden.
Die Einholung eines Musterentscheids nach Absatz 1 Satz 1 setzt mindestens zehn gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in einem Zeitfenster von vier Monaten voraus. Dabei berechnet sich das Zeitfenster von der Stellung des sog. zeitlich ersten im Klageregister eingetragenen Musterfeststellungsantrags. Die Reihenfolge Anträge bestimmt sich allein nach der Bekanntmachung im Klageregister (Satz 3). Satz 4 definiert die Gleichgerichtetheit der Musterfeststellungsanträge. Voraussetzung dafür ist, dass das Feststellungsziel und das zugrunde liegende Ereignis identisch sind. Gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge sind beispielsweise auch dann gegeben, wenn die Richtigkeit eines Börsenprospekts von einem Kapitalanleger im Hinblick auf eine unrichtige Darstellung des Immobilienvermögens angegriffen wird, von einem anderen Kapitalanleger im Hinblick auf die Risikobewertung, die auf der Darstellung des Immobilienvermögens beruht. Es handelt sich nur um verschiedene Streitpunkte, jedoch um dasselbe Feststellungsziel, da die Unrichtigkeit des Prospekts hier auf ein- und derselben Pflichtverletzung - tatsächliche Angaben zum Komplex Immobilien - beruht.

Zur Einholung eines Musterentscheids ist nach Satz 1 Nummer 1 das Prozessgericht verpflichtet, bei dem in einem Verfahren der erste Musterfeststellungsantrag gestellt wurde, sofern innerhalb von vier Monaten nach dessen Bekanntmachung in mindestens neun weiteren Verfahren bei demselben oder anderen Gerichten gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in das Klageregister eingetragen wurden (Nummer 2).

Dass Nummer 2 die Stellung von Musterfeststellungsanträgen auch vor anderen deutschen Gerichten berücksichtigt, hängt mit der nur begrenzten Möglichkeit zusammen, einen ausschließlichen Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO-E) zu schaffen. Dieser ausschließliche Gerichtsstand wirkt nämlich nur gegenüber inländischen Emittenten, nicht dagegen gegenüber ausländischen Emittenten (§ 32b Abs. 1 Satz 2 ZPO-E). Dem Geschädigten steht es bei einer grenzüberschreitenden Prospekthaftung daher offen, sich zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit auf den besonderen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ( § 32 ZPO) zu berufen. Danach kann er entweder am Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) oder an dem Ort klagen, an dem der Schaden eingetreten ist (Erfolgsort). Erwerben deutsche Anleger in Deutschland Aktien eines Emittenten mit Sitz in New York, die zum Handel an der New Yorker Stock Exchange zugelassen sind und jeweils zugunsten der Anleger bei einer depotführende Stelle in Deutschland verwahrt werden, können diese bei einer falschen Adhoc-Meldung Prospekthaftungsansprüche nach § 32 ZPO sowohl am Handlungsort, d.h. dem Marktort in New York, als auch in Deutschland am Erfolgsort geltend machen. Werden die Prospekthaftungsansprüche in Deutschland geltend gemacht, kann jedoch keine Verfahrenskanalisation über einen ausschließlichen Gerichtsstand erreicht werden. Für diese Fälle schafft das Musterverfahren die notwendige Verfahrenskanalisation dadurch, dass das den Musterentscheid einholende Prozessgericht bei der erforderlichen Anzahl von Musterfeststellungsanträge auch solche vor anderen Gerichten zu berücksichtigen hat.

Nach Absatz 1 Satz 2 ist die Einholung eines Musterentscheids über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Voraussetzung oder eine Rechtsfrage nicht anfechtbar.

Im Rahmen des Vorlagebeschlusses an das Oberlandesgericht sieht Absatz 2 Satz 1 vor, dass das nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bestimmte Prozessgericht nur die notwendige Anzahl von Musterfeststellungsanträgen für die Frage der Gleichgerichtetheit zu prüfen hat. Bei der Prüfung der Gleichgerichtetheit kommt es nicht auf die Reihenfolge der einzelnen Musterfeststellungsanträge an, sondern nur, dass diese innerhalb des Zeitfensters von vier Monaten eingetragen wurden. Soweit bei dem Prozessgericht die erforderliche Anzahl von Anträgen eingegangen ist, wird es diese bei der Prüfung zugrundelegen, unabhängig von der einzelnen Reihenfolge der Anträge. Sind bei dem Prozessgericht nicht ausreichend viele Anträge gestellt worden, müssen Akten von verschiedenen Spruchkörpern, gegebenenfalls auch von verschiedenen Gerichten, angefordert werden, um die Voraussetzungen für die Einholung eines Musterentscheids zu prüfen. Mehr als zehn Verfahren sind in dem Vorlagebeschluss indes nicht aufzunehmen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1), auch wenn vor demselben oder verschiedenen Gerichten noch weitere gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt wurden. Nach Bekanntmachung des Musterentscheids im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers durch das Oberlandesgericht obliegt es nämlich den Prozessgerichten, im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG zu prüfen, ob ein anhängiges Verfahren im Hinblick auf das Musterverfahren ausgesetzt werden kann oder nicht. Diese Aufgabe kann von dem den Musterentscheid einholenden Prozessgericht nicht geleistet werden; anderenfalls müsste es sich in eine Vielzahl von Verfahren einarbeiten, was im Interesse eines raschen Vorlagebeschlusses an das Oberlandsgericht nicht prozessökonomisch erscheint.

Der Vorlagebeschluss hat nach Satz 2 Folgendes zu enthalten: Eine kurze Sachverhaltsschilderung der zehn Rechtsstreite (Nummer 1), die Schriftsätze der Antragsteller und des Antraggegners dieser Rechtsstreite (Nummer 2), das entscheidungserheblich Feststellungsziel unter Angabe der in § 1 Abs. 2 Satz 2 KapMuG-E genannten Voraussetzungen (Nummer 3) sowie eine Begründung zur Gleichgerichtetheit der zehn Musterfeststellungsanträge (Nummer 4). Der Vorlagebeschluss soll den Prozessstoff für das Oberlandesgericht konzentrieren und abschichten. Durch die Beifügung der Schriftsätze der Antragsteller und des Antraggegners soll erreicht werden, dass nicht die bei den Prozessgerichten verwahrten Akten an das Oberlandesgericht ausgefolgt werden müssen. Mit der Prüfung der Musterfeststellungsanträge auf ihre Gleichgerichtetheit und der Dokumentation dieses Ergebnisses im Vorlagebeschluss ist sichergestellt, dass die Verfahrensvoraussetzungen für ein Musterverfahren erfüllt werden.

Nach Satz 3 ist das Oberlandesgericht an die Vorlage des Prozessgerichts gebunden. Das Oberlandesgericht ist daher nicht zu einer Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 KapMuG-E berufen.

Gemäß Absatz 3 weist das Prozessgericht einen Musterfeststellungsantrag zurück, wenn seit seiner Bekanntmachung innerhalb von vier Monaten keine für die Vorlage an das Oberlandesgericht erforderliche Anzahl von Anträgen gestellt wurde. Mit der Zurückweisung des Antrags wird das Verfahren fortgesetzt. Die Zurückweisung führt zu einer Löschung nach § 2 Abs. 5 KapMuG-E. Dieser Löschung steht eine erneute Antragstellung unbeschadet § 1 Abs. 3 KapMuG-E nicht entgegen:

Wird z.B. in einem Rechtsstreit gegen einen Emittenten mit Sitz in New York ein Musterfeststellungsantrag am 2. Februar 2004 beim LG Stuttgart gestellt, dem sich fünf weitere Antragsteller am LG München I am 1. März 2004 sowie drei weitere am LG Frankfurt am 1. April 2004 anschließen, so weist das LG Stuttgart den Musterfeststellungsantrag vom 2. Februar 2004 am 3. Juni 2004 zurück. Schließt sich nun ein weiterer Kläger den acht Antragsteller am 14. Juni an, steht es dem zurückgewiesenen Antragsteller vom LG Stuttgart frei, sofort einen neuen Musterfeststellungsantrag zu stellen und dadurch das Musterverfahren auszulösen. Den Vorlagebeschluss wird dann das LG München I zu fertigen haben, sofern der Antrag des zurückgewiesenen Antragstellers bis spätestens zum 1. Juli 2004 wieder im Klageregister eingetragen ist.

Für den Fall, dass in einem Bundesland mehrere Oberlandesgerichte vorhanden sind, räumt Absatz 4 Satz 1 den Landesregierungen die Möglichkeit ein, durch Rechtsverordnung einem der Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung die ausschließliche Zuständigkeit zuzuweisen. Dadurch soll den Bundesländern die Möglichkeit gegeben werden, eine Zuständigkeitskonzentration eines Oberlandesgericht zum Beispiel am jeweiligen Börsenplatz herbeiführen zu können. Nach Satz 2 können die Landesregierungen die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen. Satz 3 sieht vor, dass die Länder durch Staatsvertrag sich auf ein gemeinsames Oberlandesgericht verständigen können.

Zu § 5 (Sperrwirkung des Vorlagebeschlusses)

Durch die Vorschrift soll ausgeschlossen werden, dass ein Prozessgericht durch einen Vorlagebeschluss ein Musterverfahren zu derselben oder zu einer weiteren Anspruchsvoraussetzung einleitet, wenn bereits ein Musterverfahren für die gemäß § 7 KapMuG-E auszusetzenden Rechtsstreite eingeleitet worden ist. Damit sollen parallel laufende Musterverfahren aus prozessökonomischen Gründen vermieden werden. Diese Gefahr bestünde besonders in Fällen, in denen im Inland gegen einen im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) des Rates Nr. 044/2001 vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) ansässigen Emittenten geklagt würde. In diesem Fall können gemäß Artikel 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) unterschiedliche Prozessgerichte örtlich zuständig sein. Es bestünde die Gefahr, dass die Feststellung unterschiedlicher Anspruchsvoraussetzungen nicht nur in mehreren Musterverfahren, sondern auch vor verschiedenen Oberlandesgerichten verhandelt würde. Dies würde einer zügigen, sachdienlichen und kosteneffizienten Erledigung der unterschiedlichen Musterfragen entgegenstehen. Daneben wären die Beteiligten gezwungen, zur Wahrung ihrer Rechte zusätzliche Kosten auf sich zu nehmen. Deshalb erscheint es sinnvoll, dass die Rechtsstreite von den Prozessgerichten gemäß § 7 KapMuG-E ausgesetzt werden müssen, ohne dass die Feststellung des Vorliegens weiterer Anspruchsvoraussetzungen einem Oberlandesgericht vorgelegt wird. Deren Vorliegen kann während der Dauer eines Musterverfahrens nur durch eine Erweiterung des Gegenstandes des Musterverfahrens gemäß § 13 Satz 2 KapMuG-E festgestellt werden.

Hat beispielsweise ein Prozessgericht am 1.7.2004 einen Vorlagebeschluss zur Feststellung des Vorliegens von Anspruchsvoraussetzung A erlassen, so müssen ab diesem Zeitpunkt die Verfahren von allen weiteren Klägern unabhängig von der Fragestellung ausgesetzt werden, ob zusätzlich die Voraussetzungen für eine Feststellung des Nichtvorliegens von Anspruchvoraussetzung B im Musterverfahren gegeben sind. Die Anspruchsvoraussetzung B kann nur durch eine Erweiterung des Streitgegenstandes des Musterverfahrens gemäß § 13 Satz 2 KapMuG-E festgestellt werden.

Zu Abschnitt 2 (Durchführung des Musterverfahrens)

Der zweite Abschnitt behandelt die Durchführung des Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht. Das Oberlandesgericht entscheidet über die auf Antrag der Kläger oder des Beklagten vorgelegte Musterfrage durch einen Musterentscheid (§ 14 KapMuG-E). Die Spezialisierung der Senate sowie der damit auch verbundenen Sachkunde und Erfahrung der Richter am Oberlandesgericht rechtfertigen es, diese Entscheidung nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens bindend den Rechtsstreiten vor den Prozessgerichten zugrunde zu legen.

Das Musterverfahren wird von einem aus der Gruppe der Kläger zu bestimmenden Musterkläger und dem Musterbeklagten betrieben. Die übrigen Kläger werden dagegen beigeladen und haben eine dem einfachen Nebenintervenienten im Sinne von § 67 ZPO vergleichbare Rechtsstellung (§ 8 Abs. 3 und § 12 KapMuG-E).

Denkbar wäre es gewesen, die Rechtsstellung der Beigeladenen an die Rechtsfigur eines streitgenössischen Nebenintervenienten nach § 69 ZPO anzulehnen. Einen derartige Form der Beteiligung sieht beispielsweise das österreichische Kuratorengesetz in § 9 Abs. 2 vor (ÖRGBl. 1874 S. 95; vgl. auch im Allgemeinen Teil unter ll. 2. Buchstabe d). Eine derartige Konzeption, die zwar den Beigeladenen in vollem Umfang die gleichen Verfahrens- und Beteiligungsrechte wie dem Musterkläger gewährt, hat die nachteilige Folge, dass für jeden Beigeladenen z.B. eigene Rechtsmittelfristen laufen. Der Musterentscheid würde zu unterschiedlichen Zeitpunkten rechtskräftig, je nachdem, ob die Beigeladenen ein Rechtsmittel einlegen oder nicht, so dass eine einheitliche Entscheidung letztlich auch nicht gewährleistet werden könnte. Daher hat sich der Gesetzentwurf bewusst für eine Anlehnung der Verfahrensrechte der Beigeladenen an die Rechtsstellung des einfachen Nebenintervenienten ausgesprochen.

