Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

2. Vollzugsaufwand

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 22. Januar 2010
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
DrAngela Merkel
Fristablauf: 05.03.10

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen*

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1994 (BGBl. I S. 1537), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Juni 2008 (BGBl. I S. 995), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Justizverwaltungskostenordnung

Die Justizverwaltungskostenordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 363-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung des Gerichtskostengesetzes

Das Gerichtskostengesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 4
Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

Die Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 788), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 5
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Entstehungsgeschichte

Am 24. Februar 2005 hat der Rat der Europäischen Union den Rahmenbeschluss 2005/214/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (im Folgenden: RbGeld) angenommen. Es handelt sich nach den Rahmenbeschlüssen zum Europäischen Haftbefehl, zur Sicherstellung von Beweismitteln und zur Anerkennung von Einziehungsentscheidungen um das vierte Rechtsinstrument, das auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung strafrechtlicher Entscheidungen beruht.

Das erste auf diesem Grundsatz fußende Rechtsinstrument war der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 (RbEuHb), der durch das vom Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 18. Juli 2005 für nichtig erklärte Europäische Haftbefehlsgesetz (EuHbG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1748) in das deutsche Recht umgesetzt worden war. Die erneute Umsetzung des genannten Rahmenbeschlusses ist nunmehr durch das EuHbG vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1721) erfolgt.

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung geht auf die Sondertagung des Europäischen Rates vom 15. bis 16. Oktober 1999 im finnischen Tampere zurück. Dort wurde dieses Prinzip als Eckstein der zukünftigen justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen bezeichnet. Der Grundsatz fand Fortsetzung im Maßnahmenprogramm des Rates zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen (ABl. C 12 vom 15. Januar 2001, S. 10). In diesem Programm wurde der Annahme eines Rechtsinstrumentes zur Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (Maßnahme 18) Vorrang eingeräumt.

Auf Initiative der Französischen Republik, des Königreichs Schweden und des Vereinigten Königreichs wurde im Juli 2001 ein Vorschlag für einen Rahmenbeschluss über die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen eingebracht.

Der am 24. Februar 2005 beschlossene RbGeld orientiert sich an der Struktur der vorangegangenen Rahmenbeschlüsse zur Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung.

Mit dem RbGeld wurde der vollstreckungshilferechtliche Teil des am 28. April 1999 angenommenen, aber aus formalen Gründen nicht zur Anwendung gelangten Übereinkommens über die Zusammenarbeit in Verfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften und bei der Vollstreckung von dafür verhängten Geldbußen und Geldstrafen ("Schengen III") obsolet. Was die EU-weite automatisierte Abfrage von Kraftfahrzeugdaten und die Rechtshilfe bei Nachermittlungen anbelangt, steht eine geeignete EU weite Regelung noch aus.

II. Wesentliche Neuerungen des RbGeld

Ein einheitliches Instrument für eine effektive Vollstreckung von Geldsanktionen im europäischen Raum fehlte bislang.

In multilateralen Übereinkommen zur Vollstreckungshilfe finden sich zwar auch Regelungen zur grenzüberschreitenden Vollstreckung von Sanktionen ohne Freiheitsentzug. Doch weder das von Deutschland zwar gezeichnete, aber nicht ratifizierte Europäische Übereinkommen über die internationale Geltung von Strafurteilen vom 28. Mai 1970, das nach Artikel 2 Buchstabe b Geldstrafen und Geldbußen erfasst, noch das Übereinkommen vom 13. November 1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen (EG-VollstrÜbk), das nach Artikel 4 die Vollstreckung von Verurteilungen zu Geldstrafen oder Geldbußen gegen natürliche oder juristische Personen zulässt, enthält eine Verpflichtung zur Vollstreckung.

Das EG-VollstrÜbk ist überdies noch nicht in Kraft getreten; es findet lediglich bilateral zwischen einzelnen Vertragsstaaten vorläufig Anwendung. "Schengen III" gelangte, wie unter A. I. dargelegt, nicht zur Anwendung.

Im Übrigen steht aus Sicht anderer Mitgliedstaaten der Vollstreckung von in Deutschland verhängten Geldsanktionen regelmäßig das Fehlen einer Rechtsgrundlage entgegen. Aus deutscher Sicht ist eine Vollstreckung von Geldsanktionen bereits nach den herkömmlichen Vorschriften des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) möglich und zwar sowohl bei eingehenden (§§ 48 ff. IRG) als auch bei ausgehenden Ersuchen (§ 71 IRG). Die geltenden Regelungen sind allerdings zu schwierig in ihrer praktischen Handhabung und insbesondere wenig geeignet für Massenverfahren. So sieht das IRG vor, dass das zuständige Landgericht bei eingehenden Ersuchen zunächst zwingend die Zulässigkeit der Vollstreckung prüft und sodann eine sogenannte Exequaturentscheidung erlässt.

Durch den nun umzusetzenden Rahmenbeschluss werden bisherige Hindernisse bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Geldsanktionen behoben und wesentliche Erleichterungen erreicht. Den RbGeld prägt die grundsätzliche Verpflichtung, eine in einem anderen Mitgliedstaat (Entscheidungsstaat) rechtskräftig verhängte Geldstrafe oder Geldbuße anzuerkennen und zu vollstrecken, es sei denn, der Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung erfolgen soll (Vollstreckungsstaat), macht einen Verweigerungsgrund nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses geltend (Artikel 6, 7, 20 Absatz 3 RbGeld). Diese zur Ablehnung der Vollstreckung berechtigenden Gründe sind sämtlich fakultativ ausgestaltet.

Auch der vorliegende Rahmenbeschluss verzichtet weitgehend auf das Erfordernis beiderseitiger Sanktionierbarkeit in Anlehnung an die Listendeliktslösung in Artikel 2 Absatz 2 RbEuHb. Die abschließende Positivliste in Artikel 5 Absatz 1 RbGeld enthält die bereits im RbEuHb geregelten 32 Gruppen und sieben zusätzliche Kategorien von Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten), bei denen die beiderseitige Sanktionierbarkeit im Unterschied zur geltenden Rechtslage (§ 49 Absatz 1 Nummer 3 IRG) seitens des Vollstreckungsstaates nicht zu prüfen ist.

Eine Reduktion der seitens des Entscheidungsstaates ausgesprochenen Höhe der zu vollstreckenden Geldsanktion ist nur ausnahmsweise zulässig (Artikel 8 Absatz 1 RbGeld). Die Vollstreckung richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des Vollstreckungsstaates (Artikel 9 Absatz 1 RbGeld). Damit korrespondiert der Erwägungsgrund Nummer 6, wonach der RbGeld jedem Mitgliedstaat unter anderem die Freiheit zur Anwendung seiner verfassungsmäßigen Regeln für ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren belässt.

In verfahrenstechnischer Hinsicht sieht Artikel 4 RbGeld im Wesentlichen vor, dass die zuständige Behörde im Entscheidungsstaat die Entscheidung, mit der eine Geldsanktion verhängt wurde, und eine Bescheinigung, für die das im Anhang zum RbGeld beigefügte Formblatt zu verwenden ist, an die zuständige Behörde im Vollstreckungsstaat übermittelt.

III. Gründe für die Umsetzung des RbGeld im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)

Mit der Umsetzung des RbGeld im IRG wird der bei der Umsetzung des RbEuHb eingeschlagene Weg fortgesetzt. Der Achte, Neunte und Zehnte Teil des IRG, die sich dem traditionellen Regelungsbestand des IRG anschließen, sind dafür bestimmt, innerstaatliche Regelungen für den Auslieferungs- und Durchlieferungsverkehr, den Vollstreckungshilfeverkehr und den sonstigen Rechtshilfeverkehr mit den Mitgliedstaaten der EU aufzunehmen.

Geschaffen wird ein neuer Zweiter Abschnitt, in dem der Praxis ein in sich geschlossenes System für die Vollstreckungshilfe bei Geldsanktionen zur Verfügung gestellt wird. In der Zukunft werden sich im Zuge der Umsetzung weiterer Rahmenbeschlüsse auf dem Gebiet der Vollstreckungshilfe neue Regelungen im Neunten Teil anschließen.

Der RbGeld führt zwar ebenso wie der RbEuHb neue Begrifflichkeiten im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit ein. Insbesondere spricht er vom "Entscheidungsstaat" (Artikel 1 Buchstabe c RbGeld) und vom "Vollstreckungsstaat" (Artikel 1 Buchstabe d RbGeld). Da die Mitgliedstaaten jedoch frei sind, im Rahmen der Umsetzung auf die in den nationalen Rechtsordnungen gebräuchliche Terminologie abzustellen, soll im IRG, wie bereits bei der Umsetzung des RbEuHb gehandhabt, auch zukünftig mit den bisher üblichen Begriffen des "ersuchenden" und "ersuchten" Mitgliedstaates gearbeitet werden.

Die rechtshilferechtliche Praxis ist mit den Begrifflichkeiten des IRG, die sich in den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) widerspiegeln, vertraut.

IV. Änderungsbedarf im deutschen Recht aufgrund des RbGeld

Der RbGeld zieht vor allem im Hinblick auf Geldsanktionen, die in anderen Mitgliedstaaten verhängt wurden und in Deutschland vollstreckt werden sollen, einen erheblichen Bedarf an Änderungen im IRG nach sich.

Auf der einen Seite sollen in anderen Mitgliedstaaten verhängte Geldstrafen und Geldbußen grundsätzlich anerkannt und in einem auch für hohe Fallzahlen möglichst praktikablen Verfahren vollstreckt werden. Auf der anderen Seite ist der Gesetzgeber gehalten, die Umsetzungsspielräume, die der RbGeld den Mitgliedstaaten belässt, in einer grundrechtsschonenden Weise auszufüllen. Anders als bei der Umsetzung des RbEuHb ist der Weg versperrt, in großem Umfang auf bestehende Regelungen des IRG zurückzugreifen.

Dem Spannungsverhältnis zwischen rahmenbeschlussadäquater Praktikabilität und grundrechtsschonender Ausgestaltung von Umsetzungsspielräumen tragen vor allem folgende Weichenstellungen im Umsetzungsgesetz Rechnung:

Artikel 1 RbGeld enthält Definitionen von zentralen Begriffen, die im Rahmenbeschluss verwendet werden. Mit Ausnahme der Definitionen "Entscheidungsstaat" und "Vollstreckungsstaat" werden die Begriffsbeschreibungen innerstaatlich für eingehende Ersuchen in § 87 IRG-E nachvollzogen und "vor die Klammer" gezogen. Entsprechend trifft § 87o IRG-E Regelungen zu ausgehenden Ersuchen. Auch werden die Begriffe an mehreren Stellen des Umsetzungsgesetzes genutzt, um Fallgruppen zu bestimmen.

Artikel 2 RbGeld regelt die Benennung der zuständigen Behörden und eröffnet die Möglichkeit, eine zentrale Behörde oder mehrere zentrale Behörden zu benennen. Die zentrale Zuständigkeit des Bundesamts für Justiz soll durch die neue Zuständigkeitsbestimmung in § 74 Absatz 1 Satz 4 IRG-E festgelegt und mit dem Inkrafttreten dem Generalsekretariat des Rates nach Maßgabe von Artikel 2 RbGeld mitgeteilt werden.

Artikel 3 RbGeld entspricht Artikel 1 Absatz 4 RbEuHb und bestimmt, dass bei Ersuchen durch andere Mitgliedstaaten die in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätze (sogenannter "europäischer ordre public") zu beachten sind. Bei Umsetzung des RbEuHb durch das Europäische Haftbefehlsgesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1721) ist dieser Grundsatz in § 73 Satz 2 IRG verankert worden.

Artikel 4 RbGeld beschreibt die Modalitäten bei der Übermittlung der zu vollstreckenden Entscheidung und der Bescheinigung, für die das im Anhang zum RbGeld abgedruckte Formblatt zu verwenden ist. Eine gesetzliche Regelung für eingehende Ersuchen wird in § 87a IRG-E geschaffen. Artikel 4 Absatz 1 RbGeld, der bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Zuständigkeit des Vollstreckungsstaates begründet ist, wird für ausgehende Ersuchen in § 87o Absatz 2 IRG-E umgesetzt. Weiteres wird sowohl für eingehende als auch für ausgehende Ersuchen in den RiVASt geregelt werden.

Artikel 5 RbGeld bestimmt in seinem Absatz 1 eine Liste von 39 Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten), bei denen die beiderseitige Sanktionierbarkeit - abweichend von der ausnahmslosen Voraussetzung des § 49 Absatz 1 Nummer 3 IRG - nicht zu prüfen ist. Es handelt sich um die bereits im RbEuHb aufgeführten 32 Gruppen und um zusätzliche sieben Kategorien, darunter Verhaltensweisen, die gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßen. Die Vorgabe im Rahmenbeschluss, die beiderseitige Sanktionierbarkeit nach Maßgabe der Liste nicht zu prüfen, wird in § 87b Absatz 1 Satz 2 IRG-E umgesetzt.

Artikel 5 Absatz 3 RbGeld eröffnet dem ersuchten Staat die Möglichkeit, die Vollstreckung bei nicht unter Absatz 1 fallenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von der beiderseitigen Sanktionierbarkeit abhängig zu machen. Der einschlägige Ablehnungsgrund ist in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b RbGeld geregelt. Im Hinblick auf die Begrifflichkeit bedarf es der folgenden Klarstellung zu der amtlichen deutschen Fassung des RbGeld: In Artikel 5 Absatz 3 RbGeld und auch in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b RbGeld ist nur von "Straftat" die Rede, während sich die Listenregelung in Artikel 5 Absatz 1 RbGeld auf "Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (Verwaltungsübertretungen)" erstreckt. Die Regelungen der Artikel 5 Absatz 3 und Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b RbGeld müssen jedoch im gleichen Maße auch für Ordnungswidrigkeiten gelten. In der englischen Sprachfassung findet sich an diesen Stellen ohne jegliche Differenzierung der Begriff "offences", der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten umfasst.

Die dem Rat in Artikel 5 Absatz 2 RbGeld erteilte Befugnis, die Liste des Absatzes 1 zu erweitern bedarf keiner Umsetzung. Da § 87b Absatz 1 Satz 2 IRG-E statisch auf den RbGeld verweist, wird das IRG zu ändern sein, wenn der Rat eine Erweiterung der Liste beschließt.

Artikel 6 RbGeld schreibt den zentralen, durch die Gesamtstruktur des Europäischen Geldsanktionsgesetzes umgesetzten Gedanken des RbGeld fest, wonach eine in einem anderen Mitgliedstaat verhängte Geldsanktion grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken ist und nur dann eine Ausnahme besteht, wenn ein Versagungsgrund geltend gemacht wird.

Artikel 7 RbGeld nennt in seinen Absätzen 1 und 2 eine Reihe von fakultativ gefassten Gründen, die dazu berechtigen, die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des anderen Mitgliedstaates zu verweigern. Diese Verweigerungsgründe werden überwiegend als obligatorische Zulässigkeitshindernisse (§§ 87a, 87b IRG-E) und in geringem Umfang als Bewilligungshindernisse in Form von Ermessenstatbeständen (§ 87d IRG-E) ausgestaltet.

Artikel 7 Absatz 1 erste Variante RbGeld, der eine Verweigerung zulässt, wenn die Bescheinigung nach Artikel 4 RbGeld nicht vorliegt, wird als zwingender Ablehnungsgrund gemäß § 87a Nummer 2 RG-E in das innerstaatliche Recht transferiert. Die Möglichkeit der Verweigerung, wenn die Bescheinigung unvollständig ist oder der Entscheidung offensichtlich widerspricht (Artikel 7 Absatz 1 zweite und dritte Variante RbGeld), wird in § 87b Absatz 3 Nummer 1 IRG-E als zwingendes Zulässigkeitshindernis ausgestaltet.

Die ne bis in idem-Regelung in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld findet ihre Umsetzung in § 87b Absatz 3 Nummer 5 IRG-E.

Nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b RbGeld ist es möglich, die Vollstreckung zu verweigern, wenn die dem Vollstreckungsersuchen zugrunde liegende Tat nicht einer der in Artikel 5 Absatz 1 RbGeld genannten Deliktskategorie zugeordnet werden kann. Umgesetzt wird diese Regelung in § 87b Absatz 1 Satz 1 IRG-E.

Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c RbGeld (Verweigerung der Vollstreckung bei Verjährung) wird in § 87b Absatz 3 Nummer 6 IRG-E umgesetzt.

Die Territorialitätsklausel des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe d Ziffer i RbGeld lässt die Ablehnung der Vollstreckung zu, wenn die der Entscheidung des anderen Mitgliedstaates zugrunde liegende Handlung ganz oder zum Teil auf dem Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaates oder an einem diesem gleichgestellten Ort begangen wurde. Das Umsetzungsgesetz sieht abhängig von der Frage der beiderseitigen Sanktionierbarkeit ein zwingendes Zulässigkeitshindernis (§ 87b Absatz 3 Nummer 8 IRG-E) oder ein im behördlichen Ermessen liegendes Bewilligungshindernis (§ 87d Nummer 1 IRG-E) vor.

Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe d Ziffer ii RbGeld ermöglicht die Verweigerung der Vollstreckung, wenn aus der Perspektive des Entscheidungsstaates eine Auslandshandlung vorliegt und wenn eine derartige, auch außerhalb des Hoheitsgebietes des Vollstreckungsstaates begangene Handlung nach dessen Recht nicht als Straftat oder Verwaltungsübertretung verfolgt werden darf. Umgesetzt wird diese Regelung in Form eines dem Ermessen der zuständigen Behörde unterliegenden Bewilligungshindernisses (§ 87d Nummer 2 IRG-E).

Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe e RbGeld enthält einen fakultativen Ablehnungsgrund für den Fall, dass nach dem Recht des Vollstreckungsstaates Befreiungen (englische Textfassung: "immunity") bestehen, die die Vollstreckung der Entscheidung unmöglich machen.

Die Vorschrift des § 77 Absatz 2 IRG trägt dem bereits Rechnung.

Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe f RbGeld, wonach die Vollstreckung wegen fehlender Verantwortlichkeit aufgrund des Alters des Betroffenen abgelehnt werden kann, wird in § 87b Absatz 3 Nummer 7 IRG-E umgesetzt.

Von der in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe g Ziffer i RbGeld eröffneten Möglichkeit, die Vollstreckung im Fall eines schriftlichen Verfahrens im Entscheidungsstaat zu verweigern, wenn der Betroffene dort nicht über Rechtsmittel informiert worden ist, wird durch den zwingenden Ablehnungsgrund in § 87b Absatz 3 Nummer 3 IRG-E Gebrauch gemacht.

Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe g Ziffer ii RbGeld normiert die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer Abwesenheitsentscheidung verweigert werden kann. Umgesetzt wird diese Regelung in § 87b Absatz 3 Nummer 4 IRG-E.

Schließlich eröffnet Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe h RbGeld die für die Praxis bedeutsame Möglichkeit, die Vollstreckung einer Geldsanktion abzulehnen, wenn diese unter 70 Euro oder unter dem Gegenwert dieses Betrages liegt. Diese Regelung wird als zwingender Ablehnungsgrund nach § 87b Absatz 3 Nummer 2 IRG-E in das innerstaatliche Recht überführt.

Die in Artikel 7 Absatz 3 RbGeld auferlegte Pflicht, den Entscheidungsstaat zu konsultieren, bevor bestimmte Verweigerungsgründe geltend gemacht werden, soll in den RiVASt festgelegt werden.

