Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof
Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 99 der Bundeshaushaltsordnung über die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG

Bundesrechnungshof Bonn, den 1. Februar 2011
Der Vizepräsident

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
dem Bundesrat leite ich hiermit einen Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 99 der Bundeshaushaltsordnung über die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG zu.

Den Bericht übermittele ich gleichzeitig dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung.

Mit freundlichen Grüßen
Norbert Hauser

Bericht nach § 99 BHO über die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen nach § 35a EStG

1. Februar 2011

0 Zusammenfassung

Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen ermäßigen die zu zahlende Einkommensteuer. Diese Steuerermäßigung gehört zu den größten Steuersubventionen. Für das Jahr 2008 minderte sie das Einkommensteueraufkommen um nahezu 1 Mrd. Euro. Für das Jahr 2010 schätzt das Bundesfinanzministerium die Minderung auf über 4 Mrd. Euro. Inzwischen wird nahezu jeder dritte Steuerpflichtige begünstigt.

Mit der Steuerermäßigung wollte der Gesetzgeber einen Anreiz für mehr legale Beschäftigung in Privathaushalten geben, die Schwarzarbeit bekämpfen sowie Handwerk und Mittelstand unterstützen.

Der Bundesrechnungshof hat bei seiner Prüfung festgestellt:

Da zudem Ansatzpunkte fehlen, die aufgedeckten Probleme wirkungsvoll und mit vertretbarem Aufwand zu vermeiden, empfiehlt der Bundesrechnungshof, die Steuerermäßigung auf haushaltsnahe Dienstleistungen und für Handwerkerleistungen abzuschaffen. Über die bei einer Abschaffung der Steuerermäßigung anfallenden Mehreinnahmen ist politisch zu entscheiden (Tz. 7).

Die Empfehlung des Bundesrechnungshofes erstreckt sich nicht auf die Begünstigung von Dienstleistungen für Pflege und Betreuung, die nicht Gegenstand seiner Feststellungen sind.

1 Gegenstand der Untersuchung

Die Steuerermäßigung nach § 35a Einkommensteuergesetz (EStG) für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, für haushaltsnahe Dienstleistungen, Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Handwerkerleistungen hat seit ihrer Einführung im Jahr 2003 eine stetig wachsende Bedeutung erfahren. Der Bundesrechnungshof untersuchte, ob die mit der Steuerermäßigung verfolgten Ziele erreicht wurden und wie die Finanzämter die Norm anwendeten. Hierzu führte er Erhebungen beim Bundesfinanzministerium und in mehreren Bundesländern durch. Der Bundesrechnungshof sah Steuererklärungen der Veranlagungszeiträume 2005 bis 2008 ein. Dabei kam die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse sowie für Pflege- und Betreuungsleistungen selten vor1 und erwies sich als unproblematisch. Sie ist daher nicht Gegenstand seiner Feststellungen.

2 Rechtslage

2.1 Kurzüberblick

Nach § 35a EStG mindern Ausgaben für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder haushaltsnahe Dienstleistungen einschließlich Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Handwerkerleistungen unter bestimmten Voraussetzungen die tarifliche Einkommensteuer. Seit 2009 gelten folgende Fördermöglichkeiten:

Tabelle 1 Fördermöglichkeiten
Fördertatbestand Förderhöhe Höchstbetrag der Steuerermäßigung
Nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (Minijobs), § 35a Absatz 1 EStG20 % der Aufwendungen510 Euro
Sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen, Pflege- und Betreuungsleistungen, § 35a Absatz 2 EStGJeweils 20 % der AufwendungenInsgesamt 4 000 Euro
Handwerkerleistungen, § 35a Absatz 3 EStG20 % der Aufwendungen1 200 Euro

Die Steuerpflichtigen beantragen die Steuerermäßigung, indem sie Art und Höhe der Aufwendungen in der Steuererklärung angeben. Die Steuerermäßigung kann nur gewährt werden, wenn die Ausgaben nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben2 oder Kinderbetreuungskosten sind und soweit sie nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wurden (Gebot der Vorrangigkeit).

Was unter begünstigten Beschäftigungsverhältnissen, was unter haushaltsnahen Dienstleistungen einschließlich Pflege- und Betreuungsleistungen und was unter Handwerkerleistungen zu verstehen ist, beschreiben Verwaltungsanweisungen. Die aktuelle Anweisung umfasst inzwischen 30 Seiten.