Die Beiladungswirkung wird im Rahmen der Rechtsbeschwerdeinstanz dahingehend modifiziert, dass der Beigeladene bei Einlegung einer Rechtsbeschwerde durch den Musterkläger oder den Musterbeklagten seinen Beitritt erklären muss. Lehnt er den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne ihn fortgesetzt. Die Musterentscheidung in der Rechtsbeschwerdeinstanz bindet ihn dennoch (§ 16 Abs. 3 KapMuG-E). Dem Beitrittserfordernis liegt die Erwägung zugrunde, dass der Beigeladene nach einem negativen Musterentscheid nicht gezwungen sein soll, in der Rechtsmittelinstanz mitwirken zu müssen und er frei über das Rechtsmittel disponieren können soll. lm übrigen soll im Rechtsbeschwerdeverfahren von Anfang an klar feststehen, wer sich daran beteiligen wird.

Zu § 6 (Bekanntmachung des Musterverfahrens)

Die Vorschrift sieht in Satz 1 vor, dass das Oberlandesgericht nach Eingang des Vorlagebeschlusses das bei ihm anhängige Musterverfahren mit den in Nummer 1 bis 5 genannten Angaben im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt macht. Nach Satz 2 trägt das Oberlandesgericht die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihm im Klageregister bekannt gemachten Daten entsprechend § 2 Abs. 3 KapMuG-E.

Zu § 7 (Aussetzung)

Die Vorschrift regelt die Aussetzung der Rechtsstreite vor den Prozessgerichten im Hinblick auf das Musterverfahren. Den Aussetzungsbeschluss können die Parteien gemäß § 252 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angreifen.

Absatz 1 Satz 1 bestimmt, dass die Prozessgerichte nach Veröffentlichung des Musterverfahrens im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers diejenigen Verfahren aussetzt, deren Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder von der im Musterverfahren zu klärenden Rechtsfrage abhängt. Rechtsstreite, die bereits entscheidungsreif sind, sind entsprechend dem Rechtsgedanken zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 KapMuG-E nicht auszusetzen. Geht die unterliegende Partei jedoch in dem Rechtsstreit in die Berufung oder wird die Revision zugelassen, wird das Verfahren automatisch von der Sogwirkung der in § 7 KapMuG-E angeordneten Zwangsaussetzung erfasst.

Satz 2 stellt im Interesse der Anspruchsbündelung und der Förderung einer einheitlichen Entscheidung für alle Rechtsstreite, die von der Musterfrage betroffen und noch nicht entscheidungsreif sind, klar, dass die Pflicht zur Aussetzung unabhängig von einer Antragstellung im jeweiligen Rechtsstreit zu erfolgen hat. Nach Satz 3 sind die Parteien zu der Aussetzung zu hören, es sei denn, dass sie darauf verzichtet haben.

Gemäß Absatz 2 hat das Prozessgericht den für das Musterverfahren zuständigen Senat über eine Aussetzung unter Angabe der Höhe des Anspruchs, soweit er Gegenstand des Musterverfahrens ist, zu unterrichten.

Zu § 8 (Beteiligte des Musterverfahrens)

Die Vorschrift benennt in Absatz 1 die Beteiligten des Musterverfahrens. Beteiligt sind an dem Musterverfahren ein Musterkläger, ein Musterbeklagter sowie die übrigen Kläger als Beigeladene. Richtet sich das Hauptsacheverfahren gegen zwei personenverschiedene Beklagte, z.B. die Gesellschaft und einen Vorstand, so gelten auch für das Musterverfahren die Vorschriften der Streitgenossenschaft auf Seiten der Beklagten Parteien des Musterverfahrens sind der nach Absatz 2 aus der Gruppe der Kläger zu bestimmende Musterkläger sowie der Beklagte. Die Bezeichnung Musterkläger knüpft dabei nicht an eine Stellung eines Musterfeststellungsantrags an; vielmehr lässt die Stellung eines Musterfeststellungsantrags die Beweislast sowie die Parteirolle im Rechtsstreit vor dem Prozessgericht und vor dem Oberlandesgericht fortgeführten Musterverfahren unberührt.

Absatz 2 Satz 1 stellt die Auswahl des Musterklägers in das Ermessen des Oberlandesgerichts. Die Regelung lehnt sich an die Vorschrift des § 93a Abs. 1 VwGO an. Durch die gerichtliche Auswahl des Musterklägers will der Gesetzentwurf die Gefahr eines sog. "race to the courtroom" unterbinden, wie sie bei der Sammelklage nach US-amerikanischem Muster auftritt. Dort repräsentiert nämlich dasjenige Gruppenmitglied, das zuerst eine sog. class action einbringt, bei Zulassung der Klage die gesamte Gruppe.

Die Auswahl des Musterklägers ist auf die Kläger bei dem Gericht beschränkt, das den Musterentscheid einholt. Mit dieser Einschränkung wird den Fallkonstellationen Rechnung getragen, in denen ein ausländischer Emittent nach Artikel 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) des Rates Nr. 044/2001 vom 22. Dezember 2000 (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) in Deutschland verklagt wird und keine Verfahrenskanalisation über den ausschließlichen Gerichtsstand des § 32b ZPO-E erreicht werden kann. Aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts wäre es in einem derartigen Fall rechtlich nicht möglich, einem Kläger aufzuerlegen, seinen Rechtsstreit aktiv in der Rolle des Musterklägers an einem anderen Ort fortzuführen. lm übrigen kommt es weder darauf an, dass der Kläger selbst einen Musterfeststellungsantrag gestellt hat, noch, dass er der Ernennung zustimmt. Dies lässt sich damit rechtfertigen, dass sich einerseits der Kläger einer auf Antrag der Beklagten begehrten Feststellung nicht entziehen kann und es andererseits nicht die Gruppe der Kläger in der Hand haben darf, ob ein von der Beklagten angestrengtes Musterverfahren durchgeführt wird.

Die Bestimmung des Musterklägers von Amts wegen stellt zwar eine Neuheit im Zivilprozess dar, ist jedoch auf Grund der Gleichgerichtetheit der Interessen der Kläger in den Einzelprozessen unbedenklich. Sowohl der Musterkläger als auch die Beigeladenen verfolgen im Musterverfahren dasselbe Feststellungsziel, nämlich die Feststellung einer anspruchsbegründenden Voraussetzung, z.B. die Feststellung der Unrichtigkeit eines Börsenprospektes, einer Adhoc-Meldung etc. Diese Interessenlage rechtfertigt es, die Auswahl des Musterklägers in das billige Ermessen des Oberlandesgerichts zu stellen. Die Auswahl erfolgt durch Beschluss, der nicht mit der Beschwerde anfechtbar ist (Satz 3). Die Regelung entspricht insofern § 93a Abs. 1 Satz 3 VwGO. Um eine interessengerechte Auswahl eines Musterklägers zu gewährleisten, sieht Satz 2 zwei Gesichtspunkte vor, die das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat. Nach Nummer 1 soll die Höhe des Anspruchs, soweit er Gegenstand des Musterverfahrens ist, berücksichtigt werden. Das Oberlandesgericht soll möglichst den Kläger als Musterkläger bestimmen, der den höchsten Einzelanspruch verfolgt. Dieses Kriterium des höchsten Einzelanspruchs steht in Korrelation mit der Größe des Anteilsbesitzes einer Person oder einer Gruppe an einer Gesellschaft. Das Kriterium schafft ähnlich wie die Figur des "lead plaintiff" nach dem US-amerikanischen Private Securities Litigation Reform Act von 1995 die widerlegbare Vermutung, dass die Person mit dem größten Anteilsbesitz an einer Gesellschaft der geeignetste Musterkläger ist. Ein Großaktionär genießt gegenüber Kleinaktionären eine gesellschaftsrechtlich bedeutendere Stellung, die bei der Auswahl zum Musterkläger zu berücksichtigen ist. Dadurch werden die Kleinaktionäre in ihrer Klägerrolle auch nicht beeinträchtigt, da sie zu dem Musterverfahren beigeladen werden.

Nach Nummer 2 soll das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des Musterklägers eine Verständigung mehrerer Kläger auf einen Musterkläger berücksichtigen. Dieses Kriterium soll der Tatsache Rechnung tragen, dass gerade im Bereich des Kapitalmarktrechts die Kläger größtenteils von großen Kanzleien vertreten werden. Vertritt in einem Schadensersatzprozess eine Kanzlei eine Vielzahl von Kleinanlegern, erscheint es aus Praktikabilitätsgründen und Gründen der Prozessökonomie gerechtfertigt, einen Kläger mit einem niedrigeren Individualanspruch zum Musterkläger zu bestimmen. Dadurch wird gewährleistet, dass das Musterverfahren schlank gehalten wird und ein gewisser Bündelungseffekt durch die streitgenossenschaftliche Vertretung eintritt.

Absatz 3 Satz 1 sieht vor, dass die Kläger der übrigen ausgesetzten Rechtsstreite im Musterverfahren beizuladen sind. lhre Verfahrensstellung ist, wie § 12 KapMuG-E zeigt, an die Rechtsfigur des einfachen Nebenintervenienten im Sinne von § 67 ZPO angelehnt. Durch die Beiladung werden die Kläger im Verhältnis zum Musterkläger nicht Partei, sondern nur Streithelfer. Die Beiladung erfolgt von Amts wegen. Die Beigeladenen sind zu jedem Termin zu laden. lst dies unterblieben oder nicht ordnungsgemäß geschehen, gilt der Musterkläger als nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO geladen, so dass im Fall seiner Säumnis kein Versäumnisbeschluss (vgl. § 14 KapMuG-E) ergehen kann, sondern vertagt werden muss, wenn nicht eine voll stattgebende Entscheidung zugunsten des Musterklägers ergeht.

Nach Satz 2 werden die übrigen Kläger nicht vom Oberlandesgericht beigeladen, sondern gelten mit der Aussetzung nach § 7 KapMuG-E als beigeladen. Diese Beiladungsfiktion hat den Vorteil, dass eine für die Geschäftsstellen des Oberlandesgerichts arbeitsintensive Maßnahme entfällt.

Satz 3 sieht vor, dass das Prozessgericht mit dem Aussetzungsbeschluss nach § 7 Kap-MuG-E die Beigeladenen über die anteilige Haftung für die Kosten des Musterverfahrens sowie über die Möglichkeit des Entfallens dieser Haftung unterrichtet. Dadurch soll es jedem Kläger ermöglicht werden, kostenfrei aus dem Musterverfahren austreten zu können.

Zu § 9 (Allgemeine Verfahrensvorschriften)

Die Vorschrift ordnet in Absatz 1 Satz 1 an, dass das Oberlandesgericht im Rahmen seiner erstinstanzlichen Zuständigkeit (§ 118 GVG-E) auf das Musterverfahren die Vorschriften anwendet, die für das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug gelten, soweit nicht besondere Ausnahmen im Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz vorgesehen sind.

Nach Satz 2 finden die Vorschriften der §§ 278, 348 bis 350, 379 ZPO keine Anwendung. Eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits gemäß § 278 ZPO ist ausgeschlossen. Gemäß § 14 Abs. 3 KapMuG-E finden die Vorschriften der §§ 91a, 306 ZPO keine entsprechende Anwendung. Ferner ist ein vergleichsweiser Abschluss des Rechtsstreits nicht möglich. Daher ist auch eine vorgeschaltete Güteverhandlung nicht erforderlich. Die Möglichkeit einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter wird im Musterverfahren ausgeschlossen. Damit soll eine erhöhte Richtigkeitsgewähr des Musterentscheids erreicht werden.

§ 379 ZPO findet keine Anwendung. Ebenso wie im Gerichtskostengesetz (vgl. Artikel 4 Nr. 5) ist vorgesehen, dass die Durchführung des Musterverfahrens nicht von der Zahlung eines Auslagenvorschusses, insbesondere für Sachverständige, abhängig gemacht wird. Der Verzicht auf die Erhebung von Auslagenvorschüssen rechtfertigt sich in den Musterverfahren aus mehreren Gründen:

Bei einer Abhängigmachung der Beauftragung des Sachverständigen von der vorherigen Zahlung der Kosten wären erhebliche unerwünschte Auswirkungen auf das Verfahren zu erwarten. Knüpft man die Vorschusspflicht allein an die Person des Musterklägers, so wäre dieser gezwungen, Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, wenn er die meist erheblichen Sachverständigenkosten nicht alleine aufbringen kann. Die Vorschusspflicht würde damit ins Leere laufen. Verteilt man hingegen die Vorschusspflicht auf den Musterkläger und die Beigeladenen, würde die Nichtzahlung durch einen Beteiligten zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen. lm Einzelfall könnte dies z.B. in einem Musterverfahren mit 201 Klägern bedeuten, dass wegen ausstehender 100 € dieser Betrag auf die übrigen 200 Kläger verteilt werden müsste. Dies würde einen enormen Verwaltungsaufwand verursachen, der insbesondere zu dem Ausfallrisiko des Staates, nach Klageabweisung nicht die anteiligen Verfahrenskosten eintreiben zu können, unverhältnismäßig erscheint. Das Musterverfahren würde sich dadurch in die Länge ziehen. Darüber hinaus darf die Gefahr nicht unterschätzt werden, dass die Musterbeklagte durch gezielte finanzielle Gegenleistungen an einzelne Beteiligte das Musterverfahren zur Nichtzahlung eines Vorschusses bewegen und dadurch das Verfahren zum Stillstand bringen könnte.