Artikel 8 RbGeld enthält Bestimmungen zur Festlegung des im Vollstreckungsstaat zu zahlenden Betrages. In Absatz 1 erfährt der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung insoweit eine Einschränkung, als dem Vollstreckungsstaat hier die Möglichkeit eingeräumt wird die Höhe der Geldsanktion zu reduzieren, allerdings nur auf das nach seinem innerstaatlichen Recht für Handlungen derselben Art vorgesehene Höchstmaß und zudem unter der Voraussetzung, dass die Handlung nicht auf dem Hoheitsgebiet des Entscheidungsstaates begangen wurde und unter die Gerichtsbarkeit des Vollstreckungsstaates fällt. Diese Anpassungsmöglichkeit wird im innerstaatlichen Recht in allen Verfahrensvarianten als Pflicht zur Reduktion ausgestaltet (§§ 87f Absatz 2 Satz 2, 87h Absatz 3 Satz 3, 87i Absatz 3 Satz 5 IRG-E). Artikel 8 Absatz 2 RbGeld trifft eine Regelung zu der gegebenenfalls erforderlichen Umrechung der Geldsanktion in die Euro-Währung. Dieser Vorschrift wird Rechnung getragen, indem § 87f Absatz 2 Satz 1 IRG-E die Umrechnungsregelung in § 54 Absatz 2 IRG für entsprechend anwendbar erklärt.

Artikel 9 RbGeld schreibt in Absatz 1 fest, dass unbeschadet dieses Absatzes und des Artikels 10 das Recht des Vollstreckungsstaates für die Vollstreckung einer Entscheidung maßgeblich ist. Im Umsetzungsgesetz wird an wenigen Stellen die sinngemäße Geltung oder Nichtgeltung bestimmter innerstaatlicher vollstreckungsrechtlicher Vorschriften normiert.

Im Übrigen gelten über § 77 Absatz 1 IRG die einschlägigen Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO), des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) und des Gesetzes über die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (OWiG) sinngemäß.

Nach Absatz 2 löst der Nachweis seitens des Betroffenen, dass er im Hinblick auf die gegen ihn verhängte Geldsanktion eine teilweise oder vollständige Zahlung geleistet hat, ein Konsultationsverfahren nach Artikel 7 Absatz 3 RbGeld aus. Jeder in einem anderen Staat wie auch immer beigetriebene Geldbetrag wird im Vollstreckungsstaat voll angerechnet.

Umgesetzt wird die Regelung durch Verweisung in § 87f Absatz 2 Satz 1 IRG-E auf § 54 Absatz 4 IRG.

Absatz 3 schreibt als Ausnahme zu Absatz 1 vor, dass gegen juristische Personen verhängte Geldstrafen oder Geldbußen selbst dann vollstreckt werden, wenn der Grundsatz der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen im Vollstreckungsstaat nicht anerkannt ist. Umgesetzt wird diese Verpflichtung durch die Vorschrift des § 87i Absatz 1 Nummer 2 IRG-E.

Artikel 10 RbGeld regelt die Voraussetzungen, unter denen der Vollstreckungsstaat eine Ersatzfreiheitsstrafe oder eine andere Ersatzstrafe anordnen kann, wenn es nicht oder nur zum Teil möglich ist, eine Entscheidung zu vollstrecken. Eine solche Anordnung muss in den Rechtsvorschriften des Vollstreckungsstaates vorgesehen sein; auch muss der Entscheidungsstaat die Anordnung einer Ersatzstrafe in dem Formblatt, das im Anhang zum RbGeld abgedruckt ist, zugelassen haben (Rubrik i) 1.). Diese Kann-Regelung wird nicht umgesetzt. Die Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Inland aufgrund eines eingehenden Ersuchens wird ausgeschlossen. Im Falle ausgehender Ersuchen wird in den RiVASt zur Anwendung von Artikel 10 RbGeld festzulegen sein, dass die Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Vollstreckungsstaat nicht zugelassen wird.

Die Umsetzung dieser im Rahmenbeschluss als Kann-Regelung vorgesehenen Sanktion im Fall einer fehlgeschlagenen Vollstreckung hätte erhebliche verfassungsrechtliche und praktische Probleme aufgeworfen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen für den Fall, dass eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen einer in einem anderen Mitgliedstaat begangenen Handlung angeordnet werden müsste, die bei einer Parallelwertung nach deutschem Recht kein strafbares Unrecht verwirklicht. Eine praktisch nicht lösbare Schwierigkeit besteht im Fall der Vollstreckung einer Geldstrafe, wenn der ersuchende Staat ein den §§ 40, 43 des Strafgesetzbuches (StGB) vergleichbares Tagessatzsystem nicht kennt.

Dies schließt nicht aus, dass aufgrund eines deutschen Ersuchens im ersuchten Mitgliedstaat nach dortigem Recht und nach Maßgabe von Artikel 9 RbGeld Erzwingungshaft verhängt wird. Bei ausgehenden Ersuchen bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine derartige freiheitsentziehende Maßnahme ohne Strafcharakter zur Gemahnung an eine vom ersuchten Mitgliedstaat anerkannte und durchzusetzende Zahlungspflicht. Im Rahmen der Ermessensentscheidung darüber, ob ein Ersuchen an einen anderen Mitgliedstaat gestellt wird, ist für eine grundrechtskonforme, insbesondere mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbare Handhabung Sorge zu tragen. Von einem Ersuchen sollte dann abgesehen werden, wenn die Rechtslage im potentiellen Vollstreckungsstaat die Verhängung unverhältnismäßiger Erzwingungshaft gebietet oder wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die dortigen Behörden bzw. Gerichte regelmäßig unverhältnismäßige Erzwingungshaft verhängen.

Artikel 11 RbGeld bestimmt in Absatz 1, dass sowohl der Entscheidungsstaat als auch der Vollstreckungsstaat Amnestie oder Begnadigung gewähren können. Im Hinblick auf eingehende Ersuchen fällt diese Regelung unter § 87n Absatz 4 IRG-E, nach der § 57 Absatz 6 IRG entsprechend gilt. Von der Vollstreckung ist abzusehen, wenn der ersuchende Mitgliedstaat mitteilt, dass ein Beendigungstatbestand vorliegt.

Absatz 2, wonach nur der Entscheidungsstaat über Wiederaufnahmeanträge entscheiden darf bedarf keiner Umsetzung, weil die innerstaatlichen Verfahrensregelungen lediglich für in Deutschland ergangene Entscheidungen eine Durchbrechung der Rechtskraft zulassen (§§ 359 bis 373a StPO, § 85 OWiG).

Artikel 12 RbGeld verpflichtet in Absatz 1 die zuständige Behörde des Entscheidungsstaates, die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaats unverzüglich zu unterrichten, wenn die Vollstreckbarkeit erlischt oder dem Vollstreckungsstaat die Vollstreckung aus anderen Gründen wieder entzogen wird. Nach Absatz 2 hat der Vollstreckungsstaat die Vollstreckung in diesen Fällen zu beenden. Eine solche Beendigung ist bei eingehenden Ersuchen nach § 87n Absatz 4 IRG-E gewährleistet. Für ausgehende Ersuchen sind Einzelheiten der Informationspflicht in den RiVASt zu regeln. Die Entziehung der Vollstreckung wird förmlich durch eine Rücknahme des Ersuchens bewirkt.

Artikel 13 RbGeld regelt, dass der Erlös aus der Vollstreckung von Entscheidungen grundsätzlich dem Vollstreckungsstaat zufließt. Dieser Grundsatz wird in § 87n Absatz 5 Satz 1 bis 3 IRG-E umgesetzt. Entscheidungsstaat und Vollstreckungsstaat können allerdings etwas anderes vereinbaren, insbesondere bei Entscheidungen, in denen auf eine Opferentschädigung erkannt wurde. Diese Möglichkeit wird in § 87n Absatz 5 Satz 4 IRGE verankert.

Artikel 14 RbGeld enthält die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaates treffende Unterrichtungspflichten. Unter anderem ist die zuständige Behörde des Entscheidungsstaates über ablehnende Entscheidungen, über die teilweise oder gänzliche Nichtvollstreckung und über den Abschluss der Vollstreckung zu informieren. Einer gesetzlichen Regelung hierzu bedarf es nicht.

Artikel 15 RbGeld bestimmt die Folgen der Übermittlung einer Entscheidung. Gemäß Absatz 1 darf der Entscheidungsstaat danach nicht mehr vollstrecken. Die Vollstreckungsberechtigung geht so Absatz 2, wieder auf den Entscheidungsstaat über, soweit der Vollstreckungsstaat die Vollstreckung nach Maßgabe der aufgeführten Gründe abgelehnt hat oder ihm die Vollstreckung wieder entzogen worden ist. Eine Ausnahme trifft der Rahmenbeschluss für eine Verweigerung der Vollstreckung nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld. Wird die Vollstreckung wegen des ne bis in idem-Grundsatzes abgelehnt, ist der Entscheidungsstaat nicht mehr zur Vollstreckung berechtigt. Diese Regelungen werden im Hinblick auf ausgehende Ersuchen in § 87p IRG-E umgesetzt.

Absatz 3 regelt den Fall, dass eine Behörde des Entscheidungsstaats nach Übermittlung der zu vollstreckenden Entscheidung einen Geldbetrag erhält, den der Betroffene wegen dieser Entscheidung gezahlt hat. Die Zahlung löst für ausgehende Ersuchen eine Informationspflicht gegenüber der ersuchten Behörde aus. Regelungen hierzu sind in den RiVASt zu treffen. Die Berücksichtigung der Zahlung nach Artikel 9 Absatz 2 RbGeld wird im Umsetzungsgesetz in § 87f Absatz 2 IRG-E normiert, der auf § 54 Absatz 4 IRG verweist. Artikel 16 RbGeld verpflichtet den Entscheidungsstaat, die Bescheinigung nach Artikel 4 RbGeld, für die das im Anhang zum RbGeld beigefügte Formblatt zu verwenden ist, in die Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Vollstreckungsstaates zu übersetzen (Absatz 1 Satz 1). Jeder Mitgliedstaat kann nach Absatz 1 Satz 2 erklären, dass er eine Übersetzung in eine andere Amtssprache der Organe der Europäischen Union oder mehrerer andere dieser Amtsprachen akzeptiert. Eine solche Erklärung ist von deutscher Seite nicht abgegeben worden. Für ausgehende Ersuchen sollen Regelungen in den RiVASt getroffen werden.

Absatz 2 bestimmt, dass die Vollstreckung der Entscheidung für die Zeit ausgesetzt werden kann die für die auf Kosten des Vollstreckungsstaates anzufertigende Übersetzung benötigt wird. Umsetzungsbedarf im Hinblick auf eine Aussetzung besteht nicht. Wenn die Bewilligungsbehörde eine Übersetzung in die deutsche Sprache für erforderlich hält, wird über die Bewilligung erst entschieden, wenn die Übersetzung vorliegt. Eine Entscheidung im gerichtlichen Verfahren setzt voraus, dass dem Betroffenen eine Übersetzung zugestellt worden ist (§ 87g Absatz 3 IRG-E).

Artikel 17 RbGeld schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten auf die Erstattung von Kosten verzichten die aus der Anwendung des Rahmenbeschlusses entstehen, und wird durch eine Neufassung der Vorschrift des § 5 Absatz 4 der Justizverwaltungskostenordnung (JVKostO) umgesetzt.

Artikel 18 RbGeld lässt die Anwendung konkurrierender bilateraler und multilateraler Übereinkommen zu, soweit sie eine weitere Vereinfachung oder Erleichterung der Vollstreckung von Geldsanktionen ermöglichen. Auf die Ausführungen unter A. VI. wird verwiesen.

Etwaige künftige Übereinkommen können über § 86 Absatz 2 IRG-E zur Anwendung gelangen.

Artikel 19 RbGeld normiert die Anwendung des Rahmenbeschlusses auf Gibraltar.

Artikel 20 RbGeld schreibt überwiegend Pflichten (Fristen, Berichtspflichten, Notifizierungen) der Mitgliedstaaten im Zuge der Umsetzung des Rahmenbeschlusses fest. Berichtspflichten sollen in den RiVASt umgesetzt werden.

Der in Absatz 3 normierte fakultative Ablehnungsgrund wegen eines Verstoßes gegen den europäischen ordre public ist bereits in § 73 Satz 2 IRG verankert. Eine Umsetzung durch Aufnahme in den Kanon der enumerativen Zulässigkeitshindernisse war nicht notwendig, weil sich angesichts des europäischen ordre public-Grundsatzes problematische Fallgestaltungen an § 73 Satz 2 IRG messen lassen. Der ordre public-Vorbehalt erlaubt die Zurückweisung eines Ersuchens nach dem RbGeld, wenn die Vollstreckung den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union niedergelegten elementaren rechtstaatlichen Grundsätzen widerspricht. Eine Überprüfung der formellen und materiellen

Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung durch die Bewilligungsbehörde oder Gerichte des Vollstreckungsstaates ist damit grundsätzlich nicht verbunden. Der im RbGeld zum Ausdruck kommende Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung setzt das Vertrauen in die rechtstaatliche Ordnung der Mitgliedstaaten und die prinzipielle Vereinbarkeit von Entscheidungen mit elementaren rechtstaatlichen Grundsätzen voraus. Insbesondere kann daher eine zu vollstreckende Entscheidung nicht mit dem Argument angegriffen werden sie sei mit dem deutschen Verfahrensrecht nicht zu vereinbaren. Maßgeblich ist auch hier das Recht des ersuchenden Staates, gegen dessen Entscheidung der Betroffene sich nach dessen innerstaatlichen Recht wenden kann. Gleichwohl sind allerdings Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Verstoß gegen den europäischen ordre public in Betracht kommen kann. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen das Schuldprinzip, das als wesentlicher Grundsatz des Straf- und Bußgeldverfahrens erachtet wird nicht ausreichend Berücksichtigung findet. Daher enthält der Gesetzentwurf ein fakultativ ausgestaltetes Bewilligungshindernis, das die Bewilligungsbehörde zur besonderen Beachtung dieser Grundsätze anhält.

Artikel 21 RbGeld regelt das Inkrafttreten des Rahmenbeschlusses.

V. Grundzüge des Verfahrensgangs

Geht ein Ersuchen um Vollstreckung einer Geldsanktion auf der Grundlage des RbGeld bei dem gegenüber den Mitgliedstaaten als Zentralstelle vorgesehenen Bundesamt für Justiz ein, prüft das Bundesamt zunächst, ob die nach dem Umsetzungsgesetz erforderlichen Unterlagen vorliegen. Gegebenenfalls ist die zuständige Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates zu konsultieren. Werden dem Bundesamt die erforderlichen Unterlagen auch nach Konsultation der zuständigen Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates nicht übermittelt lehnt es die Vollstreckung als unzulässig ab.

Die sich an die Feststellung der Vollständigkeit der Unterlagen anschließende Prüfungspflicht des Bundesamts für Justiz erstreckt sich auf die Frage, ob der Vollstreckung abweichend vom Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ausnahmsweise ein Ablehnungsgrund entgegensteht. Das Gesetz unterscheidet zwischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und dem behördlichen Ermessen unterliegenden Bewilligungshindernissen. Verneint das Bundesamt die Zulässigkeit oder macht es ein Bewilligungshindernis geltend, so lehnt es die Vollstreckung der Geldsanktion ab. In bestimmten Fällen ist allerdings die zuständige Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates vor der Entscheidung zu konsultieren.

Wird das Verfahren fortgesetzt, prüft das Bundesamt für Justiz, ob ein Antrag auf Umwandlung durch das zuständige Amtsgericht zu stellen ist. Eine solche Antragspflicht besteht, wenn die übermittelte Entscheidung gegen einen bestimmten, im Gesetz aufgeführten Kreis von Betroffenen gerichtet ist oder wenn der andere Mitgliedstaat eine Sanktion verhängt hat, die das deutsche Recht nicht kennt.

Unterbleibt ein solcher Antrag, werden die vollständigen Unterlagen dem Betroffenen zur Gewährung rechtlichen Gehörs zugestellt. Nach Ablauf einer Zwei-Wochen-Frist entscheidet das Bundesamt - gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des Betroffenen - über die Bewilligung. Zahlt der Betroffene, ist das Verfahren beendet.

Bei Ersuchen wegen der Vollstreckung einer Entscheidung, der aus deutscher Sicht eine im Inland konkret verfolgbare Tat zugrunde liegen könnte, wird das Bundesamt für Justiz nach Maßgabe von in den RiVASt zu treffenden Regelungen verpflichtet werden, sich vor der Entscheidung über die Bewilligung mit der für den möglichen Inlandstatort zuständigen Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde ins Benehmen zu setzen.

Zahlt der Betroffene nach Bewilligung nicht und setzt er sich gegen diese auch nicht zur Wehr, vollstreckt das Bundesamt für Justiz. In dieser Konstellation ohne Tätigwerden eines Gerichts fließt der Erlös aus der Vollstreckung grundsätzlich in die Bundeskasse.

Ausnahmen sind möglich, etwa bei Opferentschädigungen.

Gegen eine Bewilligung kann der Betroffene form- und fristgebunden Einspruch einlegen und eine gerichtliche Überprüfung der Bewilligung durch das zuständige Amtsgericht herbeiführen.

Gegen diese gerichtliche Entscheidung ist ebenso wie gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, die in einem durch Antrag des Bundesamts für Justiz initiierten Verfahren ergangen ist, die Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht statthaft. Die Rechtsbeschwerde bedarf der Zulassung. In den Fällen, in denen es an einer vorgelagerten behördlichen Entscheidung fehlt, bewilligt die Behörde die Vollstreckung nach Maßgabe der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung, von der nicht abgewichen werden darf. Die Bewilligungsentscheidung ist unanfechtbar.

Ist es zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen, fließt der Erlös aus einer Vollstreckung grundsätzlich in die Kasse des Landes, in dem das zuständige Amtsgericht seinen Sitz hat. Ausnahmen sind wiederum möglich, etwa bei der Vollstreckung einer Opferentschädigung.

Die Vollstreckung erfolgt durch die zuständige Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde.

Zur Vorbereitung eines ausgehenden Ersuchens kann die zuständige deutsche Behörde die rechtskräftige Entscheidung nebst einer in deutscher Sprache ausgefüllten Bescheinigung entsprechend dem im Anhang zum RbGeld abgedruckten Formblatt an das Bundesamt für Justiz übersenden. Das Bundesamt entscheidet, ob die rechtskräftige Entscheidung (in deutscher Sprache) nebst der vom Bundesamt anzufertigenden Übersetzung der Bescheinigung zwecks Vollstreckung in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt wird. Im Regelfall wird die Bewilligung inzident durch die Übermittlung erklärt. Für den anderen Mitgliedstaat ist das Bundesamt im weiteren Verlauf des Verfahrens Ansprechpartner.

VI. Verhältnis des RbGeld zu anderen Übereinkommen

Artikel 18 RbGeld schließt die Anwendung bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten nicht aus, sofern sie die Möglichkeiten bieten über die Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses hinauszugehen und zu einer weiteren Vereinfachung oder Erleichterung der Verfahren zur Vollstreckung von Geldstrafen oder Geldbußen beizutragen. Regelungen in bilateralen oder multilateralen Übereinkommen sind demnach als Grundlage für den Vollstreckungshilfeverkehr ausgeschlossen, wenn sie keinen derartigen Beitrag leisten. Was multilaterale Übereinkommen anbelangt, so leistet das unter A. II. genannte EG-VollstrÜbk, das aus deutscher Sicht vorläufig im Verhältnis zu den Niederlanden gilt, schon deshalb keinen Beitrag zur Vereinfachung oder Erleichterung, weil es anders als der RbGeld keine Verpflichtung zur Vollstreckung von Geldsanktionen enthält. Das EG-VollstrÜbk wird daher nach der Umsetzung des RbGeld für Deutschland keinen Anwendungsbereich mehr haben.

Bilaterale Regelungen existieren lediglich im Verhältnis zu Österreich (Artikel 9 des Vertrages vom 31. Mai 1988 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen). Im Hinblick auf die Vollstreckung von Geldbußen ist in Konsultationen mit der österreichischen Bundesregierung noch zu klären, inwieweit ein Anwendungsbereich für die Regelungen des Vertrages verbleibt.

Sicherzustellen ist in jedem Fall eine einheitliche Anwendung und Umsetzung der Vorschriften des RbGeld, die für Deutschland und Österreich gleichermaßen verbindlich sind.

VII. Gesetzgebungskompetenz und Gesetzesfolgenabschätzung

Die internationale Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten ist Teil der Pflege auswärtiger Beziehungen nach Artikel 32 des Grundgesetzes (allgemeigg_ges.htm ). Die durch die Umsetzung des RbGeld erforderlichen Änderungen fallen deshalb in den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes nach Artikel 73 Nummer 1 GG.

