Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts

A. Problem und Ziel

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) ist am 1. Mai 2002 in Kraft getreten. Ziel des BGG ist es, Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen. Das BGG enthält spezielle Regelungen gegen Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen für den Bereich des öffentlichen Rechts. Kernstück des Gesetzes ist die Herstellung von Barrierefreiheit in gestalteten Lebensbereichen. Das BGG ist grundsätzlich geeignet, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im Bereich des öffentlichen Rechts und der Bundesverwaltung zu gewährleisten. In der Praxis gibt es allerdings teilweise Unsicherheiten bei der Rechtsauslegung und Probleme bei der Rechtsanwendung, wobei das Gesetz insgesamt auch noch zu wenig angewendet wird und zu wenig Wirkung entfaltet; teilweise bestehen Regelungslücken.

Zu diesem Ergebnis kommt auch die Evaluation des BGG, die in den Jahren 2013/2014 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) "Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft" durchgeführt worden ist.

Ziel der Novellierung ist es, auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten und seit dem 26. März 2009 innerstaatlich verbindlichen UN-BRK, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Die Regelungen des BGG, insbesondere der Behinderungsbegriff und das Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt, können zwar im Sinne der UN-BRK ausgelegt werden. In der Praxis ist die UN-BRK bei den Normadressaten des BGG aber nicht oder noch nicht hinreichend präsent.

Die Novellierung zielt insbesondere darauf, bei der Herstellung von Barrierefreiheit sukzessive weiter voranzukommen. Dazu verpflichtet sich der Bund gesetzlich in weiteren Bereichen, für die er bei der Umsetzung selbst verantwortlich ist, zur Herstellung von Barrierefreiheit.

Ein Ziel der Novellierung ist, Lücken im Recht bei der barrierefreien Kommunikation für Menschen mit geistigen Behinderungen zu schließen. Die Bedürfnisse des genannten Personenkreises im Hinblick auf eine barrierefreie Kommunikation werden vom BGG, dessen Anwendungsbereich grundsätzlich alle Gruppen von Menschen mit Behinderungen umfasst, noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Novellierung des BGG zielt auch darauf ab, ein Schlichtungsverfahren einzuführen, das künftig Verbandsklagen, die sich gegen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 BGG richten, vorgeschaltet ist und daneben für Einzelpersonen zur Verfügung steht.

B. Lösung

Um die Umsetzung des BGG in der Praxis zu erleichtern und seine Wirkungen zu erhöhen, ist es erforderlich, einzelne Regelungen, auch unter Berücksichtigung der UNBRK, (klarstellend) zu ändern und wirksamer auszugestalten sowie das Gesetz an geänderte gesellschaftliche und technische Entwicklungen anzupassen und Regelungslücken zu schließen. Grundlage der Novellierung ist die UN-BRK; die Ergebnisse der Evaluation des BGG werden berücksichtigt.

Artikel 1 und 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts umfassen die Novellierung des BGG.

Die wesentlichen Änderungen betreffen

Mit Artikel 3 und 4 werden im Ersten Buch Sozialgesetzbuch und im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch Anpassungen an Regelungen des BGG zur Kommunikation von Menschen mit Hörbehinderungen und Sprachbehinderungen sowie von Menschen mit geistigen Behinderungen vorgenommen.

Artikel 5 enthält Änderungen in anderen Gesetzen als Folgeänderungen.

Artikel 6 sieht die Evaluierung des Gesetzes vor.

Artikel 7 enthält Inkrafttretensregelungen.

C. Alternativen

Keine mit derselben Wirkung.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Im Jahr 2016 sind für die Förderung der Partizipation Mittel in Höhe von insgesamt 600 000 Euro und ab dem Jahr 2017 jährlich Mittel in Höhe von 1 200 000 Euro (500 000 Euro respektive 1 000 000 Euro für die Förderung, 100 000 Euro respektive 200 000 Euro für die Administration) vorgesehen. Die Förderung der Partizipation führt nicht zu einer Erhöhung der Haushaltsansätze im Einzelplan 11 des BMAS. Die Finanzierung der Förderung der Partizipation wird im Wege einer Änderung der disponiblen Förderungsschwerpunkte im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen gegenfinanziert. Für andere Einzelpläne entstehen keine weiteren Haushaltsausgaben.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht durch die Regelungen dieses Gesetzentwurfs Erfüllungsaufwand, wenn sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, Erläuterungen in Leichter Sprache zu verlangen. Das Verlangen erfolgt formlos und ist entsprechend mit einem sehr geringen Aufwand verbunden.

Bürgerinnen und Bürgern entsteht ferner Erfüllungsaufwand in geringem Umfang, soweit sie von der Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens Gebrauch machen.

Den nach § 15 Absatz 3 BGG anerkannten Verbänden entsteht Erfüllungsaufwand, soweit sie von der Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens Gebrauch machen.

Den Verbänden von Menschen mit Behinderungen, entsteht Erfüllungsaufwand, wenn sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, Mittel zur Förderung ihrer Partizipation zu beantragen.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Alle Maßnahmen sollen von den jeweils betroffenen Ressorts ohne zusätzliche Mittel eigenverantwortlich im Rahmen ihrer bestehenden Einzeletats unmittelbar, vollständig und dauerhaft gegenfinanziert werden.

a) Hinwirken auf Barrierefreiheit gegenüber Dritten

Den Behörden entsteht Erfüllungsaufwand in nicht quantifizierbarem Umfang durch die grundsätzliche Verpflichtung nach § 1 Absatz 3 Satz 1, bei bestimmten Einrichtungen, an denen sie beteiligt sind, auf die Berücksichtigung von Barrierefreiheit in angemessener Weise hinzuwirken. Den Behörden entsteht außerdem Erfüllungsaufwand durch die grundsätzliche Verpflichtung nach § 1 Absatz 3 Satz 2 bis 4 bei der Gewährung von Zuwendungen und Zuweisungen im Rahmen institutioneller Förderungen die Grundzüge des BGG, dabei insbesondere Aspekte der Barrierefreiheit, zu berücksichtigen. Der Erfüllungsaufwand richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und soll im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze der jeweils betroffenen Ressorts finanziell und stellenmäßig vollständig gegenfinanziert werden.

b) Herstellung von Barrierefreiheit im Bereich Bau

Den Behörden entsteht Erfüllungsaufwand in nicht quantifizierbarem Umfang, indem der Anwendungsbereich des § 8 Absatz 1 Satz 1 auf alle zivilen investiven Um- und Erweiterungsbauten des Bundes erstreckt wird. Der Erfüllungsaufwand ist abhängig vom Gebäudebestand und dem Stand der bereits erreichten Barrierefreiheit. Gleiches gilt für den Erfüllungsaufwand, der durch die Bedarfsermittlung und den Abbau von Barrieren im Baubestand nach § 8 Absatz 2 entsteht. Er ist jeweils abhängig vom Gebäudebestand und dem Stand der bereits erreichten Barrierefreiheit und daher nicht quantifizierbar. Die Erstellung der Statusberichte über den Stand der Barrierefreiheit für die Evaluation ist überschaubar. Den Behörden entsteht nach § 8 Absatz 4 BGG Erfüllungsaufwand, der nicht quantifizierbar ist. Er ist abhängig davon, ob und in welchem Umfang die Behörden Gebäude anmieten und inwieweit dabei bereits bislang die Barrierefreiheit berücksichtigt worden ist.

Die aus den Maßnahmen nach § 8 entstehenden Mehrbelastungen der Behörden, insbesondere durch die Anpassung der Mieten im Einheitlichen Liegenschaftsmanagement der BImA sollen im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze aus deren jeweiligen Einzelplänen finanziell und stellenmäßig vollständig finanziert werden.

c) Leichte Sprache

Jährlicher Erfüllungsaufwand ab dem Jahr 2018 entsteht den Behörden des Bundes, den Sozialleistungsträgern sowie den übrigen Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, durch die Erläuterung von Bescheiden, Vordrucken und anderen relevanten Unterlagen in Leichter Sprache wie folgt:

Es ist geplant, dass das BMAS im Jahr 2017 die Entwicklung von Erläuterungen in Leichter Sprache, insbesondere die Entwicklung standardisierter Textbausteine, durch die Erstellung eines Pools von Mustererläuterungen unterstützt. Ein Grundstock von Erläuterungen zu besonders relevanten Dokumenten soll in Leichter Sprache erstellt und den Behörden als Basis zur Verfügung gestellt werden. Die Finanzierung (für die Entwicklung der Textbausteine und deren Bereitstellung) erfolgt aus Haushaltsmitteln des BMAS (Nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention) durch Umschichtung bestehender Haushaltsmittel.

Es ist davon auszugehen, dass die erstellten Erläuterungen ab dem Jahr 2018 von den Behörden genutzt werden können. Ausgehend davon, dass rund 200 000 Bürgerinnen und Bürger drei Mal jährlich von der Möglichkeit, Erläuterungen anzufordern, Gebrauch machen, und die Bereitstellung mit sieben Minuten Aufwand der Behörde je Erläuterung verbunden ist, ist mit einem Erfüllungsaufwand von 2 800 000 Euro für alle Bundesbehörden, Sozialleistungsträger sowie die übrigen Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, zu rechnen.

Zusätzlich ist mit jährlich sieben neuen Erläuterungen zu rechnen (rund 1 200 Euro Kosten insgesamt).

Darüber hinaus entsteht den Behörden des Bundes, Sozialleistungsträgern sowie den übrigen Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, ab Inkrafttreten dieses Gesetzes laufend Erfüllungsaufwand für die Erstellung von Informationen in Leichter Sprache nach § 11 BGG-neu (ab 2018 § 11 Absatz 3 BGG-neu). Ausgehend von fünf Broschüren je 20 Seiten ist für die Übertragung der Texte in Leichte Sprache und für die Nachbearbeitung durch die Behörde mit Kosten in Höhe von 8 500 Euro je Ressort (inklusive Geschäftsbereich) zu rechnen. Mit Blick auf die Sozialleistungsträger und die übrigen Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, kann davon ausgegangen werden, dass die Erstellung von Informationen in Leichter Sprache überwiegend durch die Spitzenorganisationen (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Deutsche Rentenversicherung Bund) und im Bereich der Kranken- und Pflegekassen durch deren Verbände wahrgenommen wird. Ausgehend von fünf Broschüren je 20 Seiten ist mit Kosten für die Übertragung der Texte in Leichte Sprache und für die Nachbearbeitung durch die Behörde in Höhe von 8 500 Euro je Spitzenorganisation oder Verband zu rechnen. Soweit kommunale Behörden betroffen sind, ist davon auszugehen, dass nicht jede Kommune selbst Übertragungen in Leichte Sprache durchführt, sondern dies ebenfalls in geeigneter Weise koordiniert erfolgt. So sind auch bereits in der Vergangenheit Musterformulare für Kommunen durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. erstellt worden, beispielsweise ein Musterantrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) nebst Hinweisen zum Antrag.

Die Mehrausgaben der Behörden des Bundes sollen im Rahmen der bestehenden Finanzplanansätze der jeweils betroffenen Ressorts finanziell und stellenmäßig vollständig finanziert werden.

d) Barrierefreie Informationstechnik

Erfüllungsaufwand entsteht für die Behörden des Bundes einmalig durch die schrittweise Anpassung ihrer Intranetangebote sowie ihrer elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe mit dem Ziel, diese für Beschäftigte sukzessive barrierefrei zu gestalten. Es ist davon auszugehen, dass rund 10 Prozent der Intranetangebote der Behörden bereits barrierefrei zugänglich sind und in den Behörden Knowhow und technische Möglichkeiten zur barrierefreien Gestaltung des Intranets vorhanden sind. Für rund 370 Bundesbehörden besteht Anpassungsbedarf, der jeweils im Zuge von Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen aufgegriffen werden soll. Die barrierefreie Gestaltung ist insbesondere bei Neuentwicklungen und Neuanschaffungen mit deutlich geringerem Aufwand verbunden als die anlasslose Umgestaltung von älteren bestehenden Systemen. Der mit der schrittweisen barrierefreien Gestaltung verbundene zeitliche, technische und finanzielle Aufwand ist abhängig vom Einzelfall und nicht quantifizierbar.

Die Mehrausgaben der Behörden sollen im Rahmen der bestehenden Finanzplanansätze der jeweils betroffenen Ressorts finanziell und stellenmäßig vollständig finanziert werden.

e) Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

Im Jahr 2016 entsteht der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) ein Erfüllungsaufwand in Höhe von insgesamt rund 750 000 Euro für den Aufbau und Betrieb der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit. Hier ist der Anschubaufwand für technische Ausstattung und Möblierung sowie notwendige Umbaumaßnahmen enthalten. Ab dem Jahr 2017 ist von rund 990 000 Euro jährlich für den Betrieb der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit auszugehen.

Der auf die KBS damit entfallende Erfüllungsaufwand wird vom BMAS im Rahmen seiner Haushaltsansätze finanziell vollständig durch Umschichtung vorhandener Mittel in einen bei Kapitel 1105 noch neu einzurichtenden Titel getragen.

f) Schlichtungsstelle

Jährlicher Erfüllungsaufwand entsteht dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch die Einrichtung und den Betrieb der Schlichtungsstelle und die Durchführung eines kostenfreien Schlichtungsverfahrens; im Jahr 2016 anteilig nach Errichtung der Schlichtungsstelle und Aufnahme ihrer Arbeit in Höhe von rund 216 000 Euro. Für die Folgejahre fallen Mehraufwände in Höhe von rund 360 000 Euro je Jahr an. Sämtliche mit der Schlichtungsstelle einhergehenden finanziellen und stellenmäßigen Mehrbedarfe werden im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Einzelplan 11) finanziert.

Einmaliger Erfüllungsaufwand entsteht Behörden des Bundes anlassbezogen, soweit sie Beteiligte an einem Schlichtungsverfahren mit Bürgerinnen und Bürgern oder Verbänden sind. Die Verwaltungen sind mit den konkreten Anliegen bereits vertraut, sodass der Mehraufwand der Behörden sich mit jeweils 16 Stunden je Schlichtungsverfahren mit Verbänden und mit 4 Stunden je Schlichtungsverfahren mit Bürgerinnen und Bürgern nicht unverhältnismäßig hoch gestaltet. Bei erfolgreicher Schlichtung kommt es nicht zu Widerspruchs- und Klageverfahren, sodass etwaige damit verbundene Aufwendungen der Behörden entfallen. Etwaiger Erfüllungsaufwand der Behörden soll im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze der jeweils betroffenen Ressorts finanziell und stellenmäßig vollständig finanziert werden.

g) Partizipation

Erfüllungsaufwand entsteht dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch die Administration der Förderung der Partizipation. Ausgehend von rund 40 Förderfällen mit einem Bearbeitungsumfang von rund je 40 Stunden gehobener Dienst und höherer Dienst je Fall beläuft sich der Erfüllungsaufwand für die Abwicklung der Projektförderung inklusive Sachkosten auf rund 200 000 Euro je Jahr. Im Jahr 2016 beläuft sich der Erfüllungsaufwand bedingt durch das Inkrafttreten auf 100 000 Euro. Der Erfüllungsaufwand wird im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales (Einzelplan 11) finanziert.

F. Weitere Kosten

Unmittelbar durch dieses Gesetz werden die Kosten für Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher nicht berührt. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind daher nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 15. Januar 2016
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 26.02.16

Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes

Das Behindertengleichstellungsgesetz vom 27. April 2002 (BGBl. I S. 1467, 1468), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3024) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Bezeichnung des Gesetzes wird wie folgt gefasst:

"Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG)".

2. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt gefasst:

"Abschnitt 1
Allgemeine Bestimmungen

§ 1 Ziel und Verantwortung der Träger öffentlicher Gewalt
§ 2 Frauen mit Behinderungen; Benachteiligung wegen mehrerer Gründe
§ 3 Menschen mit Behinderungen
§ 4 Barrierefreiheit
§ 5 Zielvereinbarungen
§ 6 Gebärdensprache und Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen

Abschnitt 2
Verpflichtung zur Gleichstellung und Barrierefreiheit

§ 7 Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt
§ 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr
§ 9 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen
§ 10 Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken
§ 11 Verständlichkeit und Leichte Sprache
§ 12 Barrierefreie Informationstechnik

Abschnitt 3
Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

§ 13 Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

Abschnitt 4
Rechtsbehelfe

§ 14 Vertretungsbefugnisse in verwaltungs- oder sozialrechtlichen Verfahren
§ 15 Verbandsklagerecht
§ 16 Schlichtungsstelle und -verfahren; Verordnungsermächtigung

Abschnitt 5
Beauftragte oder Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen

§ 17 Amt der oder des Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen
§ 18 Aufgabe und Befugnisse

Abschnitt 6
Förderung der Partizipation

§ 19 Förderung der Partizipation".

3. § 1 wird wie folgt geändert:

4. § 2 wird wie folgt geändert:

5. § 3 wird wie folgt gefasst:

" § 3 Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert."

6. In § 4 werden die Wörter "behinderte Menschen" durch die Wörter "Menschen mit Behinderungen" ersetzt und nach dem Wort "Hilfe" wird das Wort "auffindbar," eingefügt.

7. § 5 wird wie folgt geändert:

8. § 6 wird wie folgt geändert:

9. § 7 wird wie folgt gefasst:

" § 7 Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt

10. § 8 wird wie folgt geändert:

11. § 9 wird wie folgt geändert:

12. § 10 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

13. Nach § 10 wird folgender § 11 eingefügt:

" § 11 Verständlichkeit und Leichte Sprache

Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 sollen Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen. Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass die in Satz 1 genannten Träger öffentlicher Gewalt die Leichte Sprache stärker einsetzen und ihre Kompetenzen für das Verfassen von Texten in Leichter Sprache auf- und ausgebaut werden."

14. Der bisherige § 11 wird § 12 und wie folgt geändert:

15. Nach § 12 wird folgender Abschnitt 3 eingefügt:

"Abschnitt 3
Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

§ 13 Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

16. Der bisherige Abschnitt 3 wird Abschnitt 4.

17. Der bisherige § 12 wird § 14 und wie folgt geändert:

18. Der bisherige § 13 wird § 15 und wie folgt geändert:

19. Nach § 15 wird folgender § 16 eingefügt:

" § 16 Schlichtungsstelle und -verfahren; Verordnungsermächtigung

20. Der bisherige Abschnitt 4 wird Abschnitt 5 und wie folgt gefasst:

"Abschnitt 5
Beauftragte oder Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen".

21. Der bisherige § 14 wird § 17 und wie folgt geändert:

22. Der bisherige § 15 wird § 18 und wie folgt geändert:

23. Nach § 18 wird folgender Abschnitt 6 eingefügt:

"Abschnitt 6
Förderung der Partizipation

§ 19 Förderung der Partizipation

Der Bund fördert im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Maßnahmen von Organisationen, die die Voraussetzungen des § 15 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 5 erfüllen, zur Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten."

Artikel 2
Weitere Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes zum Jahr 2018

§ 11 des Behindertengleichstellungsgesetzes, der zuletzt durch Artikel 1 Nummer 13 dieses Gesetzes geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

" § 11 Verständlichkeit und Leichte Sprache

Artikel 3
Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch

§ 17 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015), das zuletzt durch Artikel 27 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 2 wird wie folgt geändert:

2. Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

(2a) § 11 des Behindertengleichstellungsgesetzes gilt in seiner jeweils geltenden Fassung bei der Ausführung von Sozialleistungen entsprechend."

Artikel 4
Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch

§ 19 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), das zuletzt durch Artikel 32 des Gesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2010) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 1 wird wie folgt geändert:

2. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

(1a) § 11 des Behindertengleichstellungsgesetzes gilt in seiner jeweils geltenden Fassung für das Sozialverwaltungsverfahren entsprechend."

3. In Absatz 2 Satz 4 werden nach den Wörtern "Übersetzer herangezogen hat," die Wörter "die nicht Kommunikationshilfe im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind," eingefügt.

Artikel 5
Folgeänderungen

Artikel 6
Evaluierung

Die Bundesregierung berichtet dem Deutschen Bundestag innerhalb von sechs Jahren nach Verkündung dieses Gesetzes über die Wirkungen der §§ 1, 2, 3, 7, 8, 11, 12, 13, 15, 16 und 19 des Behindertengleichstellungsgesetzes sowie des § 17 Absatz 2a des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und des § 19 Absatz 1a des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch. Alle obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane erstellen über die von ihnen genutzten Gebäude, die im Eigentum des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts stehen, bis zum 30. Juni 2021 Berichte über den Stand der Barrierefreiheit dieser Bestandsgebäude nach § 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes. Die obersten Bundesbehörden erstellen bis zum 30. Juni 2021 Berichte über den Stand der Barrierefreiheit der Informationsangebote und Verwaltungsabläufe nach § 12 des Behindertengleichstellungsgesetzes.