Das Problem lässt sich auch nicht dadurch beheben, dass dem einzelnen nichtzahlenden Beigeladenen prozessuale Nachteile, wie z.B. der Ausschluss aus dem Musterverfahren, erwachsen sollen. Schließt man diesen Beteiligten nämlich von dem Musterverfahren aus, ist der Rechtsstreit in der ersten Instanz zu entscheiden. Aufgrund des laufenden Musterverfahrens werden die erstinstanzlichen Gerichte das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO weiterhin aussetzen, bis das Gutachten im Musterverfahren vorliegt. An einer Aussetzung haben dabei sowohl der Kläger als auch die Beklagte ein Interesse, da sie an einer vom Musterverfahren abweichenden Entscheidung keinerlei Interesse haben. Auf diese Weise ließe sich das Beweisergebnis aus dem Musterverfahren nach § 411a ZPO in dem Rechtsstreit verwerten, ohne dass der Kläger bei einem negativen Beweisergebnis an den Kosten für das Sachverständigengutachten beteiligt wird. Ein möglicher Ausschluss des nichtzahlenden Beigeladenen würde daher den Bündelungseffekt im Musterverfahren aufheben und die Verteilung der Kosten des Musterverfahrens auf alle Kläger im Verhältnis ihrer Forderungen unmöglich machen.

Auch ein möglicher gesetzlicher Ausschluss des § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit des Musterverfahrens vermag die Probleme nicht zu lösen und schafft ein Einfallstor für Trittbrettfahrer. Kläger, die sich "kostenneutral" dem Musterverfahren anschließen wollten, würden bis zur Einzahlung des Kostenvorschusses mit der Klageerhebung warten und sich danach dem Musterverfahren anschließen. Da zwischen den "vorschusszahlenden" Klägern und den nach Vorschusserhebung beitretenden Klägern keine prozessualen Kostenerstattungsansprüche bestehen, wären die später beitretenden Kläger - jedenfalls soweit die Vorschusszahlung reicht - von einer Zahlung der Sachverständigenvergütung endgültig befreit. Durch den Ausschluss der Kostenvorschusspflicht wird zwar auch der Musterbeklagte begünstigt, soweit er einen anspruchsausschließenden Grund darzulegen und zu beweisen hat. Eine Differenzierung bei der Kostenvorschusspflicht in Bezug auf die Kläger und die Beklagtenseite ist jedoch angesichts des Gebots der prozessualen Waffengleichheit nicht zu rechtfertigen.

Nach Satz 3 müssen die Beigeladenen in Beschlüssen nicht bezeichnet werden. Bisher wird in der Gerichtspraxis meist die Beschlussform dem Urteil nachempfunden. üblicherweise werden auch die Nebenintervenienten im Rubrum aufgeführt. Demgegenüber soll die klarstellende Regelung den Gerichten im allseitigen Interesse eine schlankere Aktenführung ermöglichen und umfangreiche Beschlüsse verhindern.

Gemäß Absatz 2 können den Beigeladenen Termine aus Vereinfachungsgründen durch öffentliche Bekanntmachung im Klageregister mitgeteilt werden. Vorbilder einer Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung in Massenverfahren finden sich in den §§ 69 Abs. 2 Satz 3, 74 Abs. 5 VwVfG. In Abweichung zu den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die eine öffentliche Bekanntmachung erst ermöglichen, wenn mindestens 50 Zustellungen vorzunehmen sind, soll den Gerichten im Musterverfahren keine feste Zahl vorgeschrieben werden. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich die Gerichte an dieser Zahl orientieren werden. Die öffentliche Bekanntmachung setzt eine Mitwirkung der Kenntnisnahme durch die Beteiligten voraus. Daher erscheint eine Verlängerung der Ladungsfrist des § 217 ZPO auf vier Wochen angemessen.

Gemäß Absatz 3 können die Bundesregierung und die Landesregierungen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt bestimmen, von dem an elektronische Akten geführt werden sowie die hierfür geltenden organisatorischtechnischen Rahmenbedingungen für die Bildung, Führung und Aufbewahrung der elektronischen Akten festlegen. Die Regelung baut auf den im Zuge des geplanten Justizkommunikationsgesetzes in die ZPO eingeführten Vorschriften zur elektronischen Akte auf. Diese gelten gemäß § 3 EGZPO auch unmittelbar im Musterverfahren. Durch Absatz 3 soll lediglich klargestellt werden, dass nicht nur für das allgemeine Zivilverfahren, sondern auch für das KapMuG durch Rechtsverordnung der Zeitpunkt der Einführung der elektronischen Aktenführung für das Musterverfahren bestimmt werden kann. Die weitergehenden Regelungen zur elektronischen Aktenführung ergeben sich unmittelbar aus den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Gemäß Absatz 4 werden die Bundesregierung und die Landesregierungen ermächtigt, den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem bei Gerichten Schriftsätze als elektronische Dokumente einzureichen sind, Empfangsbekenntnisse als elektronische Dokumente zurückzusenden sind und die Beteiligten dafür Sorge zu tragen haben, dass ihnen elektronische Dokumente durch das Gericht zugestellt werden können. Damit soll den Gerichten nach Einführung der technischen Voraussetzungen eine umfassende elektronische Kommunikation ermöglicht werden. Die Vorzüge einer elektronischen Kommunikation zeigen sich besonders an dem Beispiel der Rechtsstreite, die von ca. 15.000 Klägern gegen die Deutsche Telekom AG geführt werden. Allein das Gewicht der Klageerwiderung soll ca. 5 Tonnen Papier betragen.

Die Regelung baut entsprechend Absatz 3 auf den gemäß § 3 EGZPO im Musterverfahren anwendbaren Vorschriften der §§ 130a, 174 ZPO auf. Gemäß §§ 130a, 174 Abs. 4 ZPO ist es den Parteien - von einem durch Rechtsverordnung zu bestimmenden Zeitpunkt an - möglich, Schriftsätze und Empfangsbekenntnisse als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen. Gemäß § 174 Abs. 3 ZPO können die Gerichte den Prozessbevollmächtigten der Beteiligten ein elektronisches Dokument gegen Empfangsbekenntnis zustellen. Durch die bisherigen Regelungen wird den Prozessbevollmächtigten aber nicht vorgeschrieben, sich dem elektronischen Rechtsverkehr zu öffnen. Dies soll mit Absatz 4 für den speziellen Fall des Musterverfahrens erfolgen. Damit wird die elektronische Aktenführung erheblich erleichtert, da eingehende Schriftsätze und Empfangsbekenntnisse nicht umständlich von der Papierform in die elektronische Form übertragen werden müssen. Eine effiziente Bearbeitung des Musterverfahrens erfordert zusätzlich, dass in einem Akt elektronisch zugestellt werden kann. Eine mühevolle Differenzierung zwischen Zustellung als elektronisches Dokument und Zustellung in herkömmlicher Weise würde nicht nur die Arbeitsbelastung bei Gericht enorm erhöhen, sondern zusätzlich Anreize zum Einsatz moderner Technik vermindern. Gerade über den Einsatz moderner Technik wird es den Beteiligten jedoch erleichtert, sich zeitnah rechtliches Gehör zu verschaffen. Die mit dieser Regelung verbundene Belastung der Prozessbevollmächtigten erscheint demgegenüber gering. lm Hinblick auf die begrenzte Anzahl der bei den Oberlandesgerichten zugelassenen Rechtsanwälte ist diese Mitwirkungspflicht geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, zukünftig zu einem effizienten Musterverfahren beizutragen.

Zu § 10 (Vorbereitung des Termins)

Die Vorschrift dient der Beschleunigung, Rationalisierung und Konzentration des Musterverfahrens im Hinblick auf die Vorbereitung des Termins. Da der Musterbeklagte den Schriftsatz des Musterklägers seit dessen Antragstellung kennt, sieht Satz 1 zur Kanalisierung des Prozessvortrags der Beigeladenen vor, dass das Gericht den Beigeladenen die Ergänzung des Schriftsatzes des Musterklägers aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Streitpunkte setzen kann. Soweit der Vortrag des Musterklägers im Schriftsatz ergänzungsbedürftig erscheint, sollen sich die Beigeladenen erklären; im übrigen sollten die Beigeladenen im Interesse eines zügigen Verfahrensablaufs von unnötigen Wiederholungen des Musterklägervortrags Abstand nehmen.

Nach Satz 2 wird die Ergänzung der Beigeladenen in ihren vorbereitenden Schriftsätzen dem Musterkläger und dem Musterbeklagten mitgeteilt. Nach Satz 3 werden Schriftsätze der Beigeladenen den übrigen Beigeladenen nicht mitgeteilt. Dadurch soll eine unnötige Aufblähung des Musterverfahrens vermieden werden. Eine Einstellung der Schriftsätze in das elektronische Klageregister zu Informationszwecken erscheint nicht geboten, da mit Hilfe der elektronisch geführten Akte bei Gericht künftig zuverlässig und arbeitsökonomisch Akteneinsicht für eine Vielzahl von Beigeladenen gewährt werden kann.

Satz 4 bestimmt, dass den Beigeladenen nur dann die Schriftsätze des Musterklägers und des Muterbeklagten mitgeteilt werden, wenn sie dies gegenüber dem Senat schriftlich beantragt haben. Damit soll eine Straffung des Verfahrens erreicht werden.

Zu § 11 (Wirkungen von Rücknahmen)

Absatz 1 stellt sicher, dass die Rücknahme eines Musterfeststellungsantrags auf die Stellung als Musterkläger oder -beklagter keinen Einfluss hat. Der Musterkläger kann sich seiner Parteirolle daher nicht entziehen, indem er seinen gestellten Musterfeststellungsantrag zurücknimmt.

Absatz 2 Satz 1 regelt die Wirkung der Klagerücknahme durch den Musterkläger auf das Musterverfahren. Nimmt dieser erforderlichenfalls mit Zustimmung des Musterbeklagten seine Klage zurück, so hat das Oberlandesgericht einen neuen Musterkläger nach § 8 Abs. 2 KapMuG-E zu bestimmen. Satz 2 bestimmt, dass im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Musterklägers ( § 240 ZPO) sowie in Fällen des 246 Abs. 1 ZPO, soweit der Prozessbevollmächtigte eine Aussetzung beantragt, ebenfalls ein neuer Musterkläger zu bestimmen ist. Die Bestimmung eines neuen Musterklägers rechtfertigt sich daraus, dass im erstgenannten Falle gemäß § 240 ZPO das Musterverfahren in der Person des Musterklägers unterbrochen, im zweitgenannten Fall das Musterverfahren auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Musterklägers ausgesetzt wird. Beide Fälle führen zu möglichen Verfahrensverzögerungen, die im Interesse einer zügigen Durchführung des
Musterverfahrens unerwünscht sind. Infolgedessen ist unverzüglich ein neuer Musterkläger zu bestimmen.

Satz 3 ordnet an, dass die Klagerücknahme eines Beigeladenen auf den Fortgang des Musterverfahrens keinen Einfluss hat. Das Oberlandesgericht führt daher das Musterverfahren fort, auch wenn die Anzahl der Kläger nach Beginn des Musterverfahrens die erforderliche Mindestanzahl nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG-E unterschreitet.

Zu § 12 (Rechtsstellung der Beigeladenen)

Die Vorschrift regelt die Rechtsstellung des Beigeladenen und seiner einzelnen Befugnisse, auch im Verhältnis zum Musterkläger. Sie lehnt sich in ihrer Konzeption an die Rechtsfigur des einfachen Nebenintervenienten ( § 67 ZPO) an. Den Beigeladenen stehen folgende Befugnisse zur Vornahme von Prozesshandlungen zu.

Der erste Halbsatz ordnet an, dass der Beigeladene das Musterverfahren in der Lage annehmen muss, in der es sich zur Zeit seiner Beiladung befindet. Erhebt ein Kläger erst Klage, nachdem das Musterverfahren bereits beim Oberlandesgericht anhängig ist, bedeutet dies für ihn, dass er an alle früheren Prozesshandlungen des Musterklägers, aber auch des Gerichts, gebunden ist. Der Beigeladene ist daher an die Versäumnisse von Prozesshandlungen, den Beginn oder Ablauf von Fristen oder den Schluss der Tatsachenverhandlung, allgemein an bisherige Zwischenergebnisse (z.B. durchgeführte Beweisaufnahmen) des Verfahrens gebunden. Angesichts der in § 16 Abs. 2 KapMuG-E entsprechend eingeschränkten Bindung des Beigeladenen an das Prozessergebnis erscheint dies jedoch hinnehmbar.