Die Neuregelungen enthalten erhebliche Vereinfachungen und Erleichterungen des Vollstreckungshilfeverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich der Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen. Diese Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Strafrechts ist gewollter und unverzichtbarer Bestandteil der Entwicklung eines einheitlichen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts innerhalb der Europäischen Union. Die Neuregelungen werden zu einer Mehrbelastung deutscher Verwaltungs- und Justizbehörden sowie deutscher Gerichte führen. Denn es liegt nahe, dass aus der Mobilität und Freizügigkeit im EU-Raum nicht wenige Rechtsverstöße zu Geldsanktionen führen werden, die grundsätzlich zu vollstrecken sind, falls keine freiwillige Zahlung erfolgt. Allerdings lassen sich die konkreten Auswirkungen auf den Aufwand zur Bearbeitung ein- und ausgehender Ersuchen wegen mehrerer Unsicherheitsfaktoren nicht abschätzen. Auch die Ergebnisse einer Umfrage, die im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens bei Länder- und Bundesbehörden im Verkehrsbereich durchgeführt wurde, reichen nicht für belastbare Prognosen aus. Hinzu kommt, dass das Europäische Geldsanktionsgesetz sowohl für eingehende als auch für ausgehende Ersuchen eine Stichtagsregelung vorsieht (§ 98 IRG-E). Eine Geldsanktion, die auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht (§ 87 Absatz 2 Nummer 1 und 4 IRG-E), kann danach auf Grundlage des Europäischen Geldsanktionsgesetzes nur vollstreckt werden, wenn diese nach Inkrafttreten des Europäischen Geldsanktionsgesetzes rechtskräftig wurde. Im Falle von behördlichen Entscheidungen nach § 87 Absatz 2 Nummer 2 und 3 IRG-E wird dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung abgestellt. Von Relevanz für die Gesetzesfolgenabschätzung ist weiterhin, dass die Vollstreckung von im EU-Ausland verhängten Geldsanktionen zu Vermögenszuflüssen an den Fiskus führen wird. Denn der Erlös aus der Vollstreckung verbleibt grundsätzlich im Vollstreckungsstaat. Da sich der Umfang dieser Geldsanktionen nach der Zahl eingehender Ersuchen und der Höhe der jeweils zu vollstreckenden Geldsanktionen richten wird, sind belastbare Prognosen nicht möglich.

Schließlich stellt eine EU-weite effektive Vollstreckung von Geldstrafen und Geldbußen einen Betrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit dar. Davon kann Deutschland als Haupttransitland in Europa ebenfalls in Zukunft profitieren. Allein aufgrund dieses Gesetzes ist zwar noch nicht zu erwarten, dass mehr ausländische Kraftfahrer als bisher für ihre Verkehrszuwiderhandlungen, die sie in Deutschland begehen, zur Verantwortung gezogen werden können. Denn dafür bedürfte es eines multilateralen Halterdatenaustausches mit den anderen europäischen Mitgliedstaaten einerseits sowie der grenzüberschreitenden Unterstützung bei der Fahrerermittlung andererseits. Beides ist aber nicht Gegenstand des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI. Mit diesem Gesetz wird aber ein erster Baustein geliefert, der sich auf das Verfahrensstadium der Vollstreckung bezieht und auf den bei Verkehrsverstößen im Inland dann zurückgegriffen werden kann, wenn auch die weiteren Voraussetzungen für die Verfahrensdurchführung gegen ausländische Kraftfahrer auf europäischer Ebene geschaffen worden sind. Erst dann werden sich Verkehrssünder nicht mehr so einfach wie bislang der Sanktionierung von in Deutschland begangenen Regelverstößen entziehen können. Umgekehrt gilt dies auch für hier ansässige Verkehrssünder, die sich in anderen Mitgliedstaaten über die dort geltenden Regeln hinweggesetzt haben. Hier und bei Vollstreckung anderer Geldsanktionen, die letztlich darauf zurückzuführen sind dass Bürgerinnen und Bürger von EU-Mitgliedstaaten Mobilität und Freizügigkeit in Europa nutzen, liegt eine konsequente Kehrseite dieser Freiheiten. Angesichts der zu erwartenden Erhöhung der Sicherheit auf Europas Straßen fällt es letztlich nicht entscheidend ins Gewicht, dass das künftig bei der Vollstreckungshilfe zu beachtende Sprachenregime Kosten verursachen wird. Eingehende Entscheidungen sind unter Umständen zu übersetzen; ausgehenden Ersuchen ist nach Artikel 16 Absatz 1 Satz 1 RbGeld eine Übersetzung der Bescheinigung entsprechend dem im Anhang zum RbGeld abgedruckten Formblatt beizufügen. Auf der anderen Seite dürften sich absehbare Übersetzungskosten in allen Mitgliedstaaten auch als vernünftiges Korrektiv auswirken, wenn diese und sonstige Verfahrenskosten an den Umständen der einzelnen Entscheidung und an der Höhe der darin verhängten Geldsanktion gemessen werden.

Für die sozialen Sicherungssysteme und die Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, entstehen keine Kosten. Auswirkungen auf die Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

VIII. Bürokratiekosten

Mit dem Gesetzentwurf werden in §§ 77a Absatz 3 Satz 2 und 87m Absatz 2 IRG-E zwei Informationspflichten für die Verwaltung eingeführt. Für die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger werden keine Informationspflichten eingeführt, geändert oder abgeschafft.

B. Besonderer Teil

I. Zu Artikel 1 - Änderungen des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

1. Zur Neufassung der Inhaltsübersicht (Nummer 1 und 2)

Die Neufassung der Inhaltsübersicht ist aufgrund der Änderung des Neunten Teils notwendig geworden. Die Änderung der Inhaltsübersicht hinsichtlich der §§ 77a und 77b IRG-E ergibt sich aufgrund der gestuften Inkrafttretensregelung des Artikels 5.

2. Zu § 55 IRG - Entscheidung über die Vollstreckbarkeit (Nummer 3)

Durch den Verweis in § 55 Absatz 3 Satz 4 IRG auf die §§ 12 bis 16 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) wird ein redaktioneller Fehler bereinigt.

3. Zu § 74 IRG - Zuständigkeit des Bundes (Nummer 4)

In Absatz 1 Satz 1 bis 3 findet im Zuge redaktioneller Änderungen jeweils ein einheitlicher Sprachgebrauch Verwendung, indem durchgängig an die Bundesministerien als solche angeknüpft wird. Absatz 1 Satz 4 enthält eine neue Regelung, in der die Zuständigkeit des am 1. Januar 2007 errichteten Bundesamts für Justiz als Bewilligungsbehörde für den Bereich der EU-weiten Vollstreckung von Geldsanktionen nach Maßgabe des RbGeld festgeschrieben wird. Die Erforderlichkeit dieser Regelung erklärt sich durch das Zusammenspiel der Zuständigkeitsregelungen in § 74 Absatz 1 und 2 IRG sowie in der Zuständigkeitsvereinbarung vom 28. April 2004 (BAnz. S. 11 494). Durch die Bezugnahme auf Ersuchen nach den Unterabschnitten 2 und 3 von Abschnitt 2 des Neunten Teils des IRG wird klargestellt, dass sich die Befugnisse des Bundesamts für Justiz auf den Vollstreckungshilfeverkehr nach Maßgabe des RbGeld beschränken. Im Hinblick auf den sonstigen Vollstreckungshilfeverkehr verbleibt es bei den bisherigen Zuständigkeiten.

4. Zu §§ 77a und 77b - Elektronische Kommunikation und Aktenführung (Nummer 5)

Das IRG lässt bislang weder eine elektronische Übermittlung von Dokumenten noch die elektronische Aktenführung zu. Es ist jedoch zu erwarten, dass die elektronische Kommunikation mit ausländischen Staaten, insbesondere mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, eine immer größere Rolle spielen wird. Daher soll in § 77a IRG-E die Möglichkeit geschaffen werden, künftig den Geschäftsverkehr mit dem Ausland aber auch die Vornahmehandlungen im Inland elektronisch abzuwickeln. Einzelheiten sind gemäß § 77b IRG-E in einer durch das Bundesministerium der Justiz zu erlassenden Rechtsverordnung zu regeln. Dieses Verordnungsgebungsverfahren soll schnellstmöglich eingeleitet werden.

Inhaltlich orientiert sich die Vorschrift an den Regelungen der §§ 110a ff. OWiG.

5. Zu § 86 IRG-E - Vorrang (Nummer 6)

Die Umsetzung des RbGeld bringt Neuerungen mit sich, die von den herkömmlichen Regelungen zu eingehenden Ersuchen im Vierten Teil des IRG und zu ausgehenden Ersuchen in § 71 IRG grundlegend abweichen. Anders als bei der Umsetzung des RbEuHb ist es nicht möglich, in großem Umfang auf bestehende IRG-Vorschriften zurückzugreifen.

Absatz 1 umfasst ein- und ausgehende Ersuchen. Die Regelung eröffnet die Möglichkeit, auch dann Vollstreckungshilfe zu leisten, wenn ein anderer Mitgliedstaat ein Ersuchen um Vollstreckung einer Geldsanktion nicht nach Maßgabe des RbGeld stellt, zum Beispiel, weil dieser Mitgliedstaat den RbGeld noch nicht umgesetzt hat. Dadurch steht - insbesondere für die Übergangsphase bis zur Umsetzung des RbGeld in allen Mitgliedstaaten - weiterhin eine Rechtsgrundlage für Vollstreckungshilfe im vertragslosen Bereich zur Verfügung; eine Verpflichtung zur Rechtshilfe ist damit nicht verbunden. Ferner folgt aus Absatz 1, dass auch auf die Vollstreckungshilfe im Verkehr mit den EU-Mitgliedstaaten die allgemeinen Regeln des Ersten bis Siebenten Teils Anwendung finden. Dazu gehören die den Vollstreckungshilfeverkehr mit den EU-Mitgliedstaaten erfassenden Regelungen über den europäischen ordre public (§ 73 Satz 2 IRG) und die Bestimmung der Zuständigkeiten (§ 74 IRG).

Absatz 2 regelt für den Vollstreckungshilfeverkehr im Bereich von Geldsanktionen das Verhältnis zu völkerrechtlichen Vereinbarungen. Die Regelungstechnik berücksichtigt die nach Artikel 18 RbGeld eröffnete Möglichkeit, multilaterale oder bilaterale Übereinkommen anzuwenden wenn diese den Vollstreckungshilfeverkehr im Vergleich zum RbGeld weiter vereinfachen oder erleichtern. Absatz 2 schreibt den Vorrang von abschließenden Regelungen in Abschnitt 2 des Neunten Teils fest. Wie unter A. VI. ausgeführt, verdrängen die Bestimmungen, die durch das vorliegende Umsetzungsgesetz eingeführt werden und abschließend sind, Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, die nicht die grenzüberschreitende Vollstreckung weiter vereinfachen oder erleichtern.

6. Zu § 87 IRG-E - Grundsatz

a) Zu Absatz 1

Gemäß § 87 Absatz 1 Satz 1 IRG-E finden die Regelungen des Zweiten Abschnittes des Neunten Teils nur auf die EU-weite Vollstreckungshilfe nach Maßgabe des RbGeld Anwendung.

Dass der andere Mitgliedstaat in Deutschland auf der Grundlage des RbGeld vollstrecken lassen will, wird sich im Regelfall aus der Übersendung der Bescheinigung entsprechend dem im Anhang zum RbGeld abgedruckten Formblatt ergeben, die der zu vollstreckenden Entscheidung beigefügt wird.

Absatz 1 Satz 2 bestimmt, dass auf den traditionellen Regelungsbestand des Vierten Teils ausschließlich durch ausdrückliche Verweise zurückgegriffen wird. Dies ist nur an wenigen Stellen des Zweiten Unterabschnittes der Fall.

b) Zu Absatz 2

Absatz 2 bestimmt in Umsetzung von Artikel 1 Buchstabe a RbGeld, auf welche Entscheidungen die Regelungen anzuwenden sind.

Die Reihenfolge der Entscheidungstypen in Absatz 2 Nummer 1 bis 4 entspricht der Systematik in Artikel 1 Buchstabe a Ziffer i bis iv RbGeld. Während die in Nummer 1, 3 und 4 aufgeführten Gruppen von Entscheidungen den Verfahrensstrukturen der StPO und des OWiG entsprechen, ist die in Artikel 1 Buchstabe a Ziffer ii RbGeld geregelte Variante, dass eine nicht gerichtliche Behörde über eine strafbare Handlung entscheidet, im deutschen Recht unbekannt. Die gleichwohl in Nummer 2 umzusetzende Regelung geht auf Besonderheiten des finnischen und schwedischen Rechts zurück, das jeweils vorsieht, dass Staatsanwaltschaften oder Polizeibehörden in summarischen Verfahren wegen strafbarer Handlungen Geldsanktionen verhängen dürfen.

Anders als der RbGeld, in dem der Handlungsbegriff Verwendung findet, knüpft das Europäische Geldsanktionsgesetz in Anlehnung an die Terminologie des IRG (etwa §§ 1 Absatz 2, 49 Absatz 1 Nummer 3 IRG) durchgängig an den Tatbegriff an. Dieser Begriff, der sich erstmals in Absatz 2 Nummer 1 findet, erfasst sowohl Straftaten als auch bloßes Verwaltungsunrecht. Es dient der Rechtsklarheit, bei der innerstaatlichen Umsetzung an dem Oberbegriff der "Tat" festzuhalten.

Dass Absatz 2 Nummer 3 und die folgenden einschlägigen Vorschriften des Europäischen Geldsanktionsgesetzes den Begriff der Ordnungswidrigkeit enthalten, ist ebenfalls der Rechtsklarheit geschuldet. Im RbGeld finden sich die Begriffe "Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften" und "Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten)", ohne dass damit unterschiedliche Bereiche geregelt werden sollen. Gemeint ist jeweils der Bereich des bloßen Verwaltungsunrechts unterhalb der Schwelle strafbaren Unrechts.

Eine enge Anbindung an die Terminologie in Artikel 1 Buchstabe a RbGeld ist schon deshalb nicht erforderlich, weil der Praxis die maßgebliche Bescheinigung entsprechend dem im Anhang zum RbGeld abgedruckten Formblatt zur Verfügung stehen wird. Aus der Angabe in der begrifflich der Regelung in Artikel 1 Buchstabe a RbGeld nachgebildeten Rubrik g) 1. dieser Bescheinigung ergibt sich, welche Art von Entscheidung ein anderer Mitgliedstaat übermittelt.

c) Zu Absatz 3

Absatz 3 enthält Bestimmungen zum zentralen Begriff der Geldsanktion und setzt Artikel 1 Buchstabe b RbGeld um, der zwischen positiven und negativen Definitionen differenziert.

Um welche Art von Geldsanktion es sich handelt, ist wiederum aus der Rubrik g) 1. der Bescheinigung ersichtlich.

Regelmäßig wird es um eine Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrages gehen, die in einer Entscheidung nach Absatz 2 in einem anderen Mitgliedstaat wegen einer nach Strafrecht oder Verwaltungsunrecht zu beurteilenden Handlung ausgesprochen worden ist (Absatz 3 Satz 1 Nummer 1). Diese Terminologie entspricht den deutschen Sanktionen der Geldstrafe und Geldbuße. Auch werden nach der Artikel 1 Buchstabe b Satz 1 Ziffer iii RbGeld umsetzenden Regelung in § 87 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 IRG-E Kosten des Verfahrens einbezogen, die neben einer Sanktion nach Nummer 1 auferlegt wurden. Nicht erfasst sind selbständige Kostenentscheidungen. Der Verweis auf eine Sanktion nach Nummer 1 dient der Klarstellung, dass der Anwendungsbereich nicht Kosten eines Verfahrens erfasst in denen ausschließlich auf eine andere Sanktion als auf eine Geldsanktion erkannt wurde. Eine davon abweichende Auslegung liefe dem Sinn und Zweck des RbGeld zuwider. Denn dieser zielt nicht darauf ab, mangels anderer Rechtsgrundlage im EU-Raum die Kosten eines Verfahrens vollstrecken zu lassen, das etwa (nur) zu einer Sanktion mit Freiheitsentzug einschließlich einer damit verbundenen Strafaussetzung zur Bewährung oder eines vergleichbaren Rechtsinstituts geführt hat. Sollte das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates die - auch innerstaatlich insbesondere nach Maßgabe von § 41 Satz 1 StGB eröffnete - Möglichkeit vorsehen, eine Geldsanktion neben einer anderen Sanktion zu verhängen, sind die Verfahrenskosten solche nach § 87 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 IRG-E.

Eine Opferentschädigung gemäß Artikel 1 Buchstabe b Satz 1 Ziffer ii RbGeld, der in § 87 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 IRG-E umgesetzt wird, ist im deutschen Recht nicht vorgesehen.

Eine Entscheidung, in der eine derartige Sanktion verhängt wurde, ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, auf Antrag durch das Gericht umzuwandeln; der Erlös aus der Vollstreckung fließt an das Opfer, falls eine entsprechende Vereinbarung mit dem ersuchenden Mitgliedstaat abgeschlossen wurde. Einzelheiten ergeben sich aus den Anmerkungen zu den §§ 87i und 87n Absatz 5 IRG-E.

Das deutsche Recht kennt auch eine Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrages an eine öffentliche Kasse oder eine Organisation zur Unterstützung von Opfern gemäß der in § 87 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 IRG-E umgesetzten Regelung in Artikel 1 Buchstabe b Satz 1 Ziffer iv RbGeld nicht. Die Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder an die Staatskasse nach § 153a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 StPO wird nicht zusätzlich (RbGeld: "in der gleichen Entscheidung") in einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zahlung einer Geldsanktion auferlegt. Wie im dargestellten Fall einer Opferentschädigung ist eine Vollstreckung nur möglich, wenn das Gericht eine Umwandlungsentscheidung getroffen hat.

In § 87 Absatz 3 Satz 2 IRG-E wird durch Übernahme des Wortlauts von Artikel 1 Buchstabe b Satz 2 RbGeld klargestellt, dass das Europäische Geldsanktionsgesetz bestimmte Sanktionen nicht erfasst. Die hier im Wege der negativen Definition ausgeschlossenen Anordnungen gemäß dem ersten Anstrich sind nach deutscher Terminologie Anordnungen der Einziehung und des Verfalls, zu denen im Zuge der Umsetzung des am 6. Oktober 2006 angenommenen Rahmenbeschlusses 2006/783/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen innerstaatliche Regelungen im Neunten Teil zu treffen sind.

7. Zu § 87a IRG-E - Vollstreckungsunterlagen

Normiert wird eine vom Bundesamt für Justiz vorab zu prüfende förmliche Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vollstreckung der Geldsanktion, indem diejenigen Unterlagen aufgezählt werden die vorliegen müssen. Vorzulegen sind das Original der zu vollstreckenden Entscheidung oder eine Kopie, die keine Zweifel an der Authentizität des vorgelegten Dokuments aufkommen lässt. Gegebenenfalls ist die zuständige Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates zu konsultieren. Die zuständige Behörde des ersuchenden Staates ist weiterhin verpflichtet, die Bescheinigung entsprechend dem im Anhang zum Rahmenbeschluss vorgesehenen Formblatt auszufertigen und im Original zu übermitteln. Zwar sieht der Rahmenbeschluss vor, dass die Bescheinigung auch in anderer Form als im Original (bspw. Fax) übersandt werden kann, sofern es dem ersuchten Staat möglich ist, die Echtheit festzustellen. Hierauf ist aber im Gesetzentwurf verzichtet worden, da auch die Entscheidung, die vollstreckt werden soll, im Original bzw. beglaubigte Abschrift zu übersenden ist.