2.2 Rechtsentwicklung und gesetzgeberische Zielsetzung

Mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt3 wurde die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zum 1. April 2003 eingeführt. Seither können Steuerpflichtige einen Teil der Ausgaben für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder haushaltsnahe Dienstleistungen von ihrer Einkommensteuerschuld abziehen. Die Ausgaben wurden je nach Zweckbestimmung in unterschiedlicher Höhe gefördert. Es sollte ein Anreiz für legale Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten gegeben und die dort vorzufindende Schwarzarbeit bekämpft werden.4 Der Steuerpflichtige musste anfangs dem Finanzamt die Aufwendungen für die Dienstleistungen mit einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers mit einem Beleg des Kreditinstitutes nachweisen. Dieses Erfordernis ist mit dem Jahressteuergesetz 20085 entfallen. Seitdem sind die Belege nur noch vorzulegen, wenn das Finanzamt sie anfordert.

Das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung6 dehnte § 35a EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2006 erheblich aus. Hiernach können Ausgaben für Handwerkerleistungen bei Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen sowie Betreuungsleistungen für pflegebedürftige Personen steuerermäßigend berücksichtigt werden. Für Betreuungsleistungen war eine Ermäßigung von 20 % der Aufwendungen, höchstens jedoch von 1 200 Euro vorgesehen.

Mit der steuerlichen Förderung von Handwerkerleistungen sollten gezielt das Handwerk und der Mittelstand unterstützt werden.7 Auch hierfür war eine Steuerermäßigung von 20 % der Aufwendungen, höchstens jedoch von 600 Euro vorgesehen. Aufwendungen von mehr als 3 000 Euro waren insoweit nicht förderfähig. Wie bei den haushaltsnahen Dienstleistungen musste der Steuerpflichtige die Aufwendungen und ihre Bezahlung mit Belegen nachweisen. Förderfähig sind nur die aufgewendeten Arbeitskosten.

Das nachfolgende Jahressteuergesetz8 schränkte die Begünstigung von Handwerkerleistungen noch im gleichen Jahr wieder ein. Es nahm die nach dem CO₂-Gebäudesanierungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geförderten Maßnahmen von der steuerlichen Begünstigung aus. Ziel war es, Doppelförderungen zu vermeiden.9

Weitere Veränderungen brachten das "Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung"10 und das "Gesetz zur Förderung von Familien und haushaltsnahen Dienstleistungen".11 Beide traten ab dem Veranlagungszeitraum 2009 in Kraft. Sie vereinheitlichten die Fördersätze und hoben die Höchstbeträge für die meisten Steuerermäßigungen des § 35a EStG an. Die Verdoppelung des Höchstbetrages für Handwerkerleistungen auf 1 200 Euro sollte - im Bündel mit weiteren Maßnahmen - der weltweiten Konjunkturabschwächung entgegenwirken. Die erhöhte steuerliche Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen einschließlich Pflege- und Betreuungsleistungen sollte zu mehr legaler Beschäftigung in den Privathaushalten und zu größerer Nachfrage von Dienstleistungen führen.12 Nach der Gesetzesbegründung soll die Bundesregierung zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung die verbesserte Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen evaluieren.13

3 Feststellungen

3.1 Finanzielles Volumen

Die Bundesregierung schätzte die Steuermindereinnahmen (ohne Solidaritätszuschlag) aufgrund der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen für die Haushaltsjahre 2007 bis 2009 auf jährlich 3,2 Mrd. Euro und für das Jahr 2010 auf 4,1 Mrd. Euro.14

Die obersten Finanzbehörden der Länder teilten dem Bundesrechnungshof mit, dass sich die für den Veranlagungszeitraum 2007 festgesetzten Ermäßigungsbeträge auf insgesamt 770 Mio. Euro15 und für den Veranlagungszeitraum 2008 auf 920 Mio. Euro16 beliefen.

3.2 Bundesweite Inanspruchnahme der Steuerermäßigung

Die obersten Finanzbehörden der Länder berichteten dem Bundesrechnungshof auch die Anzahl der Ermäßigungsfälle und ihren Anteil an den jährlich zu bearbeitenden Steuererklärungen:17

Tabelle 2 Zahl der Ermäßigungsfälle und ihr Anteil an den veranlagten Fällen
Veranlagungszeitraum 2006 Veranlagungszeitraum 2007 Veranlagungszeitraum 200818
Fallzahlin % der veranlagten FälleFallzahlin % der veranlagten FälleFallzahlin % der veranlagten Fälle
Handwerkerleistungen3,3 Mio.12,44,8 Mio.18,15,9 Mio.22,2
Haushaltsnahe Dienstleistungen1 Mio.3,71,4 Mio.5,51,8 Mio.6,8
Gesamt19 4,3 Mio.16,1 6,2 Mio.23,6 7,7 Mio. 29,0

Die Fallzahlen sind im Vergleich zur Summe der festgesetzten Ermäßigungsbeträge stärker angestiegen. Dadurch sank die durchschnittliche Steuerermäßigung in den Jahren 2006 bis 2008 bei den haushaltsnahen Dienstleistungen von 98 Euro auf 77 Euro und bei den Handwerkerleistungen von 163 Euro auf 133 Euro.