Nach dem zweiten Halbsatz ist der Beigeladene berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen des Musterklägers in Widerspruch stehen. Demnach ist er grundsätzlich berechtigt, alle Prozesshandlungen vorzunehmen, die der Musterkläger vornehmen könnte (z.B. Behauptungen aufstellen und bestreiten, Beweis antreten oder Beweiseinreden erheben). Der einzelne Beigeladene kann jedoch den Musterkläger nur in dem unterstützen, worüber er den Prozess führt, nicht aber dem Musterverfahren selbst einen anderen Gegenstand - vorbehaltlich des § 13 Satz 2 KapMuG-E - geben. Aufgrund seiner fehlenden Dispositionsbefugnis kann der Beigeladene auch keine materiellrechtlich wirksamen Rechtsgeschäfte, wie beispielsweise einen Vergleich, schließen. Begrenzt wird die Freiheit des Beigeladenen nur durch Erklärungen und Handlungen des Musterklägers, nicht durch deren Untätigkeit oder Unterlassung. Daher wendet der Beigeladene durch sein Erscheinen einen wegen Säumnis des Musterklägers ergehenden Beschluss ab. Ebenso kann der Beigeladene Einspruch innerhalb der für den Musterkläger laufenden Frist einlegen, sofern nicht der Musterkläger durch ausdrückliche oder schlüssige Handlung zu erkennen gibt, dass er die Fortsetzung des Musterverfahrens durch den Beigeladenen missbilligt. Anders als bei der einfachen Nebenintervention kann der Beigeladene Rechtsmittel einlegen, auch wenn der Musterkläger auf das Rechtsmittel verzichtet hat. Dies folgt ausdrücklich aus § 15 Abs. 4 KapMuG-E.

Zu § 13 (Erweiterung des Gegenstandes des Musterverfahrens)

Gemäß Satz 1 können Musterkläger und Musterbeklagter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung das Musterverfahren um die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer weiteren anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung erweitern. Dies erscheint zur umfassenden Erledigung der Rechtsstreite notwendig, da eine gleichzeitige Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die auszusetzenden Rechtsstreite gemäß § 5 KapMuG-E unzulässig ist. Es soll jedoch nicht möglich sein, dass das Verfahren erweitert wird, wenn nur eine Rechtsfrage im Musterverfahren geklärt wird. Auf welche Rechtsfragen es in den zu entscheidenden Verfahren ankommt, soll ausschließlich von dem Vorlagegericht, nicht dagegen von den Parteien bestimmt werden.

Die Erweiterung steht sowohl dem Musterkläger als auch dem Musterbeklagten offen. Es handelt sich um eine zu den § § 263ff ZPO spezielle Möglichkeit der Erweiterung des Streitgegenstandes des Musterverfahrens. Daneben ist ein Rückgriff auf die Vorschriften der Klageänderung im Musterverfahren ausgeschlossen.

Das Oberlandesgericht muss die Erweiterung der Feststellung für sachdienlich erachten. Damit soll verhindert werden, dass Feststellungsanträge Gegenstand des Verfahrens werden, die beispielsweise für den Ausgang der überwiegenden Zahl der ausgesetzten Rechtsstreite nicht entscheidungserheblich sind. Diese würden das Verfahren künstlich verlängern und für die Beigeladenen ein Kostenrisiko darstellen. Eine Erweiterung wäre beispielsweise nicht sachdienlich, wenn von den Parteien des Musterverfahrens die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Anspruchsvoraussetzung begehrt wird, die soweit sie im ausgesetzten Rechtsstreit beantragt würde, offensichtlich unzulässig, unbegründet oder nicht entscheidungserheblich wäre. Nach Satz 2 wird das Recht zur Klageänderung auch den Beigeladenen eingeräumt, wenn ein entsprechender Antrag von mindestens zehn Beigeladenen gestellt wird. Mit dem Erfordernis, dass nur zehn oder mehr Beigeladene eine derartige Klageerweiterung begehren, wird ein Gleichlauf mit § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG-E gewährleistet.

Zu § 14 (Musterentscheid)

Nach Absatz 1 Satz 1 ergeht die Entscheidung des Oberlandesgerichts im Musterverfahren durch Beschluss. Der Beschluss hat dabei urteilsvertretenden Charakter. lm Falle der Säumnis der Kläger ergeht ein Säumnisbeschluss entsprechend § 330 ZPO.

Satz 2 stellt klar, dass die Beigeladenen nicht im Rubrum des Musterentscheids bezeichnet werden müssen. Bisher wird in der Gerichtspraxis meist die Beschlussform dem Urteil nachempfunden. üblicherweise werden auch die Nebenintervenienten im Rubrum aufgeführt. Demgegenüber soll die klarstellende Regelung den Gerichten im allseitigen Interesse eine schlankere Aktenführung ermöglichen und umfangreiche Beschlüsse verhindern. Der Verzicht auf die Aufführung der Beigeladenen stellt auch im Hinblick auf die Anfechtbarkeit des Musterentscheids kein Problem dar. Der Beigeladene kann mittels seines Aussetzungsbeschlusses eindeutig belegen, dass er durch den Musterentscheid beschwert ist und diesen daher mit der Rechtsbeschwerde angreifen kann.

Infolge der Anlehnung der Rechtsstellung der Beigeladenen an die Rechtsfigur der Nebenintervention und der Streitverkündung sieht Satz 3 vor, dass der Musterentscheid nur den Hauptparteien des Musterverfahrens zugestellt wird; dies entspricht insoweit vom Ergebnis der Regelung des § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Darüber hinaus sieht Satz 3 vor, dass den Beigeladenen der Musterentscheid formlos zu übersenden ist. Satz 4 sieht die Möglichkeit vor, dass die Mitteilungen einschließlich der Zustellung des Musterentscheids an den Musterkläger oder Musterbeklagten nach Satz 3 durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann. Dadurch soll bei der Durchführung eines Massenverfahrens ein für das Oberlandesgericht kostengünstiger Weg bei der Zustellung und Mitteilung des Musterentscheids eingeführt werden. Zugleich birgt die öffentliche Bekanntmachung den Vorteil in sich, dass alle Beigeladenen zeitgleich vom Lauf der Rechtsmittelfrist Kenntnis erlangen können. Bei einer postalischen Versendung wäre dies nicht unbedingt gewährleistet. Nach Satz 5 ist die öffentliche Bekanntmachung im Klageregister zu bewirken.
Das Oberlandesgericht trifft in dem Musterentscheid keinen Kostenausspruch (Absatz 2). Diese Vorschrift stellt eine Ausnahme zu § 308 Abs. 2 ZPO dar. Die Ausnahme erklärt sich daraus, dass die Prozessgerichte nach Durchführung des Musterverfahrens gegebenenfalls individuelle Anspruchsvoraussetzungen noch prüfen müssen und erst dann der Klage eines Anlegers stattgeben können oder sie abweisen müssen. Insofern erscheint es sinnvoller, dass die im Musterverfahren erwachsenen Kosten als Teil der Kosten behandelt werden, die bei den jeweils in der ausgesetzten Hauptsache befassten Prozessgerichten erwachsen (vgl. § 17 KapMuG-E).

Absatz 3 Satz 1 schließt eine Erledigung des Musterverfahrens durch übereinstimmende Erledigungserklärung nach § 91a ZPO und einen Verzicht im Musterverfahren (§ 306 ZPO) aus. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass der Musterkläger über den Streitgegenstand im Musterverfahren zu Lasten der Beigeladenen disponiert. Ein Versäumnisbeschluss gegen den Musterkläger wird nicht als unzulässig erachtet, da der Beigeladene durch sein Verhandeln eine Säumnisentscheidung gegen den nicht erschienen Musterkläger abwenden kann (§ 12 KapMuG-E).

Nach Satz 2 ist eine Beilegung des Musterverfahrens durch einen vergleichsweisen Abschluss ebenfalls ausgeschlossen. Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass der Musterkläger anderenfalls zu Lasten der Beigeladenen über das Feststellungsziel disponieren könnte. Damit soll die Rechtsstellung der Beigeladenen gestärkt werden. Dieser Ausschluss eines Vergleichs im Musterverfahren hindert jedoch die Parteien keineswegs, nach Beendigung des Musterverfahrens den Rechtsstreit durch einen Vergleich beizulegen, wenn weitere individuelle Anspruchsvoraussetzungen noch umstritten sind.

Zu § 15 (Rechtsbeschwerde)

Nach Absatz 1 Satz 1 steht den Beteiligten des Musterverfahrens die Rechtsbeschwerde gegen den Musterentscheid zu. Die Vorschrift stellt eine Bestimmung im Sinne von § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar.

Nach Satz 2 werden die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO kraft gesetzlicher Anordnung vermutet, gleichviel ob sie im Einzelfall gegeben sind oder nicht. Diese Vermutungswirkung trägt dem Umstand Rechnung, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Auslegung der Zulassungsgründe gerade keine "einfachrechtlichen" Verfahrensrügen, sondern nur Verstöße gegen "grundrechtsgleiches" Verfahrensrecht zu berücksichtigen sind (BGH, Beschluss vom 27.3.2003 - V ZR 291/02, NJW 2003, 1943 1946). Da der Ausgang
der ausgesetzten Rechtsstreite nicht nur von Rechtsfragen, sondern in vielen Fällen von der Feststellung streitiger Tatsachen abhängt und nach Abschluss des Musterverfahrens grundsätzlich niemand mehr geltend machen kann, das Musterverfahren sei unrichtig entschieden (Umkehrschluss zu § 16 Abs. 2 KapMuG-E), erscheint es jedoch sachgerecht, dass das
Rechtsbeschwerdeverfahren im Musterverfahren in vollem Umfang der Richtigkeitskontrolle dient. Daher muss es den Beteiligten des Musterverfahrens möglich sein, auch "einfachrechtliche" Verfahrensrügen vor dem Rechtsbeschwerdegericht zu erheben. Dies lässt sich insoweit rechtfertigen, als der Einzelne - ohne Durchführung eines Musterverfahrens - im zweiten Rechtszuge Verfahrensfehler, wie z.B. die fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags, geltend machen kann, und das Musterverfahren den Umfang der Richtigkeitskontrolle durch die Gerichte nicht beschränken will.

Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bestimmt sich allein nach der für den Musterkläger laufenden Frist, da nur diesem der Musterentscheid zwingend zugestellt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 3 KapMuG-E). Dies gilt selbst dann, wenn die Zustellung durch die öffentliche Bekanntmachung ersetzt wurde. Dies entspricht der Situation im Falle der einfachen Nebenintervention und der Streitverkündung, da nur der Hauptpartei das Urteil nach § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugestellt wird und sich die Rechtsmittelfristen eines Streithelfers stets nach der Frist der Hauptpartei bemessen.

Nach Satz 3 kann die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Prozessgericht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KapMuG-E zu Unrecht einen Musterentscheid eingeholt hat. Der Musterentscheid des Oberlandesgerichts kann nicht mit dem Hinweis, dass nicht die notwendige Anzahl an gleichgerichteten Musterfeststellungsanträge vorlag, angegriffen werden können. Zum anderen kann die Rechtsbeschwerde gegen den Musterentscheid nicht darauf gestützt werden, dass aufgrund eines Eintragungsfehlers im Klageregister ein eigentlich nicht zur Vorlage berechtigtes Prozessgericht ein Entscheidung eines Oberlandesgerichts eingeholt hat. Holt in einem Schadensersatzprozess gegen einen ausländischen Emittenten anstelle des LG München I das LG Stuttgart den Musterentscheid ein, ist dieser Verfahrensfehler nicht angreifbar.

Absatz 2 modifiziert die Beiladungswirkung in der Rechtsbeschwerdeinstanz. Der Beigeladene kann, soweit er nicht selbst eine Rechtsbeschwerde gegen den Musterentscheid einlegt (Absatz 4), im Rechtsbeschwerdeverfahren nur teilnehmen, wenn er diesem aktiv beitritt. Dem Beitrittserfordernis liegt die Erwägung zugrunde, dass der Beigeladene nach einem negativen Musterentscheid nicht gezwungen sein soll, in der Rechtsmittelinstanz mitwirken zu müssen und er frei über das Rechtsmittel disponieren können soll.
Satz 1 sieht vor, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Beigeladenen durch Mitteilung über den Eingang einer Rechtsbeschwerde zu unterrichten hat. Dies gilt unabhängig davon, ob der Musterkläger, der Musterbeklagte oder nur einer der Beigeladenen Rechtsbeschwerde eingelegt hat.

Nach Satz 2 können die Beigeladenen dem Rechtsbeschwerdeverfahren nur innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieser Mitteilung beitreten. Dadurch soll in der Rechtsbeschwerdeinstanz erreicht werden, dass das Musterverfahren nur mit denjenigen Beigeladenen fortgesetzt wird, die sich innerhalb der Frist für eine aktive Teilnahme erklärt haben. Satz 3 sieht vor, dass die Zustellung der Mitteilung durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann; die öffentliche Bekanntmachung wird durch Eintragung in das Klageregister bewirkt.