Bislang hat Deutschland keine Erklärung nach Artikel 16 abgegeben, nach der die Vorlage der Bescheinigung in eine andere als die deutsche Sprache akzeptiert wird. Daher ist, sofern diese nicht bereits in deutscher Sprache ausgestellt wurde, eine beglaubigte Übersetzung derselben beizufügen. Sollte im Verlauf des innerstaatlichen Verfahrens eine Übersetzung der Entscheidung erforderlich werden, so ist diese Übersetzung nach der Regelung in Artikel 16 Absatz 2 RbGeld auf Kosten des Vollstreckungsstaates anzufertigen.

Liegen dem Bundesamt die in § 87a Nummer 1 und 2 IRG-E aufgezählten Unterlagen - gegebenenfalls auch nach Konsultation der zuständigen Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates - nicht vor, ist die Vollstreckung als unzulässig abzulehnen. Dass ohne Entscheidung nicht vollstreckt werden darf, versteht sich von selbst. Fehlt die Bescheinigung, eröffnet Artikel 7 Absatz 1 erste Variante RbGeld die Möglichkeit der Ablehnung.

Davon wird im Europäischen Geldsanktionsgesetz Gebrauch gemacht. Für den Fall, dass die Bescheinigung lediglich unvollständig oder inhaltlichen Bedenken ausgesetzt ist, greift ein spezieller Ablehnungsgrund ein (§ 87b Absatz 3 Nummer 1 IRG-E).

9. Zu § 87b IRG-E - Zulässigkeitsvoraussetzungen

a) Zu Absatz 1

Die Vorschrift des § 87b Absatz 1 Satz 1 IRG-E, in der Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b RbGeld in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 3 RbGeld umgesetzt wird, orientiert sich an § 49 Absatz 1 Nummer 3 IRG und hält im Grundsatz an der beiderseitigen Sanktionierbarkeit als zwingend zu prüfender Zulässigkeitsvoraussetzung fest. In § 87b Absatz 1 Satz 1 IRG-E wird in Anlehnung an die Terminologie des IRG (etwa §§ 1 Absatz 3, 49 Absatz 1 Nummer 3 IRG) wie in den folgenden Vorschriften des Europäischen Geldsanktionsgesetzes an den Tatbegriff angeknüpft, der sowohl Straftaten als auch bloßes Verwaltungsunrecht erfasst. Es dient der Rechtsklarheit, bei der innerstaatlichen Umsetzung der Ablehnungsgründe und in daran anknüpfenden Regelungen an dem Oberbegriff der "Tat" festzuhalten. Einer Differenzierung, ob die Entscheidung des anderen Mitgliedstaates bei einer Parallelbewertung nach deutschem Rechtsverständnis eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit betrifft, bedarf es nicht. Führt die Prüfung der beiderseitigen Sanktionierbarkeit zu dem Ergebnis, dass die der Entscheidung zugrunde liegende Tat nach deutschem Recht nicht sanktionierbar wäre, ist die Vollstreckung als unzulässig abzulehnen, sofern nicht die Voraussetzungen von § 87b Absatz 1 Satz 2 IRG-E erfüllt sind.

Bei der Prüfung der Frage der beiderseitigen Sanktionierbarkeit ist zu beachten, dass mit der Umsetzung des Rahmenbeschlusses die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in viel häufigerer Weise erfolgen wird als das bisher der Fall war. Zwar ist nach dem Vierten Teil auch bislang die Vollstreckung ausländischer Geldstrafen und Geldbußen möglich. Allerdings dürfte der Hauptanwendungsbereich bei der Vollstreckung ausländischer Freiheitsstrafen liegen, die meist auf ausdrückliches Betreiben und mit Einverständnis des Betroffenen anerkannt wurden. Die Vollstreckung von Geldbußen und Geldstrafen nach dem RbGeld stellt aber auch in dieser Sicht eine völlig neue Entwicklung dar, die in den Fällen, in denen eine Katalogtat im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 RbGeld nicht vorliegt, eine sorgfältige Prüfung der beiderseitigen Sanktionierbarkeit nach sich zieht. Dies gilt beispielsweise in den Fällen der Verhängung von Bußgeldern bei Deliktstatbeständen, die in einigen Mitgliedstaaten dann vorgesehen sind, wenn der Halter eines Fahrzeugs keine Auskunft über den Fahrer eines Fahrzeugs gibt, mit dem ein Straßenverkehrsverstoß begangen worden ist. In diesen Fällen ist von der Bewilligungsbehörde genau zu prüfen ob das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten auch nach deutschem Recht sanktionierbar wäre.

§ 87b Absatz 1 Satz 2 IRG-E setzt Artikel 5 Absatz 1 RbGeld um, indem die innerstaatliche Vorschrift durch statischen Verweis auf die im Rahmenbeschluss normierte Liste vorschreibt, dass die beiderseitige Sanktionierbarkeit bei den in Artikel 5 Absatz 1 RbGeld genannten Deliktsgruppen nicht zu prüfen ist. Zur Entstehungsgeschichte der Listenlösung und ihrer Berechtigung in einem sich zunehmend fortentwickelnden Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird auf die Begründung des EuHbG (BT-Drs. 015/1718, S. 17 f.) verwiesen.

Nach Artikel 5 Absatz 1 RbGeld ist die beiderseitige Sanktionierbarkeit nicht zu prüfen, wenn eine der folgenden, nach dem Recht des ersuchenden Staates sanktionierten und entsprechend definierten Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten) vorliegt:

Die Bezeichnungen folgen nicht den deutschen strafrechtlichen Definitionen. Entscheidend für die Zuordnung zu einer Listentat ist die Definition durch den ersuchenden Mitgliedstaat.

Im Regelfall wird sich diese Zuordnung zweifelsfrei aus der Bescheinigung gemäß dem im Anhang zum RbGeld abgedruckten Formblatt ergeben (Rubrik g) 3.). Nur wenn die Bescheinigung insoweit unvollständig ist oder in diesem Punkt offensichtlich nicht der Entscheidung entspricht, kommt der Ablehnungsgrund gemäß § 87b Absatz 3

Nummer 1 IRG-E zum Tragen. Treten bei der Prüfung Zweifelsfragen hinsichtlich der Zugehörigkeit der dem Ersuchen zugrunde liegenden Straftat oder Verwaltungsübertretung zu den Listendelikten aus Artikel 5 Absatz 1 RbGeld auf, wird regelmäßig der ersuchende Staat zu konsultieren sein.

Wie im EuHbG wird auch hier die Liste nicht in den Gesetzeswortlaut aufgenommen und stattdessen statisch auf den RbGeld verwiesen. Eine Abbildung der Liste soll in den RiVASt erfolgen. Der Rat der Europäischen Union hat nach Artikel 5 Absatz 2 RbGeld die Möglichkeit, diese Liste im Zuge fortschreitender Harmonisierungsarbeiten jederzeit zu erweitern oder zu ändern. Jede Änderung müsste, da im IRG statisch und nicht dynamisch verwiesen wird, in das deutsche Recht durch ein neues Gesetz eingefügt werden.

Bei den 39 Straftaten und Verwaltungsübertretungen (Ordnungswidrigkeiten) in der Liste nach Artikel 5 Absatz 1 RbGeld handelt es sich um die bereits im RbEuHb und im Rahmenbeschluss zur Sicherstellung von Beweismitteln aufgeführten 32 Gruppen in der identischen Reihenfolge und um sieben zusätzliche Kategorien. Besondere Bedeutung für die Praxis dürfte dem 33. Anstrich der Liste zukommen ("gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßende Verhaltensweise, einschließlich Verstößen gegen Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten und des Gefahrgutrechts"). Hierzu hat Deutschland folgende Erklärung abgegeben: "Als entsprechende Zuwiderhandlungen werden nur Verstöße gegen Verkehrsregeln und Regelungen zum Schutz von Verkehrsanlagen angesehen, nicht hingegen allgemeine Straftatbestände oder Verstöße gegen allgemeine Ordnungsvorschriften. Als den Straßenverkehr regelnde Vorschriften sind insoweit nur solche zu verstehen, deren Schutzzweck die Sicherheit des Straßenverkehrs oder der Erhalt der Verkehrsanlagen ist."

Der Wortlaut von Artikel 5 Absatz 1 dreiunddreißigster Anstrich RbGeld lässt es zu, den Anwendungsbereich von dem Schutzzweck abhängig zu machen, wie er in der zitierten Erklärung Niederschlag findet. Nimmt die Praxis an, dass eine bestimmte Verhaltensweise nicht unter die in der Bescheinigung markierte Gruppe im dreiunddreißigsten Anstrich fällt und ist dies entscheidungserheblich, wird zunächst angesichts eines möglichen Ablehnungsgrundes nach § 87b Absatz 3 Nummer 1 IRG-E ein Konsultationsverfahren ausgelöst, wie es Artikel 7 Absatz 3 RbGeld für diesen Ablehnungsgrund vorsieht.

Auch die in Artikel 5 Absatz 1 letzter Anstrich RbGeld geregelte Gruppe könnte in der Praxis Fragen aufwerfen. Zunächst ist festzuhalten, dass die Beschränkung auf "Straftatbestände, die vom Entscheidungsstaat festgelegt wurden", in der deutschen Sprachfassung des RbGeld nicht als Ausschluss von Verwaltungsunrecht oder, nach deutschem Rechtsverständnis, von Ordnungswidrigkeiten zu verstehen ist. Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Ungenauigkeit. Denn an dieser und an den anderen im Zusammenhang mit der beiderseitigen Sanktionierbarkeit wesentlichen Stellen findet sich in der maßgeblichen englischen Sprachfassung der Oberbegriff "offences". Daher stellt es keinen Widerspruch dar, wenn der zu vollstreckenden Entscheidung nach dem Recht des ersuchenden Staates eine Verwaltungsübertretung unterhalb der Schwelle strafbaren Unrechts zugrunde liegt und die im letzten Anstrich von Artikel 5 Absatz 1 RbGeld genannte Gruppe herangezogen wird. Die Rechtsgrundlagen ergeben sich aus der Bescheinigung (Rubrik g) 2. und g) 3. am Ende). Es ist konkret anzugeben, welche Bestimmungen der im Rahmen des EG-Vertrages oder des EU-Vertrages erlassenen Rechtsakte durch welche innerstaatlichen gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt wurden, auf deren Grundlage wiederum die zu vollstreckende Entscheidung ergangen ist. Denkbar erschiene beispielsweise eine Anwendung im Bereich der Umsetzung der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 (Abl. Nr. L 18/1 vom 21.1.1997 - sog. Entsenderichtlinie). Falls der ersuchende Mitgliedstaat einer Verpflichtung nach Maßgabe des letzten Anstrichs in Artikel 5 Absatz 1 RbGeld nachgekommen sein sollte, Deutschland aber noch nicht, erwachsen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.

Denn die Listenlösung zielt gerade darauf ab, dass es letztlich nicht auf die Rechtslage im ersuchten Mitgliedstaat ankommt.

b) Zu Absatz 2

Mit dieser Vorschrift werden Artikel 9 Absatz 2 RbGeld und Artikel 15 Absatz 3 RbGeld umgesetzt. Die Tatsache, dass der dem Betroffenen im ersuchenden Mitgliedstaat auferlegte Geldbetrag gezahlt oder beigetrieben worden ist, führt insoweit zwingend zur Ablehnung des Ersuchens als unzulässig. Hat der Betroffene einen Teil bereits gezahlt, so ist der Betrag anzurechnen (§ 87f Absatz 2 Satz 1 IRG-E in Verbindung mit § 54 Absatz 4 IRG), die Vollstreckung im Übrigen aber zulässig.

c) Zu Absatz 3

§ 87b Absatz 3 IRG-E enthält acht in jedem Verfahrensstadium zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Darin werden im RbGeld geregelte fakultative Verweigerungsgründe als obligatorische Zulässigkeitshindernisse ausgestaltet. Ist einer der Tatbestände nach Nummer 1 bis Nummer 8 erfüllt, muss die Vollstreckung der Geldsanktion als unzulässig abgelehnt werden. Neben den nachstehenden besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen im Bereich der Vollstreckung von ausländischen Geldsanktionen kann gemäß Artikel 20 Absatz 3 RbGeld die Vollstreckung auch abgelehnt werden, wenn dies mit den in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union enthaltenen Grundsätzen in Widerspruch steht. Im deutschen Recht ergibt sich dies aus dem in § 73 Satz 2 IRG zum Ausdruck kommenden ordre public-Vorbehalt.

In Nummer 1 wird die Regelung in Artikel 7 Absatz 1 zweite und dritte Variante RbGeld umgesetzt. Offensichtlich entspricht eine Bescheinigung der zugrunde liegenden Entscheidung dann nicht, wenn für jeden Sachkundigen ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass die Bescheinigung fehlerhaft ist. Das Bundesamt für Justiz ist in diesem Stadium nicht verpflichtet, zur Prüfung eines Widerspruches eine Übersetzung der Entscheidung anfertigen zu lassen.

Nach Nummer 2 ist die Vollstreckung bei Unterschreiten der 70-Euro-Grenze oder des Gegenwertes in einer anderen Währung unzulässig. Damit wird die auf die Vermeidung von Bagatellen ausgerichtete Vorschrift in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe h RbGeld umgesetzt.

Gemäß § 87 Absatz 3 IRG-E sind hierunter sowohl der Geldbetrag wegen einer strafbaren Handlung als auch die neben einer Sanktion auferlegten Kosten des Verfahrens zu rechnen. Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens sind solche zu berücksichtigen, die unmittelbar mit der Sanktion auferlegt werden. Die Regelung zur Umrechnung lehnt sich an § 54 Absatz 2 IRG an.

Nummer 3, mit der Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe g Ziffer i RbGeld umgesetzt wird, sieht eine obligatorische Ablehnung vor, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat ein schriftliches Verfahren stattgefunden hat und darin die Informationspflicht im Hinblick auf ein Rechtsmittel verletzt worden ist.

Die im Rahmenbeschluss gewählte Formulierung "schriftliches Verfahren" setzt ein Verfahren voraus bei dem dem Betroffenen die ihm vorgeworfene Handlung durch die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates vorher schriftlich bekannt gegeben worden ist.

Sofern die Bekanntgabe durch Übersendung eines Schreibens in einen ausländischen Aufenthaltsstaat erfolgt, ist durch den Entscheidungsstaat die Vorschrift des Artikels 5 EU-Rechtshilfeübereinkommen vom 29. Mai 2000 (BGBl. II 2005 S. 651) zu beachten. Nach Artikel 5 Absatz 3 EU-Rechtshilfeübereinkommen ist eine Verfahrensurkunde ihrem wesentlichen Inhalt nach in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaates zu übersetzen wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist. Soweit Mitgliedstaaten dem EU-Rechtshilfeübereinkommen noch nicht beigetreten sind, ist zu prüfen, ob der weitgehend inhaltsgleiche Artikel 52 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) zur Anwendung kommt. Sollte dem im Inland sich aufhaltenden Betroffenen die Entscheidung nicht oder unter Missachtung der oben genannten rechtshilferechtlichen Vorschriften bekannt gegeben worden sein, erwächst hieraus ein Ablehnungsgrund entsprechend § 87b Absatz 3 Nummer 3 IRG-E. Es fehlt in diesem Fall an einer wirksamen Bekanntgabe des Tatvorwurfs, so dass von einem vorhergehenden "schriftlichen Verfahren" nicht ausgegangen werden kann.

Zugleich wird auch deutlich, dass ein Recht zur Anfechtung und die Notwendigkeit der Belehrung hierüber vorausgesetzt werden. Anzuerkennen ist lediglich, innerhalb welcher Fristen und in welcher Weise die Belehrung nach dem Recht des ersuchenden Staates zu erfolgen hat.

Nummer 4 setzt Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe g Ziffer ii RbGeld um. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, in dem - in Abgrenzung zu Nummer 3 - eine Entscheidung in Abwesenheit des Betroffenen getroffen worden ist. Eine in einem solchen Verfahren getroffene Entscheidung kann jedoch nur dann vollstreckt werden, wenn der Betroffenen nicht nur über das Verfahren informiert wurde, sondern er auch die Möglichkeit hatte, sich in einem Termin zu dem Vorwurf zu äußern.

Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Ablehnungsgrund nach Nummer 3 oder 4 vorliegt, sind die in der Bescheinigung entsprechend dem Formblatt nach § 87a Nummer 2 IRG-E gemachten Angaben.

Die ne bis in idem-Regelung in Nummer 5 dient der Umsetzung von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld.

Die Anknüpfung in der ersten Variante von Nummer 5 an eine Entscheidung, die im Inland ergangen ist, verweist auf den Entscheidungsbegriff des § 9 Nummer 1 IRG. Dabei wird der Begriff "Geltungsbereich dieses Gesetzes" durch den einfacheren Begriff "Inland" ersetzt.

Die entsprechende Terminologie findet sich in anderen Regelungen des Entwurfs, die aus Sicht des ersuchten Mitgliedstaats Deutschland an den Inlandsbegriff anknüpfen.

Die Ablehnung der Vollstreckung nach der ersten Variante von Nummer 5 setzt voraus, dass die inländische Entscheidung wegen einer Tat ergangen ist, die nach Maßgabe der §§ 3 ff. StGB, des § 5 OWiG oder landesrechtlicher Vorschriften als Inlands- oder Auslandstat auch der deutschen Sanktionierungsbefugnis unterliegt. Nur dann konnte im Inland überhaupt eine Sachentscheidung ergehen. Nicht unter Nummer 5 fällt daher eine inländische Entscheidung, nach der die Tat nicht sanktioniert wurde, weil es an der deutschen Gerichtsbarkeit fehlte. Nummer 5 erfasst im Sinne der in § 9 Nummer 1 IRG anzutreffenden Begrifflichkeit alle qualifizierten Verfahrensbeendigungen im Inland durch ein Gericht oder eine Behörde in den Bereichen des Strafrechts oder des Ordnungswidrigkeitenrechts.

Die in Deutschland ergangene Entscheidung muss angesichts des klaren Wortlauts von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld bei Eingang der Entscheidung des anderen Mitgliedstaates bereits vorliegen. Andernfalls ergäben sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten zu anderen Ablehnungsgründen. Ist die Voraussetzung einer qualifizierten Verfahrensbeendigung nicht erfüllt - etwa bei einer Entscheidung nach § 170 Absatz 2 StPO, kein Verfahren zu führen - und ist eine Ablehnung nach § 87b Absatz 3 Nummer 5 IRG-E daher ausgeschlossen, so bedarf es bei Inlandstaten immer noch der Prüfung des zwingenden Zulässigkeitshindernisses nach § 87b Absatz 3 Nummer 8 IRG-E oder des Bewilligungshindernisses nach § 87d Nummer 1 IRG-E. Die Regelung in § 87b Absatz 3

Nummer 5 IRG-E zweite Variante betrifft Entscheidungen, die in einem anderen Staat - ohne Beschränkung auf die EU-Mitgliedstaaten - als dem ersuchenden Staat und zugleich nicht im Inland getroffen wurden. Hier setzt eine Ablehnung nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld zusätzlich voraus, dass die im Drittstaat ergangene Entscheidung bereits vollstreckt worden ist. Dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Regelung in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld nach muss es sich um eine rechtskräftige Entscheidung im Drittstaat gegen den Betroffenen handeln.

Die Regelung in Nummer 6, mit der Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe c RbGeld umgesetzt wird und die sich an § 9 Nummer 2 IRG anlehnt, schreibt die Ablehnung der Vollstreckung vor wenn die der Entscheidung des anderen Mitgliedstaates zugrunde liegende Tat nach

Maßgabe der §§ 3 ff. StGB, des § 5 OWiG oder landesrechtlicher Vorschriften auch der deutschen Sanktionierungsbefugnis unterliegt und außerdem nach deutschem Recht Vollstreckungsverjährung eingetreten ist.

Nummer 7 transferiert den Regelungsgehalt von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe f RbGeld in das innerstaatliche Recht und schreibt die Ablehnung der Vollstreckung vor, wenn es nach deutschem Recht altersbedingt an der Schuldfähigkeit oder Verantwortlichkeit des Betroffenen zur Zeit der Tat fehlt. Die erforderliche Prüfung nach innerstaatlichem Recht knüpft nicht an die Frage an, ob die Tat nach deutschem Recht den Tatbestand einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit erfüllen würde. Gegen Kinder ( § 19 StGB, § 12 Absatz 1 Satz 1 OWiG) darf nicht vollstreckt werden und gegen Jugendliche nur, wenn die Verantwortungsreife bejaht wird ( § 3 Satz 1 JGG in Verbindung mit § 12 Absatz 1 Satz 2 OWiG).