3.3 Art der Steuerermäßigung in den aufgesuchten Finanzämtern

3.3.1 Haushaltsnahe Dienstleistungen

Der Bundesrechnungshof unterschied die geltend gemachten Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen in Hausmeister- und Reinigungsdienste und in sonstige Dienstleistungen. Im Veranlagungszeitraum 2008 enthielten mindestens 55 % der Fälle Aufwendungen für Hausmeister- und Reinigungsdienste (teils ausschließlich, teils zusammen mit sonstigen Dienstleistungen). Bei einem weiteren Teil der Fälle war die Art der haushaltsnahen Dienstleistung nicht mehr erkennbar, weil die Steuerpflichtigen sie nicht angegeben hatten oder den Finanzämtern keine Nachweise mehr vorlagen.

Abbildung 1 - Anteil der Fälle mit Hausmeister- und Reinigungsdiensten

Anteil der Fälle mit Hausmeister- und Reinigungsdiensten

In etwa der Hälfte der Fälle, in denen Hausmeister- und Reinigungsdienste geltend gemacht wurden, waren diese in der Nebenkostenabrechnung des Vermieters oder Verwalters ausgewiesen. Für 2008 betraf dies 28 % der eingesehenen Fälle.

3.3.2 Handwerkerleistungen

Bei den geltend gemachten Aufwendungen für Handwerkerleistungen unterschied der Bundesrechnungshof zwischen Kaminkehrer- und/oder Wartungsleistungen für Heizungen und Aufzugsanlagen einerseits und sonstigen Handwerkerleistungen andererseits. Sofern die Art der sonstigen Handwerkerleistungen noch erkennbar war, zeigten sie ein breites Spektrum. Sie entfielen vorwiegend auf Dach-, Bodenbelag-, Badezimmer- oder Heizungserneuerung, Pflaster- oder Fassadenarbeiten.

Abbildung 2 - Anteil der Fälle mit Kaminkehrer und Wartungsarbeiten

Anteil der Fälle mit Kaminkehrer und Wartungsarbeiten

Der Anteil der Fälle, in denen zumindest teilweise Aufwendungen für Kaminkehrer und/oder Wartung anerkannt waren, stieg in den Veranlagungszeiträumen 2006 bis 2008 von 39 auf 71 %. 39 % aller Fälle des Veranlagungszeitraumes 2008 enthielten ausschließlich Aufwendungen für Kaminkehrer und/oder Wartung.

3.4 Einsatz des maschinellen Risikomanagements bei der Steuerfestsetzung

Die Steuerfestsetzung in den Finanzämtern ist inzwischen vom maschinellen Verfahren (Risikomanagementverfahren) geprägt. Die Bearbeiter in den Finanzämtern sind angewiesen, zunächst die Daten aus den Steuererklärungen unverändert in das maschinelle Verfahren zu übernehmen. Dabei sollen sie lediglich sichten, ob die gesetzlich vorgeschriebenen Belege beiliegen. Hierzu zählten bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 die Rechnungen und die Zahlungsnachweise für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen. Ein programmgesteuerter Risikofilter prüft anschließend anhand von Wertgrenzen, ob der Fall durch Beschäftigte der Finanzämter (personell) bearbeitet werden soll. Die Plausibilität der Angaben des Steuerpflichtigen lässt sich maschinell mit diesem Filter jedoch nicht prüfen. So kann das maschinelle Verfahren z.B. nicht erkennen, ob

Das Verfahren gibt vor, ob die Steuer maschinell festgesetzt wird (risikoarmer Fall) oder ob der Fall personell zu prüfen ist (risikobehafteter Fall). Risikohinweise bestimmen den Umfang der personellen Prüfung.

Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2007 forderten die Risikohinweise Bearbeiterinnen und Bearbeiter auf, die Aufwendungen für die Steuerermäßigung anhand der Rechnung und des Zahlungsnachweises zu prüfen. Ab Veranlagungszeitraum 2008 lautet der Risikohinweis: "Aufwendungen prüfen und gegebenenfalls Rechnung und Zahlungsnachweis anfordern."

Die Finanzbehörden der Länder können die Wertgrenzen des Risikofilters in eigener Verantwortung festlegen; dabei dürfen sie allerdings bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten. Die Anwendung der Schwellenwerte führt dazu, dass weniger Fälle personell zu prüfen sind. Im Übrigen gelten für die verschiedenen Ermäßigungstatbestände in § 35a EStG gesonderte und voneinander unabhängige Wertgrenzen.

