Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheberrecht - COM (2015) 626 final; Ratsdok. 15264/15

Die Vorlage wurde am 10. Dezember 2015 von der Kommission an den Bundesrat übermittelt.

Der Bundesrat wurde am 15. Dezember 2015 über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 212/15 (PDF) = AE-Nr. 150306,
Drucksache 612/15 (PDF) = AE-Nr. 150878 und
Drucksache 613/15 (PDF) = AE-Nr. 150879.

Auf Verlangen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Januar 2016 erscheint die Vorlage gemäß § 45a GO BR als Drucksache des Bundesrates (Niederschrift 587. K vom 11.01.2016, TOP 5 und 6).

Brüssel, den 9.12.2015 COM (2015) 626 final

Mitteilung der Kommission an Das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Schritte zu einem modernen, europäischeren Urheberrecht

1. Das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt

Digitale Technologien, der Siegeszug der Breitbandverbindungen und der Einzug des Internets in unseren Alltag haben die Art und Weise verändert, wie schöpferische Inhalte erstellt, verbreitet und genutzt werden.

Das Internet ist zu einem der wichtigsten Verbreitungskanäle geworden. Im Jahr 2014 haben 49 % der Internetnutzer in der EU online Musik gehört, Videos angeschaut und gespielt1. Vor nur 15 Jahren noch völlig unbekannte Geschäftsmodelle und neue Wirtschaftsteilnehmer haben sich etabliert, und für die Verbraucher ist der Online-Zugang zu Inhalten ebenso zur Normalität geworden wie bisher die Verwendung physischer Träger wie Bücher oder DVDs. Inhalte können leicht und schnell digital kopiert werden. Die Menschen erwarten, dass digitale Inhalte jederzeit und überall im Binnenmarkt auf einer Vielfalt von Geräten zugänglich sind. Sie haben kaum Verständnis dafür, wenn dies nicht der Fall ist.

Das EU-Urheberrecht muss so angepasst werden, dass alle Marktteilnehmer und die Bürgerinnen und Bürger die mit diesem neuen Umfeld verbundenen Chancen ergreifen können. Der Rechtsrahmen muss europäischer werden, damit Fragmentierungen und Reibungsverluste im Interesse eines funktionierenden Binnenmarkts überwunden werden.

Die Modernisierung des EU-Urheberrechts war von Präsident Juncker in den politischen Leitlinien für die neue Kommission angekündigt und in der Strategie für den digitalen Binnenmarkt2 näher skizziert worden. Sie soll schöpferische Inhalte in der EU umfassender verfügbar machen und damit gewährleisten, dass das EU-Urheberrecht den Inhabern ein hohes Rechteschutzniveau bietet, gleichzeitig aber auch andere allgemeine politische Ziele wie Bildung, Forschung und Innovation oder gleichberechtigter Zugang von Menschen mit Behinderungen3 in der digitalen Umgebung ausgewogen berücksichtigt werden.

Diese Ziele spielen eine wichtige Rolle für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die kulturelle Vielfalt Europas. Sie entsprechen den Bedürfnissen sowohl der Rechteinhaber als auch der Nutzer von urheberrechtlich geschützten Inhalten.

Das Urheberrecht belohnt die schöpferische Tätigkeit und Investitionen in schöpferische Inhalte. Ein Urheberrecht mit einem hohen Schutzniveau bildet die Grundlage für die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kreativwirtschaft4. Ebenso wie die Binnenmarktgrundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, das EU-Wettbewerbsrecht oder die Kulturpolitik ist das Urheberrecht ein fester Bestandteil des Rechtekanons, auf dem die Verbreitung schöpferischer Inhalte in der EU fußt. Das Zusammenwirken des Urheberrechts mit diesen anderen Politikbereichen ist entscheidend für die Frage, wie die Produktion und Verbreitung von Werken in Wertschöpfung mündet5 und wie dieser Mehrwert zwischen den Marktteilnehmern verteilt wird.

In dieser Mitteilung macht die Kommission Ausführungen zu den Maßnahmen, die sie in ihrer Binnenmarktstrategie angekündigt hat, um zu verdeutlichen, wie sie das Ziel eines "moderneren, europäischeren Urheberrechts" verwirklichen will. Sie stellt einen Plan vor, der gezielte Maßnahmen mit Vorschlägen für die unmittelbare Zukunft enthält, wie den zusammen mit dieser Mitteilung vorgelegten Vorschlag zur Portabilität von OnlineInhaltediensten, aber auch für 2016 geplante Vorschläge und ein langfristiges Konzept. Seine Vorstellung folgt den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung und beruht auf Vorarbeiten, die in den letzten Jahren am gegenwärtigen Rahmen6 durchgeführt wurden, u.a. einer umfassenden öffentlichen Konsultation im Zeitraum 2013-20147. Er berücksichtigt die vom Europäischen Parlament vor kurzem in seiner Entschließung zur Umsetzung der Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft8 sowie die vom Europäischen Rat in seinen Schlussfolgerungen auf der Tagung vom 25./26. Juni 20159 zum Ausdruck gebrachten Ansichten.