Nach Satz 4 ist der Beitritt binnen einer Frist von einem Monat durch Einreichen eines Schriftsatzes zu begründen. Die Begründungsfrist knüpft nach Satz 5 an die Zustellung des Beschlusses über den Eingang der Rechtsbeschwerde an. Sollte diese Frist im Einzelfall nicht ausreichen, erlaubt die Verweisung auf § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 ZPO auf Antrag eine Fristverlängerung um bis zu zwei Monate, wenn nach der freien Überzeugung des Vorsitzenden das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht verzögert wird oder der Rechtsbeschwerdeführer erhebliche Gründe darlegt (§ 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO), sowie weitere Verlängerungen, wenn der Gegner einwilligt (§ 551 Abs. 2 Satz 5 ZPO).

Nach Satz 6 wird das Musterverfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht ohne den Beigeladenen fortgeführt, wenn er sich nicht innerhalb der Notfrist des Satzes 2 erklärt. An die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist er nach § 16 Abs. 3 KapMuG-E gebunden, unabhängig davon, ob er dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten ist oder nicht.

Satz 7 erklärt § 12 KapMuG-E auf die im Rechtsbeschwerdeverfahren beitretenden Beigeladenen für entsprechend anwendbar.

Absatz 3 Satz 1 bestimmt, dass der vom Oberlandesgericht bestimmte Musterkläger Musterrechtsbeschwerdeführer ist, wenn er Rechtsbeschwerde gegen einen abweisenden Musterentscheid einlegt.

Satz 2 regelt den Sonderfall, dass der Musterrechtsbeschwerdeführer seine Beschwerde zurücknimmt. In diesem Fall wird es den Beigeladenen, die dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten sind, ermöglicht, das Musterverfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht fortzuführen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat in entsprechender Anwendung der Vorschriften des § 11 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 KapMuG-E einen neuen Musterrechtsbeschwerdeführer zu bestimmen, es sei denn, die Beigeladenen verzichten ebenfalls auf die Fortführung der Rechtsbeschwerde. Mit dieser Sonderbestimmung soll verhindert werden, dass der Musterbeklagte den Musterrechtsbeschwerdeführer durch eine finanzielle Gegenleistung zum Rechtsmittelverzicht - mit sonst nachteiligen Folgen für die Beigeladenen - bewegt.

Absatz 4 Satz 1 regelt ausdrücklich, dass der Beigeladene unabhängig vom Willen des Musterklägers Rechtsbeschwerde einlegen kann. Legt der Musterkläger keine Rechtsbeschwerde ein, so wird derjenige Beigeladene als Musterrechtsbeschwerdeführer bestimmt, der als erster das Rechtsmittel eingelegt hat. Satz 2 erklärt die Bestimmung des Absatzes 2 Satz 1 in Ansehung des Musterklägers für entsprechend anwendbar. Danach hat das Rechtsbeschwerdegericht den Musterkläger über den Eingang einer Rechtsbeschwerde, die ein Beigeladener eingelegt hat, zu unterrichten, sofern der Musterkläger selbst keine Rechtsbeschwerde einlegt.

Absatz 5 Satz 1 regelt die Einlegung der Rechtsbeschwerde durch den Musterbeklagten. Musterbeschwerdegegner ist in diesem Fall allein der vom Oberlandesgericht bestimmte Musterkläger, nicht dagegen die Beigeladenen. Satz 2 erklärt § 574 Abs. 4 der Zivilprozessordnung für die Beigeladenen für entsprechend anwendbar. Damit soll den Beigeladenen, die dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten sind, ebenfalls das Recht zur Anschlussrechtsbeschwerde eingeräumt werden.

Zu Abschnitt 3 (Wirkung des Musterentscheids; Kosten)

Abschnitt 3 behandelt die Wirkung des Musterentscheids auf die einzelnen ausgesetzten Verfahren, den Gegenstand für die Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren sowie die Kostenentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren.

Zu § 16 (Wirkung des Musterentscheids)

Nach Absatz 1 Satz 1 bindet der rechtskräftige Musterentscheid die Prozessgerichte hinsichtlich der entschiedenen Frage. Durch Satz 2 wird klargestellt, dass die Entscheidung über den Streitgegenstand des Musterverfahrens der Rechtskraft fähig ist. Dem Musterverfahren liegt ein eigener mit dem Verfahren vor dem Prozessgericht nicht identischer Streitgegenstand zu Grunde, der in Rechtskraft erwachsen kann. Der über die Bindungswirkung hinausgehenden materiellen Rechtskraftwirkung des Musterentscheids kommt besonders vor dem Hintergrund der Anerkennungsvorschriften der Verordnung (EG) Nr. 044/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) Bedeutung zu. Deren Anerkennung richtet sich vor allem nach der materiellen Rechtskraft, die sich nach dem Recht des Staates des Ausgangsgerichts bestimmt. Eine innerprozessuale Bindungswirkung soll demgegenüber nach der Verordnung (EG) nicht genügen. Durch die ausdrückliche Regelung der materiellen Rechtskraft wird klargestellt, dass der Musterentscheid im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) anerkannt wird. Nach Satz 3 wirkt der Musterentscheid unbeschadet von Absatzes 2 für und gegen die Beigeladenen des Musterverfahrens.

Satz 4 sieht vor, dass die Beiladungswirkung sich auch auf den Fall erstreckt, dass der Beigeladene in der Hauptsache seine Klage zurücknimmt. Diese angeordnete Beiladungswirkung ist zum Schutze des beklagten Emittenten vonnöten und rechtfertigt sich aus dem Charakter des Musterverfahrens, das der Bündelung von Klagen und der abschließenden Entscheidung von Musterfragen dienen soll. Einer wiederholten Klageerhebung des Klägers steht zwar nicht die Rechtskraftwirkung entgegen, jedoch muss er sich die Beiladungswirkung im Zweitverfahren entgegenhalten lassen.

Nach Satz 5 wird mit der Einreichung des rechtskräftigen Musterentscheids durch einen Beteiligten des Musterverfahrens das Verfahren in der Hauptsache wieder aufgenommen.

Absatz 2 regelt die in Absatz 1 Satz 3 angesprochene Beiladungswirkung des Musterentscheids und sieht hierfür die Ausnahmen von der Bindungswirkung vor. Die Beiladungswirkung ist in Anlehnung an das Vorbild der Interventionswirkung nach § 68 ZPO konzipiert. Sie ergreift nicht nur den Subsumtionsschluss im Musterentscheid, sondern auch dessen tatsächliche und rechtliche Grundlagen. Die Beiladungswirkung ist von Amts wegen bei den Entscheidungen über die ausgesetzten Rechtsstreite zwischen den Beigeladenen und dem Musterbeklagten zu berücksichtigen (Absatz 1 Satz 3).

Grundsätzlich wird der Beigeladene im Verhältnis zum Musterbeklagten in seinem Rechtsstreit nicht mit der Behauptung gehört, dass das Musterverfahren, wie es dem Oberlandesgericht vorgelegen habe, unrichtig entscheiden worden sei. Ebenso wenig wird der Beigeladene aufgrund der Beiladungswirkung mit der Behauptung gehört, dass der Musterkläger
das Musterverfahren mangelhaft geführt habe, es sei denn, die in Absatz 2 statuierten Ausnahmen liegen vor.

Danach ist der Einwand mangelhafter Prozessführung nicht ausgeschlossen, soweit der Beigeladene gehindert war, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, und zwar durch die Lage des Musterverfahrens zur Zeit seiner Beiladung oder durch Erklärungen und Handlungen des Musterklägers, zu denen er sich gemäß § 12 KapMuG nicht wirksam in Widerspruch setzen konnte. Ferner tritt die Beiladungswirkung nicht ein, wenn Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die dem Beigeladenen unbekannt waren, von dem Musterkläger absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht worden sind.

Allen Ausnahmen ist gemein, dass sie die Beiladungswirkung der Entscheidung gegen den Beigeladenen dort nicht eintreten lassen, wo der Beigeladene keinen hinreichenden Einfluss auf die Entscheidung im Musterverfahren nehmen konnte. Die erste Ausnahme ist in Abhängigkeit von der Regelung des § 12 1. Hs. KapMuG-E zu sehen. Die zweite Ausnahme rechtfertigt sich aus der Abhängigkeit des Beigeladenen von dem Musterkläger, da sich ersterer nicht in Widerspruch zu Erklärungen und Handlungen des Musterklägers setzen darf. Der Beigeladene bleibt nur Dritter und hat keine eigene Parteirolle inne. Die dritte Ausnahme schützt den Beigeladenen davor, dass die Bindungswirkung auch eintritt, soweit der Musterkläger absichtlich oder grob fahrlässig Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend macht, die dem Beigeladenen unbekannt waren, schützt ihn also vor dolus und culpa des Musterklägers.

Die vorgeschlagene Beiladungswirkung muss sich an den individualistisch geprägten Rechtsschutzgrundsätzen des deutschen Verfassungs- und Prozessrechts, insbesondere dem Rechtsstaatsprinzip, messen lassen. Dieses verlangt einen wirkungsvollen Rechtsschutz in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten (vgl. BVerfGE 80, 103, 107; 85, 337, 345; 97, 169, 185): "Der Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter" (BVerfGE 85, 337, 345). Dieser Justizgewährungsanspruch bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung, wie er sie im Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht erfahren hat. Daraus können sich im Einzelfall auch Begrenzungen des Rechtsschutzes ergeben. "Solche Einschränkungen müssen aber mit Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den einzelnen Rechtssuchenden nicht unverhältnismäßig belasten" (BVerfGE 88, 118, 124). Maßgeblicher rechtsstaatlicher Maßstab ist mithin die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines
Anspruchs auf lückenlose tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 263, 274 zu Artikel 19 Abs. 4 GG - st. Rspr.)

Die Einführung eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ist mit dem Justizgewährungsanspruch insoweit vereinbar, als die vorgeschlagene Bindungswirkung des Musterentscheids nicht unverhältnismäßig weit reicht. Die Erstreckung einer Beiladungswirkung nach dem Vorbild der Interventionswirkung gemäß § 68 ZPO auf die Beigeladenen stellt dabei eine zulässige Modifikation des individuellen Anspruchs auf ein gerichtliches Verfahren dar. Denn die Betroffenen haben nach wie vor die Möglichkeit, über ihre Stellung als Beigeladene Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen und dadurch den Verlauf des Verfahrens zu beeinflussen.

Absatz 3 regelt für das Rechtsbeschwerdeverfahren die Wirkung des Musterentscheids für den ausgesetzten Rechtsstreit in der Hauptsache. Dabei ist es für die Wirkung des Musterentscheid unerheblich, ob der Beigeladene am Rechtsbeschwerdeverfahren teilgenommen hat oder nicht.

Zu § 17 (Gegenstand der Kostenentscheidung im Prozessverfahren)

Satz 1 sieht vor, dass die dem Musterkläger und den Beigeladenen im erstinstanzlichen Musterverfahren erwachsenen Kosten als Teil der Kosten des ersten Rechtszugs der jeweiligen Hauptsache gelten. Zu den Kosten im Musterverfahren gehört insbesondere die Vergütung des eigenen Prozessbevollmächtigten, z.B. für die Wahrnehmung eines Termins, wenn nicht bereits im Hauptsacheverfahren eine Terminsgebühr entstanden ist. Die gerichtlichen Auslagen (wie z.B. die Sachverständigenvergütung) werden hingegen bereits durch die Regelung in Artikel 4 Nr. 9 Buchstabe h (Nummer 9019 KV GKG-E) den erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren zugewiesen.

Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug des Hauptsacheverfahrens bezieht sich somit ohne Weiteres auch auf die Kosten des erstinstanzlichen Musterverfahrens, soweit das Gericht nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (vgl. Satz 5). Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist auf die im erstinstanzlichen Musterverfahren anfallenden Kosten beschränkt. Für die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gelten eigene Regelungen, vorbehaltlich § 19 Abs. 4 KapMuG-E ist hier stets eine gesonderte Kostenentscheidung zu treffen.
Nach den Sätzen 2 bis 4 werden die dem Musterbeklagten im erstinstanzlichen Musterverfahren entstehenden Kosten auf die zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren verteilt. Der auf das einzelne Prozessverfahren entfallenden Anteil an den Kosten des Musterbeklagten im erstinstanzlichen Musterverfahren bestimmt sich nach dem Verhältnis der Höhe des von dem jeweiligen Kläger im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist, zu der Summe der Ansprüche aus allen Prozessverfahren, auf die die Auslagen zu verteilen sind. Die Prozessverfahren, in denen die Klage innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses zurückgenommen wird, werden bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Die Vorschrift entspricht der für die Verteilung der gerichtlichen Auslagen in Artikel 4 Nr. 9 Buchstabe h (Nummer 9019 KV GKG-E) vorgesehen Regelung.

Sind der Musterkläger und die Beigeladen dem Musterbeklagten in den Hauptsacheverfahren zur Kostenerstattung verpflichtet, so beschränkt sich die Haftung für die dem Musterbeklagten im erstinstanzlichen Musterverfahren erwachsenen Kosten jeweils auf den sich aus den Sätzen 3 und 4 ergebenden Bruchteil. Eine gesamtschuldnerische Haftung des Musterklägers und der Beigeladenen besteht insoweit nicht.