Die aufgesuchten Finanzämter wendeten das maschinelle Risikomanagementverfahren seit dem Veranlagungszeitraum 2007 an. Sie legten die Wertgrenzen des Risikofilters zugrunde. Ab Mai 2009 arbeitete ein Finanzamt bei den Handwerkerleistungen mit den Schwellenwerten.

Die Wertgrenzen des Risikofilters führten dazu, dass 79 % der haushaltsnahen Dienstleistungen des Veranlagungszeitraumes 2007 grundsätzlich inhaltlich nicht geprüft wurden. Bei den Handwerkerleistungen blieben 66 % der Fälle ungeprüft. Dies ergaben Auswertungen der Veranlagungsergebnisse zu den haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen in den aufgesuchten Finanzämtern.

Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 wurden die Wertgrenzen des Risikofilters und die Schwellenwerte erhöht. Zahlen über die ungeprüft gebliebenen Fälle für diesen Zeitraum lagen dem Bundesrechnungshof nicht vor. Bei Anwendung der erhöhten Wertgrenzen wären im betrachteten Veranlagungszeitraum 2007 91 % der Fälle mit haushaltsnahen Dienstleistungen und 79 % der Handwerkerleistungen ohne personelle Überprüfung geblieben. Wären die erhöhten Schwellenwerte ausgeschöpft worden, wären sogar 93 % der Fälle mit Handwerkerleistungen ungeprüft geblieben.

3.5 Normenvollzug

Der Bundesrechnungshof prüfte bei allen von ihm eingesehenen Fällen, d.h. auch bei den risikoarmen Fällen, ob die folgenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren:

Der Bundesrechnungshof fand in 25 % der Steuerfestsetzungen Fehler vor. Er stellte folgende Unzulänglichkeiten fest:

3.5.1 Abgrenzen von haushaltsnaher Dienstleistung und Handwerkerleistung

Das zutreffende Abgrenzen von haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen kann wegen der Fördergrenzen bedeutsam sein. War die Leistung in den Rechnungen nicht eindeutig beschrieben, klärten die Bearbeiter den Sachverhalt oft nicht auf. Dies kam besonders häufig bei Rechnungen des Garten- und Landschaftsbaus vor. Nach der Verwaltungsanweisung gehören Arbeiten wie Rasenmähen, Laubfegen oder Heckeschneiden als gartenpflegerische Maßnahmen zu den haushaltsnahen Dienstleistungen. Das Anpflanzen von Hecken und Bäumen oder das Bäumefällen sind dagegen gartengestalterische Maßnahmen, die als Handwerkerleistungen einzuordnen sind. Ähnliche Schwierigkeiten ergaben sich bei den Schönheitsreparaturen. Mitursächlich hierfür war eine geänderte Verwaltungsauffassung. Sie sah bis 2005 das Streichen und Lackieren von Fenstern und Türen im Innenbereich eines Gebäudes als haushaltsnahe Dienstleistung an.20 Seit 2006 sind diese Leistungen aber als Handwerkerleistung zu behandeln.21

Die fehlerhafte Beurteilung hatte in einigen Fällen steuerliche Konsequenzen: War wegen anderer Maßnahmen der gesetzliche Höchstbetrag für die Handwerkerleistung oder im umgekehrten Falle für die haushaltsnahe Dienstleistung bereits ausgeschöpft, ergab sich eine unrechtmäßige - weil zusätzliche - Steuerermäßigung.

3.5.2 Ausschluss der Förderung bei Neubaumaßnahmen

§ 35a EStG begünstigt Renovierungs-, Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen als Handwerkerleistung, sofern sie nicht bei einer Neubaumaßnahme angefallen sind.22 Als Neubaumaßnahme gelten alle Arbeiten, die Wohn- oder Nutzfläche schaffen oder erweitern.

In mehreren Fällen gewährten die Finanzämter eine Steuerermäßigung, obwohl eine Neubaumaßnahme vorlag, beispielsweise das Ausbauen von Dachräumen. Da Aufwendungen für Handwerkerleistungen nur bis 3 000 Euro begünstigt waren, beantragten die Steuerpflichtigen oftmals nur die Förderung einer einzelnen Maßnahme, obgleich ein ganzes Bündel von Maßnahmen durchgeführt worden war. Häufig ließ nur eine Gesamtschau erkennen, ob eine Neubaumaßnahme vorlag. Dies klärten die Bearbeiter jedoch nur vereinzelt auf.