Vor diesem Hintergrund hält die Kommission folgendes Vorgehen für erforderlich:

Das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte erfüllen ihren Zweck nicht, wenn sie isoliert stehen. Film, Theater, Musik, Literatur, wissenschaftliche Werke, kulturelles Erbe und das übrige schöpferische Schaffen in Europa werden nur dann weiter gedeihen und eine nennenswerte Rolle für die Wirtschaft, die Identität und den sozialen Fortschritt Europas spielen, wenn die Kreativwirtschaft wettbewerbsfähig ist und die erforderlichen Marktmechanismen vorhanden sind. Finanzielle und sonstige Fördermaßnahmen der öffentlichen Hand, die mit dem Wettbewerbsrecht in Einklang stehen, leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Die EU unterstützt die betreffenden Branchen u.a. mit ihrem Rahmenprogramm "Kreatives Europa" und mit ihrer Forschungs- und Innovationsförderung, beispielsweise über das Rahmenprogramm "Horizont 2020". Um seine volle Wirkung zu entfalten, muss das EU-Urheberrecht zudem aktuell sein sowie überall ordnungsgemäß um- und durchgesetzt und angewendet werden.

2. Gewährleistung eines breiteren EU-weiten Zugangs zu Inhalten

Die EU sollte im Interesse der Wahlfreiheit der Verbraucher und der Angebotsvielfalt anstreben, dass Inhalte online breit und "grenzenlos" verfügbar sind. Ein besser funktionierender digitaler Binnenmarkt wird auch den Urhebern und der Kulturindustrie mehr Breitenwirksamkeit und Expansionsmöglichkeiten bieten und ihre Stellung im internationalen Wettbewerb festigen.

Wenn es um die grenzübergreifende Verfügbarkeit urheberrechtlich geschützter Inhalte geht, ist der digitale Binnenmarkt aber noch keine Wirklichkeit geworden. Wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat reisen, können Verbraucher häufig nicht auf Inhalte zugreifen, die sie im Heimatland abonniert oder erworben haben (d.h. die Inhalte sind nicht "portabel")10. Die Bandbreite der in einem bestimmten Land online verfügbaren Inhalte spiegelt nicht die Bandbreite des kulturellen Schaffens Europas wider, und das legale Online-Angebot an europäischen kulturellen Werken bleibt weit unter den Möglichkeiten. Das gilt insbesondere für europäische audiovisuelle Werke, deren Verbreitung über Staatsgrenzen hinaus vielfach immer noch auf erhebliche Schwierigkeiten stößt11. Selbst wenn diese Werke im Ausland verfügbar sind, sind sie oft nur schwer auffindbar. Zudem haben Verbraucher oft keinen Zugang zu in anderen Mitgliedstaaten verfügbaren Vertriebsangeboten für Inhalte12.

In einem von Natur aus grenzenlosen Internet haben die Menschen hierfür kein Verständnis. Diese Situation kann einerseits Nutzer veranlassen, sich den Zugang zu daheim nicht verfügbaren Inhalten mittels technischer Abhilfen wie virtueller Privatnetze (VPN) zu verschaffen, und andererseits die Piraterie begünstigen13. Symptomatisch für die gegenwärtige Lage ist auch die Zahl der Werke, die von einer größeren Verbreitung in der EU profitieren würden, aber nicht auf kommerziellen Vertriebskanälen zu finden sind.

Dafür gibt es viele Gründe. Sie beruhen zum Teil auf dem Urheberrecht und seiner gebietsbezogenen14 Anwendung. Die Territorialität solcher Rechte steht der Vergabe von Mehrgebiets-Lizenzen zwar nicht entgegen15, es gibt aber Fälle, in denen diese Rechte schwer oder gar nicht erhältlich sind. Die Rechteinhaber können für die Lizenzen an Diensteanbieter Gebietsbeschränkungen vorsehen, so dass die Dienste nur in einem oder nur bestimmten Ländern angeboten werden können. Diensteanbieter können auch von sich aus beschließen, einen Dienst nur in einem bestimmten Gebiet anzubieten, selbst wenn ihre Lizenz darüber hinaus und vielleicht sogar für die gesamte EU gilt oder sie eine solche Lizenz erhalten könnten. Ferner können erworbene Lizenzen insbesondere für Online-Rechte auch ungenutzt bleiben.