Artikel 7
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) ist es, die Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbstbestimmte Teilhabe zu ermöglichen. Das BGG konkretisiert das Benachteiligungsverbot des Artikels 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Es enthält spezielle Regelungen gegen Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen für den Bereich des öffentlichen Rechts und der Träger öffentlicher Gewalt, insbesondere der Bundesverwaltung. Kernstück des BGG ist die Herstellung von Barrierefreiheit in gestalteten Lebensbereichen, etwa in den Bereichen Bau und Verkehr, und bei der Kommunikation mit der Bundesverwaltung einschließlich der Nutzbarkeit von modernen Medien, wie dem Internet. Barrieren hindern Menschen mit Behinderungen an einer gleichberechtigten Teilhabe. Barrierefreiheit ist deshalb eine wesentliche Voraussetzung für ihre gleichberechtigte Teilhabe. Insgesamt stellt das BGG eine gute Grundlage für die Herstellung von Barrierefreiheit und gegen Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen im öffentlichrechtlichen Bereich sowie für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im Bereich des öffentlichen Rechts und der Bundesverwaltung dar.

In der Praxis gibt es allerdings teilweise Unsicherheiten bei der Rechtsauslegung und Probleme bei der Rechtsanwendung, wobei das Gesetz insgesamt auch noch zu wenig angewendet wird und zu wenig Wirkung entfaltet; teilweise bestehen Regelungslücken.

Zu diesem Ergebnis kommt auch die sozial- und rechtswissenschaftliche Evaluation des BGG, die in den Jahren 2013 und 2014 im Rahmen des Nationalen Aktionsplans der Bundesregierung (NAP) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) "Unser Weg in eine inklusive Gesellschaft" durchgeführt worden ist. Mit dem NAP, den die Bundesregierung am 15. Juni 2011 beschlossen hat, will sie die Umsetzung der UN-BRK systematisch vorantreiben. Die Evaluation des BGG wurde als eigenständige Maßnahme im NAP verankert und durchgeführt.

Ziel der Novellierung ist es, unter Berücksichtigung der UN-BRK, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Die UN-BRK schafft keine Sonderrechte, sondern konkretisiert die universellen Menschenrechte für die Bedürfnisse und Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen, enthält Begriffsbestimmungen und allgemeine Grundsätze, zu denen unter anderem die Nichtdiskriminierung, die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft, die Chancengleichheit, die Zugänglichkeit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau zählen. Durch Ratifikationsgesetz vom 21. Dezember 2008 (BGBl. II, S. 1419) ist die UN-BRK in das deutsche Recht eingegangen. Die Regelungen des BGG, insbesondere der Behinderungsbegriff und das Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt, entsprechen den Vorgaben der UN-BRK und können in ihrem Sinne ausgelegt werden. In der Praxis - das bestätigte auch die Evaluation - ist die UN-BRK bei den Normadressaten des BGG aber nicht oder noch nicht hinreichend präsent. Dies hat zur Folge, dass eine Auslegung und Anwendung des BGG im Sinne der UN-BRK nicht in jedem Fall sichergestellt ist.

Die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts ergibt sich darüber hinaus aus dem Koalitionsvertrag "Deutschlands Zukunft gestalten" der 18. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD, in dem die Regierungsparteien vereinbart haben, dass Leitidee der Politik der Bundesregierung für Menschen mit Behinderungen die inklusive Gesellschaft ist. Auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft ist die UN-BRK bei politischen Entscheidungen, die die Menschen mit Behinderungen betreffen, zu berücksichtigen. Als Etappenziele nennt der Koalitionsvertrag mehr Teilhabe, Selbstbestimmung und Barrierefreiheit im Alltag.

Sechs Jahre nach Inkrafttreten der UN-BRK in Deutschland fand am 26. und 27. März 2015 vor dem zuständigen UN-Vertragsausschuss in Genf die erste Staatenprüfung zur Umsetzung dieser Konvention in Deutschland statt. Die abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses betreffen unter anderem die Überarbeitung des Behinderungsbegriffs und die gesetzliche Verankerung des Konzepts der angemessenen Vorkehrungen. Diese Empfehlungen werden im Gesetzentwurf aufgegriffen. Die Novellierung zielt insbesondere darauf, bei der Herstellung von Barrierefreiheit sukzessive weiter voranzukommen, indem sich der Bund - ähnlich wie bei den bereits mit Inkrafttreten des BGG eingegangenen Selbstverpflichtungen, zum Beispiel zum barrierefreien Bauen nach § 8 Absatz 1 BGG - in weiteren Bereichen, für die er bei der Umsetzung selbst verantwortlich ist, gesetzlich zur Herstellung von Barrierefreiheit verpflichtet.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Um die Umsetzung des BGG in der Praxis zu erleichtern und seine Wirkungen zu erhöhen, ist es erforderlich, einzelne Regelungen, auch unter Berücksichtigung der UN-BRK, (klarstellend) zu ändern und wirksamer auszugestalten sowie das Gesetz an geänderte gesellschaftliche und technische Entwicklungen anzupassen und Regelungslücken zu schließen. Darüber hinaus werden Änderungen bei den gesetzlichen Formulierungen vorgenommen. Grundlage der Novellierung ist die UN-BRK; die Ergebnisse der Evaluation des BGG werden berücksichtigt.

Artikel 1 und 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts umfassen die Novellierung des BGG mit folgenden wesentlichen Änderungen:

1. Anpassung des Behinderungsbegriffs an den Wortlaut der UN-BRK

In das BGG wurde im Jahre 2002 derselbe Behinderungsbegriff übernommen, der ein Jahr zuvor in § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuchs festgelegt worden war. Dieser Behinderungsbegriff ist bereits an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation angelehnt und rückt das Ziel der Teilhabe an den verschiedenen Lebensbereichen in den Vordergrund. Auch der UN-BRK liegt dieses Verständnis zugrunde.

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen nach Artikel 1 Satz 2 der UN-BRK Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Dass der Behinderungsbegriff im BGG im Sinne der UN-BRK ausgelegt werden kann, ist schon im Rahmen der Ratifizierung der UN-BRK festgestellt worden. Um die Doppelung zweier sprachlicher Fassungen eines Begriffs zu beseitigen und das Bewusstsein für das zeitgemäße Verständnis von Behinderung im Sinne der UN-BRK weiter zu schärfen sowie die Rechtsanwendung in der Praxis zu unterstützen, wird der Behinderungsbegriff im BGG an den Wortlaut der UN-BRK angepasst. Infolge dieser Anpassung wird die Formulierung "behinderte Menschen" grundsätzlich durch die Formulierung "Menschen mit Behinderungen" ersetzt. Damit ist keine Ausweitung des Personenkreises verbunden.

2. Verbesserung der Barrierefreiheit

Kernstück des BGG und seiner drei Rechtsverordnungen (Kommunikationshilfenverordnung (KHV), Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung (VBD) und die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0)) und eine grundlegende Voraussetzung für die selbstbestimmte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist Barrierefreiheit. Die Novellierung zielt insbesondere darauf, bei der Herstellung von Barrierefreiheit sukzessive weiter voranzukommen.

Mit dem BGG hat sich der Bund im Jahr 2002 bereits zur Barrierefreiheit ziviler Neubauten sowie großer ziviler Um- oder Erweiterungsbauten verpflichtet. Seither werden diese nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet.

Zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik zählen unter anderem DIN-Normen. Für den Bereich des barrierefreien Bauens wurden zwischenzeitlich insbesondere die DIN-Normen 18040-1 (öffentlich zugängliche Gebäude), 18040-2 (Wohnungen) und 18040-3 (öffentlicher Verkehrs- und Freiraum) erarbeitet und veröffentlicht. Ziel dieser Normen ist die Barrierefreiheit baulicher Anlagen, damit diese von Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. Die DIN-Normen berücksichtigen darüber hinaus auch Nutzungserleichterungen für weitere Personengruppen, wie ältere Menschen. Die demografische Entwicklung erfordert weitere Anstrengungen, um bei der Barrierefreiheit im Bereich Bau schrittweise weiter voranzukommen und die Verwaltungsgebäude damit für Menschen mit Behinderungen und eine älter werdende Belegschaft nutzbar zu machen. Die Feststellung und Beseitigung von Zugangsbarrieren entspricht den Vorgaben der UN-BRK, insbesondere in Artikel 9 der UN-BRK. Der Bund soll deshalb künftig alle investiven Baumaßnahmen nach § 8 Absatz 1 BGG barrierefrei gestalten und nach § 8 Absatz 2 BGG bauliche Barrieren feststellen und abbauen. In § 8 Absatz 4 BGG wird die Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei Anmietungen der vom Bund genutzten Bauten ausdrücklich geregelt.

Aus demselben Grund und wegen der zunehmenden Digitalisierung von Vorgängen und Arbeitsprozessen ist es erforderlich, barrierefreie Informationstechnik künftig auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltungen des Bundes im BGG sicherzustellen. Mit Inkrafttreten des BGG hat sich der Bund bereits dazu verpflichtet, seine Internetauftritte schrittweise technisch so zu gestalten, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können. Künftig werden die Bundesbehörden darüber hinaus das Intranet und elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe schrittweise barrierefrei gestalten.

Auch durch die rechtliche Verankerung, dass Träger öffentlicher Gewalt auf die Beachtung der Grundzüge des BGG, insbesondere Aspekte der Barrierefreiheit von institutionellen Zuwendungsempfängerinnen und -empfängern hinwirken sollen, soll die Herstellung von Barrierefreiheit weiter vorangetrieben werden.

3. Leichte Sprache zur stärkeren Berücksichtigung der Belange von Menschen mit geistigen Behinderungen

Für Menschen mit geistigen Behinderungen bestehen Lücken im Recht bei der barrierefreien Kommunikation mit der Bundesverwaltung. Im BGG gibt es bereits Ansprüche für hör- und sprachbehinderte Menschen auf die Verwendung von Gebärdensprache und anderen geeigneten Kommunikationshilfen (§ 9 BGG) sowie für blinde und sehbehinderte Menschen auf Zugänglichmachung zum Beispiel von Bescheiden in einer für sie wahrnehmbaren Form (§ 10 BGG). Für Menschen mit geistigen Behinderungen stellen komplizierte Inhalte Barrieren dar, die überwunden werden können. Eine Möglichkeit ist die Verwendung von Leichter Sprache, die bereits in der BITV 2.0 rechtlich verankert ist. Die Lücken im Recht werden durch Regelungen zur Verwendung von einfacher und verständlicher Sprache sowie zur Verwendung von Leichter Sprache, zum Beispiel zur Erläuterung eines Bescheides oder Vordruckes, geschlossen. Es ist vorgesehen, dass die Regelung zur Verständlichkeit und Leichten Sprache in den SGB I und SGB X entsprechend gilt. Es obliegt den Trägern öffentlicher Gewalt, wie sie die Texte in Leichter Sprache erstellen. Dies entspricht auch den Vorgaben der UN-BRK, insbesondere den Artikeln 9 und 21 der UN-BRK.

4. Einrichtung einer Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

Die Bundesfachstelle ist zentrale Anlaufstelle zu Fragen der Barrierefreiheit für die mit dem BGG verpflichteten Behörden. In dieser Funktion berät und unterstützt sie die Behörden, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung barrierefrei und unter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen zu erfüllen. Sie trägt damit aktiv und konkret zur Verbesserung der Barrierefreiheit der öffentlichen Verwaltung bei. Die Fachstelle stellt weiterführende Informationen bereit, kann Forschungsimpulse geben und Forschungsvorhaben der Ressorts begleiten, vermittelt Kontakte zu anderen kompetenten bzw. unterstützenden Stellen und informiert die allgemeine und die Fach-Öffentlichkeit. Sie arbeitet behinderungsübergreifend und gestaltet ihre Angebote (Informationen, Veranstaltungen etc.) barrierefrei. Die Bundesfachstelle informiert und wirbt aktiv für die Gestaltung einer barrierefreien Lebens- und Arbeitswelt in einer älterwerdenden Gesellschaft, unterstützt bei Bedarf und im Rahmen ihrer personellen und finanziellen Kapazitäten die Verhandlungsparteien, die Zielvereinbarungsverhandlungen führen und Vereinbarungen über die konkrete Herstellung von Barrierefreiheit treffen, und steht als Informationsstelle auch Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik und der Zivilgesellschaft offen.

5. Klarstellung des Benachteiligungsverbots für Träger öffentlicher Gewalt durch die Aufnahme des Prinzips der Versagung angemessener Vorkehrungen als Form der Benachteiligung

Der bisherige § 7 Absatz 2 BGG (Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt) konkretisiert das Benachteiligungsverbot des Artikels 3 Absatz 3 Satz 2 des GG. Es kann in Übereinstimmung mit der UN-BRK ausgelegt werden. Mit der Novellierung wird im BGG klarstellend geregelt, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen entsprechend Artikel 5 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 2 der UN-BRK eine Benachteiligung darstellt. Nach der Begriffsbestimmung nach Artikel 2 Unterabsatz 4 der UN-BRK sind angemessene Vorkehrungen "notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können".

6. Stärkung von Frauen mit Behinderungen und Aufnahme einer Regelung zur Benachteiligung wegen mehrerer Gründe

Die Vorschrift des § 2 BGG (Frauen mit Behinderungen) wird im Hinblick auf die Benachteiligungen wegen mehrerer Gründe, das heißt wegen des Geschlechts und wegen der Behinderung, ergänzt. Dies dient der Sensibilisierung. Schon in der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 2001 wurde darauf hingewiesen, dass gerade Frauen mit Behinderungen oft in doppelter Hinsicht Benachteiligungen erleiden, indem sie gleichzeitig der benachteiligten Gruppe der Frauen und der benachteiligten Gruppe der behinderten Menschen angehören. Der Aspekt der mehrfachen Diskriminierung von Frauen mit Behinderungen ist auch Gegenstand der UN-BRK, vergleiche Artikel 6 der UN-BRK. Darüber hinaus wird unter Berücksichtigung der UN-BRK eine Regelung zur Benachteiligung wegen mehrerer Gründe aufgenommen.

7. Einrichtung einer Schlichtungsstelle und die Einführung von Schlichtungsverfahren

Es wird eine Schlichtungsstelle bei der beauftragten Person für die Belange von Menschen mit Behinderungen eingerichtet und die Möglichkeit von Schlichtungsverfahren eingeführt, die auf rasche Einigung abzielen und für die Beteiligten kostenfrei sind. Das Schlichtungsverfahren ist künftig Verbandsklagen, die sich gegen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 BGG richten, vorgeschaltet und steht Einzelpersonen zur Verfügung.

8. Förderung der Partizipation von Organisationen von Menschen mit Behinderungen

Es wird eine finanzielle Förderung der Partizipation von Verbänden von Menschen mit Behinderungen, insbesondere von Selbstvertretungsorganisationen, rechtlich im BGG verankert. Ziel der Förderung ist, den Verbänden eine aktive und umfassende Teilhabe an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten zu ermöglichen. Damit wird die Partizipation von Menschen mit Behinderungen an politischen Entscheidungsprozessen und Maßnahmen gefördert. Dies entspricht Vorgaben der UN-BRK, vergleiche Artikel 29 Buchstabe b), Artikel 4 Absatz 3 der UN-BRK. Außerdem steht die Förderung im Einklang mit der Leitidee der inklusiven Gesellschaft, zu der sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag "Deutschlands Zukunft gestalten" der 18. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD bekannt haben. Danach will die Bundesregierung die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen als Experten in eigener Sache an Entscheidungsprozessen besonders berücksichtigen - nach dem Motto "Nichts über uns ohne uns".

9. Klarstellung des Geltungsbereichs

Der Geltungsbereich des BGG wird ausdrücklich ergänzt um Beliehene und andere Bundesorgane, soweit sie eine öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit ausüben. Beliehene unterliegen als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung denselben Pflichten wie die Träger öffentlicher Gewalt.

Zu anderen Bundesorganen im oben genannten Sinne zählen unter anderem die Verwaltung des Deutschen Bundestages und die Bundesgerichte, soweit sie öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit ausüben.

10. Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen

Mit Änderungen in den §§ 6 und 9 BGG wird die Vielfältigkeit der Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen unterstrichen. Mit den Artikeln 3 und 4 werden im Ersten Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Anpassungen an die Regelungen des BGG zur Kommunikation von hör- und sprachbehinderten Menschen vorgenommen.

III. Alternativen

Keine mit derselben Wirkung.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Regelungen der Artikel 1 und 2 unterfallen im Grundsatz der Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 (öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht)) des GG. Hieraus ergibt sich eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Behindertenfürsorge (vergleiche BVerfGE 57, 139, 159). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 88, 203, 329 f. mit weiteren Nachweisen) ist diese Kompetenznorm nicht eng auszulegen und erfasst auch präventive Maßnahmen zum Ausgleich von Notlagen und besonderen Belastungen sowie Vorkehrungen gegen die Gefahr der Hilfsbedürftigkeit. Daher sind auch bundesgesetzliche Regelungen zur Gleichstellung und Schaffung von barrierefreien Verhältnissen grundsätzlich von dieser Verfassungsnorm gedeckt, da sie ein Leben von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft anstreben, das öffentliche und private Hilfeleistungen so weit wie möglich entbehrlich machen soll.

Soweit die Regelungen der Artikel 1 und 2 Verpflichtungen für das Verhalten und das Verwaltungsverfahren von Trägern der öffentlichen Gewalt des Bundes vorsehen (§§ 1, 7 bis 12 BGG) ergibt sich die Bundeskompetenz aus der Natur der Sache. Die Einbeziehung der Länderverwaltungen, soweit sie Bundesrecht ausführen, beruht auf dem Gesichtspunkt der Annexkompetenz des Bundes. Soweit Regelungen des gerichtlichen Verfahrens (§§ 14 und 15 BGG) vorgesehen sind, ergibt sich die Gesetzgebungskompetenz aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG. Für die Regelungen zur Bundesfachstelle für Barrierefreiheit (§ 13), zur Schlichtungsstelle und zum Schlichtungsverfahren (§ 16) als nicht gerichtlichem Vorverfahren und zur Förderung der Partizipation (§ 19) folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus der Natur der Sache.

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die das Sozialverwaltungsverfahren betreffenden Regelungen der Artikel 3 und 4 folgt als Annexkompetenz der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 GG (Sozialversicherung).

Soweit die Gesetzgebungskompetenz auf Artikel 74 Absatz 1 Nummer 7 GG gestützt wird, ist eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Absatz 2 GG zur Wahrung der Rechtseinheit im Bundesgebiet im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. Der angestrebte effektive Schutz von Menschen mit Behinderungen vor Benachteiligungen einschließlich ihrer Gleichstellung im Bereich des öffentlichen Rechts durch allgemeine Bestimmungen zum Gesetzesziel (§ 1 Absatz 1), zu Frauen mit Behinderungen; Benachteiligung wegen mehrerer Gründe (§ 2), zur Behinderung (§ 3), zur Barrierefreiheit (§ 4), zu Zielvereinbarungen (§ 5), zur Gebärdensprache und Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen (§ 6) sowie zum Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt (§ 7) kann nur durch eine bundesgesetzliche Regelung erreicht werden. Gäbe es in den Ländern unterschiedliche Regelungen in diesem Bereich, könnte der Einzelne nicht darauf vertrauen,

bundesweit in allen Ländern in gleicher Weise Schutz vor Benachteiligung zu erlangen. Gerade in Zeiten erhöhter Mobilität der Bevölkerung muss der Einzelne jedoch darauf vertrauen können, dass er bundesweit in allen Ländern effektiven Schutz vor Benachteiligung im Sinne der UN-BRK erlangt. Zwar sind nach Inkrafttreten des BGG nach seinem Vorbild zwischenzeitlich in allen Ländern dem Gesetz im Wesentlichen gleich lautende LandesBehindertengleichstellungsgesetze erlassen worden. Gut sechs Jahre nach innerstaatlicher Geltung der UN-BRK sind Anpassungen an die Vorgaben der UN-BRK angezeigt. Zur Vermeidung unterschiedlicher Regelungen und erheblicher Rechtsunsicherheiten und damit verbundener unzumutbarer Behinderungen für den länderübergreifenden Rechtsverkehr in Zeiten erhöhter Mobilität der Bevölkerung ist eine einheitliche Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts im Sinne der UN-BRK erforderlich.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Das Gesetz ist mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VI. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Der Gesetzentwurf sieht keine Rechtsvereinfachung oder Vereinfachung von Verwaltungsverfahren vor.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Gesetzentwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie.