3.5.3 Vermeiden einer Doppelförderung

Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG ist für solche Maßnahmen ausgeschlossen, für die die KfW nach dem CO₂-Gebäudesanierungsprogramm zinsvergünstigte Darlehen oder Zuschüsse bewilligt hat. Die Finanzämter erhalten von der Förderung durch die KfW keine Nachricht. Die Steuererklärungsvordrucke für 2009 weisen erstmals darauf hin, dass ein Nebeneinander von KfW-Förderung und Steuerermäßigung nicht möglich ist.23 Bis dahin enthielten lediglich die Anleitungen zur Steuererklärung und die Merkblätter zu den Förderanträgen der KfW einen derartigen Hinweis. Das Jahressteuergesetz 2010 sieht vor, den Ausschlussgrund auf alle öffentlich geförderten Maßnahmen auszudehnen, für die zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse gewährt werden.24

Der Bundesrechnungshof erhielt von der KfW Listen über bewilligte Förderanträge nach dem CO₂-Gebäudesanierungsprogramm. Er überprüfte stichprobenweise solche Fälle. In 50 % der Fälle gewährten die Finanzämter die Steuerermäßigung nach § 35a EStG, obwohl die Steuerpflichtigen einen zinsverbilligten Kredit oder einen Zuschuss von der KfW erhalten hatten.

Das CO₂-Gebäudesanierungsprogramm ist zum 31. März 2009 ausgelaufen. Seit dem 1. April 2009 wird die Förderung mit dem Programm "Energieeffizientes Sanieren" weitergeführt.

3.5.4 Abgrenzen von Material- und Arbeitskosten

Nur die Arbeitskosten einer haushaltsnahen Dienstleistung oder Handwerkerleistung sind steuerlich begünstigt. Einige Steuerpflichtige hatten die Arbeits- und Materialkosten fehlerhaft aufgeteilt, ohne dass die Finanzämter dies korrigierten. Der Bundesrechnungshof fand auch Steuerfälle vor, in denen die Rechnungen auffällig hohe Arbeitskostenanteile enthielten. Beispielsweise hatte ein Dachdecker mehr als 20 000 Euro Arbeitskosten berechnet mit dem Zusatz "das Material wurde bauseits gestellt".

3.5.5 Vorrangprüfung

Die Steuerermäßigung nach § 35a EStG kommt nur dann in Betracht, wenn die Aufwendungen nicht Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder Kinderbetreuungskosten sind und soweit sie auch nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt wurden.

Diese gesetzlich angeordnete Vorrangprüfung nahmen die Bearbeiter kaum vor. Dies betraf überwiegend Fälle, in denen die Steuerpflichtigen in ihrer gemieteten oder selbstgenutzten Immobilie ein häusliches Arbeitszimmer nutzten. So berücksichtigten die Finanzämter die auf das Arbeitszimmer entfallenden Wartungskosten oder Kaminkehrergebühren als Betriebsausgabe oder Werbungskosten und gewährten hierfür zusätzlich die Steuerermäßigung nach § 35a EStG.

3.5.6 Barzahlungen, Abzug von Skonti oder von Erstattungsleistungen

Die Bearbeiter beachteten nicht immer, dass die Rechnungsbeträge auf das Konto des Leistenden zu überweisen waren. Einige der eingereichten Rechnungen ließen erkennen, dass die Aufwendungen bar beglichen worden waren. Es blieb auch unbeanstandet, wenn Steuerpflichtige ihre Aufwendungen nicht um erhaltene Skonti oder Versicherungserstattungen gemindert hatten.

3.5.7 Gemeinsamer Haushalt von Alleinstehenden

Die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen steht Alleinstehenden, die mit einem anderen Alleinstehenden einen gemeinsamen Haushalt führen, insgesamt nur einmal zu. Der Steuerpflichtige hat den Namen des anderen Alleinstehenden in der Steuererklärung anzugeben. Macht er dies nicht, haben die Finanzämter keinen Anlass zu prüfen, ob ein gemeinsamer Haushalt von Alleinstehenden besteht. Im Übrigen können die Finanzämter einen gemeinsamen Haushalt durch eine Nachfrage beim Melderegister nur schwer ermitteln.25 In einzelnen Fällen stellte der Bundesrechnungshof fest, dass nur für einen der beiden Alleinstehenden eine Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen war. Bei diesem setzte das Finanzamt regelmäßig die gesamte Steuerermäßigung fest, unabhängig davon, wer die Kosten getragen hatte. Vereinzelt machte jeder Alleinstehende die Aufwendungen geltend und beide erhielten den vollen Ermäßigungsbetrag.