Satz 5 erklärt § 96 der Zivilprozessordnung für entsprechend anwendbar. Unterliegt beispielsweise der Musterbeklagte im Musterverfahren, obsiegt er jedoch in der ausgesetzten Hauptsache, weil eine individuelle Anspruchsvoraussetzung vom Kläger nicht dargelegt werden konnte, so ist jedenfalls das im Musterverfahren vorgebrachte Verteidigungsmittel ohne Erfolg geblieben, so dass er die dort entstandenen zusätzlichen Kosten zu tragen hat. Ebenso hat der Musterkläger oder der Beigeladene die anteilig ausscheidbaren Kosten des Musterverfahrens zu tragen, wenn die Angriffsmittel im Musterverfahren gegenüber dem Beklagten ohne Erfolg geblieben sind, der Kläger seinen Anspruch in der Hauptsache aufgrund eines weiteren Hilfsvortrags erfolgreich durchsetzen kann.

Zu § 18 (Verstoß gegen die Vorlagevoraussetzungen an das Oberlandesgericht)

Die Vorschrift stellt ebenso wie § 15 Abs. 1 Satz 3 KapMuG-E klar, dass die Bindungswirkung eines Musterentscheids nach § 16 Abs. 1 KapMuG-E nicht mit Hinweis auf einen etwaigen Verstoß gegen die Vorlagevoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 KapMuG-E in der Berufungs- oder Revisionsinstanz angegriffen werden kann.

Zu § 19 (Kostenentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren)

Absatz 1 regelt nach dem Vorbild des § 97 Abs. 1 ZPO die Kostentragungspflicht des Musterklägers und der in der Rechtsbeschwerdeinstanz beigetretenen Beigeladenen für eine ohne Erfolg eingelegte Rechtsbeschwerde.

Absatz 2 regelt die Kostentragungspflicht für den Fall, dass das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache selbst entscheidet und der Musterbeklagte erfolgreich Rechtsbeschwerde gegen den Musterentscheid des Oberlandesgerichts eingelegt hat. In diesem Fall hat er sowohl gegen den Musterkläger als auch gegen alle Beigeladenen einen Kostenerstattungsanspruch. Bei der Verteilung ist der Grad ihrer Beteiligung im erstinstanzlichen Musterverfahren entscheidend. Diese zu Absatz 1 asymmetrische Kostenerstattungsregelung ist vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Erfolg der Rechtsbeschwerde des Musterbeklagten sich nicht nur auf den Musterkläger erstreckt, sondern auf alle Beigeladenen, unabhängig ob sie im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt waren oder nicht.

Absatz 3 ordnet bei teilweisem Obsiegen und Unterliegen eine entsprechende Anwendung von § 92 ZPO an. Die entsprechende Anwendung folgt aus dem Umstand, dass bei teilweisem Obsiegen und Unterliegen sowohl der Musterkläger als auch alle Beigeladenen, auch wenn sie gar nicht am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt waren, von der Kostentragungspflicht erfasst werden sollen.

Hebt das Rechtsbeschwerdegericht den Musterentscheid auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück, trifft nach Absatz 4 Satz 1 das Rechtsbeschwerdegericht keine Kostenentscheidung. In diesem Fall entscheidet das Oberlandesgericht mit Erlass des neuen Musterentscheids über die Kosten der Rechtsbeschwerde. Dabei soll das Gericht der Kostenentscheidung nach billigem Ermessen zugrunde legen, ob und ggf. inwieweit der Inhalt des neuen Musterentscheids von dem des ursprünglich ergangenen abweicht (Satz 2). Nach Satz 3 gilt § 99 Abs. 1 ZPO entsprechend.

Die in Absatz 5 vorgesehene Beschränkung der Kostenerstattungspflicht ist einer Regelung nachgebildet, wie sie beispielsweise § 247 AktG, § 144 PatG und § 26 GebrMG vorsehen. In den dort genannten Fällen erfolgt jedoch eine Reduzierung des Streitwerts, aus dem die zu erstattenden Kosten berechnet werden, nicht kraft Gesetzes, sondern auf Antrag durch das Prozessgericht, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Wert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. lm Musterverfahren ist eine solche Einzelfallentscheidung entbehrlich. Das wirtschaftliche Interesse
der einzelnen Beteiligten ist durch den Klageantrag im jeweiligen Hauptsacheverfahren sowie die persönliche Beschwerde im Rechtsbeschwerdeverfahren exakt begrenzt und kann daher in allen Anwendungsfällen als "persönlicher" Streitwert herangezogen werden. Für die Gerichtskostenhaftung des Musterklägers und der Beigeladenen gegenüber der Staatskasse sieht Artikel 4 Nr. 7 (§ 51a Abs. 2 GKG-E) eine vergleichbare Regelung vor.

Bei der Bestimmung des Streitwerts für die Gerichtsgebühren im Rechtsbeschwerdeverfahren ist von den Ansprüchen aus sämtlichen ausgesetzten Hauptsacheverfahren auszugehen (vgl. Artikel 4 Nr. 7 § 51a Abs. 1 GKG-E). Legt der Musterkläger oder ein Beigeladener Rechtsbeschwerde ein und bleibt diese ohne Erfolg, haften der Musterrechtsbeschwerdeführer und die beigetretenen Beigeladenen für die Gerichtsgebühren der Rechtsbeschwerde sowohl als Antragsteller- als auch als Entscheidungsschuldner, jedoch lediglich nach ihrem jeweiligen "persönlichen" Streitwert (vgl. Artikel 4 Nr. 7 § 51a Abs. 2 GKG-E). Der Musterbeklagte hat in diesem Fall gegen den Musterrechtsbeschwerdeführer und die beigetretenen Beigeladenen einen Anspruch auf Erstattung der ihm im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen Kosten. Da der Prozessbevollmächtigte des Musterbeklagten seine Gebühren aus dem Gesamtwert erhält, der Musterrechtsbeschwerdeführer und die beigetretenen Beigeladenen die Gebühren jedoch jeweils nur nach ihrem "persönlichen" Wert zu erstatten haben, kann es dazu kommen, dass dem Musterbeklagten nur ein Teil seiner Kosten erstattet wird.

Legt ein Musterkläger oder ein Beigeladener erfolgreich Rechtsbeschwerde ein und entscheidet das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache selbst, haftet der Musterbeklagte als Entscheidungsschuldner für die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Die Gebühren werden dann aus dem vollen Wert erhoben. Zugleich hat der Musterbeklagte dem Rechtsbeschwerdeführer und den beigetretenen Beigeladenen die ihnen im Rechtsbeschwerdeverfahren erwachsenen Kosten zu erstatten ( § 91 ZPO).

Legt der Musterbeklagte Rechtsbeschwerde ein, so haftet er als Antragsteller für die Gerichtsgebühren aus dem vollen Wert. lst die Rechtsbeschwerde erfolglos, hat er dem Musterkläger und den Beigeladenen die ihnen erwachsenen Kosten zu erstatten. lm Fall seines Obsiegens hat er einen Anspruch gegen den Musterkläger und sämtliche Beigeladene, unabhängig davon, ob diese sich aktiv am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt haben. Geschuldet wird jeweils eine Erstattung nach dem "persönlichen" Streitwert.

Nach der vorgesehenen Kostenerstattungsregelung trägt der Musterbeklagte das Kostenrisiko für den Fall, dass die Summe der ihm zu erstattenden Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren geringer ist als die von ihm aus dem Gesamtwert gezahlten Gebühren. Eine solche Verteilung des Prozesskostenrisikos erscheint indes unvermeidlich. Für den Musterbeklagten kommt eine Haftungsbeschränkung nicht in Betracht, da die im Rechtsbeschwerdeverfahren getroffene Entscheidung in sämtlichen zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren für bzw. gegen ihn wirkt. Eine Erweiterung der Erstattungspflicht des Musterklägers und der Beigeladenen würde für diese ein enormes zusätzliches Kostenrisiko bedeuten und ihnen den Zugang zur Rechtsbeschwerdeinstanz faktisch versperren. Wie im Verfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz führt die nunmehr auch im Bereich des Musterverfahrens vorgesehene Verschiebungen des Kostenrisikos zu Gunsten des Anspruchstellers und zu Lasten des an dem Verfahren beteiligten Unternehmens zu einer Stärkung des Rechtsschutzes für Anleger.

Artikel 2 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Die Änderung der Inhaltsübersicht beruht auf der nachstehenden Regelung, mit der ein ausschließlicher Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO-E) eingeführt wird, sowie auf der Regelung zur Feststellungswirkung des Musterentscheids (§ 325a ZPO-E).

Zu Nummer 2 (§ 32b Ausschließlicher Gerichtsstand bei falschen, irreführenden oder unterlassenen öffentlichen Kapitalmarktinformationen)

Die Regelung sieht in Absatz 1 einen ausschließlichen Gerichtsstand bei Klagen vor, mit denen der Ersatz eines auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens oder vertragliche Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruhen, geltend gemacht werden. In diesem Gerichtsstand können unter anderem der Emittent, sein Emissionsbegleiter, die Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans und ein Bieter im Sinne von § 2 Abs. 4 WpüG in Anspruch genommen werden.

Zuständig ist das Gericht am Sitz des Emittenten oder der Zielgesellschaft. Als Sitz des Emittenten oder der Zielgesellschaft gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Begriff der öffentlichen Kapitalmarktinformation ist in § 1 Abs. 1 Satz 3 KapMuG-E legal definiert. Die neue Regelung tritt an die Stelle der bisherigen § § 48 BörsG sowie § 13 Abs. 2 VerkaufsprospektG. Die Neuregelung hat keine Auswirkung auf bereits eingeleitete Rechtsstreite; insbesondere führt sie zu keiner Verweisung wegen Unzuständigkeit nach § 281 ZPO.

Durch den neuen ausschließlichen Gerichtsstand wird bei Schadensersatzklagen wegen falscher öffentlicher Kapitalmarktinformationen aller Voraussicht nach nur ein Sachverständigengutachten erforderlich sein, um die beweiserheblichen Behauptungen zu klären. Dies führt zur Beschleunigung des Verfahrens und bewirkt eine erhebliche Kostenersparnis für alle Beteiligten. Ferner wird die in der Praxis häufig schwierige Gewinnung von geeigneten Sachverständigen erleichtert, da nur ein einziger Sachverständiger eingeschaltet werden muss, während ohne die vorgesehene Konzentration möglicherweise in mehreren Verfahren bei verschiedenen Gerichten eine Vielzahl von Sachverständigen Gutachten zu erstellen hätten. Die vorgeschlagene Regelung wirkt, soweit regelbar, auch einer Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten auf Grund verschiedener Gerichtsstände entgegen, die sich aus der ansonsten in Betracht kommenden Gerichtsständen des Sitzes des Beklagten, der unerlaubten Handlung oder des Vermögens nach internationalem Zivilprozessrecht ergeben könnten.

Die eben aufgezeigten Vorteile, insbesondere der einer einheitlichen, kostengünstigen Beweisaufnahme, überwiegen den mit der Zuständigkeitskonzentration verbundenen Nachteil, wonach die geschädigte Partei nicht mehr die Möglichkeit hat, am ortsnahen Gericht des Erfolgsorts zu klagen. Dieser Nachteil wiegt jedoch insoweit nicht schwer, als zur Feststellung von fehlerhaften oder irreführenden Kapitalmarktinformationen stets auf Unternehmensdaten und die verlautbarten Adhoc-Mitteilungen am Sitz des Unternehmens zurückgegriffen werden muss. Der Gerichtsstand des Erfolgsorts stellt daher bei der Aufklärung der Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit von Kapitalmarktinformationen kein geeignetes Anknüpfungsmoment dar.

Der ausschließliche Gerichtsstand nach Satz 1 gilt nach Nummer 1 für außervertragliche Schadensersatzklagen auf Grund falscher Kapitalmarktinformationen. An diesem Gerichtsstand können daher die Schadensersatzansprüche nach §§ 37b und 37c WpHG, Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB sowie den nebenstrafrechtlichen Schutzgesetzen des § 400 AktG und des § 331 HGB geltend gemacht werden. Ferner gilt der ausschließliche Gerichtsstand nach Satz 1 Nummer 2 für vertragliche Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruhen. Satz 2 stellt klar, dass der ausschließliche Gerichtsstand nur bei Emittenten oder Zielgesellschaften mit Sitz in Deutschland gilt. Insoweit wird nur die örtliche ausschließliche, nicht dagegen die internationale Zuständigkeit geregelt. Einer anderweitigen Regelung stünde etwa schon die Verordnung (EG) des Rates Nr. 044/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG 2001 Nr. L 12 S. 1) entgegen.

Absatz 2 sieht eine Verordnungsermächtigung vor, mit deren Hilfe die Länder die Rechtsstreite beim Eingangsgericht stärker, als in Absatz 1 vorgesehen, bündeln können.