3. Demografische Folgen

Die demografischen Folgen und Risiken des Gesetzes wurden anhand des vom Bundesministerium des Innern veröffentlichten Demografie-Checks geprüft. Die vorgeschlagenen Änderungen in Artikel 1 bis 4 haben zugleich Relevanz für den demografischen Wandel in der Gesellschaft. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Regelungen zur Verbesserung der Barrierefreiheit. Unter anderem die zunehmende Gestaltung barrierefreier Räumlichkeiten des Bundes und der zunehmende Einsatz barrierefreier moderner Informations- und Kommunikationstechnologien für die Beschäftigten in den Bundesbehörden haben positive Auswirkungen auf die älterwerdende Bevölkerung, ohne dass damit finanzielle Belastungen (z.B. Steuer- oder Abgabenerhöhungen, Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge) für künftige Generationen verbunden sind. Vor allem durch die genannten Regelungen sind von dem Vorhaben positive Auswirkungen auch auf eine Kultur des längeren Arbeitens, zu einer altersgerechten Arbeitswelt und alternsgerechten Arbeitsgestaltung in den Bundesbehörden zu erwarten. Direkte Auswirkungen auf die demografische Entwicklung in Deutschland, etwa auf die zukünftige Geburtenentwicklung, Altersstruktur der Bevölkerung, Zu- und Abwanderung oder die regionale Verteilung der Bevölkerung hat das Vorhaben nicht.

4. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Im Jahr 2016 sind für die Förderung der Partizipation Mittel in Höhe von insgesamt 600 000 Euro, ab dem Jahr 2017 jährlich Mittel in Höhe von 1 200 000 Euro (500 000 Euro respektive 1 000 000 Euro für die Förderung, 100 000 Euro respektive 200 000 Euro für die Administration) vorgesehen. Die Förderung der Partizipation führt nicht zu einer Erhöhung der Haushaltsansätze im Einzelplan 11 des BMAS. Die Finanzierung der Förderung der Partizipation wird im Wege einer Änderung der disponiblen Förderungsschwerpunkte im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen gegenfinanziert. Für andere Einzelpläne entstehen keine weiteren Haushaltsausgaben.

5. Erfüllungsaufwand

1. Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger mit geistigen Behinderungen entsteht durch die Regelungen dieses Gesetzentwurfs zusätzlicher Erfüllungsaufwand, soweit sie von der Möglichkeit, Erläuterungen in Leichter Sprache zu verlangen, Gebrauch machen. Das Verlangen kann formlos erfolgen und ist entsprechend mit einem sehr geringen Aufwand für Bürgerinnen und Bürger (rund 2 Minuten je Fall) möglich. Es wird davon ausgegangen, dass rund 200 000 Bürgerinnen und Bürger davon dreimal jährlich Gebrauch machen.

Bürgerinnen und Bürgern entsteht ferner Erfüllungsaufwand, soweit sie von der Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens Gebrauch machen. Aufwand für geschätzt 330 Anträge auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens entsteht in geringem Umfang (rund 4,5 Stunden je Fall, einschließlich Schlichtungstermin). Im Falle eines erfolgreich verlaufenen Schlichtungsverfahrens kann damit ein Widerspruchs- und gegebenenfalls Klageverfahren, das ohne das Schlichtungsverfahren erforderlich gewesen wäre, für Bürgerinnen und Bürger entbehrlich werden.

Den nach § 15 Absatz 3 BGG anerkannten Verbänden entsteht Erfüllungsaufwand, soweit sie von der Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens Gebrauch machen. Ausgehend von geschätzt jährlich maximal 20 Anträgen auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens mit einem zeitlichen Aufwand von rund 18 Stunden für Vorbereitung, Antragstellung und Durchführung des Verfahrens ist mit einem jährlichen Erfüllungsaufwand von insgesamt rund 360 Stunden zu rechnen. Für den Fall, dass im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens eine gütliche Einigung herbeigeführt werden kann, erübrigen sich ein Widerspruchs- und gegebenenfalls ein Klageverfahren für die Verbände.

Den Verbänden von Menschen mit Behinderungen entsteht Erfüllungsaufwand, wenn sie Mittel zur Förderung ihrer Partizipation beantragen. Je Antrag ist mit einem zeitlichen Aufwand von rund zehn Stunden zu rechnen. Hochgerechnet auf zu erwartende 40 Förderfälle je Jahr ergibt sich damit insgesamt ein jährlicher Erfüllungsaufwand von insgesamt rund 400 Stunden.

2. Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Wirtschaft entstehen kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand und keine Bürokratiekosten aus Informationspflichten.

3. Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Alle Maßnahmen sollen von den jeweils betroffenen Ressorts ohne zusätzliche Mittel eigenverantwortlich im Rahmen ihrer bestehenden Einzeletats unmittelbar, vollständig und dauerhaft gegenfinanziert werden.

a) Hinwirken auf Barrierefreiheit gegenüber Dritten

Den Behörden entsteht Erfüllungsaufwand in nicht quantifizierbarem Umfang durch die grundsätzliche Verpflichtung nach § 1 Absatz 3 Satz 1, bei Beteiligungen auf die Berücksichtigung von Barrierefreiheit in angemessener Weise hinzuwirken. Den Behörden entsteht außerdem Erfüllungsaufwand durch die grundsätzliche Verpflichtung nach § 1 Absatz 3 Satz 2 bis 4 bei der Gewährung von Zuwendungen und Zuweisungen als institutionelle Förderungen die Grundzüge des BGG, dabei insbesondere Aspekte der Barrierefreiheit, zu berücksichtigen. Der Erfüllungsaufwand richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und soll im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze der jeweils betroffenen Ressorts finanziell und stellenmäßig vollständig gegenfinanziert werden.

b) Herstellung von Barrierefreiheit im Bereich Bau

Den Behörden entsteht Erfüllungsaufwand in nicht quantifizierbarem Umfang.

Nach § 8 Absatz 1 BGG der seit dem Jahr 2002 geltenden Fassung sollen zivile Neubauten sowie große zivile Um- und Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. Dadurch erstreckt sich die Selbstverpflichtung des Bundes zur Herstellung von Barrierefreiheit im zivilen Bundesbau bereits nach geltendem Recht auf einen Großteil der investiven Baumaßnahmen, nämlich auf sämtliche Neubauten unabhängig von der Kostenhöhe, und die großen zivilen Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes, das heißt ab einem Ausgabevolumen von mehr als 2 000 000 Euro. Indem der Anwendungsbereich des § 8 Absatz 1 Satz 1 auf alle zivilen Um- und Erweiterungsbauten des Bundes erstreckt wird, entsteht Erfüllungsaufwand für die Behörden. Dieser kann nicht quantifiziert werden. Barrierefreiheit kann bei Neubauten mit einem zusätzlichen Kostenaufwand von rund 5 Prozent hergestellt werden. Im Einzelfall können die Mehrkosten erheblich höher, bei großen Gebäuden auch niedriger ausfallen. Bestehende Gebäude sind ungleich schwerer und in vielen Fällen nur mit einem beträchtlichen Aufwand an die Barrierefreiheit anpassbar. Nach Untersuchungen in der Schweiz betragen die Zusatzkosten einer nachträglichen Anpassung im Mittel bis zu 15 Prozent. Die Kosten variieren aber bei nachträglicher Anpassung in Abhängigkeit von den Gegebenheiten im Einzelfall sehr stark, so dass auch für den Abbau von Barrieren im Baubestand nach § 8 Absatz 2 BGG keine Quantifizierung des Aufwands möglich ist.

Für die Erstellung der Statusberichte nach § 8 Absatz 3 für die Evaluation entsteht den Behörden ein einmaliger geringer Erfüllungsaufwand.

Den Behörden entsteht durch die Regelung nach § 8 Absatz 4 BGG, die Barrierefreiheit bei Anmietungen der genutzten Bauten zu berücksichtigen, Erfüllungsaufwand, der nicht quantifizierbar ist. Er ist abhängig davon, ob und in welchem Umfang die Behörden Gebäude anmieten und inwieweit sie dabei bereits bislang die Barrierefreiheit berücksichtigt haben.

§ 7 Absatz 1 Satz 1 BGG in der seit dem Jahr 2002 geltenden Fassung des Gesetzes regelt, dass die Behörden die in § 1 BGG genannten Ziele aktiv fördern und bei der Planung von Maßnahmen beachten.

Die aus den Maßnahmen nach § 8 entstehenden Mehrbelastungen der Behörden, insbesondere durch die Anpassung der Mieten im Einheitlichen Liegenschaftsmanagement der BImA sollen im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze aus deren jeweiligen Einzelplänen finanziell und stellenmäßig vollständig finanziert werden.

c) Leichte Sprache

Jährlicher Erfüllungsaufwand ab dem Jahr 2018 entsteht den Behörden des Bundes, den Sozialleistungsträgern sowie den übrigen Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, durch die Erläuterung von Bescheiden, Vordrucken und anderen relevanten Unterlagen in Leichter Sprache wie folgt:

Es ist geplant, dass das BMAS im Jahr 2017 die Entwicklung von Erläuterungen in Leichter Sprache, insbesondere die Entwicklung standardisierter Textbausteine, durch die Erstellung eines Pools von Mustererläuterungen unterstützt. Ein Grundstock von Erläuterungen zu besonders relevanten Dokumenten soll in Leichter Sprache erstellt und den Behörden als Basis zur Verfügung gestellt werden. Die Finanzierung (insbesondere für die Entwicklung der Textbausteine durch Übersetzungsbüros in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Behörden und für die zentrale Bereitstellung für die Behörden) erfolgt aus Haushaltsmitteln des BMAS (NAP zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention) durch Umschichtung bestehender Haushaltsmittel.

Es ist davon auszugehen, dass ab dem Jahr 2018 die erstellten Erläuterungen von den Behörden genutzt und den rund 200 000 Bürgerinnen und Bürgern auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden können. Die Aufbereitung, Beschaffung und Übermittlung der Erläuterungen ist mit sieben Minuten Mehraufwand der Behörde je Erläuterung verbunden. Ausgehend davon, dass rund 200 000 Bürgerinnen und Bürger dreimal jährlich von der Möglichkeit, Erläuterungen anzufordern, Gebrauch machen, ergeben sich unter Berücksichtigung eines Lohnsatzes von 27,40 Euro je Stunde personelle Mehraufwände im Umfang von insgesamt rund 2 800 000 Euro für alle Behörden des Bundes, Sozialleistungsträger sowie Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen.

Zusätzlich ist - auf Grund neuer Fallgestaltungen oder wesentlicher Rechtsänderungen - mit insgesamt und für alle Bundesbehörden jährlich rund sieben neuen Erläuterungen zu Dokumenten zu rechnen, die mit 1 200 Euro Mehrkosten verbunden sein werden (ausgehend von einem Umfang von zwei Seiten je Dokument zu 85 Euro je Seite).

Darüber hinaus entsteht den Behörden des Bundes, den Sozialleistungsträgern sowie den übrigen Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, ab Inkrafttreten dieses Gesetzes laufend Erfüllungsaufwand für die Erstellung von Informationen in Leichter Sprache nach § 11 BGG-neu (ab dem Jahr 2018 § 11 Absatz 3 BGG-neu). Ausgehend von insgesamt fünf Broschüren je 20 Seiten je Jahr ist mit Kosten für die Übertragung der Texte in Leichte Sprache durch die Behörde in Höhe von 8 500 Euro je Ressort (inklusive Geschäftsbereich) zu rechnen. Mit Blick auf die Sozialleistungsträger und die übrigen Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, kann davon ausgegangen werden, dass die Erstellung von Informationen in Leichter Sprache überwiegend durch die Spitzenorganisationen (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., Bundesagentur für Arbeit, Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Deutsche Rentenversicherung Bund) und im Bereich der Kranken- und Pflegekassen durch deren Verbände wahrgenommen wird. Ausgehend von fünf Broschüren je 20 Seiten ist mit Kosten für die Übertragung der Texte in Leichte Sprache und für die Nachbearbeitung durch die Behörde in Höhe von 8 500 Euro je Spitzenorganisation oder Verband zu rechnen. Soweit kommunale Behörden betroffen sind, ist davon auszugehen, dass nicht jede Kommune selbst Übertragungen in Leichte Sprache durchführt, sondern dies ebenfalls in geeigneter Weise koordiniert erfolgt. So sind auch bereits in der Vergangenheit Musterformulare für Kommunen durch den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. erstellt worden, beispielsweise ein Musterantrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch) nebst Hinweisen zum Antrag.

Die Mehrausgaben der Behörden des Bundes sollen im Rahmen der bestehenden Finanzplanansätze der jeweils betroffenen Ressorts finanziell und stellenmäßig vollständig finanziert werden.

d) Barrierefreie Informationstechnik

Erfüllungsaufwand entsteht für die Behörden des Bundes einmalig durch schrittweise Anpassung ihrer Intranetangebote sowie ihrer elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe mit dem Ziel, diese für Beschäftigte sukzessive barrierefrei zu gestalten. Da eine entsprechende Verpflichtung bereits für die Gestaltung des Internets besteht und die Behörden in der Regel auch schwerbehinderte Menschen beschäftigen, ist davon auszugehen, dass rund 10 Prozent der Intranetauftritte der Behörden bereits barrierefrei zugänglich sind und Knowhow und technische Möglichkeiten zur barrierefreien Gestaltung des Intranets vorhanden s i.d.R. nd 370 Bundesbehörden sollen ihre Intranetangebote und elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe, anlassbezogen, also im Zuge von Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen barrierefrei gestalten. Technischer und zeitlicher Aufwand der Anpassungen sind abhängig vom Einzelfall, so dass der Aufwand nicht quantifizierbar ist. Er ist abhängig von den vorhandenen Gegebenheiten, insbesondere dem Stand der vorhandenen elektronischen Anwendungen und der geplanten Weiterentwicklung. Durch die frühzeitigte Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei Neuanschaffungen und entwicklungen ist die Barrierefreiheit in diesen Fällen kostengünstig oder kostenneutral möglich. Demgegenüber erfordern spätere Anpassungen in der Regel einen höheren technischen Aufwand und sind entsprechend kostenintensiver. Bei Anpassungen, Weiterentwicklungen oder Erweiterungen des Intranets oder bestehender Systeme hängen Mehraufwände für die barrierefreie Anpassung ab von deren Alter und Zustand und sind daher nicht quantifizierbar. Anpassungen sind kostengünstig möglich, wenn sie schrittweise erfolgen. Im Einzelfall können nach Experten-Schätzungen einmalig für die grundlegende Anpassung des Intranets oder von IT-Systemen Anpassungskosten von 8 000 Euro bis 30 000 Euro und Kosten für redaktionelle Anpassungen von 1 000 Euro bis 3 000 Euro entstehen. Um die Träger öffentlicher Gewalt nicht unverhältnismäßig zu belasten, kann von Anpassungen abgesehen werden, die mit einem unverhältnismäßigen technischen Aufwand verbunden sind.

Für die Erstellung der Statusberichte für die Evaluation entsteht den Behörden ein einmaliger überschaubarer Erfüllungsaufwand.

Die mit der barrierefreien Informationstechnik verbundenen Mehrausgaben sollen im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze von den jeweils betroffenen Ressorts finanziell und stellenmäßig voll finanziert werden. Durch die schrittweise und anlassbezogene Umsetzung können die Mehrausgaben aus den Einzelplänen der Ressorts ohne unangemessene Mehrbelastungen der Haushalte umgesetzt werden. Kostenintensive nachträgliche Anpassungen für Beschäftigte mit Behinderungen, Beschäftigte, die im Laufe ihrer Dienstzeit eine Behinderung erwerben oder ältere Beschäftigte können sich durch diese Vorkehrungen minimieren.

e) Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

Für den Aufbau und den Betrieb der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit entsteht der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) im Jahr 2016 ein Erfüllungsaufwand von rund 750 000 Euro und ab dem Jahr 2017 ein jährlicher Erfüllungsaufwand von insgesamt rund 990 000 Euro. Der auf die KBS damit entfallende Erfüllungsaufwand wird vom BMAS im Rahmen seiner Haushaltsansätze finanziell vollständig durch Umschichtung vorhandener Mittel in einen bei Kapitel 1105 noch neu einzurichtenden Titel getragen. Aufgabe der Fachstelle ist es, die nach dem BGG verpflichteten Träger öffentlicher Gewalt bei der Herstellung von Barrierefreiheit zu beraten und zu unterstützen und auch Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf Anfrage beratend zur Verfügung zu stehen. Der Erfüllungsaufwand umfasst Personal- und Sachkosten sowie Mietkosten und basiert auf durchschnittlichen Echtkosten der KBS.

Stellenansatz der KBS

AufgabeEinstufungAnzahl
Leitung der FachstelleA151
Zentrale Anlaufstelle und ErstberatungEG 92
Bündelung und Bereitstellung von Informationen und ggf. Herstellung von Kontakten zu weiteren kompetenten Ansprechpartnern Entwicklung und Weiterentwicklung von Informationen und unterstützenden Materialien wie z. B. Checklisten oder Leitfäden als Standardhilfsmittel zur Umsetzung von Barrierefreiheit Begleitung von Forschungsaufträgen in begrenztem Umfang und in Kooperation mit PartnernA14/EG14 (Information und Kommunikation)1
A14/EG14 (Bauen und Verkehr)1
A12/EG 121
A11/EG 111
Aufbau eines Netzwerks durch Vernetzung von bereits bestehenden kompetenten Stellen ÖffentlichkeitsarbeitA14/EG14 (Netzwerk)1
A 12/EG 12 (Netzwerk)1
A12/EG12 (Öffentlichkeitsarbeit)1
A 11/EG 111

Summe der Stellen im Haushalt der KBS
11

Kostenberechnung nach durchschnittlichen Echtkosten KBS

Die unten aufgeführten Kosten basieren auf den jetzigen durchschnittlichen Echtkosten der KBS.

Beamte

BesoldungsgruppeStellen- Anfordg. 2016Durchschnittsbezüge Juni 2015Bezügeerhöhung 2015 insges. *)Bezügeerhöhung 2016 insg.p.a.EinmalzahlungWeihnachtsgeld / SonderzuwendungVL-ZulageJahresbezüge 2016
A 15 *16.320,440,00%2,50%0,000,00%6,6577.821,21
A 14 *, kw spätestens am 31.12.201815.262,470,00%2,50%0,000,00%6,6564.808,18
A 12 *, kw spätestens am 31.12.201814.615,270,00%2,50%0,000,00%6,6556.847,62
A 11 *14.126,570,00%2,50%0,000,00%6,6550.836,61
zusammen4250.313,62
gerundet:250.000

Zeitraum 1. Juli - 31. Dezember 2016, Ansatz 6 Monate, gerundet auf die nächsten 1 000 Euro = 125 000 Euro

Arbeitnehmer

EntgeltgruppeStellen- Anfordg. 2016Durchschnittsbezüge Juni 2015Tariferhöhung 2015 insges. *)Tariferhöhung 2016 insg.p.a.EinmalzahlungWeihnachtsgeld / SonderzuwendungVL-ZulageJahresbezüge 2016
14 V *25.122,470,00%2,70%0,0060,00%6,65132.731,17
12 V *24.929,700,00%2,70%0,0080,00%6,65129.767,32
11 V *14.409,360,00%2,70%0,0080,00%6,6558.043,48
9 V *23.586,800,00%2,70%0,0080,00%6,6594.460,88
zusammen7415.002,86
gerundet:415.000
Zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge und Beiträge zur Rentenzusatzversicherung Arbeitgeberanteil106.000
Gesamt521.000

* Haushaltsvermerke:

Zeitraum 1. Juli - 31. Dezember 2016, Ansatz 6 Monate, gerundet auf die nächsten 1 000 Euro = 261 000 Euro

In Summe ergeben sich 386 000 Euro zuzüglich der anteiligen Sachkostenpauschale für 6 Monate gerundet von 115 000 Euro.

Somit würden sich für das Haushaltsjahr 2016 in Abhängigkeit vom Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung bei sechs Monaten Kosten in Höhe von 501 000 Euro und bei sieben

Monaten in Höhe von 583 000 Euro ergeben. Ab dem Haushaltsjahr 2017 entstehen Kosten in Höhe von rund 990 000 Euro. Die Differenz zu den zur Verfügung stehenden 750 000 Euro im Jahr 2016 steht für die notwendigen Anschubaufwände im ersten Jahr (Umbaumaßnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit, Internetauftritt, Mobiliar, Technik etc.) zur Verfügung.

Sämtliche Einnahmen und Ausgaben der Fachstelle werden innerhalb des Haushaltes der KBS in einem Bewirtschaftungsplan zusammengefasst dargestellt. Die Verwaltungs- und Verfahrenskosten der KBS werden zusammengefasst dargestellt. Allen Verwaltungs- und Verfahrenskosten, die nicht im Kostenverteilungsverfahren auf die - originären - Trägerzweige, Kranken-, knappschaftliche und allgemeine Rentenversicherung, verteilt werden, werden Kostenerstattungen der verursachenden Finanzierungskreise gegenübergestellt; dies gilt dementsprechend auch für die Fachstelle. Deren Verwaltungs- und Verfahrenskosten werden über die Betriebsabrechnung verursachungsgerecht ermittelt. Diese Abrechnung wird vom Bundesversicherungsamt geprüft ( § 71 Abs. 2 SGB IV) .

f) Schlichtungsstelle

Jährlicher Erfüllungsaufwand entsteht dem BMAS durch die Einrichtung und den Betrieb der Schlichtungsstelle und die Durchführung eines kostenfreien Schlichtungsverfahrens. Da die Schlichtungsstelle erst im Laufe des Jahres 2016 ihren Betrieb aufnehmen wird, ist im Jahr 2016 lediglich mit Mehraufwänden in Höhe von rund 216 000 Euro zu rechnen. Haushaltsmittel sind in dieser Höhe im Einzelplan 11 (Kapitel 1105 68404) beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) angemeldet. Für den weiteren Betrieb der Schlichtungsstelle in den Folgejahren fallen Mehraufwände in Höhe von rund 360 000 Euro je Jahr an. Sämtliche mit der Schlichtungsstelle einhergehenden finanziellen und stellenmäßigen Mehrbedarfe sollen finanziell und stellenmäßig im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Einzelplan 11) ausgeglichen werden.