Mit Nummer 8 wird die Territorialitätsklausel des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe d Ziffer i RbGeld umgesetzt: Danach ist die Vollstreckung unzulässig, wenn die der Entscheidung des anderen Mitgliedstaates zugrunde liegende Tat ganz oder zum Teil im Inland oder an einem der nach § 4 StGB und § 5 OWiG gleichgestellten Orte begangen worden ist und (kumulativ) die in Frage stehende Handlung nach deutschem Recht nicht als Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgbar ist. In dieser Konstellation genügt es nicht, die im Rahmenbeschluss eröffnete Verweigerungsmöglichkeit als Ermessensnorm in Form eines Bewilligungshindernisses auszugestalten. Denn wenn eine Tat im Inland oder an einem gleichgestellten Ort begangen wurde und zugleich für diese Tat keine Strafe oder Geldbuße hätte verhängt werden können, kommen dem Vertrauen des im Inland handelnden Betroffenen in die eigene Rechtsordnung und seinem Interesse an einer Nichtverfolgung ein so großes Gewicht zu, dass das behördliche Ermessen auf Null reduziert wird. Die Vollstreckung ist daher auch dann zwingend als unzulässig abzulehnen, wenn die ersuchende Behörde angibt, dass die dem Betroffenen vorgeworfene Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates eine der in Artikel 5 Absatz 1 RbGeld genannten Straftaten oder Verwaltungsübertretungen verwirklicht.

9. Zu § 87c IRG-E - Vorbereitung der Entscheidung über die Bewilligung

Wenn die nach § 87a IRG-E erforderlichen Unterlagen vorliegen, prüft auf dieser Grundlage das Bundesamt für Justiz vorab, ob die Vollstreckung abzulehnen ist. § 87c Absatz 2 IRG-E gibt eine Prüffolge vor.

Besteht eines der in § 87b IRG-E geregelten Zulässigkeitshindernisse oder würde eine Vollstreckung gemäß § 73 Satz 2 IRG gegen den europäischen ordre public verstoßen, muss das Bundesamt die Vollstreckung - gegebenenfalls nach Konsultation der zuständigen Behörde im ersuchenden Mitgliedstaat - als unzulässig ablehnen. Es genügt, die ablehnende das Verfahren beendende Entscheidung gegenüber der zuständigen Behörde des ersuchenden Mitgliedstaates mitzuteilen (vgl. Artikel 14 RbGeld). Eine vorherige Anhörung kann in diesem Fall unterbleiben. Entsprechend verfährt das Bundesamt für Justiz, wenn es ein Bewilligungshindernis nach § 87d Absatz 2 IRG-E geltend macht.

Schließlich entfällt eine Vorbereitung der Bewilligungsentscheidung auch dann, wenn das Bundesamt nach § 87i Absatz 1 IRG-E gehalten ist, eine Umwandlung einer Entscheidung durch das Gericht zu beantragen, weil die im anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung gegen einen der dort genannten Betroffenen gerichtet ist oder zur Vollstreckung einer dort aufgeführten, im deutschen Recht nicht bekannten Geldsanktion übermittelt wurde im Falle des § 87c Absatz 2 Nummer 3 IRG-E erhält der Betroffene rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren nach Maßgabe der § 87g Absatz 3 Satz 2, § 87i IRG-E.

Wenn die Voraussetzungen des § 87c Absatz 2 IRG-E nicht vorliegen, erhält der Betroffene nach Maßgabe von § 87c Absatz 1 IRG-E fristgebunden rechtliches Gehör und wird über das weitere Verfahren belehrt. Diese Belehrung umfasst auch die das Bundesamt für Justiz treffende Antragspflicht gemäß § 87i Absatz 1 IRG-E. Denn es besteht durchaus die Möglichkeit, dass das Bundesamt erst in einem späteren Verfahrensstadium einen Antrag nach § 87i Absatz 1 IRG-E stellt. So kann die Behörde das Vorliegen einer Fallgruppe nach dieser Vorschrift irrtümlich übersehen oder zunächst aufgrund einer Fehlinformation seitens des ersuchenden Mitgliedstaates zu Unrecht verneint haben. Dass eine der in § 87i Absatz 1 IRG-E geregelten Fallgruppen vorliegt, kann sich auch erst aus der Stellungnahme des insoweit belehrten Betroffenen ergeben.

Zahlt der Betroffene, ist das Verfahren zu beenden.

10. Zu § 87d IRG-E - Grundsätzliche Pflicht zur Bewilligung; Bewilligungshindernisse

Einleitend wird eine grundsätzliche Pflicht zur Bewilligung eines zulässigen Ersuchens um Vollstreckung einer Geldsanktion geregelt. Das Europäische Geldsanktionsgesetz orientiert sich damit an Vorschriften für den EU-Auslieferungs- und Durchlieferungsverkehr (§ 79 Absatz 1 Satz 1 IRG).

Im Folgenden werden drei Bewilligungshindernisse normiert, bei denen es in das Ermessen der Bewilligungsbehörde gestellt ist, ob die Vollstreckung abgelehnt wird. Die Bewilligungsbehörde entscheidet im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei der Ermessensentscheidung, keine Bewilligungshindernisse geltend zu machen, hat die Behörde alle Umstände des Einzelfalles angemessen zu berücksichtigen.

§ 87d Absatz 1 Nummer 1 IRG-E setzt die Territorialitätsklausel in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe d Ziffer i RbGeld insoweit um, als die der Entscheidung des anderen Mitgliedstaates zugrunde liegende Tat ganz oder zum Teil im Inland oder an einem gleich gestellten Ort begangen wurde und es zudem - anders als in der in § 87b Absatz 3 Nummer 8 IRG-E geregelten Konstellation - nicht an der beiderseitigen Sanktionierbarkeit fehlt. Das Bundesamt für Justiz lässt demnach bei der Ermessensausübung die Prüfung einfließen, ob die konkrete Tat als Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann und soll. Es geht also um Taten, die in Deutschland verfolgbar sind.

Nach Maßgabe von noch in den RiVASt zu treffenden Regelungen wird das Bundesamt für Justiz verpflichtet, sich mit der für den Inlandstatort zuständigen Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde ins Benehmen zu setzen. Diese Behörde prüft, ob die konkrete Tat verfolgbar ist und gegebenenfalls verfolgt werden soll.

Bei der Prüfung, ob die Tat im Inland verfolgt werden kann, sind neben den §§ 3 ff. StGB und § 5 OWiG vor allem Artikel 54 und 55 SDÜ zu beachten. Nach Artikel 54 SDÜ, dessen Anwendungsbereich vom Europäischen Gerichtshof weit ausgelegt wurde, darf ein durch eine andere Vertragspartei Verurteilter wegen derselben Tat in Deutschland u. a. dann nicht mehr verfolgt werden, wenn die verhängte Sanktion - wie dies bei einem vorliegenden Vollstreckungshilfeersuchen nach Maßgabe des RbGeld anzunehmen ist - gerade vollstreckt wird. Zwar gilt zu dem Grundsatz des Artikels 54 SDÜ insoweit eine Ausnahme, als Deutschland bei der Ratifikation des SDÜ u. a. von der nach Artikel 55

Buchstabe a Halbsatz 1 SDÜ vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, zu erklären, dass es dann nicht nach Artikel 54 SDÜ gebunden ist, wenn die dem ausländischen Urteil zugrunde liegende Tat zumindest teilweise im Inland begangen wurde. Diese Beschränkung greift nach Artikel 55 Buchstabe a Halbsatz 2 SDÜ jedoch dann nicht, wenn die Tat, was der Regelfall sein wird, teilweise im Gebiet der aburteilenden Vertragspartei begangen wurde.

Daraus folgt, dass eine Verfolgung in Deutschland dann, wenn die Tat auch in dem Mitgliedstaat begangen wurde, in dem die Sanktion verhängt wurde und der nunmehr um Vollstreckung der Strafe in Deutschland ersucht, unzulässig ist, solange die Bemühungen des anderen Mitgliedstaates um Vollstreckung seiner Sanktion als ein "gerade vollstreckt werden" im Sinne des § 54 SDÜ anzusehen sind. Sieht man diese Vollstreckungsbemühungen des anderen Mitgliedstaates nach einer Ablehnung des Vollstreckungshilfeersuchens durch das Bundesamt für Justiz als gescheitert an, wäre danach allerdings eine Strafverfolgung in Deutschland (wieder) zulässig. Sie würde erst dann wieder unzulässig, wenn der im Ausland Verurteilte die dortige Strafe bezahlen oder der andere Mitgliedstaat andere konkrete Vollstreckungsbemühungen (z.B. in im Ausland belegenes Vermögen des Verurteilten) entfalten würde.

Ergibt sich nach der dargelegten Prüfung, dass die Tat noch im Inland verfolgt werden könnte hat die zuständige Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde zu prüfen, ob die Tat auch verfolgt werden soll. Bei dieser Prüfung sollte die Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde soweit möglich den dem RbGeld zugrunde liegenden Leitgedanken der gegenseitigen Anerkennung berücksichtigen und der Bewilligung der Vollstreckung durch das Bundesamt für Justiz zustimmen, was dann im Erfolgsfall eine dauerhafte Unzulässigkeit der Verfolgung in Deutschland zur Folge hätte. Ausnahmen davon können insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die im anderen Staat verhängte Sanktion nach hiesigem Rechtsverständnis völlig unangemessen ist, bei der Entscheidung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt wurden oder der Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt wurde (Letzteres wird vor allem dann zu berücksichtigen sein wenn im Fall der Vollstreckung der ausländischen Entscheidung ein Strafklageverbrauch für möglicherweise weitaus schwerwiegendere im Inland begangene Taten droht). Bei der Prüfung dieser Frage wird regelmäßig auch von Bedeutung sein, ob die wesentlichen Teile der nach § 9 StGB bzw. § 7 OWiG zu bestimmenden Handlungs- und Erfolgsorte auf deutschem oder ausländischem Staatsgebiet lagen.

Falls das Bundesamt für Justiz von dem Ablehnungsgrund nach § 87d Absatz 1 Nummer 1 IRG-E Gebrauch macht und die Behörde im ersuchenden Mitgliedstaat entsprechend informiert geht die Vollstreckungsberechtigung gemäß Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld wieder auf diesen über. Der in Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld geregelte Ausnahmefall des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld liegt nicht vor, denn eine etwaige Entscheidung in Deutschland erginge erst später und wäre auch nicht der Grund für die Ablehnung. Während des deutschen Verfahrens oder auch im Anschluss an eine bereits vollstreckte Entscheidung in Deutschland kann dann die Situation eintreten, dass der andere Mitgliedstaat, der ursprünglich um Vollstreckung ersucht hat, seinerseits - etwa in dort belegenes Vermögen des Betroffenen - vollstreckt. Daran wird der andere Mitgliedstaat nicht gehindert sein, sofern nicht aus seiner Sicht Artikel 54 SDÜ oder eine im Verhältnis zu Deutschland geltende ne bis in idem-Regelung der dortigen Vollstreckung entgegensteht.

Die Vorschrift des § 87d Absatz 1 Nummer 2 IRG-E, mit der Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe d Ziffer ii RbGeld umgesetzt wird, trifft eine Regelung für den folgenden Fall, bei dem drei Staaten involviert sind: Die Bewilligungsbehörde kann eine Vollstreckung in Deutschland ablehnen wenn der Betroffene in einem dritten Staat gehandelt hat und wenn eine derartige Auslandstat nach deutschem Recht nicht straf- oder bußgeldbewehrt ist. Die konkrete Tat darf nach deutschem Recht nicht verfolgbar sein; dabei sind die §§ 4 bis 7 StGB und § 5 OWiG zu prüfen. Bei der Ermessensausübung wird zu berücksichtigen sein, ob wegen der Tat, die der Entscheidung des anderen Mitgliedstaates zugrunde liegt, bereits eine Entscheidung im Drittstaat ergangen ist, die noch nicht vollstreckt wurde. Ist diese Entscheidung des Drittstaates schon vollstreckt, folgt aus § 87b Absatz 3 Nummer 5 IRG-E die Unzulässigkeit des Vollstreckungshilfeersuchens. In der beschriebenen Dreieckskonstellation wird regelmäßig eine Ablehnung nach § 87d Absatz 1 Nummer 2 IRG-E nahe liegen.

§ 87d Absatz 2 IRG-E eröffnet die Möglichkeit, Ersuchen zurückzuweisen, die mit dem Schuldprinzip unvereinbar sind. Die Vorschrift ergänzt die Möglichkeit zur Zurückweisung des Vollstreckungsersuchens wegen Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs, wie es beispielsweise in § 87b Absatz 3 Nummer 3 IRG-E zum Ausdruck kommt. Das Schuldprinzip stellt einen wesentlichen Grundsatz des Straf- und Bußgeldverfahrens dar; seine Missachtung steht der Vollstreckbarkeit ausländischer Ersuchen in Deutschland entgegen (vgl. BVerfG, Urteil vom 30.06.2009 - 2 BvE 2/08, Rz. 364). Solche ausländischen Entscheidungen sollen nicht vollstreckt werden, in denen der Betroffene sanktioniert wird, obgleich er für die der Sanktion zugrunde liegende Rechtsgutverletzung nicht verantwortlich ist. An der Verantwortlichkeit kann es fehlen, weil dem Betroffenen ein schuldhaftes Verhalten eines Dritten im Wege der Fiktion oder gesetzlichen Vermutung zugerechnet wird oder weil er in einer bloßen rechtlichen Nähebeziehung zu einer Sache steht, von der eine Gefährdung ausgeht ohne dass ihn in diesen Fällen zugleich ein eigenes Verschulden für die eingetretene Rechtsgutverletzung trifft. Dies gilt insbesondere in den Fällen der sogenannten Halterhaftung im Straßenverkehr, in denen der Betroffene allein deswegen für Verkehrsverstöße haftet, weil er Halter des Fahrzeugs ist, mit dem der Verstoß begangen wurde. Die Vorschrift hat aber darüber hinaus auch einen Anwendungsbereich außerhalb des Straßenverkehrsrechts und ist daher notwendigerweise entsprechend allgemein und offen gefasst.

Überprüfbar durch die Bewilligungsbehörde ist in diesen Fällen, ob die Entscheidung ungeachtet des Einwands des Betroffenen ergeht, er sei für die der Entscheidung zugrunde liegende Handlung nicht verantwortlich gewesen. Dagegen überprüft sie nicht den der ausländischen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, insbesondere also nicht, ob der Einwand des Betroffenen, er sei nicht Fahrer gewesen, zutreffend ist. Dies ist mit dem dem Rahmenbeschluss zugrunde liegenden Prinzip der gegenseitigen Anerkennung justizieller Entscheidungen nicht vereinbar und würde zudem dem Grundsatz widersprechen, nach dem im Vollstreckungsverfahren eine erneute Tatverdachtsprüfung nicht stattfindet.

Um eine ausreichende Flexibilität in der Handhabung zu ermöglichen, ist dieser Ablehnungsgrund als fakultatives Bewilligungshindernis ausgestaltet worden. Trägt der Betroffene vor, sein im Rahmen des Erkenntnisverfahrens geäußerter Einwand, für das vorgeworfene Verhalten nicht verantwortlich zu sein, habe keine Berücksichtigung gefunden, und beabsichtigt die Bewilligungsbehörde das Ersuchen nicht zu bewilligen, leitet sie vor einer Entscheidung das nach Artikel 7 Absatz 3 RbGeld vorgesehene Verfahren ein.

11. Zu § 87e IRG-E - Beistand

Die auf das klassische (vorgelagerte) gerichtliche Exequaturverfahren ausgerichtete Regelung des § 53 IRG ist sinngemäß im gesamten Verfahren auf der Grundlage des Europäischen Geldsanktionsgesetzes anzuwenden, also auch im Bewilligungsverfahren. Allein der Umstand, dass es sich um die grenzüberschreitende Vollstreckung von Geldstrafen oder -bußen handelt, dürfte jedoch in der Regel noch kein Anlass für eine Beiordnung eines Beistandes im Sinne von § 53 Absatz 2 Nummer 1 IRG sein.

12. Zu § 87f IRG-E - Bewilligung der Vollstreckung

Nach Ablauf der zwei Wochen, in denen der Betroffene Gelegenheit zur Äußerung hatte (§ 87c Absatz 1 Satz 2), entscheidet das Bundesamt für Justiz - gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer Stellungnahme seitens des Betroffenen und nach Beteiligung einer deutschen Behörde - über die Vollstreckung (§ 87f Absatz 1 IRG-E). Es bestehen mehrere Entscheidungsvarianten. Falls das Bundesamt die Unzulässigkeit der Vollstreckung bejaht oder ein Bewilligungshindernis geltend macht, ist die Vollstreckung abzulehnen, was keiner näheren gesetzlichen Regelung bedurfte. Eine Erstattung von Kosten des Betroffenen (bspw. Kosten eines Rechtsanwaltes) erfolgt nicht. Nimmt das Bundesamt an, dass eine der Fallgruppen nach § 87i Absatz 1 IRG-E einschlägig ist, muss es eine gerichtliche Entscheidung beantragen.

§ 87f Absatz 2 Satz 1 IRG-E erklärt § 54 Absatz 2 und 4 IRG für entsprechend anwendbar.

Dies gilt zunächst für die in Artikel 8 Absatz 2 RbGeld vorgesehene Umwandlung in die Euro-Währung (§ 54 Absatz 2 IRG). Die - ggf. auch nachträgliche - Anrechnung eines bereits vollstreckten Teils der Sanktion hat gemäß § 54 Absatz 4 IRG zu erfolgen. Eine bereits vollständige Zahlung bzw. Beitreibung der Sanktion führt hingegen gemäß § 87b Absatz 2 IRG-E zur Unzulässigkeit des Ersuchens. Soweit eine Zahlung oder Beitreibung erst nach der Bewilligungsentscheidung bekannt wurde oder soweit der Betroffene zwischenzeitlich im Hinblick auf die gegen ihn verhängte Geldsanktion an den ersuchenden Mitgliedstaat geleistet hat oder in irgendeiner Form leisten ließ, besteht für den Betroffenen die Möglichkeit, Einspruch gegen die Bewilligungsentscheidung einzulegen (§ 87h Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 IRG-E in Verbindung mit § 87f Absatz 2 Satz 1 IRG-E und § 54 Absatz 4 Satz 2 IRG).

§ 87f Absatz 2 Satz 2 IRG-E sieht in Umsetzung von Artikel 8 Absatz 1 RbGeld eine Begrenzung auf das nach deutschem Recht für Handlungen derselben Art vorgesehene

Höchstmaß vor, wenn es sich aus Sicht des ersuchenden Mitgliedstaates um eine im Ausland begangene Tat handelte, für die zudem die deutsche Gerichtsbarkeit begründet sein muss. Die Verpflichtung zur Herabsetzung besteht auch, wenn sich die konkrete Tat aus der Perspektive des Bundesamts für Justiz als eine reine Inlandstat darstellt, aber kein Bewilligungshindernis nach § 87d Absatz 1 Nummer 1 IRG-E geltend gemacht wurde.

