Empfehlungen der Ausschüsse
Entschließung des Bundesrates zur Ausweitung der Pfandpflicht auf alle Getränkedosen und Einweg-Kunststoffflaschen - Antrag der Länder Hessen und Baden-Württemberg -

986. Sitzung des Bundesrates am 13. März 2020

Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe folgender Änderungen zu fassen:

1. Zu Nummer 2a - neu - und 3

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Pfandpflichtige Einweggetränkeverpackungen bestehen aus Polyethylenterephthalat (PET) und Alu, teilweise Glas. Diese Materialien lassen sich gut recyceln, so dass aus den zurückgenommenen Einweggetränkeverpackungen neue Einweggetränkeverpackungen hergestellt werden können. Dies ist ein Alleinstellungsmerkmal des Pfandsystems gegenüber der Sammlung über den gelben Sack/Tonne. Über Sack oder Tonne zurückgenommene Verpackungen können zwar recycelt werden, dürfen aber im Anschluss nicht mehr für die Verpackung von Lebensmitteln eingesetzt werden. Bei durch das Pfandsystem zurückgenommenen Einweg-PET-Flaschen ist hingegen ein "Bottleto-Bottle"-Recycling im Prinzip möglich.

Die aktuell nicht der Pfandpflicht unterliegenden PET-Flaschen (z.B. für Fruchtsäfte) bestehen nicht zu 100 Prozent aus PET. Sie enthalten zum Schutz vor den Fruchtsäuren und zum Schutz der Säfte gegen UV-Strahlung den Zusatz Polyamid (PA).

Die aktuell gängige Zugabe von Polyamid führt zu Verfärbungen im Recyclat, so dass ein gemeinsames Recycling nicht möglich ist. Würden PET-Saftflaschen mit dem Zusatz PA ebenfalls pfandpflichtig, könnten die gesamte Rücknahmemenge an PET aus dem Getränkebereich nicht mehr für neue Getränkeverpackungen genutzt werden. Ein "Bottleto-Bottle"-Recycling wäre damit nicht mehr möglich.

Dies würde insgesamt den Zielen der Kreislaufwirtschaft widersprechen, da die hochwertigere Verwertung ausgeschlossen wäre. Das aktuell praktizierte Verfahren führt dazu, dass PET-Saftflaschen über den gelben Sack/Tonne gesammelt werden. Hier wird ebenfalls die PET-Fraktion aussortiert und recycelt. Aus dem dort gesammelten PET werden beispielsweise Reinigungsmittelflaschen hergestellt.

Anstelle des Einsatzes von Polyamid gibt es jedoch andere anwendungsbereite, technische Lösungen, z.B. eine Siliziumoxid-Schicht (SiOx-Barriere), mit der auch Flaschen von Fruchtsäften und -nektaren so ausgestattet werden können, dass der notwendige Schutz gewährleistet wird. Diese Ausstattung der Flaschen stört den Recyclingprozess der 100 Prozent PET-Flaschen nicht.

Die EU-Richtlinie zu Einwegplastik fordert, dass bis 2025 mindestens 77 Gewichtsprozent und bis 2029 sogar 90 Gewichtsprozent aller in Verkehr gebrachten Einwegflaschen aus Kunststoff erfasst werden müssen. Die vorgeschlagene Änderung greift diese Ziele auf, um die Pfandpflicht auf die Einwegsaftflaschen auszudehnen und somit die Ziele der EU sicher zu erreichen.

Für den Konsumenten besteht zudem aktuell durch die Sammlung im dualen System kein Anreiz zur Reduktion des Litterings (der Verschmutzung des öffentlichen Raumes). Auch dieses Ziel würde durch die geforderte Aufnahme in die Pfandpflicht erreicht.

2. Zu Nummer 3*

In Nummer 3 ist der abschließende Punkt durch die Wörter ", soweit dies nicht zu einer Verschlechterung der Qualität des durch die Flaschenrückgabe gewonnenen Rezyklats führt und soweit nicht hygienische Bedenken entgegenstehen." zu ersetzen.