Einmaliger Erfüllungsaufwand entsteht Behörden des Bundes anlassbezogen, soweit sie Beteiligte an einem Schlichtungsverfahren mit Bürgerinnen und Bürgern oder Verbänden sind. Der Erfüllungsaufwand der Behörden soll finanziell und stellenmäßig im jeweiligen Einzelplan ausgeglichen werden. Es ist mit rund 350 Schlichtungsverfahren je Jahr, davon in 20 Fällen mit Verbänden und in 330 Fällen mit Bürgerinnen und Bürgern, zu rechnen. Der Aufwand der Behörden beträgt durchschnittlich rund 16 Stunden (entsprechend 924,80 Euro) je Schlichtungsverfahren mit Verbänden und rund vier Stunden (entsprechend 231,20 Euro) je Schlichtungsverfahren mit Bürgerinnen und Bürgern. Diese Schätzungen stellen bereits auf komplexe Fallgestaltungen ab; im Regelfall dürfte der Aufwand geringer sein. Die Behörden des Bundes sind mit den infrage kommenden Fallgestaltungen durch den Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern bereits grundsätzlich vertraut. Sie haben die Belange von Menschen mit Behinderungen nach den Regelungen des BGG, insbesondere das Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderungen und den Aspekt der Barrierefreiheit, bereits seit 2002 zu beachten. Ohne das Schlichtungsverfahren müssten sie im Fall eines Widerspruches bzw. einer Klage Stellung beziehen. Über die Schlichtung haben sie die Möglichkeit, das Anliegen mit Unterstützung der Schlichterin bzw. des Schlichters und gegebenenfalls einer Mediatorin bzw. eines Mediators außerhalb eines formalen Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahrens klären zu können. Für den Fall, dass im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens eine gütliche Einigung herbeigeführt werden kann, erübrigen sich ein Widerspruchs- und Klageverfahren und ein damit zusammenhängender nicht unerheblicher Aufwand.

g) Partizipation

Erfüllungsaufwand entsteht dem BMAS durch die Administration der Förderung der Partizipation und wird im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze des Bundeministeriums für Arbeit und Soziales (Einzelplan 11) finanziert. Ausgehend von rund 40 Förderfällen mit einem Bearbeitungsumfang von rund je 40 Stunden gehobener Dienst und höherer Dienst je Fall beläuft sich der Erfüllungsaufwand für die Abwicklung der Projektförderung inklusive

Sachkosten auf rund 200 000 Euro. Für andere Ressorts ist die neue Vorschrift mit keinem Erfüllungsaufwand verbunden.

4. Weitere Kosten

Unmittelbar durch dieses Gesetz werden die Kosten für Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher nicht berührt. Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind daher nicht zu erwarten.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen wurden bereits nach den bislang geltenden Regelungen des BGG berücksichtigt und werden in Artikel 1 mit den Regelungen zu Frauen mit Behinderungen und zum Benachteiligungsverbot für Träger öffentlicher Gewalt weiterhin gewährleistet.

VII. Befristung; Evaluation

Eine Befristung des Gesetzes oder einzelner Regelungen ist nicht sinnvoll. Eine Evaluierung der Regelungen ist vorgesehen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes)

Zu Nummer 1

Mit Artikel 1 Nummer 5 dieses Gesetzes wird der § 3 BGG neu gefasst und an die UN-BRK angepasst. Im Sinne der UN-BRK wird in der Folge die Formulierung "behinderte Menschen" grundsätzlich durch die Formulierung "Menschen mit Behinderungen" ersetzt. Entsprechend wird auch der Titel dieses Gesetzes angepasst. Auf die Begründung zu Artikel 1 Nummer 5 wird verwiesen.

Zu Nummer 2

Die Inhaltsübersicht wird aufgrund der Einfügung neuer und der Verschiebung bestehender Vorschriften geändert.

Zu Nummer 3

Zu Buchstabe a

Die Überschrift wird auf Grund der Anfügung der Absätze 2 bis 4 inhaltlich angepasst.

Zu Buchstabe b

Bei den Änderungen handelt es sich um systematische und sprachliche Anpassungen.

Zu Buchstabe c
Zu Absatz 2

Die Bestimmungen des Absatzes 2 waren bislang in § 7 Absatz 1 Satz 1 und 2 geregelt und werden aus rechtssystematischen Gründen neu im § 1 verortet und klargestellt. Der unmittelbare Geltungsbereich schließt auch Beliehene und sonstige Bundesorgane ein, soweit sie öffentlichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Umfasst sind unter anderem die Verwaltung des Deutschen Bundestages und Bundesgerichte, soweit sie öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit ausüben. Sie unterfielen dem BGG bereits nach Sinn und Zweck der bisherigen Bestimmungen. Beliehene unterliegen als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung denselben Pflichten wie die Träger öffentlicher Gewalt.

Zu Absatz 3

Die Ergänzung des Absatzes 3 unterstreicht und konkretisiert die Verpflichtung der Träger öffentlicher Gewalt nach Absatz 2 Satz 1, die Ziele dieses Gesetzes zu fördern und darauf hinzuwirken, dass sie in den genannten Fällen auch von Dritten beachtet werden. Kernziel des BGG ist die Herstellung von Barrierefreiheit. Mit dem Ziel einer vollen Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen verpflichtet Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e der UN-BRK die Vertragsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen. Die Vertragsstaaten, haben nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b der UN-BRK geeignete Maßnahmen zu treffen, die sicherstellen, dass auch private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit offen stehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, die Aspekte der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen.

Nach § 1 Absatz 3 werden die Träger öffentlicher Gewalt grundsätzlich verpflichtet, gegenüber bestimmten Einrichtungen, an denen sie beteiligt sind, und gegenüber institutionellen Zuwendungsempfängerinnen und -empfängern darauf hinzuwirken, dass die Ziele des BGG auch von ihnen in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Diese Pflicht ist in Satz 1 bezogen auf Einrichtungen des Privatrechts, an denen die Träger öffentlicher Gewalt ganz oder überwiegend beteiligt sind. Damit wird bezweckt, die weitere Umsetzung von Barrierefreiheit zu befördern zugunsten einer selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit Behinderungen.

Satz 2 bis 4 entsprechen den Regelungen in § 4 Absatz 2 Bundesgleichstellungsgesetz. Hiermit werden Träger öffentlicher Gewalt nach Absatz 2 Satz 1 grundsätzlich verpflichtet, auch bei der Gewährung von Zuwendungen und Zuweisungen im Rahmen institutioneller Förderungen darauf hinzuwirken, dass die Empfängerinnen und Empfänger die Grundzüge dieses Gesetzes nach Möglichkeit berücksichtigen, indem sie in angemessener Weise die im Rahmen der Förderung zu erstellenden Produkte oder zu erzielenden Ergebnisse, die zur Nutzung von natürlichen Personen vorgesehen sind, barrierefrei gestalten bzw. darstellen. Mit den Regelungen wird bezweckt, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit eröffnet wird, an geförderten Produkten oder Ergebnissen ebenso teilhaben zu können, wie Menschen ohne Behinderungen.

Satz 2 und 3 regeln den Fall der institutionellen Förderung in Form der Zuwendungsgewährung, während Satz 4 den Fall der Gewährung von Zuweisungen regelt. Satz 2 bestimmt, dass Träger öffentlicher Gewalt, die Zuwendungen nach § 23 der Bundeshaushaltsordnung als institutionelle Förderungen gewähren, durch Nebenbestimmung zum Zuwendungsbescheid oder vertragliche Vereinbarung sicherstellen sollen, dass die institutionellen Zuwendungsempfängerinnen und -empfänger die Grundzüge des novellierten BGG anwenden. Die Vorschrift bezieht sich ausschließlich auf institutionelle Förderungen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften Nummer 2.2 zu § 23 der Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO). Ausdrücklich nicht erfasst sind Projektförderungen im Sinne der VV Nummer 2.1 zu § 23 BHO. Satz 3 stellt klar, dass aus der Nebenbestimmung zum Zuwendungsbescheid oder der vertraglichen Vereinbarung hervorgehen muss, welche konkreten Vorschriften des BGG durch die institutionellen Zuwendungsempfängerinnen und -empfänger anzuwenden sind. Welche Vorschriften im Einzelnen anzuwenden sind, hängt von der jeweiligen institutionellen Zuwendungsempfängerin bzw. dem jeweiligen institutionellen Zuwendungsempfänger ab und wird vom Träger öffentlicher Gewalt nach pflichtgemäßem Ermessen festgelegt.

Satz 4 regelt, dass Satz 2 und 3 auch dann gelten, wenn Einrichtungen mit Bundesmitteln im Wege der Zuweisung institutionell gefördert werden. Es handelt sich hierbei um den Fall, dass Träger öffentlicher Gewalt nach Absatz 2 Satz 1 Mittelzuwendungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung gewähren, welche keine Zuwendungen im Sinne von Satz 1 darstellen. Eine Dritte, die in dieser Weise gefördert wird, ist beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungseinrichtungen "Otto Guericke" e.V. Nicht von Satz 4 erfasst sind Empfängerinnen und Empfänger von Sachleistungen.

Zu Produkten oder Ergebnissen, die zur Nutzung von natürlichen Personen vorgesehen sind, können zum Beispiel Informationsmaterialien zählen, die im Rahmen der institutionellen Förderung entwickelt werden, Abschlussberichte und Abschlussveranstaltungen sowie Internetauftritte der Zuwendungsempfängerin oder des -empfängers, soweit diese jeweils auch für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmt sind. In Betracht kommt insbesondere, dass institutionelle Zuwendungsempfängerinnen und Empfänger Informationsmaterialien und Abschlussberichte in Form von barrierefreien PDF-Dokumenten veröffentlichen, Veranstaltungen in möglichst barrierefreien Räumen durchführen und bei Bedarf Unterstützung, wie Gebärdensprachdolmetschung, zur Verfügung stellen sowie bei der Gestaltung von Internetauftritten die Vorgaben der BITV 2.0 beachten. Im Rahmen der Nebenbestimmung zum Zuwendungsbescheid oder der vertraglichen Vereinbarung kann zum Beispiel auf die Rechtsverordnungen nach dem BGG (BITV 2.0, VBD und KHV) hingewiesen werden.

Aufgrund des Geltungsbereichs des BGG werden privaten Dritten, einschließlich Zuwendungsempfängerinnen und -empfängern, mit den Regelungen nach § 1 Absatz 3 aber keine unmittelbaren Pflichten auferlegt.

Satz 5 stellt klar, dass Vorschriften zur Verpflichtung Privater, z.B. sektorale Regelungen im Verkehrsbereich, etwa in § 2 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung oder in § 19d Luftverkehrsgesetz, unberührt bleiben. Diese Regelungen gehen den allgemeinen Vorgaben des BGG vor.

Die neuen Regelungen des Absatzes 3 begründen keine individuellrechtlichen Ansprüche.

Zu Absatz 4

Der neu eingefügte Absatz 4 verpflichtet zur Berücksichtigung der Zielsetzungen des Gesetzes auch an den Vertretungen des Bundes im Ausland und trägt den zusätzlichen Anforderungen zwischenstaatlicher Beziehungen Rechnung. Das Völkerrecht verpflichtet zur Beachtung des Rechts des Gastlandes, welches mit den Vorgaben dieses Gesetzes kollidieren kann. Auch Sicherheitsaspekte und örtliche Besonderheiten können einer Umsetzung des Gesetzes nach Inlandsverhältnissen an den Auslandsvertretungen entgegenstehen.

Zu Nummer 4

Zu Buchstabe a

Die Überschrift wird auf Grund der Änderungen in Absatz 1 sowie der Anfügung des Absatzes 2 inhaltlich angepasst.

Zu Buchstabe b

Mit der Ergänzung des Satzes 1 wird bezweckt, dafür zu sensibilisieren, dass Frauen mit Behinderungen Benachteiligungen wegen mehrerer Gründe, namentlich wegen ihrer Behinderung und wegen ihres Geschlechts, ausgesetzt sind. Frauen mit Behinderungen sind besonders gefährdet, Opfer von Belästigung und Gewalt zu sein. Bei der Ergänzung handelt es sich um eine Klarstellung. Die Ergänzung erfolgt auch vor dem Hintergrund des Artikels 6 der UN-BRK, der den Aspekt der mehrfachen Diskriminierung von Frauen und Mädchen mit Behinderungen aufgreift und den Vertragsstaaten vorgibt, in dieser Hinsicht Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass Frauen und Mädchen mit Behinderungen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll und gleichberechtigt genießen können. Dass positive Maßnahmen, das heißt gezielte Maßnahmen zur Förderung von Frauen mit Behinderungen zur Durchsetzung ihrer Gleichberechtigung und zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen, zulässig sind, ist bereits in Satz 2 geregelt und wird nicht geändert.

Zu Frauen mit Behinderungen zählen auch Mädchen mit Behinderungen.

Besondere Maßnahmen im Sinne des Satzes 2 dienen zum Beispiel der Befähigung zu einer selbstbestimmten und verantwortlichen Sexualität und Familienplanung. Zum Beispiel fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Modellprojekt "Ich will auch heiraten" des donum vitae Bundesverbandes, dessen Ziel die Implementierung passgenauer Angebote in der Schwangerschaftskonflikt- und allgemeinen Schwangerschaftsberatung bei Menschen mit geistiger Behinderung ist.

Zu den Maßnahmen des Satzes 2 zählen ferner Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter und sonstiger Gewalt für Frauen und Mädchen mit Behinderungen sowie zur Unterstützung von gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Ein neues und wirksames Instrument zur Gleichstellung und zur Prävention und Intervention von Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen sind "Frauenbeauftragte in Einrichtungen". Frauen mit Lernschwierigkeiten arbeiten hier mit Unterstützerinnen als Frauenbeauftragte und tragen in den Einrichtungen wirksam dazu bei, das Thema Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen wirksam auf die Tagesordnung zu setzen.

Im Übrigen handelt es sich um sprachliche Anpassungen.

Zu Buchstabe c

Ferner wird Absatz 2 angefügt, wonach Menschen mit Behinderungen, die unter mindestens eine weitere Benachteiligungsschutzkategorie des AGG fallen, besonders geschützt werden sollen.

Treten zusätzliche Benachteiligungsmerkmale zu einer Behinderung hinzu, kann sich dies zusätzlich negativ auf Teilhabechancen auswirken, z.B. im Bereich Zugang zum Arbeitsmarkt oder zum Gesundheitswesen. Der neue Absatz 2 soll einer Sensibilisierung der Träger öffentlicher Gewalt (z.B. Sozialleistungsträger wie Arbeitsagenturen, Kranken- und Pflegekassen) dienen, im Hinblick auf die besonderen Benachteiligungsrisiken denen Menschen mit Behinderungen auf Grund ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Religion, ihrer Geschlechtsidentität (insbesondere auch Trans- und Intersexualität), ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Alters zusätzlich ausgesetzt sein können.

Benachteiligungen wegen mehrerer Gründe betreffen nicht nur Frauen mit Behinderungen. Absatz 2 dient damit auch der Klarstellung, dass die Hervorhebung der besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen in Absatz 1 nicht restriktiv im Hinblick auf andere Benachteiligungskategorien zu verstehen ist.

Die UN-BRK (vgl. Absatz p der Präambel) erkennt die schwierigen Bedingungen an, denen sich Menschen mit Behinderungen gegenübersehen, die mehrfachen (oder verschärften) Formen der Benachteiligung ausgesetzt sind:

"besorgt über die schwierigen Bedingungen, denen sich Menschen mit Behinderungen gegenüberstehen, die mehrfachen oder verschärften Formen der Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hauptfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen, indigenen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt, des Alters oder des sonstigen Status ausgesetzt sind".

So ist beispielsweise der Leistungszugang von Migrantinnen und Migranten mit Behinderungen erschwert aufgrund von Informationsdefiziten, sprachlichen und kulturellen Barrieren. Unter anderem auf diese besonderen Belange sollte besonders Rücksicht genommen werden.

Besondere Sensibilität ist auch notwendig im Hinblick auf intersexuelle bzw. intergeschlechtliche Menschen mit Behinderungen. Infolge von häufig in der Vergangenheit durchgeführten geschlechtsnormierenden operativen oder medikamentösen Behandlungen intersexueller bzw. intergeschlechtlicher Menschen handelt es sich bei ihnen vielfach um Menschen mit Behinderungen. Interessen- und Wohlfahrtsverbände berichten, dass diese Personengruppe behördliche Verfahren aus Angst vor unsensibler Behandlung und vor mehrfach stigmatisierenden Benachteiligungen meidet. Um diesen Menschen die Angst vor Ausgrenzung und zusätzlicher demütigender Behandlung als "Kuriosität" wegen ihrer Geschlechtsidentität zu nehmen, sollte besonders Rücksicht auf einen sensiblen Umgang mit ihnen genommen werden.

Die Notwendigkeit zur Einführung des Absatzes 2 stützt sich auch auf Beratungsanfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Sie zeigen gerade bei den öffentlichen Stellen Bedarfe, Benachteiligungen wegen mehrerer Gründe stärker in den Blick zu nehmen. Das gilt insbesondere für das zusätzliche Benachteiligungsmerkmal Alter.

Zu Nummer 5

Mit der Neufassung dieses Paragrafen erfolgt eine Definition von Menschen mit Behinderungen.

§ 3 wird damit an die UN-BRK angepasst. In der Präambel der UN-BRK wird darauf hingewiesen, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern (Buchstabe e der Präambel der UN-BRK).

Artikel 1 Satz 2 der UN-BRK lautet:

"Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können." Der bisherige Wortlaut des § 3 kann zwar in Übereinstimmung mit Artikel 1 Satz 2 der UN-BRK ausgelegt werden.

Zu diesem Ergebnis kommt auch der Abschlussbericht der Evaluation des BGG vom 31. Mai 2014. Eine Auslegung in Übereinstimmung mit der UN-BRK setzt aber voraus, dass die Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender diese kennen und ihnen die Relevanz für die Auslegung und Anwendung des Rechts bewusst ist. Angesichts der Befragungsergebnisse der Evaluation des BGG ist dies nicht gesichert. Da die gebotene Auslegung nach dem bisherigen Wortlaut auch nicht am nächstliegenden ist, wird der Behinderungsbegriff deklaratorisch an die Formulierung des Artikels 1 Satz 2 der UN-BRK angepasst und damit eine entsprechende Empfehlung aus der Evaluation aufgegriffen. Die Änderung dient der Rechtsklarheit. Sie soll das Bewusstsein für das Verständnis von Behinderung im Sinne der UN-BRK weiter schärfen und die Rechtsanwendung in der Praxis unterstützen. Eine Ausweitung oder Einengung des Personenkreises ist damit nicht verbunden. Aufgrund der Anknüpfung an die Formulierung in Artikel 1 Satz 2 der UN-BRK und des darin zum Ausdruck kommenden Verständnisses der Vielfalt von Behinderung differenziert der Begriff in § 3 nicht danach, ob für das Vorliegen einer Behinderung eine Abweichung von dem für das Lebensalter typischen Zustand vorliegen muss. Das Vorliegen von Mehrfachbeeinträchtigung oder -behinderung ist nicht Voraussetzung.

Zu Nummer 6

Die Definition von Barrierefreiheit ist bereits umfassend und offen gestaltet, greift die Prinzipien des Universellen Designs mit auf und entspricht somit im Wesentlichen den Vorgaben der UN-BRK (Art. 9 UN-BRK). Die UN-BRK nimmt mit Artikel 1 Satz 2 explizit auch Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen in den Blick. Für blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen ist es zunächst grundlegend, Informationen, Gebäude oder andere Einrichtungen zu finden, um sie dann auch nutzen zu können. Der Aspekt der Auffindbarkeit ist insofern ein wichtiger Grundsatz für die barrierefreie Umweltgestaltung und wurshalb klarstellend ergänzt.

Im Übrigen handelt es sich um sprachliche Anpassungen.

Zu Nummer 7

Bei der Änderung in Absatz 1 Satz 1 handelt es sich um eine Folgeänderung zu Nummer 17.

Bei der Ergänzung der Auffindbarkeit in Absatz 2 Nummer 2 handelt es sich um eine Folgeänderung zu Nummer 5. Im Übrigen wurden sprachliche Anpassungen vorgenommen.