Die Finanzierung neuer europäischer audiovisueller Produktionen beruht zu einem großen Teil auf der Vergabe von Gebietslizenzen mit ausschließlichen Verwertungsrechten an einzelne Vertriebsunternehmen oder Diensteanbieter. Diese Praxis, die von der audiovisuellen Industrie in Europa für eine nachhaltige Finanzierung als notwendig erachtet wird, kann Diensteanbieter und Vertriebsunternehmen daran hindern, die "Portabilität" von Inhalten über Grenzen hinweg zu gewährleisten oder ihre Leistungen in anderen Mitgliedstaaten anzubieten. Vergriffene Werke sind schon im Inland wegen allgemeinerer Schwierigkeiten mit den Lizenzrechten für eine Digitalisierung schwer zugänglich; rechtliche Probleme, die einen grenzübergreifenden Zugang zu ihnen beeinträchtigen, erschweren die Lage zusätzlich. Deswegen ist das kulturelle Erbe nur in begrenztem Umfang online verfügbar.

In Bezug auf Fernseh- und Hörfunkprogramme enthält die Satelliten- und Kabelrichtlinie16 bereits Vorschriften, die die für bestimmte grenzübergreifende Tätigkeiten erforderliche Rechteabklärung erleichtern sollen. Diese Vorschriften wurden lange vor dem Aufkommen des Internets als Verbreitungskanal für Rundfunksendungen konzipiert und gelten nur für Satellitenrundfunk und Kabelübertragungen. Die Kommission überprüft die Richtlinie gegenwärtig im Hinblick auf eine etwaige Anwendung auf das Online-Umfeld.

Auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Im audiovisuellen Sektor spielt beispielsweise die "Marktreife" von Werken eine große Rolle, d.h. ihre Sichtbarkeit für potenzielle Lizenznehmer, die Einfachheit einer etwaigen Lizenzvergabe und ihre Verfügbarkeit in gebrauchsfertigen Formaten und Katalogen. Ein anderes Problem stellt die Kluft zwischen dem Angebot an Inhalten und deren tatsächlicher Nutzung durch das potenzielle Publikum dar. Werke müssen vor allem einfach entdeck- und auffindbar sein17, auch wenn sie bereits online verbreitet werden, und sie müssen verstanden werden können, d.h. in einer bekannten Sprache verfügbar sein. Generell besteht ein Missverhältnis zwischen den Ressourcen zur Unterstützung einer kulturell vielfältigen Produktion und dem Aufwand, der in ihre Verbreitung und Zugänglichmachung18 investiert wird.

Deshalb existieren in der EU anstelle eines einzigen europaweit gültigen Urheberrechtstitels 28 separate nationale Titel. Die Nutzung eines Werks in sämtlichen Mitgliedstaaten erfordert den Abschluss einer oder mehrerer Lizenzen für jedes einzelne nationale Hoheitsgebiet.

Mehrere Politikinstrumente müssen folglich miteinander kombiniert werden, um einen besseren Online-Zugang zu schöpferischen Inhalten zu gewährleisten und ihre europaweite Verbreitung zu fördern. Neben der Überarbeitung des aktuellen Urheberrechts kann auch die finanzielle Unterstützung über das Programm "Kreatives Europa" und über Forschungs- und Innovationsprogramme eine Rolle spielen. Wenn Inhalte europaweit verfügbarer werden sollen, müssen die Kreativbranche, die Vermarktungs- und Verwertungsindustrie und die Mitgliedstaaten mit den EU-Organen an einem Strang ziehen. Der Schlüssel für die Entwicklung erfolgreicher Geschäftsmodelle liegt in den Händen der Kreativbranche und der Vermarkter und Verwerter, wohingegen die Mitgliedstaaten für die Kulturpolitik in der EU verantwortlich sind. Die Mitgliedstaaten stellen und verwalten auch den Großteil der rund 2,1 Mrd. EUR an öffentlichen Geldern, mit denen die europäische audiovisuelle Industrie alljährlich gefördert wird19.

Das eigentliche Ziel eines vollständigen, europaweit grenzüberschreitenden Zugangs zu allen Arten von Inhalten muss gegenüber der Bereitschaft der Märkte zur raschen Reaktion auf Veränderungen der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen und der Notwendigkeit stabiler Finanzierungsmodelle für diejenigen abgewogen werden, die in erster Linie für die Schöpfung von Inhalten verantwortlich sind. Die Kommission schlägt deshalb vor, die Hindernisse für den grenzübergreifenden Zugang zu Inhalten und die Verbreitung von Werken stufenweise zu beseitigen.

Als ersten Schritt legt die Kommission zusammen mit dieser Mitteilung einen Vorschlag für eine Verordnung zur Portabilität von Online-Inhaltediensten vor, mit der gewährleistet werden soll, dass Nutzer, die Inhalte in ihrem Heimatland abonniert oder erworben haben, diese auch bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat abrufen können.