Darüber hinaus sind keine Begrenzungen der im anderen Mitgliedstaat festgesetzten Höhe nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts vorgesehen. Dies entspricht der Regelung in Artikel 8 Absatz 1 RbGeld, der Ausdruck des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung justizieller Entscheidungen ist. Derjenige, der in einer anderen Rechtsordnung eines EU-Mitgliedstaates handelt, muss damit rechnen, auch dort zur Verantwortung gezogen zu werden. Begeht etwa ein in Deutschland lebender Betroffener in einem anderen Mitgliedstaat eine Verkehrsordnungswidrigkeit, so muss er sich von diesem Mitgliedstaat behandeln lassen wie jeder andere einheimische Verkehrsteilnehmer auch. Hier liegt eine notwendige Kehrseite der Mobilität und Freizügigkeit, wie sie im EU-Raum in Anspruch genommen werden. Wenn es auf der Hand liegt, dass eine Geldsanktion schlechterdings unerträglich hoch ist, steht der Praxis mit § 73 Satz 2 IRG ein geeignetes Korrektiv zur Verfügung

§ 87f Absatz 3 IRG-E enthält Begründungs- und Hinweispflichten, die im Falle einer Bewilligung der Vollstreckung zu beachten sind. Durch die Begründungspflicht wird eine gerichtliche Überprüfung ermöglicht. Die Regelungen zu Hinweispflichten und zur Zahlungsaufforderung orientieren sich an § 66 Absatz 2 OWiG.

§ 87f Absatz 4 IRG-E trifft in Anlehnung an § 67 Absatz 1 OWiG förmliche Regelungen zum Einspruch, den der Betroffene gegen eine Bewilligung einlegen kann. Die entsprechende Geltung der §§ 42 bis 47 StPO über Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird ergänzend zur Regelung in § 77 IRG, wonach diese Vorschriften sinngemäß gelten zur Klarstellung aufgenommen. Damit wird auch dem Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit nach Maßgabe des § 87h Absatz 2 Satz 2 IRG-E Rechnung getragen.

13. Zu § 87g IRG-E - Gerichtliches Verfahren

a) Zu Absatz 1

In Satz 1 wird der Zugang zu den nachgelagerten Rechtsschutz gewährenden ordentlichen Gerichten gewährleistet. Nach Satz 2 obliegt dem nach Absatz 2 zuständigen Amtsgericht die Entscheidung über einen vom Betroffenen eingelegten Einspruch, wenn die Bewilligungsbehörde dem Einspruch nicht abgeholfen hat. Die dem Bundesamt für Justiz zugesprochene Abhilfebefugnis dient der Verfahrensökonomie und ist dem in vergleichbaren Fallgestaltungen geltenden Verfahrensrecht (z.B. § 172 StPO in Verbindung mit Nummer 105 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren; §§ 306 Absatz 2, 311 Absatz 3 Satz 2 StPO) nicht fremd. Das Amtsgericht entscheidet ferner gemäß Satz 3 über einen Antrag der Bewilligungsbehörde auf Umwandlung, wenn eine der in § 87i Absatz 1 IRG-E bestimmten Fallgruppen vorliegt. Satz 4 dient der Verdeutlichung: Die Entscheidung über einen Antrag nach § 87i Absatz 1 Nummer 1 IRG-E obliegt dem Jugendrichter. Das Gleiche gilt, wenn eine Geldsanktion im Sinne des § 87 Absatz 2 Nummer 3 und 4 IRG-E - Geldbuße oder Verwaltungsstrafe - gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden vollstreckt werden soll und hiergegen Einspruch eingelegt wurde.

In Satz 5 wird von der Regelung in § 50 Satz 2 IRG abgewichen, wonach die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht die Entscheidung vorbereitet. Es ist sachgerecht, im Bereich des Europäischen Geldsanktionsgesetzes diese Aufgabe dem Bundesamt für Justiz zu überantworten, das mit dem Vorgang bereits befasst war.

Für die Zuständigkeit der Amtsgerichte spricht die Sachkompetenz im Bereich von Massenverfahren mit Geldsanktionen. Zwar sind im Übrigen die Landgerichte für Entscheidungen über die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Erkenntnisses zuständig (§ 50 Satz 1 IRG). Diese Verfahren konzentrieren sich aber in der Praxis auf die Vollstreckung von freiheitsentziehenden Maßnahmen.

b) Zu Absatz 2

Die Regelung der örtlichen Zuständigkeit orientiert sich an § 51 Absatz 1 und 2 IRG und greift zugleich Zuständigkeitskriterien in Artikel 4 Absatz 1 RbGeld auf. Vorgegeben wird eine Prüfabfolge, die zunächst zwischen natürlichen und juristischen Personen differenziert.

Bei einer natürlichen Person richtet sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz, hilfsweise nach dem gewöhnlichen Aufenthalt und wiederum hilfsweise nach dem letzten Wohnsitz. Bei einer juristischen Person ist deren Sitz maßgeblich. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Eingangs des Einspruchs im Falle des § 87h IRG-E oder der Befassung des Gerichts in den Fällen einer Umwandlungsentscheidung nach § 87i IRG-E. Absatz 2 Satz 5 und 6 legt die für natürliche und juristische Personen geltende Prüfreihenfolge von Auffangzuständigkeiten fest, wenn keine Zuständigkeit nach Absatz 2 Satz 1 bis 4 festgestellt werden kann. Eine Nachbildung der Regelung in § 51 Absatz 3 IRG ist nicht erforderlich, weil diese eine vorläufige Zuständigkeit bestimmt, die den Besonderheiten der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßnahmen Rechnung trägt.

In Absatz 2 Satz 7 wird klargestellt, dass es den Landesregierungen unbenommen bleibt, nach Maßgabe von § 58 Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes konzentrierte amtsgerichtliche Zuständigkeiten vorzusehen.

c) Zu Absatz 3

Satz 1 schreibt für alle Varianten eines gerichtlichen Verfahrens vor, dass der Betroffene eine Abschrift einer Übersetzung der Entscheidung dann erhalten soll, wenn dies zur Ausübung seiner Rechte erforderlich ist. Dies kann insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn die Entscheidung in einer Sprache abgefasst ist, derer der Betroffene kundig ist oder es hierauf wegen geltend gemachter Fehler im Bewilligungsverfahren nicht ankommt.

Eine solche Übersetzung ist durch das Gericht zu veranlassen. Ist bereits seitens des Bundesamts im vorangegangenen Verfahren eine Übersetzung zu den Akten genommen worden ist dem Betroffenen eine Abschrift dieser Übersetzung zuzustellen. Die mit der Fertigung der Übersetzung verbundenen Auslagen sind Teil der Kosten des gerichtlichen Verfahrens und können nach Maßgabe der gerichtlichen Kostenentscheidung gemäß den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) gegen den Betroffenen geltend gemacht werden. Die in Satz 2 geregelte Zustellung der Unterlagen, die nach § 87a IRG-E zwingend vorliegen müssen, damit überhaupt ein innerstaatliches Verfahren in Gang gesetzt werden darf, wird im Regelfall in einem Antragsverfahren nach § 87i Absatz 1 IRG-E erforderlich sein, es sei denn, es ist bereits eine Zustellung durch das Bundesamt nach § 87c Absatz 1 IRG-E erfolgt, weil nicht sogleich eine Überleitung in das gerichtliche Verfahren stattgefunden hat. Im Fall eines Antrages nach § 87i Absatz 1 IRG-E ist dem Betroffenen zudem eine Abschrift der gemäß § 87i Absatz 2 IRG-E getroffenen Entscheidung des Bundesamts zuzustellen, keine Bewilligungshindernisse geltend zu machen.

Mit der Zustellung der in Absatz 3 Satz 2 genannten Unterlagen soll der Betroffene durch eine Fristsetzung zugleich darauf aufmerksam gemacht werden, dass nach Ablauf dieser Frist eine Entscheidung des Gerichts ergehen kann.

d) Zu Absatz 4

In Satz 1 werden die verfahrensrechtlichen Regelungen des Exequaturverfahrens in § 52 Absatz 1 IRG über die Beibringung ergänzender Unterlagen für entsprechend anwendbar erklärt. Durch die in Satz 1 normierte Maßgabe findet Berücksichtigung, dass das Gericht in den durch das Europäische Geldsanktionsgesetz eingeführten Verfahrensvarianten nicht nur die Zulässigkeit überprüft, sondern auch die behördliche Entscheidung, kein Bewilligungshindernis geltend zu machen.

Satz 2 entspricht § 30 Absatz 1 Satz 2 IRG und sieht die Möglichkeit einer Fristsetzung gegenüber dem ersuchenden Staat für die Beibringung weiterer Unterlagen vor.

Satz 3 legt fest, dass die vom Gericht getroffenen Entscheidungen durch das Bundesamt für Justiz ausgeführt werden. Dies folgt bereits aus Artikel 4 Absatz 3 Satz 3 RbGeld, nach dem der Geschäftsverkehr zwischen ersuchendem und Vollstreckungsstaat unmittelbar durch die für zuständig erklärten nationalen Behörden erfolgen soll.

Nach Satz 4, der sich an § 30 Absatz 2 Satz 2 IRG anlehnt, erstreckt sich die Beweiserhebung auf die drei in § 87h Absatz 3 Satz 1 IRG-E genannten Tatbestände. Über die Prüfung der Zulässigkeit hinaus, die für den vertragslosen Bereich in § 52 Absatz 2 Satz 1 IRG mit Verweis auf § 30 Absatz 2 Satz 2 IRG geregelt ist, kann das Gericht auch Beweise über die Ermessensausübung seitens der Behörde und über die Umwandlung einer nach § 87f Absatz 2 IRG-E anzupassenden Geldsanktion erheben.

Satz 5 erklärt in Anlehnung an die Regelungstechnik in § 52 Absatz 2 IRG diejenigen Verfahrensregelungen im Auslieferungsbereich für entsprechend anwendbar, die sich ohne Weiteres auf den Vollstreckungshilfeverkehr übertragen lassen. Danach bestimmt das Gericht Art und Umfang der Beweisaufnahme, ohne durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein. Das Gericht kann eine mündliche Verhandlung anberaumen.

In der mündlichen Verhandlung, über die ein Protokoll aufzunehmen ist, sind die anwesenden Beteiligten zu hören.

Satz 6 orientiert sich an § 52 Absatz 2 Satz 2 IRG, der auf die Vorschriften der §§ 30 ff. IRG verweist. Getroffen werden Regelungen über die Vernehmung und Vorführung für den Fall, dass sich der Betroffene in Haft befindet. Ein Verweis auf § 31 Absatz 3 IRG, nach dem das Gericht das persönliche Erscheinen anordnen kann, ist nicht erforderlich, da hier über einen Rechtsbehelf des Betroffenen zu entscheiden ist.

Satz 7 (Benachrichtigungspflicht) trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht wie im Exequaturverfahren nach §§ 48 ff. IRG die Staatsanwaltschaft, sondern die Bewilligungsbehörde und damit das Bundesamt für Justiz mit dem Vorgang befasst war und die gerichtliche Entscheidung nach § 87g Absatz 1 Satz 5 IRG-E vorbereitet hat.

In Satz 8 wird im Unterschied zu § 31 Absatz 1 Satz 1 IRG, der in § 52 Absatz 2 Satz 1 IRG für entsprechend anwendbar erklärt wird, keine Anwesenheitspflicht der Bewilligungsbehörde normiert. Gegen eine solche Pflicht sprechen bereits die denkbaren räumlichen Distanzen zu dem Dienstsitz des Bundesamts für Justiz. Statt einer Anwesenheitspflicht sieht die Regelung in Anlehnung an § 75 Absatz 1 OWiG lediglich vor, dass das Gericht die Bewilligungsbehörde darauf hinweist, wenn es deren Anwesenheit im konkreten Einzelfall für angemessen hält.

14. Zu § 87h IRG-E - Gerichtliche Entscheidung nach Einspruch

a) Zu Absatz 1 und 2

Absatz 1 bestimmt für das vom Betroffenen angestrengte, nachgeordnete gerichtliche Verfahren die Entscheidungsform (Beschluss). Absatz 2 Satz 1 orientiert sich an § 70 Absatz 1 OWiG. Der Ausschluss einer Anfechtungsmöglichkeit in Satz 2 dient der Vereinfachung und Beschleunigung eines Verfahrens, das von einer grundsätzlichen Anerkennung und Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung ausgeht.

b) Zu Absatz 3

Das Gericht prüft nach Satz 1 neben den Zulässigkeitsvoraussetzungen auch, ob die Bewilligungsbehörde ihr Ermessen nach § 87d IRG-E fehlerfrei ausgeübt hat. Der gerichtlichen Prüfung unterliegt zudem die Frage, ob eine Geldsanktion nach § 87f Absatz 2 IRGE fehlerfrei angepasst worden ist. Durch die Verwendung des Wortes "soweit" wird klargestellt, dass der Einspruch teilweise unbegründet sein kann. Das Gericht überprüft hier im Unterschied zum Exequaturverfahren nach §§ 48 ff. IRG eine bereits ergangene behördliche Entscheidung und weist den Einspruch - gegebenenfalls teilweise - als unbegründet zurück.

Wie die Entscheidungsformel bei einer - auch teilweisen - Begründetheit des Einspruchs wegen Unzulässigkeit oder Ermessensfehlern lautet, folgt aus Satz 2.

Eine eigenständige Umwandlungsentscheidung ist nach Satz 3 nur bei einem Fehler im Zusammenhang mit einer Anpassung nach § 87f Absatz 2 IRG-E zu treffen. Satz 4 bestimmt für alle Entscheidungsvarianten, dass sich die konkrete Höhe der zu vollstreckenden Geldsanktion aus dem Tenor ergeben muss, soweit von der Bewilligungsentscheidung abgewichen wird. Ohne eine solche Abweichung folgen die für die Vollstreckung maßgeblichen Angaben aus der Bewilligungsentscheidung gemäß § 87f Absatz 3 Satz 1 IRG-E.

Wie im Exequaturverfahren nach §§ 48 ff. IRG bedarf es keiner Bestimmung, wonach der Beschluss zu begründen und dem Betroffenen - wegen der Anfechtungsmöglichkeit nach § 87j IRG-E mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen - zuzustellen ist. Dies folgt aus § 86 IRG-E, § 77 Absatz 1 IRG, wonach die entsprechenden Verfahrensregelungen der StPO und des OWiG sinngemäß gelten.

Auch die Kostenentscheidung folgt gemäß § 86 IRG-E, § 77 IRG den allgemeinen Grundsätzen. Da es sich bei dem Verfahren nach § 87h IRG-E um ein Rechtsbehelfsverfahren handelt das im Wesentlichen dem Einspruchsverfahren nach dem OWiG nachgebildet ist ist hinsichtlich der Kostenentscheidung auch auf die dortigen Regelungen zurückzugreifen.

Im gerichtlichen Bußgeldverfahren finden grundsätzlich über § 46 Absatz 1 OWiG die Kostenvorschriften der StPO (§§ 464 ff.) und des JGG (§ 74) entsprechende Anwendung. In den Fällen, in denen der Antrag unzulässig ist, weil der Betroffene die Voraussetzungen des § 87f Absatz 4 IRG-E nicht beachtet hat oder er ohne genügende Entschuldigung zur Hauptverhandlung (§ 86 Absatz 1, § 77 IRG in Verbindung mit § 73 OWiG) nicht erschienen ist, kommt eine Auferlegung der Kosten gemäß § 109 Absatz 2 OWiG in Betracht. In sonstigen Fällen des "Unterliegens" des Betroffenen im Einspruchsverfahren richtet sich die Kostentragung nach den entsprechend anzuwendenden Normen der StPO ( § 46 Absatz 1 OWiG in Verbindung mit § 465 Absatz 1 StPO). Entsprechend ist für einen erfolgreichen Einspruch auf § 467 StPO Bezug zu nehmen.

c) Zu Absatz 4

Aufgrund des Verweises auf § 77b OWiG kann das Gericht von einer Begründung in den dort genannten Fällen absehen.

15. Zu § 87i IRG-E - Gerichtliche Entscheidung auf Antrag der Bewilligungsbehörde; Bewilligung

a) Zu Absatz 1

Geregelt wird eine Antragspflicht der Bewilligungsbehörde (also des Bundesamts für Justiz), wenn sich die Entscheidung gegen einen bestimmten Kreis von Betroffenen richtet oder in der Entscheidung eine Geldsanktion verhängt wurde, die das deutsche Recht nicht kennt. Klargestellt wird, dass die Behörde vorab das Vorliegen von Zulässigkeitshindernissen zu prüfen hat; auf die Ausführungen zu § 87c IRG-E wird Bezug genommen.

Was unter einem Jugendlichen oder Heranwachsenden (Nummer 1) zu verstehen ist, folgt aus § 1 JGG. Eine Umwandlung ausländischer Sanktionen gegen Jugendliche oder Heranwachsende kommt jedoch nur in Betracht, wenn es sich um die Vollstreckung von Geldstrafen im Sinne des § 87 Absatz 2 Nummer 1 und 2 IRG-E handelt. Soweit um Vollstreckung einer Sanktion ersucht wird, die nach dem Recht des Mitgliedstaates als Ordnungswidrigkeit oder Verwaltungsunrecht geahndet wird (§ 87 Absatz 2 Nummer 3 und 4 IRG-E), ist ein von den allgemeinen Grundsätzen abweichendes Sonderrecht für Jugendliche und Heranwachsende nicht notwendig. In diesen Fällen wird daher keine Umwandlungsentscheidung getroffen. Vielmehr wird die Geldsanktion ebenso wie bei Erwachsenen durch das Bundesamt für Justiz vollstreckt. Über einen Einspruch entscheidet gemäß § 68 Absatz 2 OWiG der Jugendrichter (vgl. § 87g Absatz 1 Satz 4 IRG-E). Um deren jugendgemäße Vollstreckung zu ermöglichen, kann der Jugendrichter diese im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens auf Antrag des Bundesamts für Justiz gemäß § 86 IRG-E, § 77 IRG in Verbindung mit § 98 OWiG in eine erzieherische Maßnahme umwandeln.

Danach kann an Stelle einer Geldbuße beispielsweise eine Arbeitsauflage oder eine Auflage zur Schadenswiedergutmachung erteilt werden.

Nach Artikel 9 Absatz 3 RbGeld können Geldsanktionen auch dann gegen juristische Personen vollstreckt werden, wenn der Grundsatz der strafrechtlichen Verantwortlichkeit juristischer Personen im Vollstreckungsstaat nicht anerkannt ist. Gegen welche nicht natürlichen Personen letztlich in Deutschland vollstreckt werden darf, wird im Umsetzungsgesetz nicht in Anlehnung an die gesetzliche Regelung in § 30 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 3 OWiG bestimmt. Diese Vorschrift benennt neben juristischen Personen diejenigen nach der gesetzlichen Wertung gleichgestellten Personenvereinigungen, gegen die ebenfalls eine Geldbuße festgesetzt werden kann. Bezug nehmend auf das gemeinschaftsrechtliche Verständnis des Begriffs der juristischen Person, kann gegen alle juristischen Personen vollstreckt werden, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. Eine Rechtsfähigkeit der juristischen Person ausschließlich nach deutschem Recht ist darüber hinaus nicht erforderlich.

b) Zu Absatz 2

Die Einleitung eines Antragsverfahrens setzt voraus, dass die Bewilligungsbehörde gemäß § 87d IRG-E ein Bewilligungshindernis verneint. Eine entsprechende Erklärung ist in den Antrag aufzunehmen. Die Begründungspflicht gemäß Satz 2, der § 79 Absatz 2 Satz 2 IRG nachgebildet ist, wird der Behörde auferlegt, weil nur so eine gerichtliche Überprüfung möglich ist.

c) Zu Absatz 3

Bei der Entscheidung auf Antrag der Bewilligungsbehörde orientiert sich der Entwurf in Absatz 3 grundsätzlich an der Struktur des § 54 Absatz 1 IRG. Der gerichtlichen Prüfung unterliegen die Zulässigkeit und die Fehlerfreiheit der Ermessensausübung im Hinblick auf Bewilligungshindernisse; ferner beschränkt sich das Gericht nicht auf die Erklärung der Vollstreckbarkeit, sondern trifft zugleich eine Umwandlungsentscheidung.