Bei der Änderung in Absatz 4 handelt es sich um eine redaktionelle Änderung.

Zu Nummer 8

Die Kommunikation von Menschen mit Hörbehinderungen und von Menschen mit Sprachbehinderungen ist vielfältig und nicht auf die Deutsche Gebärdensprache und lautsprachbegleitende Gebärden beschränkt. Die Änderung der Überschrift des § 6 und die Änderung des Absatzes 3 unterstreichen diese Vielfältigkeit und behalten zugleich die durch das BGG anerkannten Kommunikationsformen Deutsche Gebärdensprache und lautsprachbegleitende Gebärden im Blick.

Zu Nummer 9

Zu Absatz 1:

Der bisherige Absatz 1 wird aus rechtssystematischen Gründen neu verortet: Der bisherige Absatz 1 Satz 1 und 2 mit Regelungen zum Anwendungsbereich wird in § 1 Absatz 2 neu verortet. Der bisherige Absatz 1 Satz 3 und 4 wird im § 7 Absatz 3 neu verortet ohne inhaltliche Änderungen.

Als Folgeänderung wird der bisherige Absatz 2 zu Absatz 1.

Mit der Ergänzung des Satzes 3 im neuen Absatz 1 wird dieses Gesetz insoweit an das AGG angepasst. Dabei wird klargestellt, dass sexuelle Belästigungen im Sinne des § 3 Absatz 4 AGG auch dann eine Benachteiligung darstellen, wenn kein Bezug zu einer der in § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 AGG genannten Konstellationen besteht. Die Regelung greift also auch im Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern mit Trägern öffentlicher Gewalt. Besonders Frauen werden als gefährdet angesehen, von Belästigungen oder sexuellen Belästigungen betroffen zu sein. Insofern kommt diese Änderung vor allem Frauen mit Behinderungen zugute. Die Ergänzung steht im Zusammenhang mit der Ergänzung des § 2. Mit Satz 4 wird ergänzt, dass eine Benachteiligung vermutet wird, wenn gegen eine Pflicht zur Herstellung von Barrierefreiheit verstoßen wird. Insbesondere wenn das Gebot angemessener Vorkehrungen beachtet wird, liegt im Einzelfall keine Benachteiligung vor.

Zu Absatz 2:

Mit Absatz 2 wird das Konzept der angemessenen Vorkehrungen der UN-BRK klarstellend und im Sinne von mehr Transparenz im Gesetz verankert. Mit der ausdrücklichen Aufnahme sind keine neuen Verpflichtungen für die Träger öffentlicher Gewalt verbunden. Aus Gründen der Rechtsklarheit soll § 7 deklaratorisch an die Vorgaben des GG und die UNBRK angepasst werden. Das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG findet seine einfachgesetzliche Ausprägung für Träger öffentlicher Gewalt in dieser Norm. Das Benachteiligungsverbot nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG ist im Lichte der UN-BRK auszulegen.

Zum verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot nach Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1997 ausgeführt:

"Vielmehr kann eine Benachteiligung auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird." (BVerfG, Beschluss v. 8.10.1997, 1 BvR 9/97). Das Bundesverfassungsgericht hatte damit schon die im Einzelfall gebotenen Vorkehrungen im Blick, die erforderlich sind, um nicht zu benachteiligen. In dem Beschluss heißt es weiter, wann ein solcher Ausschluss durch Förderungsmaßnahmen so weit kompensiert sei, dass er nicht benachteiligend wirke, lasse sich nicht generell und abstrakt festlegen.

Von der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Diskriminierungsverbot nach Artikel 5 Absatz 2 der UN-BRK unmittelbar anwendbar ist, vergleiche BSG, Urt.v. 6.3.2012, B 1 KR 10/11 R. Nach Artikel 5 Absatz 2 der UN-BRK verbieten die Vertragsstaaten jede Diskriminierung aufgrund von Behinderung und garantieren Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen rechtlichen Schutz vor Diskriminierung, gleich aus welchen Gründen. Diskriminierung umfasst nach Artikel 2 Unterabsatz 3 letzter Halbsatz der UN-BRK die Versagung angemessener Vorkehrungen. Nach der Begriffsbestimmung nach Artikel 2 Unterabsatz 4 der UN-BRK sind angemessene Vorkehrungen "notwendige und geeignete Änderungen und Anpassungen, die keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung darstellen und die, wenn sie in einem bestimmten Fall erforderlich sind, vorgenommen werden, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen oder ausüben können".

Ob eine Benachteiligung wegen Versagung angemessener Vorkehrungen vorliegt, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Daher kann grundsätzlich durch Gesetz die Ermöglichung und Schaffung angemessener Vorkehrungen lediglich allgemein gefordert werden.

Die spezialgesetzliche Regelung angemessener Vorkehrungen kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Hier sieht das geltende Recht bereits entsprechende Regelungen vor, wie zum Beispiel § 81 Absatz 4 Nummer 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch.

In den nicht bereits spezialgesetzlich geregelten Fällen kommen angemessene Vorkehrungen nach Absatz 2 typischerweise in Situationen in Betracht, die mittelbar benachteiligend wirken können und in denen es an Barrierefreiheit noch fehlt.

Angemessene Vorkehrungen können zum Beispiel sein die Hinzuziehung von Gebärdensprachdolmetscherinnen oder -dolmetschern, die Übertragung in Leichte Sprache oder die Verwendung von einfacher und verständlicher Sprache, die Bereitstellung einer barrierefreien PDF-Datei oder eine bauliche Veränderung, wie eine Rampe oder ein Aufzug.

Begrenzt wird die Pflicht zum Treffen angemessener Vorkehrungen dadurch, dass die Maßnahmen die Träger öffentlicher Gewalt nicht unverhältnismäßig oder unbillig belasten dürfen. Das heißt nicht, dass kein Aufwand betrieben werden muss. Der Träger öffentlicher Gewalt ist aber nicht zur Vornahme von Maßnahmen verpflichtet, die ihn übermäßig belasten. Er muss prüfen, welche Maßnahmen in Betracht kommen und hat sein Ermessen pflichtgemäß auszuüben. Dem Grundsatz der materiellen Beweislast entsprechend liegt das Beweislastrisiko für den Versagensgrund der unverhältnismäßigen oder unbilligen Belastung beim Träger öffentlicher Gewalt.

Zu Absatz 3:

Absatz 3 entspricht inhaltlich unverändert dem bisherigen Absatz 1 Satz 3 und 4.

Zu Absatz 4:

Absatz 4 entspricht inhaltlich unverändert dem bisherigen Absatz 3.

Zu Nummer 10

Mit dem Ziel einer vollen Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen verpflichtet Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe e der UN-BRK die Vertragsstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen. Darüber hinaus haben die Vertragsstaaten nach Artikel 9 Absatz 1 der UN-BRK geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang unter anderem zur physischen Umwelt sowie zu Gebäuden und Einrichtungen in Gebäuden zu gewährleisten.

Artikel 9 Absatz 1 Satz 2 der UN-BRK stellt diesbezüglich klar, dass die Maßnahmen die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren einschließen.

Dem Ziel des BGG folgend sollen Dienststellen und sonstige Einrichtungen des Bundes für Menschen mit Behinderungen möglichst barrierefrei gestaltet sein.

Zu Buchstabe a

Für zivile Neubauten und große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes besteht nach der bislang geltenden Fassung des Satzes 1 bereits seit dem Jahr 2002 eine grundsätzliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung, sodass Bundesbauten seit dem Inkrafttreten dieser Regelung in ihrer Barrierefreiheit schon deutlich verbessert werden konnten. Bislang lautet Satz 1, dass zivile Neubauten sowie große zivile Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden sollen.

Zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Bereich des barrierefreien Bauens zählen insbesondere die DIN-Normen 18040-1: 2010-10 (öffentlich zugängliche Gebäude), 18040-2: 2011-09 (Wohnungen) und 18040-3: 2014-12 (Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum). Sie sind bei den Baumaßnahmen des Bundes nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 grundsätzlich zu berücksichtigen.

Mehr Barrierefreiheit ist über den bislang geltenden Satz 1 jedoch nicht erreichbar, sodass unter Berücksichtigung der Vorgaben der UN-BRK eine weitergehende Selbstverpflichtung des Bundes zur schrittweisen barrierefreien Umgestaltung von Bestandsbauten erforderlich ist. Künftig umfasst die Regelung in Satz 1 daher neben den Neubauten auch die Um- oder Erweiterungsbauten unabhängig von ihrer Kostenhöhe. Die bislang enthaltene Einschränkung, dass es sich bei den Um- oder Erweiterungsbauten um "große" Baumaßnahmen im Sinne der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) mit einem Ausgabevolumen von mehr als 2 Millionen Euro handeln muss, wird gestrichen. Somit sollen künftig auch anlässlich der Durchführung von "kleinen" investiven Um- oder Erweiterungsbaumaßnahmen zugleich Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit durchgeführt werden. Mit dieser Regelung werden auch nachträgliche Anpassungen bestehender Gebäude an die Barrierefreiheit sukzessive im Zuge ohnehin anstehender Baumaßnahmen, wie Umbauten, erreicht, ohne die Verpflichteten unverhältnismäßig zu belasten. Art und Umfang der barrierefreien Ausgestaltung sind wie bisher in jedem Einzelfall im Rahmen der Bedarfsplanung von den jeweiligen Nutzern zu bestimmen und den obersten Instanzen der Nutzer im Sinne der RBBau zu billigen. Die Sätze 2 und 3 bleiben unverändert.

Zu Buchstabe b

Der Bund soll mit Satz 1 bauliche Barrieren in den Teilen des von einer Umbau- oder Erweiterungsbaumaßnahme nach Absatz 1 Satz 1 betroffenen Gebäudes, die nicht Gegenstand der Umbau- oder Erweiterungsbauplanung im engeren Sinne sind und soweit diese Gebäudeteile dem Publikumsverkehr dienen, feststellen und diese Barrieren abbauen. Dies dient dem Zweck, vorrangig die Herstellung von Barrierefreiheit in den Gebäudeteilen mit Publikumsverkehr weiter zu verbessern. Gebäudeteile mit Publikumsverkehr sind solche, die von Besuchern, Kunden oder anderen externen Benutzern aufgesucht werden können. Dies sind insbesondere die in § 50 der Musterbauordnung aufgeführten, dem Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teile z.B. von Verwaltungsgebäuden, wie Eingangsbereiche, Foyers, öffentliche Sanitäranlagen, Büros mit Besucherfunktion, Schalter und Wartebereiche, Veranstaltungssäle, dazugehörige Erschließungsflächen etc. Art und Umfang der barrierefreien Ausgestaltung sind wie bisher in jedem Einzelfall im Rahmen der Bedarfsplanung von den jeweiligen Nutzern zu bestimmen und den obersten Instanzen der Nutzer im Sinne der RBBau zu billigen. Die Nutzer haben dabei die baulichen Gegebenheiten in angemessener Weise zu berücksichtigen. Art und Umfang der Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit müssen bautechnisch möglich und wirtschaftlich verträglich sein. Mit diesen Regelungen wird ein Prozess aufgesetzt, der dazu führt, dass Bundesbauten schrittweise überwiegend barrierefrei werden. Diese Selbstverpflichtung des Bundes zur Verbesserung der Auffindbarkeit, Nutzbarkeit und Zugänglichkeit für Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen leistet zugleich einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Beschäftigung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bzw. von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderungen in den Verwaltungen.

Die zugunsten von Beschäftigten mit Behinderungen geltenden Regelungen, insbesondere im Neunten Buch Sozialgesetzbuch und in der Arbeitsstättenverordnung, gelten neben dem Absatz 1, der für sie ebenfalls einschlägig ist, so dass auch für die Gebäudeteile ohne Publikumsverkehr, die den Beschäftigten zugänglich sind, zunehmend Barrierefreiheit herbeigeführt wird.

Zu Buchstabe c

Nach Absatz 3 müssen bis zum 30. Juni 2021 Statusberichte zum Stand der Barrierefreiheit erstellt werden. Die Pflicht zur Erstellung der Statusberichte trifft alle obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane, soweit es sich um von Ihnen genutzte Gebäude im Eigentum des Bundes oder der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts handelt. Die Berichtspflicht der obersten Bundesbehörden umfasst auch deren Geschäftsbereich. Diese Berichte sollen im Rahmen der Evaluation des BGG ausgewertet werden. Die Berichte sind für die Evaluierung der Neuregelungen des BGG bereitzuhalten, d.h. die obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane leiten sie dem BMAS zwecks Auswertung im Rahmen der Evaluation der Neuregelungen des BGG zu.

Mit Absatz 4 Satz 1 wird ausdrücklich geregelt, dass der Bund bei Anmietungen die Barrierefreiheit unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen hat. Insbesondere fällt darunter der Gesichtspunkt, dass ein ausreichendes Angebot an den Mindestanforderungen gerecht werdenden Anmietobjekten zur Verfügung steht und die Beschaffungsdringlichkeit des Nutzers dem nicht entgegensteht. Von Anmietungen im Sinne dieser Regelung sind sogenannte Drittanmietungen umfasst. Bestehende

Mietverträge, deren Verlängerung oder der Abschluss eines neuen Mietvertrages über ein bereits durch den Bund einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen genutztes Gebäude, bleiben davon unberührt. Die Behörde ist verpflichtet, vor dem Abschluss eines neuen oder der Verlängerung eines bestehenden Mietvertrages Verbesserungen der Barrierefreiheit zu prüfen und die Umsetzung dieser Verbesserungen gegenüber dem Eigentümer zu fordern, sofern dies nicht zu einer unangemessenen wirtschaftlichen Belastung führt. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Vermieterin ist. In diesem Fall gehen die Absätze 1 und 2 vor. Satz 2 regelt, dass künftig nur noch barrierefreie Bauten oder Bauten, in denen die baulichen Barrieren unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abgebaut werden können, angemietet werden sollen. Die Regelung verpflichtet nicht dazu, bestehende Mietverhältnisse zu kündigen. Mit diesen Regelungen werden die allgemeinen Verpflichtungen des Gesetzes für den Bereich der Anmietung von Gebäuden konkretisiert und klar geregelt. Bereits nach bislang geltender Rechtslage ist die Bundesverwaltung verpflichtet, die Ziele des § 1 BGG aktiv zu fördern und bei der Planung von Maßnahmen zu beachten.

Zu Buchstabe d

Die Regelungen sind bislang in Absatz 2 enthalten. Als Folgeänderung ohne inhaltliche Änderungen wird Absatz 2 zu Absatz 5.

Unverändert werden Fernstraßen des Bundes von den Regelungen des § 8 BGG nicht erfasst. Ausgenommen sind daher sowohl Nebenanlagen (insbesondere Straßenmeistereien) als auch Nebenbetriebe (insbesondere Rastanlagen). Die Barrierefreiheit wird insoweit durch § 3 FStrG sichergestellt. Dies gilt sowohl für die als öffentliche Straße gewidmeten, für jedermann zugänglichen Bereiche der Straßen als auch für die nicht öffentlich zugänglichen Gebäude, sofern sie nach § 1 Absatz 4 FStrG Bestandteile von Bundesfernstraßen sind.

Zu Nummer 11

§ 9 Absatz 1 wird neu gefasst. Bei der Änderung des Verweises in Absatz 1 Satz 1 handelt es sich um eine Folgeänderung zur Änderung des § 1 Absatz 2 Satz 1. Die Änderung im Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz passt die Vorschriften über das Recht von Menschen mit Hörbehinderungen und mit Sprachbehinderungen, mit Trägern öffentlicher Gewalt in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, an Erfordernisse der UN-BRK an. Die hier vorgenommene Änderung entspricht derjenigen in § 10 (vergleiche Begründung zur Änderung des § 10). In der KHV werden zeitnah entsprechende Änderungen vorgenommen.

Die Deutsche Gebärdensprache und lautsprachbegleitende Gebärden sind nach § 6 Absatz 1 und 2 explizit als Kommunikationsform anerkannt; die Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen ist jedoch weitaus vielfältiger. Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen haben entsprechend auch unterschiedliche Anforderungen an die Kommunikation mit Trägern öffentlicher Gewalt. Absatz 1 Satz 2 unterstreicht diese Vielfältigkeit der Kommunikation durch eine gleichrangige Benennung der verschiedenen Kommunikationsformen und Kommunikationshilfen. In Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Ziffer 1 bis 4 wird nicht mehr zwischen den verschiedenen Kommunikationshilfen unterschieden, sondern der Oberbegriff "geeignete Kommunikationshilfe" verwendet. Dies umfasst - wie bereits nach bisheriger Rechtslage - die in der KHV genannten Kommunikationshilfen. Inhaltliche Änderungen, insbesondere eine Absenkung von bereits nach bisheriger Rechtslage bestehenden Ansprüchen von Menschen mit Hörbehinderungen oder mit Sprachbehinderungen, sind hiermit nicht verbunden.

Zu Nummer 12

Bei der Änderung des Verweises in Absatz 1 Satz 1 handelt es sich um eine Folgeänderung zur Änderung des § 1 Absatz 2 Satz 1. Da es sich bei der Aufzählung in Satz 1 und mit Rücksicht auf den Kontext nur um schriftliche oder elektronische Dokumente handeln kann, wurde das Wort "schriftlichen" gestrichen. Es handelt sich um eine rein redaktionelle Änderung, die damit im Gleichklang mit Artikel 2 dieses Gesetzes steht.

Die Änderung im Absatz 1 Satz 2 BGG passt die Vorschriften über die barrierefreie Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen an die Erfordernisse der UN-BRK an. Die bislang enthaltene Prüfung der Erforderlichkeit schränkt die gleichberechtigte Teilhabe von blinden Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen unangemessen ein. In § 191a Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes wurde diese Einschränkung für den Bereich der Justiz daher bereits gestrichen (vergleiche BGBl I 2013, Seite 3786, 3796 f.). Eine entsprechende Änderung ist auch im BGG erforderlich. In der VBD werden zeitnah entsprechende Änderungen vorgenommen.

Zu Nummer 13

Für Menschen mit geistigen Behinderungen stellt Sprache oft eine Barriere dar.

Artikel 9 der UN-BRK fordert den barrierefreien Zugang zu Kommunikation und Information als Grundlage einer selbständigen und selbstbestimmten Lebensgestaltung.

Artikel 21 der UNBRK verpflichtet die Vertragsstaaten, im Umgang mit Behörden unter anderem die Verwendung alternativer Kommunikationsformen zu erleichtern. Insbesondere auch mit Rücksicht auf Artikel 2 der UN-BRK, der klarstellt, dass "Kommunikation" ausdrücklich auch in einfache Sprache übersetzte Formen umfasst, besteht Regelungsbedarf. Zusätzlich empfiehlt die Evaluation des BGG, Regelungen zu Gunsten der Leichten Sprache aufzunehmen.

Leichte Sprache zielt auf eine besonders leichte Verständlichkeit für Menschen mit geistigen Behinderungen ab. Die Leichte Sprache stellt nicht nur auf besondere Regeln zu Rechtschreibung und Grammatik ab, sondern gibt unter anderem auch Empfehlungen zur Textgestaltung. Unter anderem sollen möglichst gebräuchliche Wörter verwendet werden und Sätze kurz und einfach gehalten sein. Texte sollen in einer ausreichend großen Schrift dargestellt und mit Bildern illustriert werden. Über das Netzwerk Leichte Sprache e.V. haben sich Verbände und Organisationen, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzen auf gemeinsame Regeln für Informationen in Leichter Sprache verständigt (vergleiche www.leichtesprache.org). Leichte Sprache kann erforderlich sein, wenn Informationen in einfacher Sprache für Menschen mit stärkeren Beeinträchtigungen nicht verständlich sind. Sie ist insofern eine Möglichkeit zur barrierefreien Information und Kommunikation von Menschen mit geistigen Behinderungen.

Leichte Sprache kann für Menschen mit geistigen Behinderungen ein geeignetes Instrument zur Überwindung von Sprachbarrieren sein. Deshalb sollen geeignete Informationen vermehrt in Leichte Sprache übersetzt und entsprechend bereitgestellt werden. Die bereits begonnenen Bestrebungen der Verwaltungen, das Informationsangebot in Leichter Sprache auszubauen, sollen fortgesetzt werden. Die Bundesregierung unterstützt dies im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ihrer personellen und finanziellen Kapazitäten, indem sie auf den weiteren Auf- und Ausbau von Kompetenzen in diesem Bereich hinwirkt. Es bleibt in der Verantwortung der Träger öffentlicher Gewalt, wie sie das Erstellen von Texten in Leichter Sprache gewährleisten.

Zu Nummer 14

Mit Ratifikation der UN-BRK haben die Vertragsstaaten das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit und Beschäftigung ohne Diskriminierung nach Artikel 27 der UNBRK anerkannt.