Um den europaweiten Online-Zugang zu Werken zu verbessern, wird die Kommission verschiedene Möglichkeiten prüfen und weitere Legislativvorschläge für das Frühjahr 2016 in Betracht ziehen, darunter:

Die Kommission wird auch ihr Programm "Kreatives Europa" und andere Politikinstrumente nutzen, um - Instrumente zu fördern, mit denen mehr europäische Werke in den Binnenmarkt eingebracht werden, z.B. die Erstellung gebrauchsfertiger Kataloge europäischer Filme, die Schaffung von Lizenzzentralen (um die Lizenzvergabe für Werke zu erleichtern, die in einem bestimmten Mitgliedstaat noch nicht erhältlich sind) und eine breitere Verwendung genormter bibliografischer Kennungen für Werke (auch unter Zuhilfenahme des Teilprogramms MEDIA);

3. Anpassung von Ausnahmen an ein digitales und grenzübergreifendes Umfeld

Die Fragmentierung des Urheberrechts innerhalb der EU wird insbesondere an den Ausnahmeregelungen sichtbar. Bei den im EU-Recht vorgesehenen Ausnahmen können die Mitgliedstaaten in den meisten Fällen frei wählen, ob sie diese umsetzen wollen oder nicht21. Oft werden die Ausnahmen nicht bis ins Detail präzisiert. Deshalb kann es vorkommen, dass eine Ausnahmeregelung, die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, im Nachbarland nicht existiert, an andere Voraussetzungen genknüpft ist oder einen anderen Anwendungsbereich hat. In einigen Fällen ist die Umsetzung einer Ausnahmeregelung enger gefasst als im EU-Recht vorgesehen22. Die meisten Ausnahmeregelungen entfalten außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats keinerlei Wirkung. Einige gehören angesichts der heutigen technischen Wirklichkeit unter Umständen auf den Prüfstand.

Probleme scheinen insbesondere Ausnahmeregelungen zu bereiten, die eng mit Bildung, Forschung und Wissenszugang zusammenhängen. Die EU-Ausnahmeregelung für die Nutzung zur Veranschaulichung im Unterricht stellt ein anschauliches Beispiel dar, wie die Mitgliedstaaten Ausnahmen unterschiedlich umsetzen, insbesondere was die Anwendung der Ausnahme im digitalen Umfeld anbelangt. Diese Unterschiede könnten die Entwicklung neuer Bildungstrends wie Online-Unterricht, Einsatz der IKT und digitalen Materials im Klassenraum oder grenzüberschreitende Lehrangebote bremsen, die in den letzten Jahren beträchtlich an Terrain gewonnen haben23. Zudem könnte die heterogene nationale Umsetzung der gemeinhin als "Panoramafreiheit" bezeichneten Ausnahme, die das Ablichten von dauerhaft im öffentlichen Raum befindlichen Werken wie Gebäuden oder Skulpturen und das Einstellen der Bilder ins Netz erlaubt, Rechtsunsicherheit nach sich ziehen.

In ähnlicher Weise werfen auch die Freiwilligkeit der Ausnahmeregelung für Menschen mit Behinderungen und ihre fehlende grenzübergreifende Wirkung Probleme auf. Menschen mit Lesebehinderungen erschwert es beispielsweise den Zugang zu Sonderformaten, die auf der Grundlage einer Urheberrechtsausnahme eines anderen Mitgliedstaates angefertigt wurden. Die EU ist in diesem Bereich mit der Unterzeichnung des Vertrags von Marrakesch24, der jetzt ratifiziert und umgesetzt werden muss, eine internationale Verpflichtung eingegangen.

Die Notwendigkeit, dem technologischen Fortschritt besser Rechnung zu tragen und Ungereimtheiten im Binnenmarkt zu vermeiden, besteht eindeutig auch auf dem Gebiet des Text- und Data-Mining (TDM), bei dem riesige Mengen digitaler Inhalte von Maschinen im Rahmen von Wissenschaft und Forschung eingelesen und analysiert werden. Das Fehlen eindeutiger EU-Vorschriften auf dem Gebiet des Text- und Data-Mining zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung schafft Rechtsunsicherheit in der Forschungslandschaft. Das schadet der Wettbewerbsfähigkeit und der wissenschaftlichen Spitzenstellung der EU zu einer Zeit, in der Forschung und Innovation in der EU angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen zunehmend auf grenz- und fachübergreifende Zusammenarbeit und höhere Größenordnungen angewiesen sind. Die EU-Ausnahmeregelung, mit der Bibliotheken und anderen Institutionen die Konsultation von Werken am Bildschirm zu Forschungs- und privaten Studienzwecken erlaubt wird, gilt nur für eigens hierfür eingerichtete Terminals in den Räumlichkeiten der Bibliotheken ungeachtet der heutigen technischen Möglichkeiten zur Fernabfrage. Die EU-Ausnahmeregelung für Tätigkeiten zur Erhaltung des Kulturerbes schließlich bedarf hier auch der Erwähnung, da die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Regelung auf nationaler Ebene digitale Formate oftmals nicht berücksichtigen25.

Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass der EU-Rahmen für Ausnahmeregelungen, die für den Wissenszugang oder für Bildung und Forschung von Bedeutung sind, auch unter digitalen Rahmenbedingungen und grenzübergreifend funktioniert.

Als ersten Schritt wird sie die Rechtsvorschriften vorschlagen, die zur Umsetzung des Vertrags von Marrakesch erforderlich sind.

Was die anderen Ausnahmeregelungen im EU-Recht anbelangt, so wird die Kommission verschiedene Möglichkeiten prüfen und Legislativvorschläge für das Frühjahr 2016 in Betracht ziehen, mit denen folgende Ziele erreicht werden sollen:

Generell strebt die Kommission eine Anhebung des Harmonisierungsniveaus, eine obligatorische Umsetzung der einschlägigen Ausnahmeregelungen in nationales Recht und eine EU-weite grenzübergreifende Geltung an.

Bei der Ausarbeitung ihrer Vorschläge wird die Kommission die Marktlage und die Lizenzvergabepraktiken für die betreffenden Verwendungen berücksichtigen und auch die Einhaltung internationaler Verpflichtungen wie des Dreistufentests26 gewährleisten. Ziel ist die Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Systems für die Nutzer.

Abgaben zur Kompensation der Rechteinhaber für private Vervielfältigungen und Kopien, die auf der Grundlage der betreffenden Ausnahmeregelung gefertigt werden, können mit erheblichen Einnahmen verbunden sein, werfen aber ebenfalls Binnenmarktprobleme auf. Viele Mitgliedstaaten erheben solche Abgaben auf eine große Bandbreite von Medien und Geräten, und ihre Festsetzung, Anwendung und Verwaltung wird auf unterschiedliche Weise gehandhabt.

Das hat zu beträchtlicher Rechtsunsicherheit geführt. Die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU (EuGH) zur Sache hat einige der Probleme geklärt, die im Vitorino-Bericht27 als dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr abträglich hervorgehoben worden waren. Weiterbestehende nationale Unterschiede können jedoch problematisch sein, insbesondere wenn abgabepflichtige Erzeugnisse EU-weit gehandelt werden. Manchmal erheben Mitgliedstaaten Abgaben ohne Berücksichtigung der bereits in anderen Mitgliedstaaten erfolgten Zahlungen oder ohne angemessene Befreiungs- und Erstattungsregelungen. Auch im Falle von für eine gewerbliche Nutzung vorgesehenen Erzeugnissen kann es vorkommen, dass Gebühren zu Unrecht gezahlt werden. Verbraucher sehen sich mit dem Problem mangelnder Bestimmtheit und Transparenz konfrontiert. Zudem kann es zu Diskriminierungen bei der Verteilung der erhobenen Abgaben kommen, wenn beispielsweise inländische Rechteinhaber bevorzugt werden. Hier könnte ein Eingreifen auf EU-Ebene geboten sein, um für mehr Klarheit zu sorgen und schwerwiegende Verzerrungen zu beseitigen.

Die Kommission wird prüfen, ob Maßnahmen erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass die einschlägigen Systeme der Mitgliedstaaten in Fällen, in denen zur Kompensation der Rechteinhaber Abgaben für private Vervielfältigungen und Kopien erhoben werden, binnenmarktgerecht funktionieren und den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht beeinträchtigen.

Zu den Fragen, die es anzugehen gilt, zählen das Verhältnis zwischen dem Ausgleich und dem Schaden für die Rechteinhaber oder zwischen vertraglichen Vereinbarungen und der Aufteilung von Abgaben, die Doppelzahlung von Abgaben, die Transparenz für Verbraucher, die Grundsätze für Befreiungen und Erstattungen, und die Gleichbehandlung in- und ausländischer Rechteinhaber bei der Verteilung eingezogener Abgaben. Die Kommission wird auch anregen, eine effizientere Verteilung der Abgaben an die Rechteinhaber zu erörtern.

4. Schaffung eines funktionsfähigen Marktes für urheberrechtlich geschützte Werke

Eine Voraussetzung für einen funktionsfähigen Markt ist, dass die Rechteinhaber für die Verwendung von Inhalten und auch von online verbreiteten Inhalten Lizenzen vergeben und eine Vergütung erhalten können. Die Erzeugung reichhaltiger und vielfältiger schöpferischer Inhalte und innovative Online-Dienstleistungen bilden zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Beide - schöpferische Inhalte und Online-Dienstleistungen - sind wichtige Triebfedern für Wachstum und Arbeitsplätze und für den Erfolg der Internet-Wirtschaft.

Die Bedenken nehmen jedoch zu, ob das aktuelle EU-Urheberrecht eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung durch einige der neuen Formen der Online-Verbreitung von Inhalten gewährleistet, insbesondere wenn Rechteinhaber nicht in der Lage sind, die Konditionen für eine Lizenzvergabe zu bestimmen und mit potenziellen Nutzern auf einer fairen Grundlage zu verhandeln. Dieser Zustand ist mit dem Anspruch des digitalen Binnenmarktes, Chancen für alle zu eröffnen und den Wert der Inhalte und der in sie getätigten Investitionen anzuerkennen, nicht vereinbar. Momentan kann somit keine Rede sein von gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen für unterschiedliche Marktteilnehmer, die ähnliche Vertriebskanäle unterhalten.

Derzeit geht es bei diesen Diskussionen vor allem um bestimmte Plattformen und Aggregationsdienste. Sie dürften sich aber bald auf sämtliche Online-Tätigkeiten ausdehnen, bei denen es zu einer kommerziellen Wiederverwendung oder Weitergabe geschützter Inhalte kommt.

Dafür gibt es sowohl rechtliche als auch marktabhängige Gründe (einschließlich der relativen Marktmacht der beteiligten Seiten). Aus der Perspektive des Urheberrechts ist die Bestimmung, was unter dem Recht auf öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung zu verstehen ist, ein wichtiger Aspekt. Diese Rechte regeln die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte in digitalen Übertragungen. Von ihrer Abgrenzung hängt es daher ab, was eine Handlung im Internet ausmacht, an der die Kunst- und Kulturschaffenden und die Kreativwirtschaft Rechte beanspruchen und für die sie Lizenzen und Vergütungen aushandeln können. Es gibt strittige Grauzonen und Unsicherheit darüber, wie diese Begriffe im EU-Recht abgegrenzt werden. Insbesondere ist fraglich, welche Online-Vorgänge unter welchen Voraussetzungen als "öffentliche Wiedergabe", für die eine Genehmigung durch den Rechteinhaber erforderlich ist, gelten sollen28. Diese Probleme schaffen zum einen Unsicherheit auf dem Markt und werfen zum anderen die Frage auf, ob diese Rechte geeignet sind, um die Übertragung des Grundgedankens des Urheberrechts, dass eine Verwertung genehmigt und vergütet werden muss, auf die Online-Welt zu gewährleisten. Die mangelnde Klarheit dieser Begriffsbestimmungen kann, abgesehen von ihrer Bedeutung für eine gerechte Verteilung der Wertschöpfung in den Online-Märkten, auch Rechtsunsicherheit für normale Internet-Nutzer nach sich ziehen.

Generell wirft diese Situation die Frage auf, ob der gegenwärtig im EU-Recht anerkannte Rechtekatalog ausreichend und passend konzipiert ist. Einige Mitgliedstaaten haben beispielsweise versucht, für das Problem der Nachrichtenaggregatoren eine Lösung zu finden, damit aber auch das Risiko einer weiteren Fragmentierung des Binnenmarktes heraufbeschworen.

Zudem können Plattformen die Auffassung vertreten, dass ihre Tätigkeit urheberrechtlich überhaupt nicht relevant oder "rein technischer, automatischer und passiver Art" sei und damit unter die Haftungsprivilegierung der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr29 fallen. Das hat zum Anschwellen einer Debatte über den Geltungsbereich dieser Ausnahme und ihrer Anwendung auf die sich rasch wandelnden Rollen und Tätigkeiten neuer Anbieter sowie über die Frage geführt, ob diese Tätigkeiten über die bloße Speicherung und Weiterleitung von Inhalten hinausgehen.

Von Bedeutung ist ferner die Frage nach einer gerechten Vergütung von Autoren und Künstlern, die insbesondere durch ungleiche Machtverhältnisse in Verhandlungen über die Vergabe von Lizenzen für Urheberrechte oder ihre Übertragung beeinträchtigt werden kann.

Zu den von den Interessenträgern vorgeschlagenen Lösungen zählen die Regulierung bestimmter Vertragspraktiken, ein unverzichtbares Recht auf Vergütung und die kollektive Aushandlung und Verwaltung von Rechten.

Die verschiedenen Themen rund um die Verteilung der mit neuen Formen der Online-Verwertung verbundenen Wertschöpfung unter den Marktteilnehmern sind Gegenstand weitergehender Überlegungen und Konsultationen30 der Kommission, die im Frühjahr 2016 in Maßnahmen münden könnten. Damit möchte die Kommission gewährleisten, dass die Marktteilnehmer, die zur Schöpfung der betreffenden Werte beitragen, ihre Rechte voll ausschöpfen können, und so zu einer gerechten Verteilung dieser Wertschöpfung und einer angemessenen Vergütung für die Online-Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte beitragen.

In diesem Zusammenhang wird die Kommission prüfen, ob im Hinblick auf die Abgrenzung der Rechte der öffentlichen Wiedergabe und der öffentlichen Zugänglichmachung Handlungsbedarf besteht. Sie wird auch prüfen, ob Handlungsbedarf im Hinblick auf Nachrichtenaggregatoren besteht und dabei in Rechte eingegriffen werden sollte. Auch die Rolle alternativer Streitbeilegungsmechanismen wird bewertet. Neben dem Urheberrecht wird die Kommission auch andere Einflussfaktoren berücksichtigen, um eine kohärente und wirksame Politik zu gewährleisten. Etwaige Maßnahmen werden mit den Arbeiten der Kommission zu Online-Plattformen im Zuge der Strategie für den digitalen Binnenmarkt in Einklang stehen.

Außerdem wird die Kommission prüfen, ob Lösungen auf EU-Ebene zur Stärkung der Rechtssicherheit, Transparenz und Ausgewogenheit des Systems zur Vergütung von Autoren und Künstlern in der EU geboten sind, und dabei die Kompetenzverteilung zwischen EU-Ebene und nationaler Ebene berücksichtigen.

5. Ein wirksames und ausgewogenes System der Rechtedurchsetzung

Die Einhaltung des Urheberrechts ebenso wie aller anderen Rechte an geistigem Eigentum stellt eine wesentliche Grundlage für die Förderung von Kreativität und Innovation und die Bildung von Vertrauen auf den Märkten dar. Rechte, die nicht wirksam durchsetzbar sind, sind wirtschaftlich wenig wert, insbesondere wenn die Zuwiderhandlungen gewerbsmäßigen Charakter haben und die Arbeit und die Investitionen der Kunst- und Kulturschaffenden, der Kreativwirtschaft und der legalen Vertriebsorganisationen unentgeltlich ausgenutzt werden. Solche gewerbsmäßigen Zuwiderhandlungen kommen derzeit häufig vor und schädigen nicht nur die Rechteinhaber, sondern auch die Wirtschaft der EU insgesamt erheblich. Eine effektive und ausgewogene zivilrechtliche Durchsetzbarkeit31 unter uneingeschränkter Beachtung der Grundrechte ist vonnöten, um die Kosten insbesondere kleiner Unternehmen für die Bekämpfung von Zuwiderhandlungen zu senken und mit ihrer zunehmend grenzüberschreitenden Dimension Schritt zu halten.

Um diesen Herausforderungen wirksam begegnen zu können, sind weitere Maßnahmen und gegebenenfalls eine Überarbeitung bestimmter Teile des bestehenden Rechtsrahmens erforderlich. Eine Orientierung an den Geldflüssen, bei der auch die Mitwirkung verschiedener zwischengeschalteter Dienstleister betrachtet wird ("Followthe-Money"), erscheint besonders erfolgversprechend und wird deshalb von der Kommission32 und den Mitgliedstaaten in bestimmten Bereichen seit kurzem praktiziert. Sie kann diejenigen, die sich gewerbsmäßige Zuwiderhandlungen zuschulden kommen lassen, von den Einnahmequellen (wie Zahlungen von Verbrauchern und Werbeeinnahmen) abschneiden und damit abschreckend wirken. Außerdem scheint der aktuelle Rechtsrahmen für die Herausforderungen des digitalen Binnenmarkts nicht vollständig geeignet zu sein, insbesondere was die Anwendung des Rechts auf Information, Unterlassungsklagen und ihre grenzübergreifende Wirkung, die Berechnung von Schadenersatzansprüchen und die Erstattung von Gerichtskosten angeht. Die Kommission ist derzeit mit einer Bewertung des allgemeinen Rahmens für den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums befasst und konsultiert hierzu die Öffentlichkeit33 im Einklang mit den Zielen ihrer Binnenmarktstrategie und ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt34. Es ist auch wichtig, dass die Systeme, die es Hosting-Diensten erlauben, einmal festgestellte illegale Inhalte zu löschen, wirksam und transparent funktionieren und nicht dazu führen, dass legale Inhalte irrtümlich aus dem Netz genommen werden. Diese Systeme, die horizontal auf alle Formen illegaler Inhalte Anwendung finden, sind sehr bedeutsam für die Durchsetzung des Urheberrechts, da geschütztes Material einen großen Anteil der meldepflichtigen Inhalte ausmacht.

Die Kommission wird sich unverzüglich mit allen Betroffenen gemeinsam um einen Mechanismus zur Nachverfolgung der Geldflüsse auf Selbstregulierungsbasis bemühen und strebt eine Einigung bis Frühjahr 2016 an. Verhaltenskodizes auf EU-Ebene könnten von rechtlichen Maßnahmen flankiert werden, wenn dies erforderlich ist, um ihnen volle Wirksamkeit zu verschaffen.

Was den Rechtsrahmen zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums einschließlich der Urheberrechte anbelangt, wird die Kommission die Optionen prüfen und bis Herbst 2016 den etwaigen Änderungsbedarf insbesondere mit Blick auf gewerbsmäßige Zuwiderhandlungen ermitteln, um gegebenenfalls die Vorschriften zur Ermittlung von Rechtsverletzern, zur grenzübergreifenden Anwendung und Wirkung von einstweiligen Maßnahmen, Sicherungsmaßnahmen und Unterlassungsverfügungen und zur Be- und Zurechnung von Schadenersatzansprüchen und Rechtskosten klarer zu fassen.

Ferner führt die Kommission zu den Online-Plattformen eine umfassende Bewertung durch und konsultiert die Öffentlichkeit35, wobei es auch um Melde- und Abhilfemechanismen und die Problematik der dauerhaften Wirksamkeit von Abhilfemaßnahmen geht.

6. Heranbildung eines langfristigen Konzepts

Das Urheberrecht wird in wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht noch lange eine wichtige Rolle spielen. In einigen Bereichen gilt es zu beobachten, ob und wie der Markt auf neue Nutzungsformen reagiert, insbesondere wenn eine grenzübergreifende Dimension im Spiel ist. Generell sollte die EU bereit sein, rasch zu reagieren, wenn das Zusammenwachsen der Inhaltemärkte und Veränderungen im Nutzerverhalten in Verbindung mit rasanten technologischen Entwicklungen eine weitere Konvergenz der nationalen Urheberrechtssysteme erforderlich machen sollten.

Die wirksame und einheitliche Anwendung des Urheberrechts in der gesamten EU durch nationale Gesetzgeber wie auch die Gerichte wird auch künftig genauso wichtig sein wie die Vorschriften selbst. Potenzielle Schwierigkeiten oder Binnenmarkthindernisse sollten so früh wie möglich festgestellt und mit den geeigneten Mitteln angegangen werden. Die Kommission wird sich für einen geordneten Dialog zwischen den Mitgliedstaaten einsetzen, um eine gemeinsame Vorstellung vom EU-Urheberrecht und die Konvergenz der nationalen Gesetzgebung auch im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzung zu fördern.

Sie wird auch weiterhin genau darauf achten, ob der Rechtsrahmen einschließlich seiner Ausnahmeregelungen und der Lizenzvergabe-Mechanismen einer Anpassung an Marktentwicklungen oder das Verbraucherverhalten bedarf. Dabei wird sie insbesondere auf neu aufgekommene Fragestellungen achten, die weiter zu analysieren und zu beobachten sind, und gegebenenfalls die Interessenträger und breitere Kreise konsultieren.

Die Kommission wird damit stufenweise auf die Verwirklichung eines langfristigen Konzepts für das EU-Urheberrecht hinarbeiten, in dem für Autoren und Künstler, die Kreativwirtschaft, die Nutzer und alle sonstigen von Urheberrecht Betroffenen unabhängig von ihrem Sitz oder Aufenthaltsort in der EU die gleichen Regeln gelten. Gegebenenfalls wird sie zur Definition des weiteren rechtlichen Reformbedarfs Sachverständige hinzuziehen.

Für eine vollständige Angleichung des Urheberrechts in der EU in Form eines einzigen Urheberrechtsgesetzes und eines einheitlichen Urheberrechtstitels müsste die Funktionsweise unseres derzeitigen Regelkanons substanziell geändert werden. Bereiche, die bisher dem Ermessen der nationalen Gesetzgeber überlassen worden waren, müssten harmonisiert werden. Für eine einheitliche Anwendung der Regeln wäre eine zentrale, separate Urheberrechts-Gerichtsbarkeit sinnvoll, um eine weitere Fragmentierung durch eine uneinheitliche Rechtsprechung zu vermeiden.

Diese komplexe Problematik darf aber kein Grund sein, dieses Konzept als langfristiges Ziel aufzugeben. Trotz aller Besonderheiten des Urheberrechts und seiner Verknüpfung mit nationalen Kulturen sei daran erinnert, dass Schwierigkeiten und lange Anlaufzeiten auch ständige Begleiter einheitlicher Rechtstitel und Regelwerke in anderen Bereichen des geistigen Eigentums wie dem Marken- und des Patentrecht waren und letztere doch inzwischen Wirklichkeit geworden sind.

Die EU sollte ihrem Konzept aus dem gleichen Grunde treu bleiben, aus dem sie sich bereits ein gemeinsames Urheberrecht gegeben hat: Es geht um den Aufbau des EU-Binnenmarktes, einer prosperierenden europäischen Wirtschaft und eines Raums, in dem das vielfältige kulturelle, geistige und wissenschaftliche Schaffen Europas möglichst ungehindert in ganz Europa Verbreitung finden kann.