3.6 Evaluierung

Das Bundesfinanzministerium hatte einen Forschungsauftrag erteilt, die 20 größten Steuervergünstigungen zu evaluieren. Die Gutachter kamen für die haushaltsnahen Dienstleistungen und die Handwerkerleistungen im Jahr 2009 zu folgenden Ergebnissen:26

Die Auswirkungen der Förderungen auf die Schwarzarbeit seien schwer zu quantifizieren. Allerdings sei die Schwarzarbeit insgesamt und bei den haushaltsnahen Dienstleistungen jährlich um 4 % zurückgegangen und § 35a EStG habe zu diesem Rückgang beigetragen.27 Nach Auffassung der Gutachter sei jedoch fraglich, ob die förderfähigen Leistungen richtig ausgewählt wurden. Die Subventionierung sei in mehreren Bereichen nicht sinnvoll, weil diese kaum schwarzarbeitstauglich seien. Dort seien fast ausschließlich oder zu großen Teilen Mitnahmeeffekte zu erwarten. Dies gelte vor allem für alle Arbeiten, bei denen die Gewährleistung des Dienstanbieters für den Nachfrager von ausschlaggebender Bedeutung sei. Eine vergleichbare Situation ergebe sich bei Dienst- oder Handwerkerleistungen, die Dritten in Rechnung gestellt werden, vor allem bei Mietnebenkosten. Auch bei Leistungen, die in Anspruch genommen werden müssten, wie die des Kaminkehrers, sei eine illegale Beschäftigung kaum vorstellbar, sodass die steuerliche Förderung ausschließlich Mitnahmeeffekte habe.

Die Gutachter resümierten, dass die förderfähigen Leistungen des § 35a EStG deutlich zu großzügig seien. Nach ihrer Auffassung lasse sich das Ziel der "Stärkung von Handwerk und Mittelstand" nur schlecht rechtfertigen, weil ein besonderes Förderbedürfnis bei den Handwerkerleistungen nicht zu erkennen sei. Die Förderung könne die Nachteile kleinerer und mittlerer Unternehmen nicht ausgleichen.28 Seit der steuerlichen Begünstigung sei eine spürbare Preissteigerung von 8,8 % im Jahresvergleich festzustellen. Diese Entwicklung liege deutlich über der allgemeinen Preissteigerungsrate. Aber auch bei den haushaltsnahen Dienstleistungen sahen die Gutachter hohe Mitnahmeeffekte.29

Das Forschungsgutachten schloss insbesondere mit folgenden Empfehlungen:30

Das Bundesfinanzministerium hat bislang keine Rückschlüsse aus den Forschungserkenntnissen gezogen.

4 Würdigung

4.1 Mitnahmeeffekte

Die Feststellungen des Bundesrechnungshofes weisen auf außerordentlich hohe Mitnahmeeffekte bei der Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen und von Handwerkerleistungen hin. Solche Effekte entstehen dann, wenn ein gewünschtes Verhalten auch ohne finanziellen Anreiz eintritt, der Steuerpflichtige also die Leistung auch ohne Steuerermäßigung legal in Auftrag gegeben hätte. Der Bundesrechnungshof geht in folgenden Fällen von Mitnahmeeffekten aus:

Nach den Untersuchungsergebnissen des Bundesrechnungshofes ist die Steuerermäßigung für Hausmeister- und Reinigungsdienste mittlerweile weit verbreitet. Im Veranlagungszeitraum 2008 wurde in 28 % der eingesehenen Fälle mit haushaltsnahen Dienstleistungen, die in Nebenkostenabrechnungen enthalten waren, eine Steuerermäßigung gewährt (Tzn. 3.2, 3.3). Da die Kosten für derartige Dienste in der Regel auf die Mieter umgelegt werden, können die meisten Mieterhaushalte hierfür eine Steuerermäßigung beanspruchen. 57 % aller Haushalte sind Mieterhaushalte.3' Der stetige Anstieg der Fälle (Tabelle 2) deutet darauf hin, dass das Wissen um diese Steuerermäßigung zunimmt. Der Mitnahmeeffekt dürfte künftig weiter steigen.

Gleiches gilt für Handwerkerleistungen. Dort hat der Bundesrechnungshof in 71 % der für 2008 eingesehenen Fälle Mitnahmeeffekte festgestellt, in denen zumindest teilweise Wartungs- und Kaminkehrerleistungen geltend gemacht wurden. Auch hier ist zukünftig mit steigenden Fallzahlen zu rechnen. Denkbar ist auch, dass in der Vergangenheit manche Steuerpflichtige ihre Aufwendungen für Wartung und Kaminkehrerarbeiten nicht geltend machten, weil der Höchstbetrag bereits durch andere Aufwendungen ausgeschöpft war. Der ab 2009 verdoppelte Höchstbetrag bietet nun einen größeren Spielraum.

Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass auch in anderen als in den von ihm aufgezeigten offenkundigen Fällen Mitnahmeeffekte auftreten. In dem Umfang, in dem die begünstigten Leistungen bereits vor Einführung des § 35a EStG legal vergeben wurden, dürfte ein besonderer Anreiz für den legalen Leistungsbezug nicht erforderlich sein.