Artikel 27 der UN-BRK beinhaltet insbesondere das Recht der Betroffenen, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit in einem offenen, inklusiven sowie zugänglichen Arbeitsmarkt und -umfeld zu verdienen. Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung dieses Rechts durch geeignete Schritte, um insbesondere eine Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art zu verbieten, Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Sektor zu beschäftigen und sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz angemessene Vorkehrungen für sie getroffen werden (vergleiche Artikel 27 Absatz 1 Buchstabe i) der UN-BRK).

Artikel 9 der UN-BRK, der den Vertragsstaaten vorgibt, geeignete Maßnahmen zur Zugänglichkeit zu treffen, bezieht ausdrücklich die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren für Arbeitsstätten ein.

In den vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkten zum Regierungsprogramm "Digitale Verwaltung 2020" hat die Bundesregierung bekräftigt, dass ein digitales, barrierefreies

Verwaltungsverfahren auch allen Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung dient. Deshalb hat die Bundesregierung das Ziel formuliert, dass nicht nur Bürgerinnen und Bürger mit Behinderungen Dienstleistungen und Angebote frei von Benachteiligung erhalten müssen, sondern auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen mit gängigen Verfahren wie der elektronischen Akte genauso gut und effizient arbeiten können sollen wie Beschäftigte ohne Behinderungen. Insbesondere die E-Akte soll daher unter Berücksichtigung der barrierefreien Nutzbarkeit entwickelt werden.

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um sprachliche Änderungen und Folgeänderungen.

Zu Buchstabe b

Träger öffentlicher Gewalt sind bereits umfassend zur Beachtung der Barrierefreiheit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Die Regelung greift die Verpflichtung der Artikel 9 und 27 der UN-BRK auf. Ziel der Regelung ist, dass die Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 schrittweise auch das allgemeine, an alle Beschäftigten gerichtete Intranet sowie die von ihnen genutzten informationstechnischen Möglichkeiten zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und Aktenführung barrierefrei ausgestalten, damit diese auch von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich so genutzt werden können wie von Menschen ohne Behinderungen. Mit Rücksicht auf die zunehmende Digitalisierung von Informationen, Vorgängen und Verwaltungsabläufen ist eine frühzeitige Berücksichtigung der Barrierefreiheit dieser Informationen und der in der öffentlichen Verwaltung genutzten elektronischen Anwendungen zu verankern, um den Anforderungen einer älter werdenden Belegschaft und der wachsenden Anzahl von Beschäftigten mit Behinderungen gerecht zu werden. Infolge der frühzeitigen Berücksichtigung der Barrierefreiheit schon bei der Erstellung von Informationen bzw. der Anschaffung oder Entwicklung neuer Anwendungen der Informationstechnik können behinderungsspezifische nachträgliche Anpassungen zu Lasten der Arbeitgeber oder der Systeme der sozialen Sicherung auf das im Einzelfall Erforderliche minimiert werden. Tiefgreifende und deutlich kostspieligere Softwareanpassungen, die anderenfalls im Nachhinein erforderlich werden würden, können so reduziert werden.

Satz 1 greift zunächst die barrierefreie Gestaltung des Intranets auf. Das Intranet hat sich zu einem zentralen Informationsangebot für Beschäftigte entwickelt. So etwa werden unter anderem Personalmitteilungen, Dienstanweisungen oder Stellenausschreibungen sowie andere allgemeine, für grundsätzlich die gesamte Belegschaft relevante Informationen vielfach nur noch elektronisch kommuniziert. Um Beschäftigten mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zu diesen Informationen zu gewährleisten, gestalten Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 ihre allgemeinen, an grundsätzlich alle Beschäftigten gerichteten Informationen im Intranet schrittweise barrierefrei. Sie tun dies insbesondere im Zuge ohnehin anstehender Anpassungen oder bei neuen Veröffentlichungen. Von dieser Verpflichtung ausgenommen sind fachspezifische Informationen, die nur an einen kleinen, bestimmten Adressatenkreis gerichtet sind.

Ergänzend regelt Satz 1 die schrittweise barrierefreie Gestaltung elektronisch unterstützter Verwaltungsabläufe. Mit der zunehmenden Digitalisierung von Verwaltungsabläufen verändern sich Arbeitsroutinen der Verwaltung deutlich, so etwa durch elektronische Zeiterfassung, Vorgangsbearbeitung und Aktenführung. Schrittweise ist deshalb die eingesetzte Software, insbesondere auch mit Rücksicht auf mögliche Schnittstellen zu individuellen Hilfsmitteln, barrierefrei auszugestalten. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass die eingesetzte Software für die Zusammenarbeit mit einem Screenreader geeignet ist. Die Regelung umfasst insofern nicht individuelle, behinderungsspezifische Unterstützungssysteme bzw. Leistungen, die im Einzelfall erforderlich sind, wie spezielle Hard- und Software und die behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten. Hierfür sind andere geltende Bestimmungen einschlägig, insbesondere die des SGB IX. Dass die entsprechenden Regelungen insbesondere des SGB IX unberührt bleiben, regelt Satz 4.

Satz 2 konkretisiert die Zielstellung des Satzes 1 dadurch, dass Barrierefreiheit insbesondere bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung zu berücksichtigen ist.

Dadurch, dass der Aspekt der Barrierefreiheit künftig bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen und ähnlichen Änderungen bestehender elektronischer Anwendungen berücksichtigt wird, wird zugleich die Vorgabe der schrittweisen Gestaltung des Satzes 1 konkretisiert. Bezweckt wird, dass die Bereitstellung von Informationen im Intranet sowie elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe barrierefrei angepasst werden, sobald sie weiterentwickelt, umgestellt oder neu entwickelt bzw. erstellt werden. Durch diese schrittweise Umsetzung jeweils bei Neueinrichtungen oder Anpassungen soll die Verpflichtung aus den Einzelplänen der Ressorts im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze der Haushalte der Träger öffentlicher Gewalt finanziell und stellenmäßig vollständig finanziert werden. Kostenintensive nachträgliche Anpassungen für Beschäftigte mit Behinderungen, Beschäftigte, die im Laufe ihrer Dienstzeit eine Behinderung erwerben oder ältere Beschäftigte im Nachhinein können sich durch diese Vorkehrungen minimieren.

Die barrierefreie Gestaltung der Informationsangebote im Intranet und der elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe erfolgen entsprechend den anerkannten Regeln der Technik. Für die barrierefreie Gestaltung von Informationsangeboten im Intranet können insbesondere die Regelungen des § 3 Absatz 2 BITV 2.0 i.V.m. der Anlage 1 BITV 2.0 die für die technisch barrierefreie Gestaltung der Internetauftritte der Bundesbehörden maßgebend sind, entsprechende Anwendung finden. Für die barrierefreie Gestaltung von elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufen wird hingewiesen auf die DIN EN ISO 9241-171 "Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software". Ferner stehen den Trägern öffentlicher Gewalt auch für die Realisierung ihrer barrierefreien Intranetangebote die Angebote des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Bundesstelle für Informationstechnik (BIT), der "BITV-Lotse" als Informationsangebot zur BITV 2.0 und die Anwendung zur Überprüfung von Internetangeboten "Ba-Nu - Barrieren finden, Nutzbarkeit sichern", kostenfrei unter http://www.bitvlotse.de und http://www.banu.bund.de zur Verfügung. Darüber hinaus wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Zusammenarbeit mit dem für die Beratung zur BITV 2.0 zuständigen Informationstechnikzentrum Bund, kurz ITZBund, ergänzende Beratungs- und Unterstützungsangebote prüfen und entwickeln. Aus der Regelung folgt keine Pflicht, bestehende elektronische Systeme anlasslos im Hinblick auf die Barrierefreiheit anzupassen.

Satz 3 stellt klar, dass von dem Gebot der barrierefreien Gestaltung ausnahmsweise abgewichen werden kann, wenn diese einen unverhältnismäßigen technischen Aufwand erfordert. Von unverhältnismäßigem technischem Aufwand ist unverhältnismäßiger finanzieller Aufwand mitumfasst. Eine übermäßige Belastung der Träger öffentlicher Gewalt ist damit ausgeschlossen. Die Träger öffentlicher Gewalt erhalten mit dieser Regelung einen angemessenen Spielraum im Hinblick darauf, ob elektronische Anwendungen nicht bzw. noch nicht im Hinblick auf Barrierefreiheit umgestaltet werden können. Ein unverhältnismäßig hoher technischer Aufwand ist insbesondere bei der Umgestaltung spezieller Fachanwendungen denkbar. Im Regelfall ist Barrierefreiheit allerdings zu berücksichtigen. Vorrangig sollen die Informationen im Intranet, die sich grundsätzlich an alle Beschäftigten richten und die gängigen elektronischen Anwendungen, die zur Nutzung für grundsätzlich alle Beschäftigten bereitgestellt werden, barrierefrei gestaltet werden.

Satz 4 stellt klar, dass Regelungen zur behinderungsgerechten Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten zu Gunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere im SGB IX, unberührt bleiben.

Nach Satz 5 erstellen die obersten Bundesbehörden bis zum 30. Juni 2021 Statusberichte zur Umsetzung und zum Stand der Barrierefreiheit nach den Sätzen 1 bis 3. Diese Berichte sollen im Rahmen der Evaluation des BGG ausgewertet werden. Die Berichtspflicht der obersten Bundesbehörden umfasst auch deren Geschäftsbereich. Die Berichte sind für die Evaluierung der Neuregelungen des BGG bereitzuhalten, das heißt die obersten Bundesbehörden und Verfassungsorgane leiten sie dem BMAS zwecks Auswertung im Rahmen der Evaluation der Neuregelungen des BGG zu.

Zu Buchstabe c

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Buchstabe b.

Zu Nummer 15

Mit der Regelung zur Bundesfachstelle für Barrierefreiheit wird eine Empfehlung des Abschlussberichts zur Evaluation des BGG umgesetzt, wonach zur Unterstützung der Implementation des BGG und der Bewusstseinsbildung die erforderliche Fachkompetenz in einer Agentur zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Verbänr Menschen mit Behinderungen unterstützen diese Empfehlung des Abschlussberichts nachdrücklich. Zur Umsetzung des bereits geltenden Rechts und neuer Regelungen im BGG besteht für Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Beratungs- und Unterstützungsbedarf zur tatsächlichen Herstellung von Barrierefreiheit in einer Vielzahl von Bereichen. Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit soll insbesondere die durch das BGG Verpflichteten bei der Herstellung von Barrierefreiheit unterstützen. Damit trägt sie zugleich zu einer Verbesserung der gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft bei.

Zu Absatz 1

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit wird bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) in Berlin angesiedelt. Die KBS nimmt als Verbund aus gesetzlicher Rentenversicherung, Renten-Zusatzversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung mit einem eigenen Medizinischen Netz in der Sozialversicherung einen besonderen Platz ein. Darüber hinaus ist sie mit ihrem Verbundnetz und ihren Standorten bundesweit präsent. Aufgrund der vorhandenen Kompetenz in der qualitäts- und serviceorientierten Beratung und Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern bietet die KBS die wesentlichen Voraussetzungen zur Errichtung der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit.

Zu Absatz 2

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit ist zentrale Anlaufstelle zu Fragen der Barrierefreiheit für Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 1 Absatz 2 BGG. Sie steht darüber hinaus auch Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden und Zivilgesellschaft und im Rahmen ihrer personellen und finanziellen Kapazitäten auch den an Zielvereinbarungsverhandlungen beteiligten Parteien, offen.

Sie berät und unterstützt die Behörden, ihre Aufgaben in eigener Verantwortung barrierefrei und unter Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen zu erfüllen. Daneben steht sie als Informationsstelle auch den gesellschaftlichen Akteuren aus Verbänden, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft zur Verfügung, informiert und wirbt aktiv für die Gestaltung einer barrierefreien Lebens- und Arbeitswelt. Die Fachstelle unterstützt bei Bedarf Verhandlungen über Zielvereinbarungen zur konkreten Herstellung von Barrierefreiheit. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten kann sie allerdings nicht zu jedem Einzelfall oder Sachverhalt konkret beraten und detaillierte Lösungsmöglichkeiten entwickeln. Auch sollen die bestehenden Verantwortlichkeiten zur Schaffung von Barrierefreiheit in Bund, Ländern, Gemeinden und Zivilgesellschaft weder aufgebrochen noch verändert werden.

Die Aufgaben sind im Einzelnen:

1. Zentrale Anlaufstelle, Erstberatung

Als zentrale Anlaufstelle zu Fragen der Barrierefreiheit für die Träger öffentlicher Gewalt trägt die Fachstelle durch Beratung und Unterstützung aktiv und behinderungsübergreifend zur Verbesserung der Barrierefreiheit der öffentlichen Verwaltung bei. Sie stellt Informationen bereit und vermittelt bei Bedarf kompetente Netzwerkpartner oder andere kompetente Stellen. Thematische Schwerpunkte sind insbesondere barrierefreie Dokumente und barrierefreie Kommunikation im Verwaltungsverfahren, barrierefreies Internet und Intranet, barrierefreie Veranstaltungsplanung, bauliche Barrierefreiheit und Barrierefreiheit bei Zuwendungen.

2. Bereitstellung, Bündelung und Weiterentwicklung von unterstützenden Materialien zur Herstellung von Barrierefreiheit

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit entwickelt in Zusammenarbeit mit den weiteren Akteuren aus Bund, Ländern, Wirtschaft, Verbänden und Wissenschaft bedarfsgerecht und behinderungsübergreifend Empfehlungen zur Umsetzung von Barrierefreiheit bzw. entwickelt bereits vorhandene Empfehlungen weiter. Dazu zählen unterstützende Informations- und Anwendungsmaterialen wie zum Beispiel Checklisten. Denkbar sind unter anderem auch Ausschreibungsbausteine für Vergabeverfahren und Textbausteine für die Ausschreibung und Entwicklung elektronischer Verfahren (E-Akte, elektronische Vorgangsbearbeitung).

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit sammelt praktische und wissenschaftliche Erkenntnisse und bündelt diese in einem frei zugänglichen, barrierefrei gestalteten Online-Wissenspool. Dieser beinhaltet unter anderem wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema Barrierefreiheit, Checklisten und Leitfäden, Musterausschreibungen und -texte sowie Informationen und Kontaktdaten von kompetenten Partnern und Experten.

3. Unterstützung der Beteiligten von Zielvereinbarungsverhandlungen nach § 5 im Rahmen der verfügbaren finanziellen und personellen Kapazitäten

Die Fachstelle unterstützt bei Bedarf und im Rahmen ihrer verfügbaren finanziellen und personellen Kapazitäten Verhandlungen über Zielvereinbarungen zur konkreten Herstellung von Barrierefreiheit. Dies kann zum Beispiel durch Vernetzung mit kompetenten Stellen oder durch unterstützende Leitfäden bzw. Checklisten erfolgen. Aufgrund ihrer begrenzten Möglichkeiten kann die Bundesfachstelle allerdings nicht jede Verhandlung begleiten, zu jedem Einzelfall oder Sachverhalt konkret beraten oder detaillierte Lösungsmöglichkeiten entwickeln.

4. Aufbau eines Netzwerks

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit baut ein Netzwerk mit den bereits bestehenden Einrichtungen und Initiativen des Bundes, der Länder, Verbände, Wirtschaft und anderer Institutionen auf und arbeitet mit diesem zusammen. Hierzu gehört ein regelmäßiger Austausch der Mitglieder des Netzwerks untereinander im Rahmen von Netzwerktreffen sowie Input von "außen" durch Fachgespräche des Netzwerks mit externen Experten. Die Fachstelle soll zusätzlich durch Veranstaltungen, über einzelne themenbezogene Fachgespräche oder ihren Webauftritt informieren und zu einem breiteren Austausch in Fragen der Barrierefreiheit anregen. Durch Vernetzung der Akteure können Kompetenzen gebündelt, Schnittstellen genutzt, Schwerpunkte, Lücken und Handlungs- bzw. Informationsbedarfe besser identifiziert und Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden. Auch hilft die Vernetzungsarbeit dabei, Doppelarbeiten und eventuell auch Doppelstrukturen zu vermeiden bzw. zu minimieren.

5. Begleitung von Forschungsvorhaben zur Verbesserung der Datenlage und zur Herstellung von Barrierefreiheit

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit begleitet partizipativ ausgestaltete Forschungsvorhaben zu Themen der Barrierefreiheit und zu Diskriminierungserfahrungen von Menschen mit Behinderungen, um adäquat auf identifizierte Wissenslücken zu reagieren oder zur Verbesserung der Datenlage beizutragen.

6. Bewusstseinsbildung durch Öffentlichkeitsarbeit

Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit trägt dazu bei, dass das Thema Barrierefreiheit in Deutschland auf allen Ebenen an Präsenz gewinnt und somit der Vorteil einer barrierefreien Umwelt in einer älterwerdenden Gesellschaft bei allen Maßnahmen von Beginn an herausgestellt wird. Die Fachstelle präsentiert sich online in einem eigenen Webauftritt. Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme werden angeboten. Der oben genannte Online-Wissenspool soll in das Webangebot integriert werden und ein zentrales Element des Webauftritts der Fachstelle bilden.

Ein Expertenkreis, dem mehrheitlich Vertreterinnen und Vertreter der Verbänr Menschen mit Behinderungen angehören, begleitet die Arbeit der Bundesfachstelle. Der Expertenkreis trifft sich regelmäßig und kann auf Themen, Probleme, Fragestellungen, Bedarfe oder Forschungsfragen hinweisen. Der Expertenkreis unterstützt die KBS bei der Steuerung der Bundesfachstelle; das Letztentscheidungsrecht obliegt jedoch der KBS in Abstimmung mit dem BMAS. Die KBS als Versicherungsträger erfüllt nach § 29 Absatz 3 SGB IV und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts ihre Aufgaben in eigener Verantwortung. Nach § 30 Absatz 2 SGB IV dürfen einem Sozialversicherungsträger jedoch auch die Aufgaben anderer Träger öffentlicher Verwaltung übertragen werden. Hierzu bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. Diese wird mit der vorliegenden Regelung geschaffen.

Zu Absatz 3

Da es sich bei dem Aufgabenbereich der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit nicht um die Wahrnehmung eigener Aufgaben der KBS, sondern um die Ausführung übertragener Aufgaben handelt, kommt der in § 29 Absatz 3 SGB IV verankerte Grundsatz der rechtlichen Selbstverwaltung nicht zur Anwendung. Die Durchführung der Aufgaben der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit unterliegt vielmehr der Fachaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Zu Nummer 16

Verschiebung des Abschnitt es durch Einfügung eines neuen Abschnitt es.

Zu Nummer 17

Änderung der Nummerierung aufgrund der Einfügung neuer Vorschriften. Die Prozessstandschaft war bislang in § 12 BGG geregelt. Als Folgeänderungen wurden die Verweise in Satz 1 angepasst.

Im Übrigen handelt es sich um sprachliche Änderungen.

Zu Nummer 18

Das seit Inkrafttreten des BGG im Jahr 2002 geltende öffentlichrechtliche Verbandsklagerecht ist bislang in § 13 BGG geregelt. Er wird zu § 15 und punktuell insbesondere im Hinblick auf die Verknüpfung mit dem Schlichtungsverfahren, das in § 16 geregelt wird, geändert.

Bereits seit dem Jahr 2002 können nach Absatz 3 vom BMAS anerkannte Verbände Gesetzesverstöße verfolgen, ohne selbst in eigenen Rechten verletzt zu sein, um die tatsächliche Anwendung von Regelungen durchzusetzen, die dem Schutz von Menschen mit Behinderungen dienen. In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt:

"Dabei setzt diese Klagemöglichkeit nicht voraus, dass der klagende Verband in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Vielmehr wird ihm allgemein die Möglichkeit eingeräumt, die tatsächliche Anwendung von Vorschriften durchzusetzen, die dem Schutz behinderter Menschen dienen. Dies sind nach der Aufzählung des § 13 zunächst die unmittelbar in Artikel 1 geregelten Rechte. Eine Rechtsverfolgung im Wege einer Verbandsklage wird vor allem in Betracht kommen, um eine mit den Vorschriften des Behindertengleichstellungsgesetzes in Einklang stehende Verwaltungspraxis herbeizuführen" (vgl. BT-Drs. 17/7420 Seite 30).

