Empfehlungen der Ausschüsse
Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

985. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2020

A

1. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.

B

2. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:

Die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes begegnet erheblichen Bedenken hinsichtlich seiner Konformität in Bezug auf europarechtliche Bestimmungen und dem von der Bundesregierung postulierten Ziel, die Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu erhöhen.

Die Regelungen widersprechen in weiten Teilen dem europäischen Natur- und Artenschutzrecht, was durch das jüngst ergangene Urteil des EuGH (Rechtssache C-674/17) bestätigt wurde. Die Einführung des § 45a Absatz 2 BNatSchG, mit dem der Abschuss einzelner Mitglieder eines Rudels bis zum Ausbleiben von Schäden ermöglicht werden soll, ist aus folgenden Gründen als europarechtswidrig einzustufen:

Es besteht der Zwang zur Individualisierung eines nachgewiesenen schadensverursachenden Wolfes um das Ziel der Ausnahme, wie nach Artikel 16 der FFH-Richtlinie vorgegeben, erreichen zu können. Der EuGH hat in seinem Urteil gegen Finnland allerdings erneut die Rechtsauffassung bestätigt, wonach alle nicht zielgerichteten Formen des Fangs oder der Tötung nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstaben a und b der FFH-Richtlinie verboten sind. Eine Ausnahme von Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie kann nur eine konkrete und punktuelle Anwendung sein, mit der konkreten Erfordernissen und besonderen Situationen begegnet wird.

Ferner ist der günstige Erhaltungszustand oberste Voraussetzung für eine Zulassung von Ausnahmen nach Artikel 16 Absatz 1 der FFH-Richtlinie. Die Bewertung der Auswirkungen der Entnahme auf die lokale Population ist erforderlich, um ihre Auswirkung auf den Erhaltungszustand der Population in einem größeren Rahmen (z.B. auf die biogeographische Region) zu bestimmen. Bei Ungewissheit der Auswirkungen auf den Erhaltungszustand ist eine Ausnahmegenehmigung nicht möglich. Die Zahl der zu entnehmenden Individuen ist so weit zu begrenzen, dass Rudelstruktur und Territorien nicht gefährdet werden.

Die vom Bundestag beschlossene Vorgabe, die Jagdausübungsberechtigten vor Beginn über Maßnahmen zur Entnahme zu unterrichten und ihnen die Möglichkeit an der Beteiligung der Entnahme zu gewähren, führt zu einer weiteren deutlichen Erschwernis bei der Entnahme eines Wolfs. In der Praxis ist eine flächendeckende Präsenz der Jagdausübungsberechtigten im Fall einer Wolfsentnahme unrealistisch (Verhinderung an Teilnahme infolge Arbeitstätigkeit, Krankheit oder Urlaub). Aufgrund des in Deutschland geltenden Reviersystems, im Rahmen dessen der Jagdausübungsberechtigte eine Entnahme nur innerhalb seines Jagdreviers vornehmen kann, ist bei einer anzunehmenden unvollständigen flächendeckenden Präsenz der Jägerschaft ein effizientes Nachstellen im Rahmen einer Entnahmeaktion nicht möglich. Die Feststellung, welche Bereiche über die Jägerschaft abgedeckt sind und für welche externes Fachpersonal mit der Entnahme zu beauftragen ist, führt zu zusätzlichem zeitraubendem Organisationsaufwand. Darüber hinaus hätte es der in § 45a Absatz 4 BNatSchG eingeführten Regelung zur Benachrichtigung der Jagdausübungsberechtigten nicht bedurft, da eine diesbezügliche einschlägige Regelung bereits in § 65 Absatz 2 BNatSchG enthalten ist. Ebenso ist die in § 45a Absatz 4 BNatSchG eingeführte Regelung zur Duldung einer Entnahme von Wölfen, die nicht durch die Jagdausübungsberechtigten erfolgt, überflüssig, da dieser Sachverhalt bereits in § 65 Absatz 1 Satz 1 BNatSchG geregelt ist.

Es bleibt festzuhalten, dass die eingeführten Regelungen zum Umgang mit dem Wolf im Bundesnaturschutzgesetz die bestehenden Konflikte nicht minimieren werden. Aus Sicht der Länder wäre der wichtigste Schritt zur Minimierung der Konflikte die Einführung einer Weidetierprämie.

Der Bundesrat erneuert daher seine Forderung nach Einführung einer Weidetierprämie.

Auf diese Weise wird die gesellschaftlich anerkannteste Form der Nutztierhaltung angemessen gefördert und zugleich mit der Unterstützung der Weidetierhaltung ein wesentlicher Beitrag zum Natur-, Arten-, Hochwasser- und Klimaschutz und zum Schutz der biologischen Vielfalt geleistet.