Absatz 3 Satz 2 regelt den Grundsatz, dass die im anderen Mitgliedstaat verhängte Geldsanktion in die ihr im deutschen Recht am meisten entsprechende Sanktion umzuwandeln ist. Insoweit wird auf die Regelung in § 54 Absatz 1 Satz 2 IRG zurückgegriffen. In bestimmten häufiger auftretenden Fallkonstellationen wird sich im Laufe der Zeit eine Praxis herausbilden. Es liegt beispielsweise nahe, dass eine gegen eine juristische Person verhängte Geldstrafe nach dem in § 30 OWiG verankerten Rechtsgedanken in eine Geldbuße umgewandelt wird. Bei einer Opferentschädigung oder einer Verpflichtung zur Zahlung eines Geldbetrages an eine öffentliche Kasse oder eine Organisation zur Unterstützung von Opfern (§ 87 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 und 4 IRG-E) ist es denkbar, auf die der Entscheidung zugrunde liegende Tat abzustellen und dann abhängig von einer Parallelbewertung nach deutschem Recht eine Umwandlung in eine Geldstrafe oder Geldbuße vorzunehmen. Absatz 3 Satz 3 schreibt vor, dass die Regelungen über die Umwandlung der Höhe der Geldsanktion in § 87f Absatz 2 IRG-E entsprechend anwendbar sind.

d) Zu Absatz 4

Bei der Umwandlung einer Entscheidung, die gegen einen Jugendlichen oder einen Heranwachsenden ergangen ist, macht der Entwurf in Absatz 4 Vorgaben, die durch die besondere Schutzwürdigkeit dieser Betroffenen begründet sind. Zuständig ist der Jugendrichter (§ 87g Absatz 1 Satz 4 IRG-E, § 34 Absatz 1, § 107 JGG). Im Hinblick auf Jugendliche und gemäß § 105 Absatz 1 JGG nach Jugendstrafrecht zu behandelnde Heranwachsende sieht Satz 1 die Umwandlung einer strafrechtlichen Sanktion im Sinne des § 87 Absatz 2 Nummer 1 und 2 IRG-E in eine Sanktion nach den Vorgaben des Jugendgerichtsgesetzes vor. In der Regel wird in dieser Fallkonstellation eine Umwandlung in eine Auflage nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4, Absatz 2 JGG in Betracht kommen (Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung), weil das Jugendgerichtsgesetz eine Geldstrafe nicht kennt. Satz 2 schreibt für den Fall, dass bei einem Heranwachsenden das Jugendgerichtsgesetz nicht zur Anwendung kommt, da im Sinne von § 105 JGG reifebedingte Verzögerungen nicht erkennbar sind oder es sich bei der Tat nicht um eine typische Jugendverfehlung handelt, die Umwandlung der Sanktion in eine Geldstrafe vor. Im Ergebnis ist hier der Heranwachsende wie ein Erwachsener zu behandeln, dem Jugendrichter obliegt jedoch zuvor die Prüfung der Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht.

e) Zu Absatz 5

Absatz 5 regelt in Anlehnung an § 54 Absatz 1 IRG Form und Tenor der Vollstreckbarkeitsentscheidung.

Die Pflicht des Gerichts zur Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus den §§ 86 IRG-E, 77 IRG in Verbindung mit § 464 Absatz 1 und 2 StPO.

f) Zu Absatz 6

Die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestimmt zwingend den Umfang der Bewilligung der Vollstreckung. Im Unterschied zu dem System des Vierten Teils besteht für die Bewilligungsbehörde kein Spielraum für eine Abweichung von einer positiven Entscheidung des Gerichts für eine Vollstreckung. Diese ist zu bewilligen; eine Anfechtungsmöglichkeit besteht nicht. Der Inhalt der Bewilligung wird in den Sätzen 3 und 4 geregelt.

16. Zu § 87j IRG-E - Rechtsbeschwerde

a) Zu Absatz 1

Als Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist die Rechtsbeschwerde statthaft die der Zulassung bedarf. Die Regelungen orientieren sich im Wesentlichen an den §§ 79, 80 und 80a OWiG. Allerdings sieht das Umsetzungsgesetz im Unterschied zu den OWiG-Regelungen zunächst keine Wertgrenze vor. Diese Entscheidung ist dem Umstand geschuldet dass es angesichts des juristischen Neulands, das mit der gegenseitigen Anerkennung von Sanktionsentscheidungen betreten wird, auch im Bereich von in anderen Mitgliedstaaten verhängten Geldsanktionen zwischen 70 Euro und den im OWiG normierten Wertgrenzen geboten erscheint, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu fördern.

b) Zu Absatz 2 und Absatz 3

Die Regelungen lehnen sich an § 79 Absatz 3 und 4 OWiG an. Dies betrifft die Anforderungen an die Begründung, Form und Frist des Beschwerdeantrags (§§ 337, 338, 341, 344, 345 Absatz 1 StPO), die Vertretung durch einen Verteidiger (§ 345 Absatz 2 StPO), die Entscheidung über die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde durch das Amtsgericht (§ 346 StPO) sowie das Verfahren (§ 347 ff. StPO).

§ 87j Absatz 1 Satz 3 IRG-E regelt die Rolle der Generalstaatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht im Rechtsbeschwerdeverfahren. Diese hat die Akten dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vorlegen und zu dem Antrag der Rechtsbeschwerde Stellung zu beziehen. Es steht ihr frei, der Rechtsbeschwerde beizutreten oder im Falle der Einlegung durch die Bewilligungsbehörde deren Verwerfung zu beantragen. Die Vorlage- und Vorbereitungspflicht bezieht sich nicht nur auf das Rechtsbeschwerde-, sondern auch auf das Zulassungsverfahren. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 87k Absatz 2 Satz 1 IRG-E. Diese Regelung ist angezeigt, da das Rechtsmittelverfahren abweichend vom Verfahren nach dem OWiG gestaltet ist. Dort wird die Akte nach Eingang der Rechtsbeschwerde über die bereits im Einspruchsverfahren beteiligte Staatsanwaltschaft durch die Generalstaatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zugeleitet. Das Verfahren nach dem Europäischen Geldsanktionsgesetz sieht jedoch eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft im amtsgerichtlichen Verfahren nicht vor. Eine Beteiligung der Generalstaatsanwaltschaft an dem Rechtsbeschwerdeverfahren ist jedoch zweckmäßig. Bei den in diesem Verfahrensstadium zu erörternden, meist schwierigen Rechtsfragen ist eine Beratung und Unterstützung des Beschwerdegerichts durch eine auch sonst mit Rechtshilfefragen betraute Instanz angebracht. Im Übrigen gewährleistet die Vorbereitung des Verfahrens durch die Generalstaatsanwaltschaft die effiziente und zügige Erledigung der Rechtsbeschwerdeanträge und führt zu einer Entlastung der zuständigen Senate des Oberlandesgerichts.

c) Zu Absatz 4

Die Entscheidung erfolgt in Beschlussform. Hinsichtlich der Kosten der Rechtsbeschwerde ist über die Verweisung auf § 86 IRG-E, § 77 IRG eine Entscheidung nach den kostenrechtlichen Vorschriften der StPO (§§ 464 ff. StPO) zu treffen.

d) Zu Absatz 5 und Absatz 6

Absatz 5 ist § 79 Absatz 6 OWiG nachgebildet. Absatz 6 entspricht § 55 Absatz 2 Satz 2 IRG. Durch die Verweisung auf § 42 IRG wird gewährleistet, dass zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder zur Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Bereich der EU-weiten grenzüberschreitenden Vollstreckung von Geldsanktionen eine höchstrichterliche Entscheidung eingeholt werden kann. Der Bundesgerichtshof entscheidet auf Antrag des Oberlandesgerichts, der Generalstaatsanwaltschaft oder der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht.

17. Zu § 87k IRG-E - Zulassung der Rechtsbeschwerde

Absatz 1 ist § 80 Absatz 1 OWiG nachgebildet. Die Bestimmungen in den Absätzen 2, 3 und 4 orientieren sich an § 80 Absatz 3, 4 und 5 OWiG.

18. Zu § 87l IRG-E - Besetzung der Senate der Oberlandesgerichte

Zuständig zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist ein Senat beim Oberlandesgericht.

Der Senat ist regelmäßig mit einem Richter besetzt. Nur in den in Absatz 3 genannten Fällen entscheidet der Senat in einer Besetzung mit drei Richtern.

19. Zu § 87m IRG-E - Verbot der Doppelverfolgung; Mitteilung an das Bundeszentralregister

In Absatz 1 wird der Grundsatz ne bis in idem für innerstaatliche Verfahren verankert. Die Vorschrift entspricht der Regelung in § 56 Absatz 3 IRG. Veranlassung, § 56 Absatz 3 IRG und § 87m Absatz 1 IRG-E an die innerstaatliche Rechtslage anzupassen, wonach unter den Voraussetzungen von § 84 Absatz 1 OWiG eine Ordnungswidrigkeit als Straftat nachträglich verfolgt werden kann, besteht nicht. Die Regelung in § 87m Absatz 1 IRG-E trägt dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung Rechnung. Auch wird durch die das Bundesamt für Justiz im Vorfeld der Bewilligungsentscheidung treffende Beteiligungspflicht bei einem möglichen Inlandsbezug der Tat - auf die Begründung zu § 87d Nummer 1 IRG-E wird verwiesen - gewährleistet, dass rechtzeitig eine innerstaatliche Verfolgung geprüft wird.

Absatz 2 Satz 1 verpflichtet zu Mitteilungen an das Bundeszentralregister, sofern die Vollstreckung von strafrechtlichen Sanktionen im Sine von § 87 Absatz 2 Nummer 1 und 2 IRG-E bewilligt oder abgelehnt worden ist. Die Mitteilung soll dem Bundeszentralregister die Prüfung einer Eintragung ermöglichen. Eine Mitteilungspflicht besteht nicht, wenn eine Entscheidung für vollstreckbar erklärt wurde, in der nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates lediglich Verwaltungsunrecht und kein strafbares Verhalten sanktioniert worden ist. Auf eine Bewertung nach deutschem Recht kommt es nicht an. Die Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn der ersuchende Mitgliedstaat im Rahmen des Strafnachrichtenaustauschs innerhalb der Europäischen Union etwa gemäß Artikel 22 des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl. II 1964 S. 1386) oder zukünftig nach der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates vom 26. April 2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten (Abl. L 93 vom 7. April 2009, S. 23) sowie des Beschlusses 2009/316/JI des Rates vom 6. April 2009 zur Einrichtung des Europäischen Strafregisterinformationssystems (ECRIS) gemäß Artikel 11 des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI (Abl. L 93 vom 7. April 2009, S. 33) das Bundeszentralregister tatsächlich regelmäßig über strafrechtliche Verurteilungen Deutscher benachrichtigt. Da strafrechtliche Verurteilungen durch einen anderen Mitgliedstaat von Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, dem Bundeszentralregister regelmäßig nicht mitgeteilt, aber in das Bundeszentralregister eingetragen werden, wenn der Verurteilte in der Bundesrepublik Deutschland geboren oder wohnhaft ist, ist die Mitteilung über die Bewilligung an das Bundeszentralregister in der Regel erforderlich.

Die Regelung in § 55 Absatz 3 Satz 3 IRG, in der die Frage der Eintragung der Entscheidung über die Vollstreckbarkeit geregelt ist wird nicht für entsprechend anwendbar erklärt da die Vollstreckung der Geldstrafen in einem deutschen Strafurteil nicht in das Bundeszentralregister eingetragen wird.. Einer § 55 Absatz 3 Satz 4 IRG entsprechenden Regelung bedurfte es nicht, weil es in den §§ 12 bis 16 BZRG, auf die in § 55 Absatz 3 Satz 4 IRG im Zuge der Bereinigung eines redaktionellen Fehlers durch das Europäische Geldsanktionsgesetz (Artikel 1 Nummer 3 des Gesetzentwurfs) nunmehr richtigerweise verwiesen wird, um Eintragungstatbestände geht, die für die Umsetzung des RbGeld ohne Relevanz sind.

20. Zu § 87n IRG-E - Vollstreckung

a) Zu Absatz 1

Absatz 1 regelt, dass die Bewilligungsbehörde, also das Bundesamt für Justiz, zugleich als Vollstreckungsbehörde fungiert, wenn kein Gericht tätig geworden ist. Kam es hingegen im Verlauf des Verfahrens zu einer gerichtlichen Entscheidung nach Einspruch des Betroffenen oder auf Antrag der Bewilligungsbehörde, so obliegt die Vollstreckung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht, in dessen Bezirk das zuständige Amtsgericht liegt. Richtet sich die Vollstreckung gegen einen Betroffenen, der ganz oder teilweise mit seinem Einspruch unterlegen ist, wäre es mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden die Vollstreckung wieder dem Bundesamt für Justiz zu überantworten. Im Übrigen korreliert die dezentrale Vollstreckung in diesen Fällen mit dem Geldzufluss an das jeweilige Land nach Maßgabe von Absatz 6 Satz 3. Dass im Anschluss an eine gerichtliche Entscheidung auf Antrag des Bundesamts in einem Zwischenschritt eine Bewilligungsentscheidung nach § 87i Absatz 6 IRG-E ergehen muss, bevor dann durch die jeweilige Staatsanwaltschaft vollstreckt werden kann, fällt nicht ins Gewicht, weil dieser Verfahrensablauf nur ausnahmsweise eintreten wird. Im Übrigen gilt auch hier, dass es sachgerecht ist wenn in dem jeweiligen Land vollstreckt wird, in das nach Absatz 6 Satz 3 der Erlös aus der Vollstreckung fließt. Soweit in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 nach Umwandlung gemäß Absatz 4 eine jugendstrafrechtliche Sanktion zu vollstrecken ist, ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig.

b) Zu Absatz 2

In Absatz 2 wird das bei der Vollstreckung anzuwendende Recht bestimmt. § 87n Absatz 2 IRG-E nimmt Bezug auf Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts und der Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO). Es wird dabei nicht nach der Art der zu vollstreckenden Sanktion unterschieden, wie es bei der Vollstreckung inländischer Geldsanktionen der Fall wäre.

Satz 1 ermöglicht auch, zur Durchsetzung der Vollstreckung gemäß § 96 OWiG Erzwingungshaft zu verhängen. Die Erzwingungshaft im Sinne von § 96 OWiG ist ein Beugemittel und hat deshalb keinen Strafcharakter wie die Ersatzfreiheitsstrafe (vgl. BVerfG, NJW 1977, S. 293). Der Vollzug der Erzwingungshaft befreit daher auch nicht von der Zahlungspflicht (vgl. Göhler, Kommentar zum OWiG, § 96, Rz. 1). Daher handelt es sich hierbei auch nicht um eine in Artikel 10 RbGeld genannte Ersatzfreiheitsstrafe, deren Anordnung von dem ersuchenden Staat gesondert zugelassen werden muss, sondern um eine entsprechend Artikel 9 Absatz 1 RbGeld vorgesehene Maßnahme zur Vollstreckung von Geldsanktionen.

Bei der Festlegung der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des über die Einwendungen entscheidenden Gerichts kann nicht auf die Regelung des § 104 Absatz 1 OWiG zurückgegriffen werden da weder Nummer 1 (Amtsgericht am Sitz der Bußgeldstelle) noch Nummer 2 (Gericht des ersten Rechtszugs bei gerichtlichen Bußgeldentscheidungen) sinngemäß für anwendbar erklärt werden kann. Das Bundesamt für Justiz ist nicht die die Geldsanktion erlassende Bußgeldstelle. Sofern ein Gericht die Geldsanktion erlassen hat, hat dieses seinen Sitz im Ausland. Es ist daher in Satz 2 eine eigene Zuständigkeitsregelung vorgesehen. Diese soll sich jedoch an das System des OWiG anlehnen, nach dem zwischen den auf Grundlage von § 103 Absatz 1 OWiG vorgebrachten Einwendungen und Rechtsbehelfen nach der ZPO differenziert wird. Entscheidungen über Einwendungen gemäß § 87n Absatz 2 Satz 1 IRG-E in Verbindung mit § 103 Absatz 1 Nummer 2 OWiG werden gemäß Satz 2 bei dem Amtsgericht am Sitz der Vollstreckungsbehörde erlassen.

Die Zuständigkeitsregelung nach Satz 2 gilt dann nicht, wenn sich darüber hinausgehende Rechtsbehelfe aufgrund der nach der JBeitrO (§ 6 JBeitrO) für anwendbar erklärten Vorschriften der ZPO ergeben. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit richtet sich in diesen Fällen nach den einschlägigen Vorschriften der ZPO.

Hinsichtlich der Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen im Rahmen der Zwangsvollstreckung ist zu differenzieren. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung müssen nach dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Verfahren bereits im Einspruchsverfahren gemäß der § 87f Absatz 4 und § 87g IRG-E geltend gemacht werden. Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung betreffen die sich aus der Zivilprozessordnung (ZPO) ergebende Rechtsbehelfe, auf die nach § 6 Absatz 1 Justizbeitreibungsordnung verwiesen wird. Eine gesonderte Erwähnung ist daher nicht notwendig. Es bleiben die auf Grundlage von § 103 Absatz 1 Nummer 2 OWiG genannten Einwendungen, die - mit Ausnahme von § 99 Absatz 2 OWiG (Vollstreckung von Verfallsanordnungen) - auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens vorgebracht werden können.

Nicht erfasst werden von der Zuständigkeitsregelung außerdem Einwendungen gegen Entscheidungen nach § 87n Absatz 2 Satz 1 IRG-E in Verbindung mit §§ 96, 97 Absatz 3 Satz 2 OWiG. Hierbei handelt es sich nicht um Maßnahmen als Vollstreckungsbehörde, sondern um gerichtliche Entscheidungen, die gemäß § 87n Absatz 2 Satz 1 IRG-E in Verbindung mit § 104 Absatz 3 OWiG, § 311 StPO mit der sofortigen Beschwerde anzufechten sind.

Soweit Geldsanktionen, denen eine ausländische Geldbuße zugrunde liegt gegen Jugendliche vollstreckt werden, erfolgt die Vollstreckung ebenfalls durch die Bewilligungsbehörde.

Nach der Verweisung in Satz 3 ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig wenn nach dem Gesetz ( § 98 OWiG) eine gerichtliche Anordnung zu treffen ist.

Bei Einwendungen gegen dessen Anordnungen ist aufgrund des Verweises auf § 83 Absatz 2 JGG die Jugendkammer zuständig.

Nach Satz 5 findet § 87n Absatz 2 jedoch dann keine Anwendung, soweit es sich um die Vollstreckung von strafrechtlichen Entscheidungen gemäß § 87 Absatz 2 Nummer 1 und 2 IRG-E gegen Jugendliche und Heranwachsende handelt, die nach § 87i Absatz 4 Satz 1 und 2 IRG-E in eine - nicht freiheitsentziehende - Sanktion nach dem Jugendgerichtsgesetz umgewandelt werden. Hier richtet sich die Vollstreckung nach den §§ 86, 77 IRG nach den entsprechenden Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes.

c) Zu Absatz 3

§ 87i Absatz 4 IRG-E verweist bei der Vollstreckung von Geldstrafen im Sinne von § 87 Absatz 2 Nummer 1 und 2 IRG-E gegen Jugendliche und Heranwachsende auf die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes. Dieses sieht in § 13 Absatz 2 Nummer 3 (als Zuchtmittel) bzw. §§ 11 Absatz 3, 15 Absatz 3 Satz 2 (als Beugemaßnahme) die Möglichkeit vor Arrest zu verhängen. Das gleiche gilt gemäß § 98 Absatz 2 OWiG, wenn anstelle einer Geldbuße eine Auflage verhängt worden ist. Nach § 96 OWiG kann schließlich das Gericht im Rahmen der Vollstreckung Erzwingungshaft verhängen. Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Jugendlichen und Heranwachsenden soll jedoch im Rahmen der Vollstreckung ausländischer Geldsanktionen auf die Möglichkeit der Verhängung von freiheitsentziehenden Beugemaßnahmen verzichtet werden. Um bei Umwandlung in eine nach dem JGG zulässige Sanktion nach § 87i Absatz 4 IRG-E den Ausschluss einer freiheitsentziehenden Maßnahme sicherzustellen, schreibt § 87n Absatz 3 IRG-E vor, dass freiheitsentziehende Maßnahmen gegen Jugendliche und Heranwachsende nicht angeordnet werden können. Das gleiche gilt im Rahmen der Vollstreckung von Geldbußen.

d) Zu Absatz 4

Durch den Verweis auf § 57 Absatz 6 IRG regelt Absatz 4 abstrakt, dass von der Vollstreckung abzusehen ist, wenn nach Mitteilung des ersuchenden Mitgliedstaates ein Beendigungstatbestand vorliegt. Damit wird zugleich die Gewährung von Amnestie oder Begnadigung durch den ersuchenden Mitgliedstaat nach Artikel 11 Absatz 2 RbGeld erfasst.

e) Zu Absatz 5

Absatz 5 trifft Regelungen zum Erlös aus der Vollstreckung. Wohin der Erlös fließt, hängt grundsätzlich davon ab, ob es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, sei es nach Einspruch des Betroffenen oder auf Antrag der Bewilligungsbehörde. Ist das nicht der Fall, fließt der Erlös der Vollstreckung nach Satz 1 in die Bundeskasse. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass das Bundesamt für Justiz als zentrale Bewilligungs- und Vollstreckungsbehörde bei eingehenden Ersuchen tätig wird. Anders ist die Sachlage zu beurteilen wenn ein Gericht durch Einspruch des Betroffenen oder in einem der in § 87i IRG-E vorgesehenen Fälle auf Antrag des Bundesamts für Justiz mit einem nach Maßgabe des RbGeld übersandten Vollstreckungshilfefall befasst wird (Satz 2). Hier ist es sachgerecht, den Erlös der Vollstreckung der Kasse des Landes zukommen zu lassen, in dem das zuständige Amtsgericht seinen Sitz hat (Satz 3). Für den Geldzufluss in das jeweilige Land ist es irrelevant, ob ein Rechtsbeschwerdeverfahren durchgeführt wird. Dass das Bundesamt für Justiz nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens gegebenenfalls als Vollstreckungsbehörde und in Fällen des § 87i Absatz 6 IRG-E als Bewilligungsbehörde tätig wird, ändert hieran nichts. Einzelheiten sollen in den RiVASt geregelt werden.