Der Bundesrechnungshof hält die hohen Mitnahmeeffekte der Steuerermäßigungen für inakzeptabel. Wenn Steuerpflichtige bestimmte Dienst- oder Handwerkerleistungen ohnehin legal durchführen lassen, ist eine Förderung nicht sinnvoll. Bund und Länder verzichten damit in zahlreichen Fällen ohne Grund auf Steuereinnahmen.

4.2 Maschinelles Risikomanagement

Die Finanzämter gewährten die Steuerermäßigung nach § 35a EStG in den meisten Fällen ohne Prüfung (Tz. 3.4). Die fehlenden Kontrollen waren ausschließlich auf das maschinelle Risikomanagement zurückzuführen. In diesen Fällen bestimmte allein der Risikofilter, dass eine personelle Prüfung unterblieb.

Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass der Anteil der ungeprüften Steuerfälle weiter ansteigen wird. Nach der Erhöhung der Wertgrenzen dürften über 90 % der begünstigten Fälle ungeprüft bleiben. Der Bundesrechnungshof erachtet die fehlenden Kontrollen der Anspruchsvoraussetzungen des § 35a EStG als nicht hinnehmbar.

Zum einen fordern der Untersuchungsgrundsatz ( § 88 Abgabenordnung (allgemei/steuerao_ges.htm )) und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO), die Angaben der Steuerpflichtigen in jedem Fall zumindest auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen. Dies kann auch maschinell geschehen. Hierzu ist das maschinelle Verfahren beim § 35a EStG jedoch nicht in der Lage. Es kann nicht erkennen, ob die eingetragenen Aufwendungen der Art und der Höhe nach förderfähig sind. Trägt beispielsweise der Steuerpflichtige anstelle der lediglich begünstigten Arbeitskosten den gesamten Rechnungsbetrag einschließlich der Materialkosten ein und liegt dieser Betrag unterhalb der Wertgrenzen des Risikofilters, bleibt dies vom maschinellen Risikomanagement unerkannt und unbeanstandet. Unerkannt und unbeanstandet bliebe auch, wenn der Steuerpflichtige als förderfähige Leistung die Reparatur eines Kfz eintragen würde, weil der Risikofilter nur Zahlen und keine Texte miteinander vergleichen kann. Es darf aber nicht von der Höhe der Aufwendungen abhängig sein, ob die Finanzämter die für die Steuerermäßigung maßgeblichen Voraussetzungen prüfen. Die in § 35a EStG festgelegten Anspruchsvoraussetzungen gelten für jeden Fall.

Zum anderen hält es der Bundesrechnungshof für erforderlich, an die Gewährung von Steuersubventionen32 dieselben Anforderungen zu stellen wie an Finanzhilfen oder andere staatliche Leistungen. Dort ist in der Regel das Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen. Die Finanzämter gewährten die Steuerermäßigung in 80 bis 90 % der Fälle allein aufgrund der Angaben der Steuerpflichtigen zur Höhe der Aufwendungen. Da die Steuerermäßigung ebenso wie andere Subventionen mit staatlichen Mitteln finanziert wird, darf es nicht von der Art der Vergünstigung abhängen, ob die Anspruchsvoraussetzungen dargelegt und geprüft werden. Der Bundesrechnungshof hält daher das maschinelle Risikomanagement in seiner jetzigen Ausgestaltung für ungeeignet, um über die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen zu entscheiden. Die Mängel dieses Verfahrens können dazu führen, dass das Steuerformular zu einem Blankoscheck wird, den der Steuerpflichtige ausfüllt und den das Finanzamt einlöst.

4.3 Normenvollzug

Der Bundesrechnungshof beanstandet, dass die Finanzämter nicht prüfen konnten, ob die KfW bereits Handwerkerleistungen nach dem CO₂-Gebäudesanierungsprogramm gefördert hatte, für die die Steuerermäßigung beantragt wurde (Tz. 3.5.3). Sie waren ausschließlich auf die Angaben der Steuerpflichtigen angewiesen. Dies reichte jedoch nicht aus. Bei 50 % der Stichproben des Bundesrechnungshofes kam es zu Doppelförderungen. Die KfW ist nach Ansicht des Bundesrechnungshofes aufgrund der Mitteilungsverordnung i.V.m. § 93a AO verpflichtet, den Finanzbehörden die von ihr gewährten Fördermaßnahmen mitzuteilen, wenn diese den Wegfall der steuerlichen Vergünstigung zur Folge haben können.

Da künftig auch bei allen anderen öffentlichen Förderungen die Steuerermäßigung ausgeschlossen sein soll, müsste das Bundesfinanzministerium dafür sorgen, dass alle Träger der Förderungen (KfW, Länder, Kommunen) die Finanzämter über bewilligte Förderanträge unterrichten. Anderenfalls können die Finanzämter in diesen Fällen Doppelförderungen nicht vermeiden.