Seit Inkrafttreten des BGG ist lediglich ein Verbandsklageverfahren nach BGG betrieben worden. Gemessen am ursprünglichen Ansatz des Gesetzgebers ist die Zahl der Verbandsklagen hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Verbände, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzen, sehen das Verbandsklagerecht als unerlässliches Instrument an. Ein Kritikpunkt ist, dass das Verbandsklagerecht derzeit auf die Klageart der Feststellungsklage begrenzt ist. Ihre Erfolgs- und Realisierungschancen werden gering eingeschätzt. Im Rahmen der Evaluation des BGG wurde darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit, auf ein rechtskonformes Handeln oder Unterlassen einer Behörde zu klagen (an Stelle einer Feststellungsklage), zu einer positiveren Einschätzung der Erfolgsaussichten führen könnte (Seite 500 des Abschlussberichts der Evaluation). Allerdings ist die Verwaltung bereits nach Artikel 20 Absatz 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und somit verpflichtet, auch ein Feststellungsurteil zu befolgen, d.h. etwa ein von einem Gericht festgestelltes rechtswidriges Verhalten der Verwaltung abzustellen und sich künftig rechtskonform zu verhalten. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass von Rechtsverfolgung im Wege einer Verbandsklage bislang nur zurückhaltend Gebrauch gemacht worden ist, wird der Verbandsklage gegen einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 künftig das kostenfreie Schlichtungsverfahren nach § 16 vorgeschaltet und damit ein Verfahren zur Verfügung gestellt, das eine rasche Streitbeilegung vor der Schlichtungsstelle ohne finanzielles Risiko für Antragsteller ermöglicht (Näheres vergleiche Nummer 18 und Begründung dazu).

Zu Absatz 1

Bei den Änderungen handelt es sich um Folgeänderungen.

Zu Absatz 2

Absatz 2 regelt wie bisher die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Erhebung einer Verbandsklage nach Absatz 1. Dazu zählt unter anderem, dass der Klagegegenstand von allgemeiner Bedeutung sein muss. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle vorliegt, zum Beispiel bei einem Verstoß gegen die Verpflichtung des Bundes zur Herstellung von Barrierefreiheit. Dass neben einer Maßnahme auch ein Unterlassen als Klagegegenstand in Betracht kommt, wird durch die Ergänzungen in Satz 1, Satz 2 und Satz 4 klargestellt. Die generelle Pflicht zur Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nach Absatz 2 Satz 4 besteht ebenfalls bereits seit Inkrafttreten des Gesetzes. Mit der neuen Regelung in Satz 5 ist gegen einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 anstelle des Vorverfahrens künftig ein Schlichtungsverfahren nach § 16 durchzuführen. Dass das Schlichtungsverfahren ein vor Klageerhebung durchzuführendes Vorverfahren ersetzt, regelt Satz 7. Das heißt, künftig ist anstelle eines Vorverfahrens vor Erhebung einer Verbandsklage gegen einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 ein Schlichtungsverfahren nach § 16 durchzuführen. Ist potentieller Klagegegner eine Landesbehörde bleibt es bei dem Erfordernis der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nach Satz 4. Die Verbandsklage gegen einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 ist künftig nur zulässig, wenn im Schlichtungsverfahren keine Einigung erzielt werden konnte und dies durch die Schlichtungsstelle bescheinigt worden ist.

Zu Absatz 3

Bei den Änderungen handelt es sich um Folgeänderungen.

Zu Nummer 19

Mit dem Schlichtungsverfahren, das für die Beteiligten kostenfrei ist, soll eine rasche Einigung der Beteiligten ermöglicht werden und eine weitere Umsetzung des Benachteiligungsverbots sowie insbesondere der Barrierefreiheit befördert werden. Eine zügige konsensuale Konfliktbeilegung liegt im Interesse der Beteiligten. Insbesondere Opfer von Benachteiligungen empfinden gerichtliche Auseinandersetzungen, die langwierig sein können und einen unsicheren Ausgang haben, oftmals als belastend. Gerichtsverfahren, die Verstöße gegen das BGG zum Gegenstand haben, sind bislang kaum geführt worden. Mit dem Instrument des Schlichtungsverfahrens können Kosten und Aufwand, die anderenfalls für ein in Betracht kommendes Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren aufzubringen wären, für alle Beteiligten vermieden und die Gerichte entlastet werden.

Absatz 1 regelt, dass eine Schlichtungsstelle bei der beauftragten Person für die Belange von Menschen mit Behinderungen eingerichtet wird. Die Schlichtungsstelle hat die Aufgabe, Streitigkeiten nach den Absätzen 2 und 3 außergerichtlich beizulegen. Die Schlichtungsstelle ist mit neutralen schlichtenden Personen zu besetzen. Sie hat eine Geschäftsstelle. Die Schlichtungsstelle ist unabhängig und handelt unparteiisch. Ihre Verfahrensregeln sind für Interessierte zugänglich. Die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens erhalten rechtliches Gehör, das heißt, dass sie insbesondere Tatsachen und Bewertungen vorbringen können. Die schlichtenden Personen und die weiteren in der Schlichtungsstelle Beschäftigten gewährleisten die Vertraulichkeit der Informationen, von denen sie im Schlichtungsverfahren Kenntnis erlangen. Es ist eine barrierefreie Kommunikation mit den Beteiligten des Schlichtungsverfahrens zu gewährleisten, unter anderem sind Dokumente auf Wunsch in einer für sie barrierefreien Form kostenfrei zugänglich zu machen. Das Nähere zu den gesetzlichen Vorgaben nach Absatz 1 wird in der Rechtsverordnung nach Absatz 8 geregelt.

Nach Absatz 2 Satz 1 erhält die oder der Einzelne die Möglichkeit, die Schichtungsstelle anzurufen. Voraussetzung ist die Behauptung, in einem Recht nach diesem Gesetz durch einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 verletzt worden zu sein. In Betracht kommt insbesondere eine Verletzung des Rechts aus § 9 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit der KHV oder § 10 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit der VBD. Das Schlichtungsverfahren ist für die Einzelne oder den Einzelnen ein zusätzliches Angebot. Daneben stehen die nach anderen Vorschriften in Betracht kommenden Rechtsbehelfe und -mittel weiterhin zur Verfügung. Die erfolglose Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach Absatz 2 ist nicht Voraussetzung für das Einlegen eines Rechtsbehelfs oder -mittels. Satz 2 dient im Sinne der Rechtsklarheit und -sicherheit dazu, parallel laufende Verfahren (Schlichtungsverfahren und Widerspruchsverfahren) zu vermeiden. Indem die Widerspruchsfrist erst mit Beendigung des Schlichtungsverfahrens nach Absatz 7 beginnt, wird sichergestellt, dass sie nicht während eines Schlichtungsverfahrens abläuft. Die Frist zur Beantragung der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens nach Satz 3 orientiert sich an der Frist zur Erhebung eines Widerspruchs.

Mit der Einführung des Instruments des Schlichtungsverfahrens für Verbände nach § 15 Absatz 3 wird auch darauf reagiert, dass bislang sehr zurückhaltend von der Möglichkeit des Verbandsklagerechts Gebrauch gemacht worden ist. Hemmnisse bei der Inanspruchnahme von Verbandsklagen sehen die nach dem BGG anerkannten Verbände, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzen, in fehlenden finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen. Nach den Ergebnissen der Evaluation werden von Verbandsseite die Erfolgsaussichten von Verbandsklagen eher gering eingeschätzt und es werden Lösungen ohne gerichtliche Klageverfahren bevorzugt. Dies wird durch die Einführung des Schlichtungsverfahrens für Verbände, die nach § 15 Absatz 3 anerkannt sind, aufgegriffen. Sie können nach Absatz 3 beantragen, dass ein Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle eingeleitet wird. Vor Verbandsklagen gegen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 ist künftig die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zwingend erforderlich. Nur für den Fall, dass eine gütliche Einigung im Rahmen des Schlichtungsverfahrens nicht erzielt werden konnte, ist eine Verbandsklage gegen einen Träger öffentlicher Gewalt nach § 1 Absatz 2 Satz 1 künftig zulässig (vergleiche § 15 Absatz 2 Satz 5 bis 7).

Absatz 4 regelt, dass der Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens nach Absatz 2 und 3 in Textform nach § 126b Bürgerliches Gesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Schlichtungsstelle gestellt werden kann. Nach Erhalt des Antrags übermittelt die Schlichtungsstelle eine Abschrift des Antrags zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens dem Träger öffentlicher Gewalt, der am Schlichtungsverfahren beteiligt ist.

Absatz 5 regelt, dass die schlichtende Person im Verfahren auf eine Einigung der Beteiligten hinwirkt. Nach Anhörung der Beteiligten kann die schlichtende Person einen Schlichtungsvorschlag im schriftlichen Verfahren oder in einem Schlichtungstermin unterbreiten, der geeignet ist, den Streit der Beteiligten unter Berücksichtigung der Rechtslage und der Gebote von Treu und Glauben angemessen beizulegen. Einigen sich die Beteiligten darauf, den Schlichtungsvorschlag anzunehmen, entsteht für die Beteiligten eine vertragliche Bindungswirkung. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens kann die schlichtende Person auch den Einsatz von Mediation anbieten. Einigen sich die Beteiligten im Rahmen des Mediationsverfahrens auf eine gütliche Beilegung des Streits, entsteht zwischen ihnen ebenfalls eine vertragliche Bindungswirkung. Das Nähere über das Verfahren der Schlichtungsstelle, für das von den Beteiligten keine Gebühren oder Auslagen der Schlichtungsstelle erhoben werden, soll in der Rechtsverordnung nach Absatz 8 geregelt werden.

Absatz 6 regelt, dass das Schlichtungsverfahren für die Beteiligten unentgeltlich ist. Die Schlichtungsstelle erhebt von den Beteiligten keine Gebühren oder Auslagen. Die Gebührenfreiheit erfolgt aus Gründen des öffentlichen Interesses und der Billigkeit. Das BGG zielt auf die konkrete und praxisorientierte Ausgestaltung der aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 GG ("Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.") fließenden Rechtspositionen. Das BGG soll durch die Verankerung der Barrierefreiheit und Gleichstellung im öffentlichen Recht sicherstellen, dass sich behinderte Menschen möglichst vollständig diskriminierungsfrei im Alltag bewegen können (vgl. BT-Drs. 17/7420, Seite 17). Mit der Schlichtungsstelle soll die Durchsetzung der Rechte aus dem BGG erleichtert werden. Dies spricht dafür, potentiellen Antragstellerinnen und Antragstellern ohne Hürde und ohne finanzielles Risiko Zugang zu der Schlichtungsstelle zu eröffnen. Damit wird zugleich die Grundrechtsverwirklichung und die Umsetzung der UN-BRK, zu deren allgemeinen Grundsätzen ebenfalls die Zugänglichkeit und die Nichtdiskriminierung zählen (Artikel 3 Buchstabe b und f UN-BRK), gefördert.

Absatz 7 enthält Regelungen dazu, auf welche Weise das Schlichtungsverfahren endet. Für den Fall, dass keine gütliche Einigung der Beteiligten erzielt werden konnte, ist der Antragstellerin oder dem Antragsteller eine entsprechende Bescheinigung darüber zuzustellen. Die Bescheinigung, dass keine gütliche Einigung im Schlichtungsverfahren erzielt werden konnte, ist Voraussetzung für eine Verbandsklage, die sich gegen einen Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 richtet (vergleiche § 15 Absatz 2).

Absatz 8 ermächtigt das BMAS zum Erlass einer Rechtsverordnung, um das Nähere über die Geschäftsstelle, die Besetzung und das Verfahren sowie die verbleibenden Kosten des Verfahrens und die Entschädigung zu regeln. Hier kommt unter anderem die Regelung von Fahrtkostenersatz in Betracht. Die Ermächtigungsgrundlage umfasst ferner die Befugnis, das Nähere zu Tätigkeitsberichten der Schlichtungsstelle zu regeln.

In Österreich wurde mit dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz, das am 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist, ein Schlichtungsverfahren eingeführt. Es hat hohe Einigungsquoten zu verzeichnen und ist im Rahmen der Evaluierung des österreichischen Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes sehr positiv bewertet worden.

Zu Nummer 20

Verschiebung des Abschnitt es durch Einfügung eines neuen Abschnitt es.

Zu Nummer 21

Änderung der Nummerierung aufgrund der Einfügung neuer Vorschriften. Bislang war die Regelung in § 14 verortet. Im Übrigen wurden sprachliche Änderungen vorgenommen.

Zu Nummer 22

Änderung der Nummerierung aufgrund der Einfügung neuer Vorschriften. Bislang war die Regelung in § 15 verortet. Im Übrigen wurden sprachliche Änderungen vorgenommen.

Zu Nummer 23

Aufnahme eines neuen Abschnitts "Förderung der Partizipation" und des § 19.

Mit dem § 19 wird die finanzielle Förderung der Partizipation von Verbänden von Menschen mit Behinderungen rechtlich verankert. Ziel der Förderung ist es, Verbänden von Menschen mit Behinderungen, insbesondere Selbstvertretungsorganisationen, eine aktive und umfassende Teilhabe an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten zu ermöglichen. Damit wird die Partizipation von Menschen mit Behinderungen an politischen Entscheidungsprozessen gefördert. Die Belange von Menschen mit Behinderungen sollen in allen Bereichen von Politik und Gesellschaft ins Bewusstsein gerückt und berücksichtigt werden. Eine stärkere Einbindung der Organisationen, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzen, in den fachpolitischen Diskurs setzt insbesondere bei kleineren Organisationen eine Stärkung ihrer finanziellen Ressourcen voraus. Ziel ist, insbesondere Organisationen zu fördern, in denen Menschen mit Behinderungen auf allen Ebenen, also unter den Mitgliedern und auf der Leitungsebene, mehrheitlich vertreten sind, sogenannte Selbstvertretungsorganisationen. Daneben kommt auch die Förderung von Organisationen der Angehörigen von Kindern mit Behinderungen, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder taubblinden Menschen in Betracht, deren Hauptziel die Stärkung der Selbstvertretung der genannten Gruppen von Menschen mit Behinderungen ist. Mit der rechtlichen Verankerung der Förderung der Partizipation bekennt sich die Bundesregierung im Rahmen einer Selbstverpflichtung dazu, die Partizipation dauerhaft zu etablieren. Organisationen, die für eine Förderung in Betracht kommen, müssen die Voraussetzungen des § 15 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 5 BGG erfüllen. Es ist nicht erforderlich, dass das BMAS die Anerkennung nach § 15 Absatz 3 erteilt hat.

Die Förderung erfolgt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. Ein Rechtsanspruch auf eine Förderung besteht nicht. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Förderungen werden vom BMAS in einer Förderrichtlinie festgelegt. Auf dieser Grundlage können interessierte Verbände eine entsprechende Förderung beantragen.

Die gesetzliche Verankerung der Förderung der Partizipation entspricht Vorgaben der UNBRK und des Koalitionsvertrages. Die Vertragsstaaten haben sich nach Artikel 29 Buchstabe b der UN-BRK dazu verpflichtet, aktiv ein Umfeld zu fördern, in dem Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten mitwirken können, und ihre Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten zu begünstigen.

Artikel 4 Absatz 3 der UNBRK fordert von den Vertragsstaaten, bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung des Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, enge Konsultationen mit den Menschen mit Behinderungen über die sie vertretenden Organisationen durchzuführen und sie aktiv einzubeziehen. Leitidee der Bundesregierung ist die inklusive Gesellschaft, vergleiche Koalitionsvertrag "Deutschlands Zukunft gestalten" der 18. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD, Seite 110. Im Koalitionsvertrag heißt es weiter:

"Menschen mit Behinderungen sind Expertinnen und Experten in eigener Sache, ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen will die Bundesregierung besonders berücksichtigen - nach dem Motto "Nichts über uns ohne uns"."

Zu Artikel 2 (Weitere Änderung des Behindertengleichstellungsgesetzes zum Jahr 2018)

Zum Verständnis des § 11 ist zu unterscheiden zwischen der einfachen, verständlichen Verwaltungssprache ("einfache Sprache") einerseits und der Leichten Sprache andererseits:

Die Verwendung einfacher Sprache im Rahmen der Kommunikation der Verwaltung mit Bürgerinnen und Bürgern sieht bereits § 16 Absatz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vor:

"Schreiben müssen präzise, inhaltlich vollständig, verständlich und höflich sein." Durch die Verwendung einfacher Sprache sollen Behörden die stark juristisch geprägten fachsprachlichen Inhalte von Verwaltungsvorgängen mit alltagssprachlichen Mitteln aufarbeiten und für Bürgerinnen und Bürger verständlich mündlich, schriftlich oder elektronisch wiedergeben. Die Verpflichtung der Verwaltung zur Auskunft und Beratung (vergleiche § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, §§ 13 bis 15 SGB I) ist ebenfalls darauf ausgerichtet, Bürgerinnen und Bürger klar und verständlich zu informieren bzw. zu beraten.

Leichte Sprache zielt darüber hinaus auf eine besonders leichte Verständlichkeit für Menschen mit geistigen Behinderungen ab. Die Leichte Sprache stellt nicht nur auf besondere Regeln zu Rechtschreibung und Grammatik ab, sondern gibt unter anderem auch Empfehlungen zur Textgestaltung. Unter anderem sollen möglichst gebräuchliche Wörter verwendet werden und Sätze kurz und einfach gehalten sein. Texte sollen in einer ausreichend großen Schrift dargestellt und mit Bildern illustriert werden. Über das Netzwerk Leichte Sprache e.V. haben sich Verbände von Menschen mit Behinderungen und andere Organisationen auf gemeinsame Regeln für Informationen in Leichter Sprache verständigt (vgl. www.leichtesprache.org). Leichte Sprache kann erforderlich sein, wenn Informationen in einfacher Sprache für Menschen mit stärkeren Beeinträchtigungen nicht verständlich sind. Sie ist eine Möglichkeit zur barrierefreien Information und Kommunikation von Menschen mit geistigen Behinderungen.

Zu Absatz 1:

Für Menschen mit geistigen Behinderungen, vor allem für Personen mit leichteren Beeinträchtigungen, kann einfache Sprache einen Zugang zur Verwaltung darstellen, der ihnen das Verstehen von Bescheiden oder Vordrucken erleichtert oder ermöglicht. Absatz 1 regelt daher, dass Träger öffentlicher Gewalt insbesondere im Kontakt mit Menschen mit geistigen Behinderungen besonders auf eine Kommunikation in einfacher Sprache achten und schriftliche oder elektronische Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlichrechtliche Verträge und Vordrucke verständlich erläutern sollen. Die Erläuterung kann mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen. Eventuell anfallende Kosten hierfür sind vom zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu tragen.

Die Regelung konkretisiert die bereits bestehende Verpflichtung des § 10 Absatz 1 Satz 1, wonach Träger öffentlicher Gewalt bei der Gestaltung von Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlichrechtlichen Verträgen und Vordrucken eine Behinderung zu berücksichtigen haben. Die Begründung hierzu führte seinerzeit bereits aus, dass dabei auch Anforderungen an die Verständlichkeit für Menschen mit kognitiven Einschränkungen zu stellen sind (vergleiche Begründung zu Artikel 1, § 10 BGG, BT-Drs. 014/7420).

Auf das Schulungsangebot der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (unter anderem "Verständliches Schreiben - Mehr Erfolg durch gute Texte" und "Bürgernahe Verwaltungssprache und Bescheidtechnik") wird verwiesen.

Zu Absatz 2:

Absatz 2 verpflichtet in Form einer Soll-Vorschrift die Träger öffentlicher Gewalt, Menschen mit geistigen Behinderungen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlichrechtliche Verträge und Vordrucke schriftlich in Leichter Sprache zu erläutern, sofern diese dies anfordern. Die Anforderung der Erläuterung in Leichter Sprache erfolgt formlos, zum Beispiel mündlich, schriftlich, telefonisch oder elektronisch (zum Beispiel per E-Mail), und ist aktenkundig zu machen. Erhält der Träger öffentlicher Gewalt Kenntnis über eine mögliche geistige Behinderung, soll er die potentiell Berechtigten auf die Möglichkeit der Erläuterung in Leichter Sprache hinweisen. Erläuterungen in Textform sollen von besonders geschulten Beschäftigten oder professionellen Übersetzungsbüros erstellt werden. Auf das Schulungsangebot der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung ("Leichte Sprache in der Verwaltung - Barrierefreie Texte schreiben") wird verwiesen.

Absatz 2 ist insbesondere anzuwenden bei Menschen mit geistigen Behinderungen mit stärkeren Beeinträchtigungen, denen eine Erläuterung in einfacher Sprache nach Absatz 1 nicht zum Verständnis von Bescheiden, Allgemeinverfügungen, öffentlichrechtlichen Verträgen und Vordrucken genügt. Im Fokus der Regelung steht die Ermöglichung eines grundsätzlichen Zugangs von Menschen mit geistigen Behinderungen zu den sie betreffenden Informationen im Sinne der UN-BRK. Erst, wenn Regelungen, An- und Aufforderungen der Verwaltung für sie auch zugänglich sind, können Menschen mit geistigen Behinderungen von ihrem Recht auf selbstbestimmte Teilhabe und auf gleichberechtigte Kommunikation mit der Verwaltung tatsächlich Gebrauch machen.