Von diesen Grundsätzen kann nach Satz 4, mit dem Artikel 13 zweiter Halbsatz RbGeld umgesetzt wird, für Fälle abgewichen werden, in denen eine Opferentschädigung in eine ihr nach deutschem Recht am meisten entsprechende Sanktion umgewandelt worden ist.

Es besteht die Möglichkeit, mit dem ersuchenden Mitgliedstaat zu vereinbaren, den Erlös aus der Vollstreckung der umgewandelten Sanktion dem Opfer zukommen zu lassen.

Schließlich enthält Satz 5 eine Besonderheit im Hinblick auf die Umwandlung einer Sanktion nach § 87i Absatz 4 Satz 1 und 2 IRG-E.

f) Zu Absatz 6

Absatz 6 regelt die Kostentragungspflicht im Vollstreckungsverfahren und tritt damit an die Stelle der Kostengrundentscheidung bei einem inländischen Verfahren. Der Betroffene wird so gestellt, als wenn gegen ihn eine inländische Entscheidung vollstreckt werden müsste.

21. Zu § 87o IRG-E - Grundsatz

a) Zu Absatz 1

Satz 1 bestimmt spiegelbildlich zu § 87 Absatz 1 Satz 1 IRG-E, dass im Folgenden ausschließlich Bestimmungen zu Ersuchen nach Maßgabe des RbGeld getroffen werden, was unter anderem die Verwendung der Bescheinigung entsprechend dem im Anhang zum RbGeld abgedruckten Formblatt voraussetzt.

Absatz 1 Satz 2 bestimmt, dass § 71 IRG keine Anwendung findet.

Durch den Verweis in Absatz 1 Satz 3 auf § 87 Absatz 2 Nummer 1, 3 und 4 IRG-E erlangen die Bestimmungen zum Begriff des Betroffenen und zu den nach deutschem Recht möglichen Entscheidungstypen Geltung für ausgehende Ersuchen. Indem in Satz 3 auf § 87 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 IRG-E verwiesen wird, werden die Formen einer Geldsanktion festgeschrieben, die Gegenstand eines deutschen Vollstreckungshilfeersuchens sein können. Nach deutscher Terminologie sind dies Geldstrafen, Geldbußen und die Kosten des Verfahrens, in dem eine Geldstrafe oder Geldbuße verhängt worden ist.

Zu beachten ist, dass für den ersuchten Mitgliedstaat die jeweiligen Angaben in der zu übersendenden Bescheinigung maßgeblich sind. In der Bescheinigung entsprechend dem im Anhang zum RbGeld abgedruckten Formblatt, die von der zuständigen deutschen Behörde auszufüllen ist, wird ausgeschlossen, dass der ersuchte Mitgliedstaat eine Ersatzstrafe, insbesondere eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt (Rubrik i) 1.). Hierzu soll eine Regelung in den RiVASt getroffen werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen zu Artikel 10 RbGeld unter A. IV. Bezug genommen.

b) Zu Absatz 2

Absatz 2 bestimmt in Umsetzung von Artikel 4 Absatz 1 RbGeld, wann eine Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates für die Vollstreckung einer in Deutschland verhängten Geldsanktion begründet ist.

22. Zu § 87p IRG-E - Inländisches Vollstreckungsverfahren

Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckungsberechtigung von der zuständigen Behörde im ersuchten Mitgliedstaat wieder auf die zuständige deutsche Behörde übergeht. Umgesetzt wird Artikel 15 Absatz 1 und 2 RbGeld.

Eine Möglichkeit besteht in einer Rücknahme des Ersuchens gemäß Satz 1 Nummer 1.

Anstelle der Terminologie des RbGeld (Entziehung der Vollstreckung nach Artikel 12 Absatz 1 RbGeld) wird auf den traditionellen Sprachgebrauch der Rechtshilfe zurückgegriffen. Satz 1 Nummer 1 erfasst auch den praxisrelevanten, im RbGeld nicht ausdrücklich geregelten Fall, dass eine Vollstreckung im ersuchten Mitgliedstaat mangels Einbringlichkeit endgültig nicht möglich ist. Wenn die zuständige deutsche Behörde etwa in einem dritten Staat eine Vollstreckungsmöglichkeit sieht, sich eine solche in Deutschland ergeben hat oder wenn einfach für den Fall, dass in Zukunft vollstreckt werden kann, die Möglichkeit zur Vollstreckung wieder bei der deutschen Behörde liegen soll, wird das Ersuchen zurückzunehmen sein, wodurch die deutsche Behörde wieder vollstreckungsberechtigt wird. Gegenüber der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaates erklärt das Bundesamt für Justiz die Rücknahme.

Satz 1 Nummer 2 sieht vor, dass die Vollstreckung im Inland auch dann wieder zulässig ist wenn der ersuchte Mitgliedstaat die Vollstreckung versagt hat. Für eine Ablehnung wegen des ne bis in idem-Grundsatzes wird in Satz 2 eine Ausnahmeregelung getroffen, wie sie Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld zwingend vorschreibt. Lehnt der ersuchte Mitgliedstaat aus dem in Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a RbGeld genannten und in Satz 2 übernommenen Grund die Vollstreckung ab, ist der deutschen Behörde (Staatsanwaltschaft oder Verwaltungsbehörde) eine Vollstreckung verwehrt. Auch eine etwaige Rücknahme des Ersuchens führt in dieser Konstellation nicht zu einer Vollstreckungsberechtigung, weshalb Satz 2 eine Ausnahme zum gesamten Regelungsinhalt des Satzes 1 darstellt.

24. Zu § 98 IRG-E - Anwendungsvorbehalt; Stichtagsregelung

Die Vorschrift enthält eine Stichtagsregelung, die die Vollstreckbarkeit von Entscheidungen vom Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bzw. des Eintritts der Rechtskraft nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Oktober 2010 abhängig macht. Die Stichtagsregelung gilt sowohl für eingehende als auch ausgehende Ersuchen. Im Hinblick auf die Vollstreckung ausländischer Ersuchen soll dem Umstand Rechnung getragen werden dass inländische Betroffene bislang davon ausgehen konnten, ausländische Entscheidungen, zumindest sofern diese den praktisch bedeutsamen Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts betreffen, würden nicht durch inländische Behörden vollstreckt werden. Inländischen Betroffenen soll daher kein Nachteil dadurch entstehen, dass sie in Erwartung der Nichtvollstreckung einer ausländischen Entscheidung es versäumten rechtzeitig Rechtsmittel einzulegen.

§ 98 IRG-E differenziert zwischen gerichtlichen (§ 87 Absatz 2 Nummer 1 und 4 IRG-E) und behördlichen Entscheidungen (§ 87 Absatz 2 Nummer 2 und 3 IRG-E). Mit dem Abstellen auf den Zeitpunkt, an dem die Entscheidung ergangen ist, liegt grundsätzlich ein eindeutig bestimmbares Datum als geeignetes Abgrenzungskriterium vor. Allerdings ist bei gerichtlichen Entscheidungen zu beachten, dass ein gerichtliches Verfahren durch mehrere Instanzen verläuft und die Sanktion erst danach ihre eigentliche Gestalt erhalten kann. Um Unklarheiten dahingehend zu vermeiden, auf die Entscheidung welcher Instanz abzustellen ist, soll bei gerichtlichen Entscheidungen nicht der Zeitpunkt des Urteilserlasses maßgeblich sein, sondern der Eintritt der Rechtskraft. Dagegen ist bei nicht gerichtlichen Entscheidungen (§ 87 Absatz 2 Nummer 2 und 3 IRG-E) auf den das Verfahren abschließenden Bescheid als letzten Schritt innerhalb eines behördlichen Verfahrens abzustellen.

II. Zu Artikel 2 - Änderung der Justizverwaltungskostenordnung

1. Zu § 5 Absatz 4 JVKostO (Nummer 1)

Artikel 17 RbGeld sieht vor, dass die Mitgliedstaaten auf gegenseitige Kostenerstattung verzichten.

Ein weitgehender Verzicht auf Kostenerstattung ist im Rechtshilfeverkehr üblich, beispielsweise in Artikel 20 des Rechtshilfeübereinkommens des Europarates von 1959 oder in Artikel 18 des Vertrages vom 13. Mai 2002 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl. 2004 II S. 962). Auch in Artikel 30 des RbEuHb ist ein Verzicht auf Kostenerstattung vorgesehen. Dabei geht man davon aus dass sich die auf beiden Seiten anfallenden Kosten für die Erledigung der Rechtshilfeersuchen langfristig ausgleichen und der mit dem Kostenausgleich verbundene Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig wäre.

§ 5 Absatz 2 JVKostO sieht vor, dass auch im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten bestimmte Auslagen erhoben werden. Hiervon macht § 5 Absatz 4 JVKostO-E eine Ausnahme: Wurde nach § 75 IRG oder nach § 71 IStGH-Gesetz auf Kostenerstattung verzichtet, werden Auslagen nicht erhoben. Das Gleiche gilt für Auslagen in Verfahren nach dem Abschnitt 2 und 3 des Achten Teils des IRG, also die Auslieferung oder Durchlieferung auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls.

Da bereits jetzt mehrere Rahmenbeschlüsse einen Verzicht auf Kostenerstattung vorsehen, ist es geboten, eine allgemeine Formulierung zu finden, mit der der Verzicht auf Kostenerstattung sowohl für das Verfahren nach dem Europäischen Geldsanktionsgesetz als auch für Umsetzungsgesetze von künftigen Rahmenbeschlüsse, die einen gegenseitigen Kostenverzicht vorsehen, gesetzlich verankert wird. Dies soll zum Anlass genommen werden zur Vervollständigung auch die völkerrechtlichen Vereinbarungen mit einzubeziehen. § 5 Absatz 4 Satz 2 JVKostO-E dient der Klarstellung. Gegenstand der Regelungen in der JVKostO ist grundsätzlich das Justizverwaltungsverfahren, hier somit das Bewilligungsverfahren.

Bei dem Verfahren der Strafvollstreckung und der Vollstreckung von Geldbußen handelt es sich dagegen um Verfahren nach der StPO bzw. nach dem OWiG.

Es wird auf die Begründung zu 1. verwiesen.

III. Zu Artikel 3 - Änderung des Gerichtskostengesetzes

1. Zu § 1 GKG (Nummer 1)

Die Regelung bestimmt, dass für gerichtliche Verfahren nach dem Neunten Teil, Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des IRG das Gerichtskostengesetz anwendbar ist.

Der Änderungsbefehl berücksichtigt die Änderungen des § 1 GKG zum 1. September 2009 durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586).

2. Zur Änderung des Kostenverzeichnisses (Nummer 2)

Zur Gliederung und Überschrift Teil 3 (Buchstaben a und b)

Durch die Einfügung neuer Gebührentatbestände für Verfahren nach dem Neunten Teil, Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des IRG sind die Gliederung sowie die Überschrift von Teil 3 des Kostenverzeichnisses entsprechend anzupassen.

Zu Teil 3 Hauptabschnitt 9 (Buchstabe c)

In Hauptabschnitt 9 sollen neben der Gebühr für das Verfahren über die Rüge wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (bisher Nummer 3900) auch Gebühren für gerichtliche Verfahren nach dem Neunten Teil, Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des IRG geregelt werden. Die Überschrift des Hauptabschnitts soll entsprechend geändert und zwei Abschnitte eingefügt werden.

Im neuen Abschnitt 1 sollen die Gebühren für Verfahren nach dem Neunten Teil Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des IRG geregelt werden. Für Verfahren bei Einspruch gegen die Entscheidung der Bewilligungsbehörde (§ 87h IRG-E) soll, wenn der Einspruch verworfen oder zurückgewiesen wird, eine Festgebühr in Höhe von 50 Euro anfallen (Nummer 3910). Dagegen werden Gebühren für das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung auf Antrag der Bewilligungsbehörde (§ 87i IRG-E) nicht vorgeschlagen. Insoweit handelt es sich um ein Amtsverfahren. Die Einführung von Gebühren würde der bestehenden Systematik widersprechen, dass Amtsverfahren nach dem IRG gerichtsgebührenfrei sind.

Die Erhebung von Festgebühren in Verfahren bei Einspruch gegen die Entscheidung der Bewilligungsbehörde entspricht der Systematik bei Entscheidungen über die Anerkennung ausländischer Titel in zivilrechtlichen Verfahren (Teil 1, Hauptabschnitt des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz). Streitigkeiten bei der Festsetzung der Gerichtskosten werden durch eine Festgebühr weitgehend vermieden. Da der gerichtliche Aufwand auch in unterschiedlichen Einspruchsverfahren in aller Regel ähnlich sein wird, führt eine Festgebühr zu sachgerechten Lösungen. Die Festgebühr soll 50 Euro betragen. So kann gewährleistet werden, dass auch bei Einspruch gegen die Bewilligung der Vollstreckung einer geringen Geldstrafe bzw. Geldbuße keine unverhältnismäßig hohen Kosten entstehen.

Beschränkt sich die Entscheidung des Gerichts darauf, die fehlerhafte oder unterlassene Umwandlung nach § 87f Absatz 2 IRG-E nachzuholen, kann das Gericht nach billigem Ermessen die Gebühr auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass die Gebühr nicht zu erheben ist. Es kann in solchen Fällen, in denen der Behörde ein Fehler unterlaufen ist unbillig sein, den Betroffenen mit der vollen Gebühr zu belasten.

Die Möglichkeit, die Gebühr zu ermäßigen oder nicht zu erheben, soll das Gericht auch in den Fällen haben, in denen die Höhe der zu vollstreckenden Geldsanktion zu Gunsten des Betroffenen gegenüber der Bewilligungsentscheidung abgeändert wird. In solchen Fällen hat der Einspruch zumindest teilweise Erfolg, so dass eine Gebührenermäßigung oder der Erlass der Gebühr gerechtfertigt sein kann.

Für das Verfahren über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 87k Absatz 1 IRG-E) soll keine Gebühr vorgesehen werden. Das Zulassungsverfahren ist weitgehend § 80 OWiG nachgebildet. Für ein Verfahren nach § 80 OWiG ist bislang im GKG keine besondere Gebühr vorgesehen. Die Verwerfung des Antrags auf Zulassung hat im Übrigen die Wirkung der Rücknahme der Rechtsbeschwerde (§ 87k Absatz 3 Satz 4 IRG-E, § 80 Absatz 4 Satz 4 OWiG). Die Rücknahme der Rechtsbeschwerde löst vor Ablauf der Begründungsfrist auch in Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz keine Gebühr aus (Anmerkung zu Nummer 4121 KV GKG).

Für das Rechtsbeschwerdeverfahren soll, wenn die Rechtsbeschwerde verworfen oder zurückgewiesen wird, entsprechend der allgemeinen Systematik des GKG, dass für das Verfahren in der zweiten Instanz in der Regel eine 1½-fache Gebühr anfällt, eine Festgebühr in Höhe von 75 Euro erhoben werden (Nummer 3911). Wird die Rechtsbeschwerde vor Ablauf der Begründungsfrist zurückgenommen, soll, entsprechend der Anmerkung zu Nummer 4121 KV GKG, die Gebühr nicht erhoben werden.

Die bisherige Nummer 3900 wird Nummer 3920 im neuen Abschnitt 2.

IV. Zu Artikel 4 - Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes

1. Zur Gliederung des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (Nummer 1)

Durch die Einfügung von zwei neuen Unterabschnitten in Teil 6 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses ist die Gliederung entsprechend anzupassen.

2. Zu Teil 6 Abschnitt 1 VV RVG (Nummer 2)

In Abschnitt 1 soll zusätzlich zu den Gebühren für gerichtliche Verfahren nach dem IRG und dem IStGH-Gesetz (bisher Nummern 6100 und 6101) auch eine Gebühr für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vor der Bewilligungsbehörde nach dem Neunten Teil, Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des IRG geregelt werden. Dementsprechend soll der Abschnitt in zwei Unterabschnitte gegliedert werden. Der neue Unterabschnitt 1 soll die Verfahrensgebühr für eine anwaltliche Tätigkeit gegenüber der Bewilligungsbehörde in Verfahren nach dem Neunten Teil, Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des IRG aufnehmen. Diese Regelung ist notwendig, da nach Vorbemerkung 2 Absatz 3 der Verwaltungsvorschrift zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Vorschriften des Teils 2 über die außergerichtliche Tätigkeit nicht anzuwenden sind. Im Hinblick auf das stark formalisierte Prüfungsverfahren der Bewilligungsbehörde erscheint eine Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit in Höhe der Hälfte des für das gerichtliche Verfahren vorgesehenen Betragsrahmens (bisher Nummer 6100) als angemessen. Eine Terminsgebühr des Rechtsanwalts soll nicht vorgeschlagen werden da eine Vernehmung des Betroffenen im Verwaltungsverfahren nicht vorgesehen ist.

Die bisherigen Nummern 6100 und 6101 werden Nummern 6101 und 6102 im neuen Unterabschnitt 2. Die Gebühren fallen in jedem Rechtszug gesondert an, § 15 Absatz 2 Satz 2 RVG, so dass die Tätigkeit des Anwalts im Einspruchs- wie im Rechtsbeschwerdeverfahren gesondert entgolten wird.

V. Zu Artikel 5 - Inkrafttreten

Artikel 5 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 1. Oktober 2010 mit Ausnahme der §§ 77a und 77b IRG-E ist vorgesehen, um einen ausreichenden organisatorischen Vorlauf zu ermöglichen. Die Vorlaufzeit bis zum Inkrafttreten des Europäischen Geldsanktionsgesetzes erklärt sich durch die noch zwingend erforderlichen komplexen Vorbereitungsarbeiten, ohne die eine effektive grenzüberschreitende Vollstreckung im Bereich von Geldsanktionen nicht möglich ist. Auch müssen noch zahlreiche technische Fragen in den für die Praxis besonders wichtigen RiVASt in Abstimmung mit den betroffenen Ressorts der Bundesregierung sowie den Ländern geregelt werden.

->

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 457:
Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen


Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben, so dass für diese keinen neuen Bürokratiekosten entstehen. Für die Verwaltung werden zwei Informationspflichten neu geschaffen.

Die damit verbundenen Bürokratiekosten können derzeit nicht quantifiziert werden.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

gez. gez.
Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter