Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

985. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2020

A

Der federführende Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS),

der Gesundheitsausschuss (G), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In),

der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe d (§ 85 Absatz 3b Satz 1 Nummer 2, 3, 4 - neu -, Satz 2 - neu - SGB IV)

In Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe d ist § 85 Absatz 3b wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die aktuell gültige Fassung des § 85 Absatz 1 Satz 2 SGB IV lautet:

"Die Absicht, sich zur Aufgabenerfüllung an Einrichtungen mit Ausnahme von Arbeitsgemeinschaften im Sinne dieses Gesetzbuches zu beteiligen [...], ist der Aufsichtsbehörde vor Abschluss verbindlicher Vereinbarungen anzuzeigen."

Der ausdrückliche Hinweis, dass die Gründung, das Erwerben, die Beteiligung bzw. die Erhöhung der Einlage der Beteiligung nur zur Aufgabenerfüllung zulässig ist, ist dringend geboten, um andere - nicht aufgabenbezogene Vermögensanlagen - zu unterbinden. Ansonsten wäre die Beteiligung an nicht aufgabenbezogenen Einrichtungen denkbar, was jedoch dem Grundsatz des § 30 SGB IV widerspricht und auch den Regelungen des § 83 SGB IV (Anlegung der Rücklage) zuwiderläuft. Zudem würde die Begrenzung in § 85 Absatz 3c SGB IV-E ins Leere laufen.

Nach § 85 Absatz 3b Satz 1 SGB IV sollte aus Klarstellungsgründen eine Legaldefinition des Begriffs "Beteiligung" eingefügt werden.

2. Zu Artikel 3 Nummer 1 (§ 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB II) Artikel 4 Nummer 2 (§ 31a Absatz 1 Satz 3 - neu -, Absatz 2 Satz 1 SGB III)

a) Artikel 3 ist wie folgt zu fassen:

"Artikel 3
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch

§ 42 Absatz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel ... des Gesetzes vom ... (BGBl. I S. ...) geändert worden ist, wird aufgehoben."

b) In Artikel 4 Nummer 2 ist § 31a wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a

Einer solchen Regelung bedarf es nicht, weil das Verhältnis zu anderen Leistungen Gegenstand der allgemeinen Regelungen in § 5 SGB II bzw. § 22 SGB III ist. Im Übrigen enthält dieser in Nummer 1 ausdrückliche Ausschluss der künftigen Beratungspflicht gegenüber den Jobcentern den Wertungswiderspruch, dass auch junge Menschen, die Schwierigkeiten am Übergang von der Schule in den Beruf haben und die Schule zu häufig ohne eine unmittelbare, konkrete berufliche Perspektive verlassen, einer besonderen Beratung und Betreuung durch die Jobcenter obliegen.

Zu Buchstabe b Doppelbuchstabe aa

Bei dem neuen Kontaktierungs- und Informationsauftrag der Bundesagentur für Arbeit bedarf es einer Informationspflicht der Arbeitsagenturen gegenüber dem zuständigen Jobcenter, und zwar sowohl gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen als auch den kommunalen Jobcentern.

Zu Buchstabe b Doppelbuchstabe bb

Es kann nicht dem allgemeinen Obliegen einer Agentur für Arbeit unterliegen, ob für die effektive Betreuung junger Menschen notwendige Daten an die nach Landesrecht bestimmten Stellen des Landes übermittelt werden. Daher ist die derzeitige Ermessensregelung nicht geeignet und es muss eine verpflichtende Weitermeldung vorgesehen werden.

3. Zu Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b (§ 6 Absatz 2 Satz 3 SGB VI)

In Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b ist § 6 Absatz 2 Satz 3 wie folgt zu fassen:

"Diese leitet den Antrag durch Datenübertragung zusammen mit den Bestätigungen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, über das Bestehen einer Mitgliedschaft in der zuständigen berufsständischen Kammer und über die Zahlung einkommensbezogener Beiträge an die berufsständische Versorgungseinrichtung unverzüglich an den Träger der Rentenversicherung zur Entscheidung weiter."

Begründung:

Das Verfahren zur Befreiung von der Versicherungspflicht aufgrund von § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI ist ein Verfahren zwischen dem Versicherten und dem Träger der Rentenversicherung (vergleiche § 6 Absatz 2 SGB VI) . Mit der Umstellung des bisher papiergebundenen Befreiungsverfahrens sollen daher keine materiellen oder inhaltlichen Änderungen erfolgen, die zu einer zusätzlichen Belastung für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen oder die berufsständischen Kammern führen.

Der Änderungsvorschlag in § 6 Absatz 2 Satz 3 Halbsatz 1 SGB VI ist redaktioneller Natur und greift die Legaldefinition der berufsständischen Versorgung in § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 SGB VI auf.

Bei der Bestätigung über die Zahlung einkommensbezogener Beiträge wird klargestellt, dass es sich um solche an die berufsständische Versorgungseinrichtung handelt (vergleiche die Befreiungsvoraussetzung in § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b SGB VI) und nicht um Beiträge an die berufsständische Kammer.

Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Weiterleitung gegebenenfalls weiterer für die Bescheidung des Antrags sachdienlicher Unterlagen über das Vorliegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlichrechtlichen oder einer Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und den Nachweis über die Mitgliedschaft in der zuständigen berufsständischen Kammer sowie der Bestätigung einer einkommensbezogenen Beitragszahlung ist zu streichen. Der Begriff "gegebenenfalls" ist rechtlich zu unbestimmt: Damit bleibt unklar, nach welchen Kriterien die dort angesprochenen Unterlagen zu erbringen sind. Es würden sonst neue und sehr verwaltungsaufwändige Nachweispflichten für die berufsständischen Kammern und die Versorgungswerke eingeführt werden, obwohl derartige Nachweise bisher nur im begründeten Ausnahmefall (zum Beispiel bei Gerichtsverfahren) zusätzlich zur Bestätigung der Mitgliedschaft in den öffentlichrechtlich verfassten Kammern und Versorgungswerken erbracht werden müssen. Die "Bestätigung einer einkommensbezogenen Beitragszahlung" kann als Doppelung gestrichen werden, da bereits im ersten Halbsatz von § 6 Absatz 2 Satz 3 SGB VI die Bestätigung der Zahlung von einkommensbezogenen Beiträgen verlangt wird.

4. Zu Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b (§ 6 Absatz 2 Satz 4 SGB VI)

In Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b sind in § 6 Absatz 2 Satz 4 nach dem Wort "Antragstellers" die Wörter "und der zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung" einzufügen.

Begründung:

Durch den Änderungsvorschlag in § 6 Absatz 2 Satz 4 SGB VI wird das Verwaltungsverfahren beschleunigt und durch Vermeidung eines Medienbruchs sowohl für den Träger der Rentenversicherung als auch für die berufsständische Versorgungseinrichtung vereinfacht. Die zuständige Versorgungseinrichtung erhält bereits den Bescheid über den Befreiungsantrag nach § 6 Absatz 2 SGB VI jeweils als Abdruck in Papierform.

5. Zu Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b (§ 6 Absatz 2 Satz 4 SGB VI)

In Artikel 6 Nummer 2 Buchstabe b sind in § 6 Absatz 2 Satz 4 nach dem Wort "Arbeitgeber" die Wörter "sowie dem Versorgungsträger" einzufügen.

Begründung:

Laut Gesetzentwurf soll die Deutsche Rentenversicherung (DRV) über das Ergebnis des Befreiungsverfahrens von den Versicherungsabgaben künftig nur noch den/die Antragsteller/in und dessen/deren Arbeitgeber/in informieren. Damit wäre der/die Versicherte in der Pflicht, seinen/ihren Versorgungsträger über das Ergebnis des Verfahrens zu informieren. Dies bedeutete einen vermeidbaren Mehraufwand, der den Zeitgewinn aus dem elektronischen Verfahren voraussichtlich mindestens aufbrauchen dürfte. Um dies zu vermeiden, sollte die DRV wie bisher auch weiterhin den Versorgungsträger des Antragstellers bzw. der Antragstellerin über den Ausgang des Verfahrens informieren. Dies bedeutet für die DRV keine zusätzliche Belastung, erspart diese aber den Angehörigen sämtlicher freien Berufe, die von dieser neu geschaffenen Informationspflicht betroffen wären.

6. Zu Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe c (§ 9 Absatz 2b - neu - SGB VII)

Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe c ist wie folgt zu fassen:

"c) Nach Absatz 2 werden die folgenden Absätze 2a und 2b eingefügt:

Begründung:

Eine Härtefallklausel ist aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit und der Billigkeit für solche Fälle im Gesetz vorzusehen, in denen aufgrund der Seltenheit von Gefährdungen oder sehr geringer Betroffenenzahlen keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, um eine Berufskrankheit anzuerkennen. Bei seltener Gefährdung oder zu kleiner Personengruppe liegen häufig keine oder zu wenig medizinischwissenschaftliche epidemiologische Erkenntnisse vor, um entsprechende Krankheiten in die Berufskrankheiten-Liste aufzunehmen, beispielsweise das Halswirbelsäulensyndrom einer Geigerin oder eines Geigers verursacht durch ständige Fehlhaltung. Auch Fälle des Zusammenwirkens von mehreren potenziell krebserzeugenden Gefahrstoffen könnten im Einzelfall berücksichtigt werden. Eine entsprechende Härtefallklausel sollte jedoch restriktiv angewendet werden. Eine unbillige Härte ist anzunehmen, wenn die Krankheit mit starken Auswirkungen, zum Beispiel ausgeprägter Leistungseinschränkung, einhergeht (MdE 70 bis 90 Prozent).

Die Anerkennung als Berufskrankheit erfolgt, wie bei Härtefallregelungen üblich, im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen des jeweils zuständigen Unfallversicherungsträgers.

7. Zu Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe d (§ 9 Absatz 3a Satz 7 - neu - SGB VII)

In Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe d ist dem § 9 Absatzes 3a folgender Satz anzufügen:

"Kann trotz sorgfältiger Beweiserhebung der Unfallversicherungsträger unter Berücksichtigung aller verfügbaren Erkenntnisse nicht festgestellt werden, dass es zu der für die Anerkennung als Berufskrankheit nach Art und Umfang erforderlichen Einwirkung im Rahmen einer versicherten Tätigkeit gekommen ist, wird diese vermutet, wenn nach Ausschöpfung der verfügbaren Beweismittel und der sonstigen Erkenntnisse mehr für als gegen die Annahme einer entsprechenden Einwirkung spricht."

Begründung:

Die Verpflichtung der Unfallversicherungsträger zur Dokumentation bestimmter mit den schädlichen Einwirkungen auf bestimmten Arbeitsplätzen verbundener Informationen in einem Expositionskataster ist ein Schritt in die richtige Richtung. Um einen angemessenen Schutz der Versicherten zu gewährleisten und Einzelfallgerechtigkeit zu verwirklichen, ist die geplante Regelung im neuen § 9 Absatz 3a SGB VII allerdings noch nicht ausreichend. Bei beruflich verursachten Krebserkrankungen, die heute auftreten, aber bereits vor Jahrzehnten durch berufliche Einwirkungen verursacht wurden, wird die Erstellung eines Expositionskatasters und der Vergleich mit anderen Arbeitsplätzen/Tätigkeiten in bestimmten Fällen nicht mehr möglich sein, weil die Arbeitsbedingungen und die damaligen Schutzmaßnahmen, wenn diese überhaupt vorhanden waren, heute ganz anders sind als früher. Insbesondere in denjenigen Fällen, in denen Unterlagen im Betrieb nicht mehr vorliegen oder der Betrieb nicht mehr existiert, der Vollbeweis einer beruflich relevanten Einwirkung nicht mehr erbracht werden kann, müssen den Versicherten im Rahmen des Vollzugs des geltenden Rechts Leistungen nach diesem Gesetz versagt werden. Um zeitnah diese, für die Betroffenen unbefriedigende Rechtslage und die damit weitreichenden nachteiligen Konsequenzen aufzulösen, sollte nach Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel eine Vermutungsregelung zu Gunsten der erkrankten Versicherten eingeführt werden.

8. Zu Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe e ( § 9 Absatz 4 SGB VII)

In Artikel 7 Nummer 3 Buchstabe e ist § 9 Absatz 4 wie folgt zu fassen:

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger beim Arbeitgeber und bei den Versicherten darauf hinzuwirken, dass die Versicherten der gefährdenden Tätigkeit nicht mehr ausgesetzt sind. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 ist im Benehmen mit den Versicherten ein individueller Präventionsplan zu erstellen, die vereinbarten Maßnahmen sind verpflichtend; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Die Unfallversicherungsträger haben die Arbeitgeber dazu anzuhalten, dass die Versicherten an den individualpräventiven Maßnahmen teilnehmen können und Maßnahmen zur Verhältnisprävention beim Arbeitgeber durchzusetzen. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend."

Begründung:

Der Arbeitgeber ist in der Pflicht, für Arbeitsbedingungen zu sorgen, bei denen Berufskrankheiten gar nicht erst entstehen. Die ursprüngliche Formulierung in Satz 1 bezieht sich einseitig auf den Arbeitnehmer als Adressaten. Es kann nicht allein den Versicherten die Pflicht auferlegt werden, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen und eine Änderung der Arbeitsumstände herbeizuführen (Verhaltensprävention), sondern es ist primär die Pflicht des Arbeitgebers, dass die Versicherten der gefährdenden Tätigkeit nicht mehr ausgesetzt werden und die Arbeitsplatzgestaltung und Gefährdungsbeurteilung dahingehend aktualisiert werden (Verhältnisprävention). Die vorgeschlagene Formulierung setzt einen Bezug zum betrieblichen Eingliederungsmanagement ( § 167 Absatz 2 SGB IX) um den Versicherten trotz Schädigung möglichst lange den Erhalt eines Arbeitsplatzes zuzusichern.

Ebenso bezugnehmend auf das betriebliche Eingliederungsmanagement wurde die Erstellung eines individuellen Präventionsplans als neuer Satz 3 eingefügt. Hinsichtlich der in § 9 Absatz 4 SGB VII-E neu eingefügten Teilnahme- und Mitwirkungspflichten sollten die Versicherten im Zuge dieses Präventionsplans das Recht bekommen, auf die Ihnen verordneten Maßnahmen Einfluss zu nehmen. So bleibt das Selbstbestimmungsrecht der Versicherten gewahrt und es wird erreicht, dass Leistungen auch akzeptiert und wahrgenommen werden. Bei einer verpflichtenden Teilnahme der Versicherten an individuellen Maßnahmen zur Verhaltensprävention muss eine verpflichtende Freistellung von Seiten der Arbeitgeber sichergestellt sein. Die Durchsetzung der Freistellung kann nicht alleine die Pflicht der Versicherten sein, auf diese hinzuwirken ist eine Pflicht der Unfallversicherungsträger.

9. Zu Artikel 7 Nummer 3a - neu - (§ 20 Absatz 1a - neu - SGB VII) Artikel 19a - neu - (§ 20a Absatz 2 Nummer 5, Nummer 6 - neu -, § 21 Absatz 3a - neu - ArbSchG)

Begründung:

Ob Unternehmen und Arbeitgeber ihrer Verpflichtung, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern, angemessen nachkommen, wird im dualen System des deutschen Arbeitsschutzes durch die nach dem Landesrecht für die Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) zuständigen Behörden nach § 21 Absatz 1 ArbSchG sowie die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung im Rahmen ihres Präventionsauftrages nach den §§ 14 ff. SGB VII überwacht. Diese Aufgabenverteilung hat sich bewährt, weil die beiden Träger des deutschen Arbeitsschutzsystems bei ihrer Aufgabenwahrnehmung unterschiedliche Zugänge zu Betrieben und Unternehmen nutzen und Kompetenzen und Netzwerke einbringen können. Ein durch die beiden Träger gemeinsam sichergestellter wirksamer Arbeitsschutz ist angesichts der neuen Herausforderungen in der digitalen Arbeitswelt und aufgrund der Auswirkungen des demographischen Wandels auf das Arbeitsleben auch heute von erheblicher Bedeutung und liegt gleichermaßen im Interesse von Beschäftigten, Arbeitgebern, Sozialversicherungen und Gesamtgesellschaft. Aus Sicht der Unternehmen kommt einer möglichst bürokratieeffizienten Umsetzung dabei eine große Bedeutung zu.

Deshalb und erst recht angesichts der in den vergangenen Jahren rückläufigen Personalressourcen und Besichtigungszahlen bei beiden Trägern muss ihre Aufgabenwahrnehmung bestmöglich aufeinander abgestimmt sein. Synergien müssen optimal genutzt, parallele Verwaltungstätigkeiten möglichst vermieden werden. Diesem Ziel dient seit mehr als zehn Jahren die gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie.

Für die weitere Verbesserung der Zusammenarbeit bietet die zunehmende Digitalisierung von Verwaltungsverfahren große Chancen, Synergien im Rahmen der Wahrnehmung gleicher bzw. gemeinsamer Aufgaben noch besser zu nutzen. Für Daten, die einer von zwei für die gleiche Aufgabe zuständigen Aufgabenträgern bei seiner Aufgabenwahrnehmung als Erkenntnisse gewinnt bzw. als Daten erhebt, die auch für den anderen Aufgabenträger relevant sind, erspart ein automatisierter Datenaustausch erhebliche parallele Erhebungs- und Besichtigungserfordernisse. Zugleich verfügen beide an einem gegenseitigen Datenaustausch beteiligte Aufgabenträger damit über eine breitere Datenbasis für eine qualitativ bessere und effizientere Aufgabenwahrnehmung.

Gleichzeitig werden die Unternehmen von parallelen Verwaltungstätigkeiten wie zum Beispiel Doppelbesichtigungen entlastet.

Der Datenaustausch, der bisher bereits im Rahmen der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie auf Vereinbarungsbasis erprobt wurde, hat sich mangels verpflichtendem Charakter, verbindlicher Regelungen zu Umfang und Verfahren sowie aufgrund der im Rahmen freiwilligen Datenaustausches erforderlicher Einzelfallprüfung nicht als zielführend erwiesen. Daher soll jetzt eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

Datenschutzbelange der Arbeitgeber und Unternehmen sind nicht berührt, weil sich die ausgetauschten Daten auf die Einhaltung der für sie sowohl nach § 3 ArbSchG als auch nach § 21 Absatz 1 SGB VII geltenden Verpflichtung, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern, beziehen. Beide Aufgabenträger hätten nach § 21 Absatz 1 ArbSchG bzw. den §§ 17, 19 SGB VII die Befugnis, sämtliche dem Datenaustausch unterliegende Daten eigenständig zu erheben. Eine schützenwerte Rechtsposition der Unternehmen, diese Daten einem der Aufgabenträger vorzuenthalten ist daher nicht gegeben. Vielmehr erspart der Datenaustausch den Unternehmen Belastungen durch doppelte Besichtigungstätigkeiten, Datenerhebungen et cetera.

Die Verpflichtung zum Datenaustausch greift spätestens zum 31. Dezember 2022, um den beteiligten Trägern Gelegenheit zur Vorbereitung entsprechender EDV-Lösungen zu geben. Sie kann durch Vereinbarungen im Rahmen der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie aber auch schon früher und gegebenenfalls teilweise umgesetzt werden. Die Verordnungsermächtigung ermöglicht es, seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Dialog mit den zuständigen Trägern Standards für eine Vereinheitlichung des Datenaustausches und die einzusetzenden automatisierten Verfahren zu erarbeiten und verbindlich festzusetzen.

10. Zu Artikel 7 Nummer 19 (§ 144 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 SGB VII) Artikel 16 (§ 4 Absatz 1 Satz 3 BGVPLTErG) Artikel 28 Absatz 9 (Inkrafttreten)

Begründung:

Die Schließung des Dienstordnungsrechts erfolgt nicht.

Die ständige Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist gemäß Artikel 33 des Grundgesetzes in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (in der Regel Beamtenverhältnis) stehen.

Die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und nehmen in einem erheblichen Umfang hoheitliche Aufgaben wahr, die zum großen Teil auch daseinsstabilisierende Funktion haben (zum Beispiel Auszahlung von Verletztengeld, Pflegegeld, Unfall- und Berufskrankheitsrenten, sowie die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen).

Darüber hinaus haben Beschäftigte der Unfallversicherungsträger im Aufgabenbereich Prävention nach den §§ 14 ff. SGB VII weitreichende Kompetenzen, von der Erhebung von Bußgeldern bis hin zu Betriebsschließungen. Insbesondere sind hier die Aufsichtspersonen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zu nennen. Diese sind gemäß § 19 SGB VII unter anderem zur Überwachung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren befugt, zu den Betriebs- und Geschäftszeiten Grundstücke und Betriebsstätten zu betreten, zu besichtigen und zu prüfen, gegen Empfangsbescheinigung Proben nach ihrer Wahl zu fordern oder zu entnehmen und die Begleitung durch den Unternehmer oder eine von ihm beauftragte Person zu verlangen. Zur Verhütung dringender Gefahren können diese Maßnahmen von den Aufsichtspersonen auch in Wohnräumen und zu jeder Tages- und Nachtzeit getroffen werden. Im Einzelfall können Aufsichtspersonen anordnen, dass bestimmte Maschinen oder sogar Betriebsteile stillgelegt werden, wenn dies zur Abwehr von Unfall- und Gesundheitsgefahren zweckmäßig und erforderlich ist.

Mit diesen Aufgaben und Befugnissen stellen die Unfallversicherungsträger einen zentralen Akteur im dualen System des deutschen Arbeitsschutzes dar. Angesichts ohnehin rückläufiger Besichtigungs- und Personalzahlen bei beiden Trägern des Arbeitsschutzes in Deutschland (Unfallversicherungsträger und Arbeitsschutzbehörden der Länder) muss alles vermieden werden, was die Aufgabenwahrnehmung eines der Träger in diesem Bereich schwächen könnte. Denn ein konsequenter Arbeitsschutz ist aufgrund neuer Herausforderungen in der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt und des bereits heute manifesten Fachkräftemangels nach wie vor von zentraler Bedeutung. Deshalb kommt es darauf an, dass die Unfallversicherungsträger eine konsequente Überwachung einschließlich erforderlicher Anordnungen auch weiterhin umsetzen.

Es ist wichtig, dass die Aufsichtspersonen derartige Anordnungsbefugnisse - etwa im Rahmen drohender schwerer Schäden für Leben und Gesundheit der Versicherten - mit der erforderlichen Rechtssicherheit und Rechtsdurchsetzungskraft im Betrieb ausüben können. Bereits diese exemplarisch genannten Aufgaben der Aufsichtspersonen sind mit Eingriffen in die Grundrechte der Betroffenen nach den Artikeln 2, 12, 13 und 14 des Grundgesetzes verbunden.

Damit ist es auch geboten, diese Personen insbesondere auch kündigungsrechtlich besonders abzusichern, entweder durch das Beamten- oder das Dienstordnungsarbeitsverhältnis. Das Dienstordnungsrecht hat sich als besonderes Schutzrecht für die Beschäftigten der Sozialversicherungsträger bewährt, das auf Grund der hoheitlichen Aufgaben geboten ist.

Die dargestellten sachlichen Erfordernisse für eine Beibehaltung des Dienstordnungsrechts überwiegen die lediglich staatsorganisatorischen Argumente für dessen Abschaffung deutlich.

11. Zu Artikel 7 Nummer 19 Buchstabe a (§ 144 Absatz 1 Satz 2 SGB VII) Buchstabe b (§ 144 Absatz 2 Satz 2 - neu - SGB VII)*

Artikel 7 Nummer 19 ist wie folgt zu ändern:

* Im AIS als Hilfsempfehlung zu Ziffer 10 beschlossen

"Dies gilt nicht für Unfallversicherungsträger mit Dienstherrenfähigkeit im Sinne des § 2 des Beamtenstatusgesetzes." "

Begründung:

Der derzeit geltende Paragraf wird als Absatz 1 grundsätzlich beibehalten. Durch die Schließung des Dienstordnungsrechts für die bundesunmittelbaren Unfallversicherungsträger in Absatz 2 bedarf es keines Verweises mehr auf den § 2 des Bundesbeamtengesetzes in Absatz 1 Satz 2.

Der im Gesetzentwurf vorgesehene Absatz 2 wird um einen Satz 2 ergänzt. Dieser stellt sicher, dass auch über den 31. Dezember 2022 hinaus die Unfallversicherungsträger der Länder und der Kommunen weiter Verträge mit Angestellten abschließen können, die der Dienstordnung nach dem SGB VII unterstehen sollen.

Der Unfallversicherungsträger des Bundes, die Unfallversicherung Bund und Bahn, besitzt nach § 148 SGB VII Dienstherrenfähigkeit (und benötigt eine Anstellungsmöglichkeit nach Dienstordnung nicht). Die überwiegende Anzahl der Unfallversicherungsträger von Ländern und Kommunen hingegen besitzen keine Dienstherrenfähigkeit. Nach Auffassung des Bundesrates ist für die Unfallversicherungsträger im Landes- und kommunalen Bereich die Möglichkeit, Angestellte nach einer Dienstordnung ein- und anzustellen, zum Ausgleich struktureller Nachteile, aber auch mit Blick auf die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im Rahmen der §§ 17 bis 19 SGB VII weiterhin geboten. Vor dem Hintergrund der Kompetenzen - von der Erhebung von Bußgeldern bis hin zu Betriebsschließungen - ist es geboten, die entsprechenden Personen insbesondere auch kündigungsrechtlich besonders absichern zu können. Eine Privilegierung kann darin nicht erkannt werden. Der Bund hat im Rahmen der föderalen Strukturen beschlossen, auf das Dienstordnungsrecht für die Unfallversicherungsträger zu verzichten. Die vorgeschlagene Änderung hat zum Ziel, das Dienstordnungsrecht für die Unfallversicherungsträger der Länder und Kommunen weiterhin aufrecht zu erhalten.

Das Dienstordnungsrecht erfährt seine Konkretisierung durch autonomes Recht der Unfallversicherungsträger, welches der Genehmigung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden bedarf. Die Unfallversicherungsträger ohne Dienstherrenfähigkeit haben nach bereits geltendem Recht die Möglichkeit, im Rahmen der Selbstverwaltung zu entscheiden, ob sie ihre Angestellten nach Dienstordnung, nach Tarifvertrag oder außertariflich anstellen. Die Beendigung des Dienstordnungsrechts ist insoweit auch nicht erforderlich. Eine Einschränkung der Entscheidungsspielräume der Selbstverwaltung durch den Verzicht auf das Dienstordnungsrecht als Möglichkeit der Personalanstellung sollte vielmehr vermieden werden.

12. Zu Artikel 8 Nummer 2a - neu - (§ 69 Absatz 6 - neu - SGB X) Nummer 2b - neu - (§ 71 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 SGB X)

Nach Artikel 8 Nummer 2 sind folgende Nummern 2a und 2b einzufügen:

"2a. Dem § 69 wird folgender Absatz 6 angefügt:

(6) Zur Feststellung von Leistungsmissbrauch, Identität des ausländischen Leistungsempfängers und Abrechnungszwecken zwischen den kreisfreien Städten und Kreisen und dem Land dürfen die Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches den kreisfreien Städten und Kreisen Name, Vorname, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, derzeitige Anschrift, AZR-Nummer und Leistungsbezug der betroffenen Person mitteilen."

2b. In § 71 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 wird das Komma am Ende durch die Wörter "und die in § 10 Absatz 4 Nummer 3 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister bezeichnete Übermittlungsbefugnis," ersetzt."

Begründung:

Die Organisation von landesinternen und kommunalen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsmanagement und Kostenerstattungsverfahren bedarf der rechtlichen Weiterentwicklung, um die komplexen Aufgaben auch effizient wahrnehmen zu können.

In einem ersten Schritt wurde in diesem Jahr der Datenaustausch innerhalb der Leistungs- und Kommunalbehörden im Rahmen von § 10 Absatz 4 Nummer 3 des Ausländerzentralregistergesetzes (AZRG) neu geregelt.

Die Änderung im Ausländerzentralregistergesetz war erforderlich, um den Austausch von Daten eines Ausländers zwischen Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden zu ermöglichen, und somit die Durchführung und Umsetzung von ausländer- und asylrechtlichen Vorschriften zu ermöglichen. Dies bezieht sich insbesondere auf die Nutzung und Weitergabe von Sozialdaten. Die Weitergabe von diesen Daten - zum Beispiel von dem Leistungsträger des SGB II (Jobcenter) an die Kommunalbehörden im Rahmen der Identitätsfeststellung bzw. zur Verhinderung von Leistungsmissbrauch oder zur digitalen Abrechnung von Fallpauschalen zur Finanzierung der Kommunen - bedarf weiterhin einer entsprechenden sozialrechtlichen Regelung.

Besonders für ein effizientes Flüchtlingsmanagement und transparente Kostenerstattungsverfahren ist es besonders wichtig, dass es auch einen Datenaustausch mit den weiteren in diesem Verfahrenskomplex zuständigen Landesbehörden gibt; dies bezieht sich insbesondere darauf, die digitale Abrechnung von Fallpauschalen zur Finanzierung der Kommunen sicherstellen zu können.

Der neue § 10 Absatz 4 Nummer 3 AZRG schafft ohne eine sozialrechtliche Änderung für die in diesem Aufgabenbereich zuständigen Leistungsträger (zum Beispiel für die Jobcenter) datenschutzrechtlich nicht die notwendige rechtliche Klarheit; hierzu trägt die vorgesehene entsprechende Regelung im Sozialgesetzbuch bei. Soweit die AZR-Nummer durch das Jobcenter verarbeitet wird, handelt es sich um ein Sozialdatum, welches nur nach den gesetzlichen Grundlagen des SGB verarbeitet werden darf. Die Regelung im Ausländerzentralregistergesetz kann somit nicht als alleinige Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Sozialdaten herangezogen werden, da es sich nicht um eine Regelung nach dem SGB handelt und auch keine Regelung im SGB auf den § 10 AZRG verweist. Aufgrund des sogenannten Zwei-Türen-Prinzips im Sozialrecht ist daher eine entsprechende Umsetzungsnorm im Sozialgesetzbuch erforderlich.

Darüber hinaus muss die Übermittlung der Personaldaten, des Leistungsbezugs und der AZR-Nummer auf Grund einer Rechtsvorschrift erforderlich für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe des Leistungsträgers (zum Beispiel des Jobcenters) sein.

Die jetzt vorzunehmende sozialgesetzliche Ergänzung ist somit eine unterbliebene Folgeänderung zur damaligen Änderung des Ausländerzentralregistergesetzes, die ohne ein Äquivalent im SGB X seine Wirkung nicht entfalten kann.

13. Zu Artikel 8 Nummer 3 Buchstabe a (§ 74a Absatz 1 Satz 2 - neu -, 4 SGB X)

In Artikel 8 Nummer 3 ist Buchstabe a wie folgt zu fassen:

"a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

Begründung:

In § 74a Absatz 1 SGB X soll ein neuer Satz eingefügt werden.

Bisher unterscheidet § 74a SGB X zwischen der Vollstreckung von öffentlichrechtlichen Forderungen in § 74a Absatz 1 SGB X und der Vollstreckung durch Gerichtsvollzieher in § 74a Absatz 2 SGB X.

Der bisherige § 74a Absatz 1 SGB X berücksichtigt nicht, dass die Verwaltungsvollstreckungsgesetze unter bestimmten Voraussetzungen auch die Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen im Wege der öffentlichrechtlichen Verwaltungsvollstreckung erlauben. Diese auf gesetzlicher Grundlage privilegierten privatrechtlichen Forderungen der öffentlichen Hand, die im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt werden dürfen, sollten genauso behandelt werden wie die öffentlichrechtlichen Forderungen nach § 74 Absatz 1 Satz 1 SGB X. Durch die Einschränkung in dem neu eingefügten Satz auf im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckbare Forderung bleibt die Abgrenzung zu der in § 74a Absatz 2 SGB X geregelten Durchsetzung privatrechtlicher Forderungen erhalten. Entscheidend ist, dass es sich bei den Ansprüchen nach § 74a Absatz 1 SGB X um solche der öffentlichen Verwaltung handelt, deren Vollstreckung zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und damit im Interesse der Allgemeinheit erfolgt.

14. Zu Artikel 8 Nummer 7 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa (§ 94 Absatz 1a Satz 2 und 3 SGB X)

In Artikel 8 Nummer 7 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa ist § 94 Absatz 1a Satz 2 und 3 wie folgt zu fassen:

"Eine nach Satz 1 gebildete Arbeitsgemeinschaft kann eine weitere Arbeitsgemeinschaft nach Satz 1 bilden oder einer weiteren Arbeitsgemeinschaft beitreten. Weitere Bildungen und Beitritte zu Arbeitsgemeinschaften sind unzulässig."

Begründung:

Die Abgrenzung von Arbeitsgemeinschaften im Sinne des § 94 SGB X und Beteiligungsgesellschaften im Sinne des § 85 SGB IV (Artikel 1 Nummer 19) bereitet in der Praxis Schwierigkeiten, die durch § 94 Absatz 1a Satz 2 und 3 SGB X-E nicht aufgelöst werden. Es bleibt auch unter Berücksichtigung der bisher vorgesehenen Formulierung in § 85 Absatz 3b Satz 1 Nummer 2 SGB IV-E (Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe d: "... an einer Einrichtung zu beteiligen...") unklar, was unter Beteiligung zu verstehen ist. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Begriff der Beteiligung auch in Artikel 1 Nummer 19 gleichermaßen verwendet wird. Auf den Begriff "beteiligen" im Zusammenhang mit Arbeitsgemeinschaften sollte daher dringend verzichtet werden. Unter "Beteiligung" kann einerseits die bloße Teilnahme bzw. Mitwirkung verstanden, andererseits jedoch unter finanziellen Aspekten eine Vermögensbeteiligung angenommen werden. Die Gesetzessystematik legt nahe, den Begriff der Beteiligung in § 85 Absatz 3b Nummer 2 Satz 1 SGB IV-E finanziell zu verstehen. Denn er steht im Vierten Abschnitt, Vierten Titel unter "Vermögen" und regelt die Anzeigepflicht für Beteiligungen an Einrichtungen. Für diese Auslegung spricht auch die Begründung des Gesetzentwurfs. Dort wird klargestellt, dass eine Beteiligung jede kapitalmäßige, mitgliedschaftliche oder ähnliche Beteiligung beinhaltet. Da sowohl § 94 Absatz 1a SGB X als auch § 85 SGB IV den Begriff "beteiligen" verwenden, wird vorgeschlagen, den Begriff "beteiligen" in § 94 Absatz 1a Satz 2 und 3 SGB X-E durch den Begriff "beitreten" zu ersetzen.

15. Zu Artikel 10 Nummer 3 Buchstabe b - neu - (§ 29 Absatz 4 Nummer 3 SGG)

Artikel 10 Nummer 3 ist wie folgt zu fassen:

"3. § 29 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Es soll eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für Klagen gegen Entscheidungen des Schlichtungsausschusses nach § 19 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) geschaffen werden.

Die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses sind für alle Krankenkassen und Krankenhäuser verbindlich und gelten als Kodierregeln (§ 19 Absatz 6 KHG). Gegen die Entscheidungen ist ohne Vorverfahren der Sozialrechtsweg gegeben. Für diese Klagen ist nach derzeitigem Stand gemäß § 57a Absatz 4 SGG in erster Instanz das Sozialgericht Berlin ausschließlich örtlich zuständig, weil es sich bei den Entscheidungen des Schlichtungsausschusses um Entscheidungen "auf Bundesebene" handeln dürfte.