Für Menschen mit geistiger Behinderung, deren Sprachfunktion beeinträchtigt ist, stellen komplizierte Inhalte Barrieren dar, die durch Verwendung von Leichter Sprache überwunden werden können. Der Personenkreis umfasst sowohl Menschen mit einer festgestellten Schwerbehinderung und diesen gleichgestellte Personen als auch Menschen, die zwar in ihrer Teilhabe eingeschränkt sind, die aber keinen Antrag auf Feststellung ihrer Behinderung gestellt haben. Nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) kann bei einer Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit eine Vielzahl an Funktionsstörungen in sehr unterschiedlicher Ausprägung vorliegen. Zum Beispiel kann bei einem Menschen, bei dem gutachterlich ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 oder 40 festgestellt worden ist, die Sprache deutlich betroffen sein, während bei anderen Menschen zum Beispiel eine reduzierte psychische Belastbarkeit und Störung der sozialen Einordnung im Vordergrund stehen. Eine Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit mit einem Intelligenzrückstand entsprechend einem Intelligenz-Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren bei Erwachsenen (Intelligenzquotient von etwa 70 bis 60) liegt nach der VersMedV unter anderem vor, wenn sich nach Abschluss der Schule noch eine weitere Bildungsfähigkeit gezeigt hat und keine wesentlichen, die soziale Einordnung erschwerenden Persönlichkeitsstörungen bestehen (GdB 30 bis 40) oder wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung trotz beruflicher Fördermöglichkeiten (zum Beispiel in besonderen Rehabilitationseinrichtungen) nicht in der Lage ist, sich auch unter Nutzung der Sonderregelungen für Menschen mit Behinderungen beruflich zu qualifizieren (GdB 50 bis 70). Dass eine Schwerbehinderung festgestellt worden ist, ist nicht Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung. Auch weitere Personengruppen, die im Laufe des Lebens eine Beeinträchtigung der Sprache erleiden, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder bei Demenz, können von Informationen in Leichter Sprache profitieren. Die Regelung ergänzt die bereits bestehende Verpflichtung der Bundesbehörden, in ihren Webauftritten Erläuterungen in Leichter Sprache für Menschen mit geistigen Behinderungen bereitzustellen (§ 3 Absatz 2 BITV 2.0).

Erläuterungen in Leichter Sprache können unter Berücksichtigung der Anforderungen der BITV 2.0 (vergleiche § 3 Absatz 2 BITV 2.0 in Verbindung mit Anlage 2, Teil 2) oder der Regeln des Netzwerks Leichte Sprache (vergleiche http://www.leichtesprache.org/index.php/startseite/leichtesprache/dieregeln) erstellt werden. Für typische Fallgestaltungen, die häufig auftreten, empfiehlt sich die Entwicklung von Textbausteinen in Leichter Sprache. Um den Trägern öffentlicher Gewalt hierzu die nötige Zeit einzuräumen, tritt die Regelung erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft (1. Januar 2018). Auf Artikel 7 (Inkrafttreten) wird verwiesen.

Die Regelung des Absatzes 2 umfasst keine Erteilung von rechtsverbindlichen Bescheiden in Leichter Sprache. Auch eine umfassende Verpflichtung zur Verwendung von Leichter Sprache wird damit nicht verankert. Die Feststellung, ob und in welchem Umfang eine Erläuterung erfolgt, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers öffentlicher Gewalt.

Dass eventuell anfallende Kosten für Erläuterungen in einfacher Sprache oder Leichter Sprache im notwendigen Umfang vom zuständigen Träger öffentlicher Gewalt zu tragen sind, regelt Absatz 3 Satz 1 und 2. Beauftragt der Träger öffentlicher Gewalt zur Erläuterung in Textform Dritte, beispielsweise ein Übersetzungsbüro, trägt der Träger öffentlicher Gewalt die anfallenden Kosten.

Absatz 4 entspricht der Änderung zu Artikel 1 Nummer 12.

Zu Artikel 3 (Änderung des Ersten Buches Sozialgesetzbuch)

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Absatz 2 stellt bisher einerseits in Satz 1 ausschließlich auf die Kommunikation in Gebärdensprache ab, verweist aber andererseits in Satz 2 bei der Kostentragung durch die Sozialleistungsträger sowohl auf die Gebärdensprache als auch auf andere Kommunikationshilfen. Die Regelung für die Ausführung von Sozialleistungen wird daher klarstellend und mit Rücksicht auf den Anspruch von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen auf Verwendung der Deutschen Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen im allgemeinen Verwaltungsverfahren nach dem BGG und der KHV angepasst.

Zu Buchstabe b und c

Durch Streichung des Verweises auf § 19 Absatz 2 Satz 4 SGB X und Ergänzung des Satzes 3 wird geregelt, dass sich die Vergütung von Kommunikationshilfen auch bei der Ausführung von Sozialleistungen nach der KHV richtet. Die Änderung stellt eine einheitliche Rechtsanwendung der Regelungen der KHV sowohl im allgemeinen Verwaltungsverfahren als auch bei der Ausführung von Sozialleistungen und über die in Artikel 4 enthaltene Änderung des § 19 Absatz 1 Satz 2 SGB X auch im Sozialverwaltungsverfahren sicher. Die Vergütung von Kommunikationshilfen richtet sich jeweils nach der KHV. Die KHV wird - nach Inkrafttreten dieses Gesetzes - angepasst. Zur Vermeidung von Lücken und Unsicherheiten in der Anwendung tritt diese Regelung sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in Kraft. Auf Artikel 7 (Inkrafttreten) wird verwiesen.

Zu Nummer 2

Absatz 2a stellt klar, dass insbesondere bei der Erbringung von Sozialleistungen den besonderen Belangen von Menschen mit Behinderungen Rechnung getragen werden muss. Bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, kommt es vor allem auf eine verständliche Kommunikation im Sinne einer einfachen Sprache, gegebenenfalls mündliche, schriftliche oder elektronische Erläuterungen, sowie ergänzend - soweit möglich - auf Erläuterungen in Leichter Sprache an. Absatz 2a greift insofern die Regelung des neuen § 11 BGG für die Ausführung von Sozialleistungen auf. Auf die Begründungen zu Artikel 1 Nummer 13, Artikel 2 und Artikel 7 wird verwiesen.

Zu Artikel 4 (Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch)

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Absatz 1 Satz 2 stand bislang hinter dem Anspruch von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen auf Verwendung der Deutschen Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen im allgemeinen Verwaltungsverfahren nach dem BGG zurück, indem er lediglich auf die Kommunikation gehörloser Menschen mittels Deutscher Gebärdensprache abstellt. Hör- und Sprachbehinderungen sind jedoch vielfältiger. Entsprechend vielfältiger sind auch die für die Kommunikation von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen notwendigen Kommunikationshilfen (insbesondere Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher, Schriftdolmetscherinnen und Schriftdolmetscher, Oraldolmetscherinnen und Oraldolmetscher, Kommunikationsassistentinnen und Kommunikationsassistenten sowie sonstige Personen des Vertrauens der Berechtigten).

Die spezialgesetzliche Regelung für das Sozialverwaltungsverfahren wird daher mit Rücksicht auf die Regelung für die Kommunikation im allgemeinen Verwaltungsverfahren nach dem BGG und der KHV angepasst.

Zu Buchstabe b

Durch Ergänzung des Satzes 3 wird geregelt, dass sich die Vergütung von Kommunikationshilfen auch im Sozialverwaltungsverfahren nach der KHV richtet. Die Änderung stellt eine einheitliche Rechtsanwendung der Regelungen der KHV sowohl im allgemeinen Verwaltungsverfahren als auch im Sozialverwaltungsverfahren und über die in Artikel 3 enthaltene Ergänzung von § 17 Absatz 2 SGB I um Satz 3 auch bei der Ausführung von Sozialleistungen sicher. Die Vergütung von Kommunikationshilfen richtet sich jeweils nach der KHV. Die KHV wird - nach Inkrafttreten dieses Gesetzes - angepasst. Zur Vermeidung von Lücken und Unsicherheiten in der Anwendung tritt diese Regelung sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in Kraft. Auf die Begründung zu Artikel 7 (Inkrafttreten) wird verwiesen.

Zu Nummer 2

Absatz 1a stellt klar, dass insbesondere auch im Sozialverwaltungsverfahren den besonderen Belangen von Menschen mit Behinderungen Rechnung getragen werden muss. Vor allem bei der Antragstellung und Bewilligung von Renten, Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation bzw. von Hilfsmitteln kommt es auf eine verständliche Kommunikation im Sinne einer einfachen Sprache, gegebenenfalls mündliche, schriftliche oder elektronische Erläuterungen sowie ergänzend - soweit möglich - auf Erläuterungen in Leichter Sprache an. Absatz 1a greift insofern die Regelung des neuen § 11 BGG für das allgemeine Verwaltungsverfahren auf. Auf die Begründungen zu Artikel 1 Nummer 13, Artikel 2 und Artikel 7 wird verwiesen.

Zu Nummer 3

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nummer 1 Buchstaben a und b. Für Dolmetscherinnen und Dolmetscher sowie Übersetzerinnen und Übersetzer für Fremdsprachen gilt weiterhin, dass sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Vergütung erhalten. Diese Regelung tritt erst sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in Kraft. Auf die Begründung zu Artikel 3 Nummer 1 Buchstabe b sowie zu Artikel 7 (Inkrafttreten) wird verwiesen.

Zu Artikel 5 (Folgeänderungen)

Zu Absatz 1 und 2

Folgeänderungen im Rechtsdienstleistungsgesetz und in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung ergeben sich durch die veränderte Nummerierung im BGG. Darüber hinaus wurden sprachliche Anpassungen im Rechtsdienstleistungsgesetz vorgenommen.

Zu Absatz 3

Infolge einer Änderung im BGG, konkret der rechtssystematischen Neuverortung der Regelung, die bisher in § 7 Absatz 1 Satz 1 BGG enthalten war, würde ein Verweis in der BITV 2.0 unrichtig werden. Daher ist in § 3 Absatz 2 Satz 1 BITV 2.0 eine Änderung erforderlich. Bei der Änderung handelt es sich um eine rechtsförmliche Änderung.

Zu Artikel 6 (Evaluierung)

Die Evaluierung der (§§ 1, 2, 3, 7, 8, 11, 12, 13, 15, 16 und 19 BGG), des § 17 Absatz 2a SGB I und des § 19 Absatz 1a SGB X erfolgt sechs Jahre nach Verkündung dieses Gesetzes. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten ausreichend Erfahrungen mit diesen wesentlichen Neuregelungen und deren Wirkungen gesammelt worden sein. Insbesondere zu den Regelungen zur Einführung von Erläuterungen in Leichter Sprache, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten, sollten nach sechs Jahren genügend Erfahrungen gesammelt worden sein. Dies gilt auch für koordinierte Umsetzung der Erstellung von Übertragungen in Leichte Sprache. Im Rahmen der Evaluation werden insbesondere die Kostenfolgen für die kommunalen Behörden einer Überprüfung unterzogen. Unter Berücksichtigung der Berichtspflichten zu den §§ 8 Absatz 3 und 12 Absatz 2 BGG sollten erste Erkenntnisse über die barrierefreie Gestaltung der Bestandsbauten des Bundes sowie über die barrierefreie Gestaltung des Intranets und elektronischer Verwaltungsabläufe zu diesem Zeitpunkt ebenfalls vorliegen.

Die Pflicht zur Berichterstellung entspricht den Regelungen in Artikel 1 Nummer 10 b (§ 8 Absatz 3 BGG) und Nummer 14 b (§ 12 Absatz 2 Satz 5 BGG).

Zu Artikel 7 (Inkrafttreten)

Zu Absatz 1

Vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 tritt das Gesetz am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.

Zu Absatz 2

Die dem BGG zugehörigen Rechtsverordnungen KI-IV und VBD werden nach Inkrafttreten dieses Gesetzes systematisch und inhaltlich angepasst. Unter anderem soll eine Regelung in die KI-IV aufgenommen werden, wonach Träger öffentlicher Gewalt mit Dolmetscherinnen und Dolmetschern abweichende Vereinbarungen über die Vergütung treffen können. Diese Möglichkeit besteht für die Ausführung von Sozialleistungen sowie im Sozialverwaltungsverfahren bereits nach geltendem Recht und soll nun in die KI-IV übertragen werden. Um Lücken und Unsicherheiten in der Praxis zu vermeiden, treten die in Absatz 2 aufgeführten Änderungen erst sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes in Kraft.

Zu Absatz 3

Artikel 2 mit der Neufassung des neuen § 11 BGG tritt zum 1. Januar 2018 in Kraft. Damit soll den Trägern öffentlicher Gewalt ausreichend Zeit und Gelegenheit gegeben werden, um Kompetenzen zur einfachen Sprache sowie zur Leichten Sprache aufzubauen. Von den Trägern kann die Bereitstellung von Erläuterungen und Informationen in Leichter Sprache nur schrittweise und entsprechend der ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Kapazitäten erwartet werden. Die Träger öffentlicher Gewalt sollen die Zeit bis zum Inkrafttreten nutzen, um erste Erläuterungen und Informationen in Leichter Sprache zu erstellen und den Bestand an Erläuterungen und Informationen in Leichter Sprache kontinuierlich auszubauen.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG: NKR-Nr. 3302:
Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und Bürger
Jährlicher Erfüllungsaufwand:rd. 10.000 Stunden
pro Fall 2 Minuten bzw. mehrere Stunden
Wirtschaft
Erfüllungsaufwand:keine Auswirkungen
Verwaltung
Jährlicher Erfüllungsaufwand:4,5 Mio. Euro
Einmaliger Erfüllungsaufwand:13 Mio. Euro
Die Kosten für die Herstellung der Barrierefreiheit im Bereich Bau konnten nicht quantifiziert werden.
EvaluationDer Gesetzentwurf beinhaltet eine Evaluationsklausel im Rahmen einer Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag.
Der Nationale Normenkontrollrat macht im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellungen der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsvorhaben geltend. Der NKR geht davon aus, dass das Ressort im Rahmen der Evaluation die Kosten für die Maßnahmen der baulichen Barrierefreiheit transparent macht und die Ergebnisse dem NKR übermittelt.

II. Im Einzelnen

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das Behindertengleichstellungsgesetz aus dem Jahr 2002 novelliert, wobei zum einen die Ergebnisse der Evaluation aus den Jahren 2013/14 einfließen sowie die zum anderen notwendige Anpassungen durch die in der Zwischenzeit ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention vorzunehmen. Im Wesentlichen sind folgende Änderungen vorgesehen:

Das Ziel des Gesetzentwurfs ist die Herstellung der Barrierefreiheit in Bundesbehörden sowohl baulich wie auch bezüglich der Informationstechnik.

Erfüllungsaufwand

Für Bürgerinnen und Bürger erhöht sich der Erfüllungsaufwand, da durch den Gesetzentwurf mehrere neue Rechte eingeräumt werden sollen:

1. Leichte Sprache

Bürger sollen zukünftig Erläuterungen in leichter Sprache von Bundesbehörden verlangen können. Das Ressort geht davon aus, dass von diesem Recht rund 200.000 Mal im Jahr Gebrauch gemacht wird. Da das Verlangen formlos vorgetragen werden kann, wird von einem Zeitaufwand von 2 Minuten pro Fall ausgegangen. Die Gesamtbelastung beträgt folglich rund 6700 Stunden pro Jahr.

2. Schlichtungsverfahren

Bürger können zukünftig von einem Schlichtungsverfahren Gebrauch machen. Diese Schlichtungsverfahren sollen helfen, Benachteiligungsverbote sowie Barrierefreiheit durchzusetzen, ohne langwierige Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahren anzustoßen. Das Ressort geht davon aus, dass es zu 330 solcher Verfahren kommt, die jeweils einen Aufwand von rund 4,5 Stunden, also insgesamt rund 1500 Stunden verursachen. Behindertenverbände können ebenfalls von dem neuen Schlichtungsverfahren Gebrauch machen. Das Ressort geht davon aus, dass dies maximal 20 Mal pro Jahr der Fall sein wird. Der Aufwand für ein einzelnes Verfahren wird auf 18 Stunden geschätzt.

3. Partizipation

Behindertenverbände können Mittel zur Förderung ihrer Partizipation beantragen. Bei jährlich geschätzten 40 Fällen führt dies zu einem zusätzlichen Erfüllungsaufwand von 400 Stunden.

Für die Wirtschaft entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Für die Verwaltung entsteht zusätzlicher Erfüllungsaufwand durch eine Reihe von Vorgaben:

1. Herstellung von Barrierefreiheit von Gebäuden

Für zivile Neubauten und große (Bausumme > 2 Mio. Euro) Um- und Erweiterungsbauten besteht bereits seit 2002 eine grundsätzliche Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung. Mit dem vorliegenden Regelungsvorhaben soll der Schwellenwert abgeschafft werden um die Barrierefreiheit der Gebäude zu erreichen. Darüber hinaus sollen auch nur noch barrierefreie Gebäude vom Bund angemietet werden. Diese Vorgaben werden zusätzlichen Erfüllungsaufwand verursachen, der nicht abgeschätzt werden kann. Das Ressort hat ausführlich dargelegt, dass es keine gesicherten Erkenntnisse gibt, welche Kosten anfallen werden, auch da der Bedarf an Anpassung an den Gebäuden ganz unterschiedlich ausfallen wird. Auch aus diesem Grund werden alle Bundesbehörden verpflichtet bis 2021 einen Statusbericht über ihre Gebäude abzugeben, dessen Ergebnisse in die Evaluation des BGG einfließen sollen.

2. Leichte Sprache

Der jährliche Erfüllungsaufwand für Behörden des Bundes, Sozialleistungsträgern sowie Behörden, die Sozialverwaltungsverfahren durchführen, wird durch die verpflichtende Bereitstellung von Erläuterungen und Bescheiden in Leichter Sprache um rund 2,8 Mio. Euro erhöht. Zusätzlich wird mit jährlich 7 neuen Erläuterungen pro Jahr gerechnet, die Kosten von 1.200 Euro verursachen.

Des Weiteren wird durch die Erarbeitung von je fünf Broschüren in Leichter Sprache je Ressort zusätzlicher jährlicher Erfüllungsaufwand von insgesamt rund 120.000 Euro verursacht.

3. Barrierefreie Informationstechnik

Neben der Barrierefreiheit von Gebäuden, regelt das Vorhaben auch die Barrierefreiheit der Behörden in Bezug auf die verwendete Informationstechnik. Dies bezieht sich z.B. auf das Intranet oder die E-Akte. Rund 370 Bundesbehörden sollen anlassbezogen ihr Intranet anpassen bzw. neugestalten. Einmalig können dadurch im Einzelfall zwischen 9.000 und 33.000 Euro für IT-Infrastrukturanpassung und redaktionelle Anpassung anfallen, so dass es maximal zu einmaligen Kosten von rund 12 Mio. Euro kommen könnte. Die tatsächlichen Kosten können durchaus deutlich niedriger sein, insoweit das bisherige Intranet der Behörden und die verwendete Informationstechnik bereits gänzlich oder in Teilen barrierefrei sind.

4. Bundesfachstelle für Barrierefreiheit

Die neu einzurichtende Bundesfachstelle wird bei der Knappschaft Bahn-See angesiedelt. Ihre Aufgabe soll die Unterstützung der Behörden bei der Umsetzung der Barrierefreiheit sein sowie z.B. die Erarbeitung von Informationsmaterialien. Im ersten Jahr wird ein einmaliger Erfüllungsaufwand für den Aufbau und das erste Halbjahr in Betrieb von rund 750.000 Euro fällig. Ab 2017 entsteht ein jährlicher Erfüllungsaufwand von rund 1 Mio. Euro.

5. Schlichtungsstelle

Die Einrichtung der Schlichtungsstelle und der Betrieb in 2016 wird zu einem einmaligen Aufwand von rund 216.000 Euro führen. Ab 2017 wird ein laufender Aufwand von rund 360.000 Euro erwartet. Für die an den Schlichtungsverfahren beteiligten Behörden wird bei angenommen rund 350 Verfahren jährlich ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand von rund 95.000 Euro erwartet. Mit der Durchführung solcher Schlichtungsverfahren sollen andererseits langwierige Widerspruchs- und Klageverfahren vermieden werden.

6. Partizipation

Mit dem Gesetzentwurf soll ein Programm zur Förderung der Partizipation von Menschen mit Behinderung an der Gestaltung des öffentlichen Lebens eingeführt werden. Die Administration wird ausgehend von rund 40 Förderfällen rund 200.000 Euro zusätzlichen jährlichen Erfüllungsaufwand verursachen.

Evaluation

Im Gesetzentwurf ist eine Evaluation innerhalb von 6 Jahren nach Verkündung vorgesehen im Rahmen einer Berichtspflicht gegenüber dem Bundestag. Zum 30 Juni 2021 werden auch Berichte zur Barrierefreiheit der betroffenen Gebäude sowie der eingesetzten Informationstechnik erstellt. Nach Auffassung des nationalen Normenkontrollrats muss spätestens bis zu diesem Zeitpunkt von Seiten des Ressorts Klarheit über die anfallenden Kosten der gesetzlichen Regelungen erlangt werden

Der Nationale Normenkontrollrat macht im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellungen der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsvorhaben geltend.

Dr. Ludewig Dr. Dückert
Vorsitzender Berichterstatterin