Zu Nummer 3 ( § 325a ZPO Feststellungswirkung des Musterentscheids)

Die Vorschrift soll klarstellen, dass sich die Feststellungswirkungen des Musterentscheids nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richten. Der Musterentscheid ist nicht nur nach § 16 Abs. 1 Satz 2 der materiellen Rechtskraft fähig, sondern entfaltet gegenüber den Beigeladenen einer der Interventionswirkung (§§ 68, 74 ZPO) vergleichbare Bindungswirkung. Durch diese deutliche Herausstellung in der Zivilprozessordnung soll sichergestellt werden, dass ein Musterentscheid auch von ausländischen Gerichten anerkannt wird. Die Frage der Anerkennungsfähigkeit spielt im Zusammenhang mit § 16 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 KapMuG-E eine bedeutende Rolle. Nimmt ein Beigeladener seine Klage gegen einen ausländischen Emittenten während des Musterverfahrens zurück und verklagt diesen am Sitz der Gesellschaft, so soll die Bindungswirkung des Musterentscheids nach § 16 Abs. 1 Satz 4 KapMuG-E iVm. § 325a ZPO auch von den ausländischen Gerichten beachtet werden.

Artikel 3
(Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 71 GVG)

Die Vorschrift des § 71 Abs. 2 GVG regelt die sachliche Zuständigkeit der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Die vorgeschlagene Regelung des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG-E sieht vor, dass für Schadensersatzansprüche auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen das Landgericht zuständig ist. Dadurch soll eine Bündelung bei einem Eingangsgericht erreicht werden. Für die vertragliche Erfüllungsansprüche, die auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und übernahmegesetz beruhen, folgt die sachliche Zuständigkeit aus § 66 Abs. 1 Satz 1 WpüG, so dass es keiner Erweiterung des § 71 Abs. 2 GVG bedarf.

Zu Nummer 2 (§ 95 GVG)

Die Änderungen in Nummer 2 bereinigen ein Redaktionsversehen, welches auf Grund der Neuordnung des Börsengesetzes im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz (BGBl. 2002 I S. 2010) entstanden ist.

Zu Nummer 3 (§ 118 GVG)

Die Vorschrift regelt eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte zur Verhandlung und Entscheidung über Musterentscheide. Die Bestimmung des Oberlandesgerichts zur Verhandlung und Entscheidung des Musterverfahrens in erster Instanz findet seine Berechtigung zum einen darin, dass die Erfahrung und die zu erwartende Spezialisierung der Senate am Oberlandesgericht eine hohe Richtigkeitsgewähr der getroffenen Entscheidung gewährleistet. Zum anderen spricht für die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte die Tatsache, dass der Musterentscheid verschiedene Prozessgerichte bindet, wenn gegen einen ausländischen Emittenten an den jeweiligen Prozessgerichte Musterfeststellungsanträge gestellt wurden. Insofern lehnt sich die vorgeschlagene Entscheidungszuständigkeit und die vertikale Bindungswirkung an das Modell des früheren Rechtsentscheids in Mietsachen (§ 541 a.F. ZPO) an.

Zu Nummer 4 (119 GVG)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu der vorgesehenen Einfügung des 118 GVG-E (vgl. Nummer 3).

Artikel 4
(Änderung des Gerichtskostengesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu der vorgesehenen Einfügung des § 51a GKG (vgl. Nummer 7).

Zu Nummer 2 ( § 1 GKG)

Die Regelung bestimmt, dass für die Kosten des Musterverfahrens das Gerichtskostengesetz anwendbar ist.

Zu Nummer 3 ( § 5 GKG)

Die im erstinstanzlichen Musterverfahren entstehenden Auslagen zählen zu den Auslagen des ersten Rechtszugs des zugehörigen Prozessverfahrens und werden erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens fällig (vgl. Nummern 4 und 9 Buchstabe h). Das Prozessverfahren kann - z.B. im Fall der Klagerücknahme - bereits vor dem Musterverfahren beendet sein und dadurch die Verjährung in Gang setzen. Die vorgeschlagene Regelung stellt sicher, dass ungeachtet dessen auch für die Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens die volle Verjährungsfrist erhalten bleibt.

Zu Nummer 4 ( § 9 GKG)

Da die Auslagen des ersten Rechtszugs des Musterverfahrens zu den Kosten der erstinstanzlichen Prozessverfahren zählen und im Lauf des Musterverfahrens neue Kostenschuldner durch Beiladung zum Verfahren hinzukommen können, steht die auf die einzelnen Hauptsacheverfahren entfallende Kostenquote erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Musterverfahrens fest. Nach dem derzeitigen § 9 Abs. 1 GKG werden Auslagen u.a. dann fällig, wenn eine unbedingte Entscheidung über die Kosten ergangen ist. Um zu verhindern, dass durch Rücknahme der Hauptsacheklage die Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens fällig werden, bevor diese abschließend beziffert werden können, sieht die vorgeschlagene Regelung eine abweichende Regelung zur Fälligkeit der Auslagen des Musterverfahrens vor. Dadurch können aufwändige Nachberechnungen vermieden werden.

Zu Nummer 5 ( § 17 GKG)

Die Regelung sieht vor, dass im Musterverfahren keine Auslagenvorschüsse erhoben werden. Insbesondere betrifft dies die regelmäßig anfallende Sachverständigenvergütung. Bei einer Abhängigmachung der Beauftragung des Sachverständigen von der vorherigen Zahlung der Kosten wären erhebliche unerwünschte Auswirkungen auf das Verfahren zu erwarten. So wäre etwa ein allein vorschusspflichtiger Musterkläger gezwungen, Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, wenn er die meist erheblichen Sachverständigenkosten nicht alleine aufbringen könnte. Die Abhängigmachung würde dadurch ins Leere laufen. Würde
der Musterkläger zahlen, könnte er einen Anspruch gegen die Beigeladenen auf anteilige Erstattung der Kosten voraussichtlich nur mit erheblichem Aufwand für sich selbst und für die Gerichte geltend machen. Der Musterkläger wäre womöglich gezwungen, zur Durchsetzung seiner Ansprüche diese Forderungen titulieren zu lassen. Bei Nichtzahlung durch einen Verpflichteten wäre dieser Teilbetrag dann wiederum auf die übrigen Beigeladenen zu verteilen. Bei einer Verteilung der Vorschusspflicht auf den Musterkläger und alle Beigeladen würde die Nichtzahlung durch einen Beteiligten zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen. Zudem wäre damit ein enormer zusätzlicher Verwaltungsaufwand verbunden, da der ausstehende Betrag anteilig von allen übrigen Vorschusspflichtigen angefordert werden müsste. Aus diesen Gründen wird von einer Vorschusserhebung abgesehen.

Zu Nummer 6 ( § 22 GKG)

lm Zivilprozess haftet nach § 22 Abs. 1 GKG grundsätzlich der Antragsteller der Instanz für die im jeweiligen Rechtszug entstehenden Kosten. Durch die vorgeschlagene Regelung wird diese unmittelbare Antragstellerhaftung für das erstinstanzliche Musterverfahren ausgeschlossen. Stattdessen werden durch die Regelung in Nummer 9 Buchstabe h die Kosten des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Verhältnis der jeweils im Hauptsacheprozess geltend gemachten Ansprüche auf die zu Grunde liegenden Prozessverfahren verteilt. Die dortige Antragstellerhaftung erstreckt sich somit nur auf diesen Teilbetrag. Die Attraktivität des Musterverfahrens wird dadurch erhöht, da ein Kläger, der einen Musterfeststellungsantrag stellt, kein zusätzliches Prozesskostenrisiko übernehmen muss. lm Vergleich zu einem Zivilprozess ohne Musterverfahren wird sein Kostenrisiko durch eine Verteilung der Sachverständigenkosten sogar erheblich reduziert. Eine Zweitschuldnerhaftung der Antragsteller im Musterverfahren würde zudem in der Praxis zu erheblichen Problemen führen, da der Kostenansatz im Hauptsacheverfahren erfolgt und die für die Inanspruchnahme der Zweitschuldner erforderlichen Informationen zunächst mühsam aus den Akten aller anderen Prozessverfahren ermittelt werden müssten.

Die für die Antragstellerhaftung im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgeschlagene Regelung sieht vor, dass neben dem Rechtsbeschwerdeführer auch diejenigen Beigeladenen für die Kosten haften, die der Rechtsbeschwerde auf der Seite des Rechtsbeschwerdeführers beigetreten sind, da diese sich aktiv am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligen. Zwar gilt die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch für die nicht beigetretenen Beigeladenen. Da diese jedoch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht gehört werden, sieht die Regelung vor, dass sie auch nicht für die dort entstehenden Kosten haften. Soweit der Musterbeklagte die Rechtsbeschwerde erhoben hat, kommt für die Beigeladenen neben der Entscheidungsschuldnerhaftung eine Antragstellerhaftung nur dann in Betracht, wenn sie selbst Anschlussbeschwerde einlegen oder einer solchen beitreten.

Zu Nummer 7 ( § 51a GKG)

Absatz 1 regelt die Bemessung des für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwerts im Rechtsbeschwerdeverfahren. Dabei kommt es - abweichend von der Regelung des § 47 GKG - nicht nur auf den Antrag des Rechtsmittelführers an. Da der Musterentscheid auch gegen die Beigeladenen wirkt, die dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind (§ 16 Abs. 3 KapMuG-E), sind auch deren in den Hauptsacheverfahren geltend gemachten Ansprüche bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen. Einer Streitwertregelung für das erstinstanzliche Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht bedarf es nicht, da insoweit keine Gerichtsgebühren entstehen.

Das wirtschaftliche Interesse eines Klägers im Musterverfahren kann nie höher sein als im Hauptsacheprozess. Deshalb sieht Absatz 2 vor, dass der Musterkläger und die Beigeladenen nur für Gerichtsgebühren aus den ihnen jeweils zurechenbaren Teilen des Gesamtstreitwerts haften. Diese Teile bestimmen sich nach der Höhe der von ihnen im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Ansprüche, soweit diese Gegenstand des Musterverfahrens sind, sowie der persönlichen Beschwer im Rechtsbeschwerdeverfahren. Die Haftungsbeschränkung erfasst die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstehende Gerichtsgebühr, nicht jedoch die Auslagen. Die Regelung trägt dazu bei, Prozesskostenhilfeverfahren zu vermeiden, die im Fall einer unbegrenzten Gebührenhaftung in größerer Zahl zu erwarten wären.

Die Gebührenermäßigungsvorschrift wurde einer Regelung nachgebildet, wie sie beispielsweise § 247 AktG, § 144 PatG und § 26 GebrMG vorsehen. In den dort genannten Fällen erfolgt jedoch eine Reduzierung des Streitwerts nicht kraft Gesetzes, sondern auf Antrag durch das Prozessgericht, wenn eine Partei glaubhaft macht, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde. lm Musterverfahren ist eine solche Einzelfallentscheidung entbehrlich. Das wirtschaftliche Interesse der einzelnen Beteiligten ist exakt begrenzt und kann daher in allen Anwendungsfällen als "persönlicher" Streitwert herangezogen werden.

Zu Nummer 8 ( § 66 GKG)

Die im erstinstanzlichen Musterverfahren entstandenen Auslagen werden anteilig in den zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren erhoben (vgl. Nummer 9 Buchstabe a, h). Für die
Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens ist die Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG, nach der über Erinnerungen gegen den Kostenansatz grundsätzlich das Gericht entscheidet, bei dem die Kosten angesetzt sind, nicht sachgerecht. Lediglich das Oberlandesgericht, das das Musterverfahren durchgeführt hat, verfügt in seinen Verfahrensakten über die nötigen Informationen, um über die Verteilung der Kosten auf die einzelnen Hauptsacheverfahren entscheiden zu können. Die Änderung eines Kostenansatzes in diesem Bereich erfordert zudem regelmäßig auch eine Neuberechnung der auf die anderen Hauptsacheverfahren entfallenden Auslagenanteile, die nur das Oberlandesgericht vornehmen kann. Nach der Regelung entscheidet das für die Durchführung des erstinstanzlichen Musterverfahrens zuständige Oberlandesgerichts abschließend über die Kostenerinnerung, soweit diese sich gegen den Ansatz der Auslagen für diesen Rechtszug wendet. Dadurch werden sich gegenseitig widersprechende Erinnerungsentscheidungen in den Einzelverfahren vermieden und Unklarheiten bei der Verteilung der Auslagen des Musterverfahrens verhindert. Für den Teil der Erinnerung, die sich auf den Ansatz anderer Kosten bezieht, verbleibt es bei der Zuständigkeitsregelung des § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Zu Nummer 9 (Kostenverzeichnis zum GKG)

Zu Buchstabe a (Vorbemerkung 1.2.1 KV GKG)

Durch die Einführung des Musterverfahrens werden die Zivilgerichte entlastet. Komplexe gleichgelagerte Beweisaufnahmen können in einer Vielzahl von Verfahren vermieden werden durch Zusammenfassung in einem Musterverfahren. Da die Gerichtsgebühren in den einzelnen Hauptsacheverfahren jedoch in voller Höhe erhalten bleiben, erscheint es sachgerecht, für das erstinstanzliche Musterverfahren keine gesonderten Gerichtsgebühren zu erheben. Aus kostenrechtlicher Sicht gilt das erstinstanzliche Musterverfahren als Teil des ersten Rechtszugs der zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren. Dies gilt auch dann, wenn sich das Hauptsacheverfahren bei der Aussetzung nach § 7 KapMuG-E bereits in der Rechtsmittelinstanz befindet.