Folgeänderungen:

In der Begründung sind die Sätze 2 bis 4 zu streichen und die Sätze 7 bis 9 wie folgt zu fassen:

"Deshalb sollte die Pfandpflicht unabhängig von der Getränkeart soweit möglich auf alle Getränkedosen und Einweg-Kunststoffflaschen ausgedehnt werden, soweit dem keine technischen oder hygienischen Gründe entgegenstehen. Technische Gründe wären etwa eine Verschlechterung des aus den Einweg-Kunstoffflaschen gewonnenen Rezyklats, das eine Wiederverwertung des Kunststoffs im Sinne der Kreislaufwirtschaft erschwert oder unmöglich macht. Hygienische Gründe wären etwa das Auftreten von Fäulnis- und Gärungsprozessen in den Rücknahmeautomaten durch Restflüssigkeiten in den Flaschen."

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Die derzeit überwiegend im Gebrauch befindlichen Einweg-Kunststoffflaschen für Frucht- und Gemüsesäfte sowie Milch- und Milchmischgetränke weisen eine abweichende stoffliche Zusammensetzung gegenüber sonstigen Kunststoff-Einwegflaschen auf. Sie enthalten Sauerstoffbarrieren, um insbesondere eine ausreichend lange Haltbarkeit der Produkte sowie die Gewährleistung der Qualität erreichen zu können. Bislang sind Verpackungen, die solche Getränke enthalten, gemäß § 31 Absatz 4 des Verpackungsgesetzes von der Pfandpflicht befreit. Sollten diese zukünftig mit anderen Einweg-Kunststoffflaschen zusammen zurückgenommen werden, so wäre beim Recycling ein besonderer Aufwand erforderlich. Im Rahmen des Recyclingprozesses führen die Sauerstoffbarrieren dazu, dass das gewonnene Granulat sich verfärbt. Die Vermischung dieser Kunststoffflaschen mit den sonstigen Kunststoffflaschen in den Rücknahmeautomaten könnte zu einer erheblichen Verschlechterung der Qualität des gewonnen Rezyklats führen und damit dessen stoffliche Wiederverwendung erschweren oder unmöglich machen. Insofern ist die vollständige Einbeziehung aller Kunststoff-Einwegflaschen in das Einweg-Pfandsystem derzeit nicht möglich bzw. führt auch zu umweltpolitisch nicht erwünschten Ergebnissen. Weiter ist zu beachten, dass es bei Restflüssigkeiten bestimmter Getränkearten in den Kunststoffflaschen bzw. in den Rücknahmeautomaten zu Fäulnis- oder Gärungsprozessen kommen kann, die hygienisch und damit gesundheitspolitisch bedenklich sind.

3. Zu Nummer 3a - neu -

Nach Nummer 3 ist folgende Nummer 3a einzufügen:

"3a. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass Getränkeverpackungen zusätzlich dauerhaft, deutlich lesbar und an gut sichtbarer Stelle entweder als "EINWEG" oder "MEHRWEG" zu kennzeichnen sind. In gleicher Weise ist bei bepfandeten Getränkeverpackungen die jeweilige Pfandhöhe anzugeben. Dies gilt auch für Getränkekästen, weil sie Einwegoder Mehrweggebinde enthalten können, dem Verbraucher aber Mehrweg suggerieren."

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Die Kennzeichnung hat nach derzeitiger Rechtslage durch deutlich sicht- und lesbare, in unmittelbarer Nähe zu den jeweiligen Verpackungen befindliche Informationstafeln oder -schilder mit den Schriftzeichen "MEHRWEG" oder "EINWEG" zu erfolgen. Die Hinweise müssen in Gestalt und Schrift mindestens der Preisauszeichnung für das jeweilige Produkt entsprechen. Die Getränkeverpackungen an sich sind bislang allerdings nicht zu kennzeichnen. Eine Ausnahme besteht für bepfandete Einweggetränkeverpackungen, die vor dem Inverkehrbringen dauerhaft, deutlich lesbar und an gut sichtbarer Stelle als pfandpflichtig zu kennzeichnen sind. Die Kennzeichnung erfolgt üblicherweise auf der Rückseite, teilweise allerdings nur durch den Aufdruck des Logos eines bundesweit tätigen, einheitlichen Pfandsystems.