Hintergrund der vorgeschlagenen Hochstufung ist der Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen - MDK-Reformgesetz - mit Wirkung vom 1. Januar 2020 auf die bisher geringe praktische Bedeutung des 2016 eingeführten Schlichtungsausschusses reagiert hat. In dem neu geregelten § 19 KHG wurde unter anderem der Kreis der Anrufungsberechtigten deutlich ausgeweitet (nunmehr auch alle Krankenhäuser und Krankenkassen, § 19 Absatz 3 KHG). Zudem hat der Gesetzgeber alle Kodierempfehlungen der Sozialmedizinischen Expertengruppe Vergütung und Abrechnung der Medizinischen Dienste, die von der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling mit einem Dissens belegt sind (höhere zweistellige Zahl),

dem Schlichtungsausschuss kraft Gesetzes zur Entscheidung bis Ende 2020 zugewiesen (§ 19 Absatz 5 KHG). Deshalb ist nunmehr mit einem Anstieg von Entscheidungen des Schlichtungsausschusses und in der Folge auch mit einem Anstieg von Klagen gegen solche Entscheidungen zu rechnen. Für die hier in Rede stehenden Verfahren ist aufgrund der dahinterliegenden gewichtigen finanziellen Interessen und der weitreichenden Bedeutung der zu treffenden allgemeinverbindlichen Kodierregeln eine hochstreitige Verfahrensführung der Beteiligten zu erwarten. Die Verfahren werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in der ersten Instanz nicht rechtskräftig entschieden, sondern bis zum Bundessozialgericht eskaliert werden. Eine Entlastung des Sozialgerichts Berlin ist daher sinnvoll.

Die Hochstufung der erstinstanzlichen Zuständigkeit zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist auch gesetzessystematisch konsequent. Denn § 29 Absatz 4 SGG sieht in Nummer 1 und 3 bereits erstinstanzliche Zuständigkeiten des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg für ähnlich streitige Verfahren nach Entscheidung von Schlichtungsstellen vor. Der Hintergrund ist auch hier, dass es eher um die schnellere endgültige Klärung von Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung geht (vergleiche die Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung des § 29 Absatz 2 bis 4 SGG in BR-Drucksache 820/07 (PDF) Teil B, zu Artikel 1, zu Nummer 8).

16. Zu Artikel 10 Nummer 4 (§ 75 Absatz 2b Satz 4 - neu - und 5 - neu - SGG)

In Artikel 10 Nummer 4 sind dem § 75 Absatz 2b folgende Sätze anzufügen:

"Stellt ein Versicherungsträger binnen dieser Frist keinen Antrag auf Beiladung, ist seine Beiladung ausgeschlossen. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend."

Begründung:

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll dem Gericht auch nach der Einführung des Verfahrens der Beiladung auf Antrag nach dem neuen § 75 Absatz 2b SGG unbenommen sein, Versicherungsträger von Amts wegen beizuladen. Hierfür fehlt aber ein rechtlicher Anknüpfungspunkt im Gesetzes- wie auch im Entwurfstext.

Nach der Gesetzessystematik sind Versicherungsträger in den im Gesetzentwurf angesprochenen Verfahren grundsätzlich nach § 75 Absatz 2 SGG notwendig beizuladen. Der neu zu schaffende § 75 Absatz 2b SGG macht hiervon zur Verfahrensvereinfachung eine Ausnahme. Danach informiert das Gericht anstelle einer notwendigen Beiladung von Amts wegen sämtliche betroffenen Versicherungsträger und fordert sie auf, binnen einer zu bestimmenden Frist, einen Antrag auf Beiladung zu stellen. Nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfs ("sind [...] abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen") hat das Gericht auch keinen Ermessenspielraum, statt des Antragsverfahrens doch von Amts wegen über Absatz 2 notwendig beizuladen. Ein Rückgriff auf § 75

Absatz 1 SGG, der die einfache Beiladung regelt, wird von dem geplanten Absatz 2b zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, widerspricht aber der Gesetzessystematik. Schon aufgrund der unterschiedlichen prozessualen Positionen von einfach und notwendig Beigeladenen (§ 75 Absatz 4 Satz 1 und 2 SGG) stehen beide Institute nicht austauschbar nebeneinander. Hinzu kommt, dass die Versicherungsträger ausweislich des jetzigen Absatz 2 und auch des neuen Absatz 2b gerade keine nur einfach Beigeladenen, sondern notwendig Beizuladende sind.

Für die Annahme einer echten Präklusion nach Fristablauf spricht weiter die durch die mit Artikel 10 Nummer 6 vorgesehene Änderung in § 141 Absatz 1 Nummer 2 SGG-E bewirkte Rechtskrafterstreckung auf sämtliche Versicherungsträger. Denn nur durch die Kombination des Wegfalls einer obligatorischen notwendigen Beiladung mit einer dennoch eintretenden Rechtskrafterstreckung kann die gewünschte Verfahrensvereinfachung erreicht werden.

Aus Gründen der Klarstellung erscheint es daher sinnvoll, die im Gesetzentwurf ohnehin angelegte Präklusion ausdrücklich, wenn auch in gewisser Weise deklaratorisch, zu regeln.

Soweit Versicherungsträger aufgrund fehlender (fristgerechter) Antragstellung, nicht mehr beigeladen werden können, sollte diesen parallel zu der Regelung in § 75 Absatz 2a Satz 8 SGG die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eröffnet werden. Es erschließt sich nicht, weshalb dies den Versicherungsträger im Verfahren nach § 75 Absatz 2b SGG-E verwehrt bleiben soll, Personen im Verfahren nach § 75 Absatz 2a SGG aber eröffnet ist.

17. Zum Gesetzentwurf allgemein

B

19. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.