Zu Buchstabe b (Nummer 1211 KV GKG)

Nach der Regelung findet eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr für das Hauptsacheverfahren nicht statt, wenn im Musterverfahren bereits ein Musterentscheid erlassen wurde. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob der Musterentscheid bei Verwirklichung des Tatbestands, der ansonsten zu einer Gebührenermäßigung führen würde, bereits rechtskräftig war. Für das erstinstanzliche Musterverfahren werden keine gesonderten Gebühren erhoben. Vielmehr wird das Verfahren durch die Gebühren für den ersten Rechtszug der zu Grunde liegenden Hauptsacheverfahren abgegolten. Es erscheint daher sachgerecht, in Anwendung des Grundgedankens der Ermäßigungsvorschrift Nummer 1211 KV GKG eine Gebührenermäßigung nur so lange zu ermöglichen, wie im Musterverfahren noch keine rechtszugbeendende Entscheidung getroffen wurde.

Zu Buchstaben c bis e (Nummer 1821 bis 1823 KV GKG)

Die Regelung sieht vor, dass für das Rechtsbeschwerdeverfahren eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 5,0 erhoben wird. Wird das gesamte Verfahren durch Zurücknahme der Rechtsbeschwerde beendet, bevor die Schrift zur Begründung der Rechtsbeschwerde bei Gericht eingegangen ist, ermäßigt sich die Gebühr auf einen Gebührensatz von 1,0. Dies entspricht der für die Revision und die Rechtsbeschwerde nach § 74 GWB geltenden Gebührenregelung. Die Höhe der Gebühr erscheint im Hinblick auf die Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands und den durch die Vielzahl von Beteiligten bedingten tatsächlichen Aufwand angemessen.

Zu Buchstabe f (Nummer 9000 KV GKG)

Nach Nummer 9000 Nr. 1 KV GKG beträgt die Dokumentenpauschale jeweils 0,50 Euro für die ersten 50 Seiten und 0,15 Euro für jede weitere Seite. Zwar gilt nach der neu einzufügenden Vorbemerkung 1.2.1 (vgl. Nummer 9 Buchstabe a) das erstinstanzliche Musterverfahren als Teil des ersten Rechtszugs des Prozessverfahrens. Zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen den ersten 50 Seiten und den weiteren Seiten sieht die Regelung jedoch vor, dass die Dokumentenpauschale im erstinstanzlichen Musterverfahren gesondert zu berechnen ist. Dass die Dokumentenpauschale auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren gesondert zu berechnen ist, ergibt sich bereits aus Absatz 1 Satz 1 der Anmerkung zu Nummer 9000 KV GKG.

Zu Buchstabe g (Nummer 9002 KV GKG)

Eine Nichterhebung von Auslagen für die ersten zehn Zustellungen kommt nur dann in Betracht, wenn diese neben Gebühren anfallen, die sich nach dem Streitwert richten (Anmerkung zu Nummer 9002 KV GKG). Diese Gebühren sind so kalkuliert, dass sie die nicht erhobenen Zustellungsauslagen mit abgelten. Da im erstinstanzlichen Musterverfahren keine gesonderten Gerichtsgebühren entstehen, ist es sachgerecht, hier die Auslagen für sämtliche Zustellungen zu erheben. Dadurch wird zudem die Abrechnung erleichtert.
Zu Buchstabe h (Nummer 9019 KV GKG)

Für die Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens gibt es keinen gesonderten Antragstellerschuldner (vgl. Nummer 6). Eine Kostenentscheidung trifft das Oberlandesgericht nicht. Vielmehr gilt das erstinstanzliche Musterverfahren als Teil des ersten Rechtszugs des Prozessverfahrens (vgl. Nummer 9 Buchstabe a). Nach dem vorgeschlagenen Auslagentatbestand werden die Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens (Gebühren fallen nicht an) auf die zu Grunde liegenden Prozessverfahren verteilt. Diese verteilten Auslagen unterliegen damit den Kostenhaftungsvorschriften des jeweiligen Hauptsacheverfahrens. Zum einen werden sie dadurch von der Kostenentscheidung in der Hauptsache erfasst. Zum anderen haftet der jeweilige Kläger für sie als Antragsteller der Instanz nach § 22 Abs. 1 GKG. Dies erscheint sachgerecht, da im Musterverfahren eine aus den Hauptsacheverfahren ausgegliederte Beweisaufnahme stattfindet mit einem für das Prozessverfahren bindenden Ergebnis. Bei Durchführung der Beweisaufnahme in den jeweiligen Hauptsacheverfahren trüge der Kläger ein wesentlich höheres Prozesskostenrisiko, da er als Antragsteller für die gesamten Sachverständigenkosten haften würde. Nach der hier für das Musterverfahren vorgeschlagene Regelung haftet der Kläger hingegen nur für einen Teil der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens.
Die Verteilung der Auslagen bewirkt zudem eine erhebliche Arbeitsersparnis bei der Einziehung der Gerichtskosten. So wird vermieden, dass der Kostenbeamte des Oberlandesgerichts von ggf. Hunderten von Beigeladenen Bruchteile der Gesamtauslagen einfordern und bei Nichtzahlung einzelner Teilbeträge diese wiederum anteilig sämtlichen anderen Beteiligten in Rechnung stellen muss.

Der Aussetzungsbeschluss im Hauptsacheverfahren gilt als Beiladung im Musterverfahren (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 KapMuG-E). Um zu verhindern, dass sich ein Kläger durch Klagerücknahme der Haftung für die Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens entzieht, nachdem der Verlauf der Beweisaufnahme auf einen für ihn ungünstigen Ausgang des Musterverfahrens hindeutet, sieht der vorgeschlagene Auslagentatbestand vor, dass einem Hauptsacheprozess grundsätzlich auch die Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens, die nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens entstanden sind, anteilig zugerechnet werden. Der Kläger hat jedoch nach Absatz 1 der Anmerkung die Möglichkeit, die Kostenhaftung durch eine Klagerücknahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Aussetzungsbeschlusses nach § 7 KapMuG-E abzuwenden. Hierüber ist er vom Prozessgericht zu belehren (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 3 KapMuG-E). Für die vorgeschlagene Vorschrift sprechen
auch praktische Erwägungen, da sie dem Kostenbeamten durch ihre klare Fristenregelung die Feststellung erleichtert, auf welche der Hauptsacheverfahren die Auslagen zu verteilen sind.
Nach Absatz 2 der Anmerkung bestimmen sich die auf die einzelnen Hauptsacheverfahren entfallenden Anteile an den Gesamtauslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Verhältnis der jeweils im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Ansprüche, soweit diese Gegenstand des Musterverfahrens sind, zu der Summe der Ansprüche aus allen Prozessverfahren, auf die die Auslagen zu verteilen sind. Die Verfahren, denen infolge Klagerücknahme kein Anteil an den Auslagen zugewiesen wird (vgl. Absatz 1 der Anmerkung), werden bei der Berechnung der Gesamtsumme der Ansprüche nicht berücksichtigt.

Artikel 5
(Änderung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes)

Die Gewährung einer besonderen Vergütung nach § 13 JVEG setzt grundsätzlich voraus, dass an die Staatskasse ein ausreichend hoher Auslagenvorschuss gezahlt wurde. lm Musterverfahren wird ein solcher Auslagenvorschuss nicht erhoben (vgl. Artikel 1 § 9 Abs. 1 Satz 2 und Artikel 4 Nr. 5). Da die Möglichkeit der Gewährung einer besonderen Vergütung aber erhebliche Bedeutung für die Gewinnung qualifizierter Sachverständiger haben kann, sieht die Regelung vor, dass die Gewährung der besonderen Vergütung nicht von der vorherige Kostendeckung durch die Beteiligten abhängig ist.

Das Kostenrisiko der Beteiligten im Fall des § 13 Abs. 2 JVEG ist dadurch begrenzt, dass die Vergütung des Sachverständigen, Dolmetschers bzw. Übersetzers i. d. R. auf das Eineinhalbfache des nach den §§ 9 bis 11 zulässigen Honorars beschränkt ist. Das Ausfallrisiko der Staatskasse ist ebenfalls begrenzt, da die Auslagen des Musterverfahrens anteilig auf die Hauptsacheverfahren verteilt und mit den dort entstehenden Gerichtskosten eingezogen werden.

Die Anhörung der Beteiligten, deren Erklärung nach § 13 Abs. 2 JVEG durch die Zustimmung des Gerichts ersetzt wird, kann ihrerseits durch die öffentliche Bekanntmachung der vorgesehenen Vergütungshöhe im Klageregister ersetzt werde. Dies entspricht der Regelung für die Bekanntmachung der Terminladungen nach § 9 Abs. 2 KapMuG-E.

Artikel 6
(Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu der vorgesehenen Einfügung des § 23a RVG (vgl. Nummer 3).

Zu Nummer 2 ( § 16 RVG)

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Durch die vorgeschlagene Regelung wird bestimmt, dass das erstinstanzliche Prozessverfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens dieselbe Angelegenheit bilden. Der Rechtsanwalt erhält daher für seine Tätigkeit im Musterverfahren lediglich diejenigen Gebühren, die ihm nicht bereits aus dem Hauptsacheverfahren zustehen. In Betracht kommt hier die Terminsgebühr in den Fällen, in denen das Hauptsacheverfahren ohne Durchführung eines Termins beendet wird. Die Verfahrensgebühr entsteht hingegen stets auch im erstinstanzlichen Prozessverfahren. Die Regelung gilt auch dann, wenn sich das Prozessverfahren zum Zeitpunkt der Aussetzung bereits im Rechtsmittelverfahren befindet. Bei der Vertretung mehrerer Kläger gelten die allgemeinen Regeln, nach denen der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal aus dem zusammengerechneten Wert fordern kann.

Die vorbezeichnete Regelung erscheint sachgerecht, da das Musterverfahren für den Beigeladenenvertreter i.d.R. keine Mehrbelastung bedeutet. Der mit der Vertretung des Musterklägers verbundene zusätzliche Arbeitsaufwand erscheint ebenfalls nicht so hoch, dass er eine zusätzliche Vergütung rechtfertigen würde, zumal sich die Gebühren des Musterklägervertreters im Verhältnis zu den Vertretern der Beigeladenen regelmäßig aus einem vergleichsweise hohen Gegenstandswert bestimmen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KapMuG-E). Für den Rechtsanwalt, der den Beklagten in mehreren Prozessverfahren vertritt, bedeutet das Musterverfahren sogar eine wesentliche Arbeitsersparnis, da die Feststellung der in allen Fällen gleichen schadensersatzbegründenden Anspruchsvoraussetzung in einem Verfahren gebündelt wird.
Soweit das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht seinen Sitz an einem anderen Ort als das Prozessgericht hat und dadurch der Rechtsanwalt einen längeren Anreiseweg hat, steht diesem regelmäßig ein Anspruch auf Ersatz seiner zusätzlichen Auslagen zu. Ein darüber hinausgehender Ausgleich im Gebührenrecht ist nicht angezeigt.

Zu Nummer 3 ( § 23a RVG)

Wegen der besonderen Bedeutung des Musterverfahrens für den Ausgang des zu Grunde liegenden Prozessverfahrens soll als Gegenstandswert für das erstinstanzliche Musterverfahren nicht lediglich ein Bruchteil des Hauptsachewerts angenommen werden. Vielmehr sieht die vorgeschlagene Regelung vor, im Musterverfahren - wie im Prozessverfahren - die volle Höhe des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs als Gegenstandswert heranzuziehen, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. lm Rechtsbeschwerdeverfahren bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Beschwer des Auftraggebers (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i. V. m. § 47 Abs. 1 GKG).

Zu Nummer 4 (Vorbemerkung 3.2.2 VV RVG)

Die Regelung sieht vor, dass für die Rechtsanwaltsgebühren im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem KapMuG die für das Revisionsverfahren geltenden Gebührenvorschriften anzuwenden sind. Dies entspricht der vorgeschlagenen Gerichtskostenregelung (vgl. Artikel 4 Nummer 9 Buchstabe c), die ebenfalls einen Gleichlauf mit den Gebührenvorschriften für das Revisionsverfahren vorsieht.

Artikel 7
(Änderung des Verkaufsprospektgesetzes)

§ 13 Abs. 2 Verkaufsprospektgesetz ist auf Grund der Neuregelung des ausschließlichen Gerichtsstands bei falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen in § 32b ZPO-E zu streichen.

Artikel 8
(Änderung des Börsengesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Die Änderung der Inhaltsübersicht beruht auf der Streichung des § 48 BörsG.

Zu Nummer 2 (§ 48 (weggefallen))

§ 48 BörsG ist auf Grund der Neuregelung des ausschließlichen Gerichtsstands bei falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen in § 32b ZPO-E zu streichen.

Zu Nummer 3 (§ 55 Haftung für Unternehmensbericht)

Die Änderung ist eine Folgeänderung zu Nummer 2. Durch den Wegfall des § 48 BörsG ist die Norm anzupassen; der materielle Haftungstatbestand nach § 55 BörsG wird dadurch jedoch nicht berührt.

Artikel 9
(Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.