Es sind in einer relevanten Größenordnung Getränkekästen auf dem Markt, die Einweggetränkeverpackungen enthalten, was man typischerweise nicht vermuten würde. Erst ein Blick auf die in den Kästen enthaltenen Getränkeverpackungen selbst schafft Klarheit. Durch eine explizite Kennzeichnung der Kästen entweder mit dem Schriftzug "Inhalt: Einweg" oder "Inhalt: Mehrweg" wird vermieden, dass es bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Fehlvorstellungen hinsichtlich des Inhaltes kommt.

Die geschilderten Maßnahmen können die Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich erhöhen und eine bewusste Kaufentscheidung wesentlich erleichtern. Dadurch leisten sie auch einen Beitrag zur Erreichung der Zielquote von 70 Prozent bei in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränken.

4. Zu Nummern 5 und 6 - neu - Dem Entschließungstext sind folgende Ziffern anzufügen:

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Die Ausweitung der Pfandpflicht würde voraussichtlich an verschiedenen Stellen sowie für verschiedene Branchen zu einer Steigerung von Kosten führen. Insbesondere betroffen ist der Handel, beispielsweise durch den Investitionsbedarf in neue Pfandautomaten oder die erforderliche Ausweitung der Lagerkapazitäten. Auch seitens der Abfüller ist mit einem zusätzlichen Aufwand zu rechnen. Der Recylingwirtschaft in Form des dualen Systems, werden durch eine Ausweitung der Pfandpflicht Mengen entzogen, wobei die Finanzierung in diesem Bereich über Lizenzentgelte erfolgt; diese werden auf Basis der in Verkehr gebrachten Gewichtsmengen und Materialfraktionen ermittelt. Verringert sich die Menge, werden die Finanzierungsbeiträge voraussichtlich steigen. Im Vorfeld einer Ausweitung der Pfandpflicht sollte daher eine umfangreiche Kostenfolgeabschätzung erfolgen.

Im Fall einer Ausweitung der Pfandpflicht, sollten für den Handel angemessene Übergangsfristen festgelegt werden. Der logistische und organisatorische Umstellungsaufwand bei Ausweitung des Pfandsystems und die zusätzlichen Kosten machen ausreichende Übergangsfristen erforderlich. Zudem sollte dem Handel ermöglicht werden, Altbestände ohne Pfandabgabe abzuverkaufen. Eine Umetikettierung der Bestandsware sollte, aufgrund der damit verbundenen Zusatzkosten, vermieden werden.

5. Zu Nummer 5 - neu -, Begründung Absatz 4 - neu - Die Entschließung ist wie folgt zu ändern:

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Innerhalb des Mehrweg-Leergutsystems wird zwischen Einheitsleergut und Individualleergut unterschieden. Beide Leergutarten werden mit Pfand an die Kunden ausgegeben und grundsätzlich innerhalb des Mehrwegsystems mehrfach verwendet. Einheitsleergut zeichnet sich dadurch aus, dass die Einheitsflaschen keinem Hersteller zugeordnet werden können und daher von mehreren Herstellern befüllt und mit deren Etiketten versehen werden. Individualflaschen sind hingegen durch Prägung fest mit dem Namen oder dem Logo eines Getränkeherstellers versehen und werden daher nur von dem einen Hersteller genutzt.

Das Zivilrecht und dem folgend das Steuerrecht behandeln Einheitsleergut und Individualleergut unterschiedlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erstreckt sich der Eigentumsübergang bei Einheitsleergut nicht nur auf den (Flaschen-)Inhalt, sondern auch auf die Flaschen und die Kästen selbst (BGH-Urteil vom 9. Juli 2007 - II ZR 233/05, BGHZ 173, 159). Durch die Vermengung von Flaschen verschiedener Hersteller kommt es bei Einheitsflaschen zwangsläufig zu einem Eigentumsverlust des einzelnen Herstellers (§ 948 Absatz 1, § 947 Absatz 1 BGB). Steuerlich folgt daraus, dass für vereinnahmte Pfandgelder des Einheitsleerguts bereits dem Grunde nach keine steuermindernde Verbindlichkeit steuerbilanziell passiviert werden darf. Beruht eine Verbindlichkeit auf einem sogenannten schwebenden Geschäft aus einem gegenseitigen Vertrag, der von der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichteten Partei noch nicht voll erfüllt ist, hat die Passivierung zu unterbleiben, weil während des Schwebezustands die (widerlegbare) Vermutung besteht, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem auf Leistungsaustausch gerichteten Vertrag wertmäßig ausgleichen. Hinsichtlich der Verpflichtung eines Getränkeherstellers oder -händlers zur Pfandrückzahlung für das Einheitsleergut liegt solch ein schwebendes Geschäft vor, weil er insoweit das an seine Kunden abgegebene Leergut zurückkaufen muss. Vor diesem Hintergrund ist das Einheitspfand bei Vereinnahmung als steuererhöhende Betriebseinnahme zu erfassen. Bei Rücknahme (Rückkauf) des Einheitsleerguts liegen steuermindernde Betriebsausgaben vor.

Anders als bei Einheitsleergut steht das Verbot der Bilanzierung schwebender Geschäfte einer steuermindernden Passivierung der vereinnahmten Pfandgelder als Verbindlichkeit bei Individualleergut nicht entgegen. Denn bei der Veräußerung von Getränken in Individualleergut erstreckt sich der Eigentumsübergang nicht auf das Individualleergut (Flaschen/Kisten). Es liegt regelmäßig vielmehr eine leiheähnliche Gebrauchsüberlassung vor, bei der das Pfand eine Sicherheitsleistung (Kaution) darstellt, die die Rückgabe des Leerguts sicherstellen soll und gerade nicht Gegenleistung für die Rückgabe des Leerguts ist (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 6. Oktober 2009 - I R 36/07, BStBl. II 2010, 232 sowie vom 9. Januar 2013 - I R 33/11, BStBl. II 2019, 150). Daher können Getränkehersteller bei Veräußerung ihrer Produkte in Individualflaschen und -kisten grundsätzlich eine steuermindernde Verbindlichkeit in Höhe des Pfandwerts bilden. Bei Rückgabe des Leerguts durch den Kunden wird die Verbindlichkeit steuererhöhend aufgelöst.

Individualleergut wird gegenüber dem Einheitsleergut steuerlich also insoweit begünstigt, als Pfandgelder bei Individualleergut gewinn- und damit steuerneutral sind, da die Gewinnerhöhung durch Erfassung der vereinnahmten Pfandgelder durch eine Gewinnminderung durch den Ansatz einer Verbindlichkeit ausgeglichen wird. Die Pfandgelder des Einheitsleerguts sind für den Zeitraum zwischen Veräußerung des Vollguts und Rücknahme des Leerguts ertrags- und damit steuerwirksam, da mangels Passivierungsfähigkeit einer Verbindlichkeit der gewinnerhöhende Ansatz der vereinnahmten Pfandgelder nicht ausgeglichen wird.

Die Finanzverwaltung hat Einheits- und Individualleergut bislang steuerlich gleich behandelt. Durch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. Februar 2019, BStBl. I 2019, 210 wurde diese Verwaltungsauffassung in Folge der o.g. Rechtsprechung jedoch aufgegeben und die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in allen offenen Fällen für anwendbar erklärt.

Der Bundesrat bittet den Bund daher, in Abstimmung mit den Ländern Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, das Mehrweg-Leergutsystem und die Verwendung von Einheitsflaschen zu fördern und steuerlich nicht zu benachteiligen.