Die Informationen der KfW und anderer öffentlichen Stellen würden bei den Finanzämtern allerdings zu zusätzlichem Aufwand führen. Sie müssten den Steuerfällen zugeordnet und mit den Angaben der Steuerpflichtigen verglichen werden. Dies würde die maschinelle Fallbearbeitung unterbrechen und die Steuerfestsetzung verzögern.

Die gesetzliche Vorgabe, Alleinstehenden, die in einem gemeinsamen Haushalt leben, die Steuervergünstigung insgesamt nur einmal zu gewähren, können die Finanzämter in der Regel nicht erfüllen. Sie haben keine Anhaltspunkte, die auf einen gemeinsamen Haushalt hinweisen, sondern sind ausschließlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen angewiesen (Tz. 3.5.7). Die vom Bundesrechnungshof festgestellten Verstöße waren Zufallsfunde. Es muss nach seiner Ansicht aber sichergestellt sein, dass die Finanzämter gesetzliche Vorgaben umsetzen können. Eine Regelung, die nicht zu vollziehen ist, kann die ihr zugedachte Wirkung nicht entfalten. Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind dann nicht gewährleistet.

4.4 Zielerreichung

Das Bundesfinanzministerium hat ein Gutachten zur Evaluierung der Steuervergünstigung (Tz. 3.6) erstellen lassen. Rückschlüsse aus den Erkenntnissen des Gutachtens hat es aber nicht gezogen.

Der Bundesrechnungshof hat aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse erhebliche Zweifel, ob die Gesetzesziele erreicht wurden, über die Förderung der haushaltsnahen Dienstleistungen und Handwerkerleistungen mehr legale Beschäftigung zu schaffen und Schwarzarbeit zu verringern. Nach seiner Ansicht ist die steuerliche Förderung nur dann erfolgreich, wenn speziell in dem geförderten Bereich ein besonderer Rückgang der Schwarzarbeit zu verzeichnen und hierfür die Förderung ursächlich ist. Weil nach dem Gutachten auch in den nicht geförderten Bereichen derselbe Rückgang bei der Schwarzarbeit zu verzeichnen war, ist vielmehr davon auszugehen, dass die Förderung keinen Erfolg hat und damit ihr Ziel verfehlt.

Die Frage, ob die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen der Wirtschaft mehr Wachstumsimpulse geben konnte und Handwerk sowie Mittelstand stärkte, beantwortet das Gutachten nicht. Es führt lediglich aus, dass die Steuerermäßigung nicht geeignet sei, die Nachteile kleiner und mittlerer Unternehmen auszugleichen. Eine besondere Förderungswürdigkeit sei nicht zu erkennen.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes spricht das Preisgefälle zwischen legalem und illegalem Leistungsbezug gegen eine funktionierende Anreizwirkung der Steuerermäßigung zur Vermeidung von Schwarzarbeit. Der legale Leistungsbezug wird zwar mit 20 % der Aufwendungen - begrenzt auf einen Höchstbetrag - gefördert. Es müssen aber im Vergleich zu illegalen Leistungen 19 % Umsatzsteuer sowie die in die Preise eingeflossenen Sozialabgaben und Ertragsteuern bezahlt werden. Illegale Leistungen sind damit weiterhin deutlich günstiger. Für diejenigen, die früher Dienst- oder Handwerkerleistungen illegal einkauften, weil sie billiger waren oder sie sich den legalen Einkauf finanziell nicht leisten konnten, besteht daher nach wie vor ein Grund, dies auch weiterhin zu tun.

5 Empfehlung

Die Untersuchung des Bundesrechnungshofes hat gezeigt, dass die Finanzämter bei 80 bis 90 % der Fälle mit einer Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen oder Handwerkerleistungen das Vorliegen der Voraussetzungen nicht prüfen. Ebenso wenig können sie derzeit Doppelförderungen ausschließen. Diese Kontrolldefizite sind nicht hinnehmbar. Um eine gesetzeskonforme und gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen, wäre ein Prüfen in jedem Einzelfall erforderlich. Dies ist jedoch mit den Zielen des maschinellen Risikomanagements nicht zu vereinbaren. Diese sind darauf ausgerichtet, dass die Finanzämter nur noch einen kleinen Bruchteil der Steuererklärungen personell prüfen. In der Masse der Fälle ist aber die Prüfung dem maschinellen Risikofilter übertragen, der nicht einmal die Schlüssigkeit der erklärten Angaben erkennen kann. Das aufwendige Auswerten von Kontrollmitteilungen, z.B. der KfW, ist mit dem eingeschlagenen Weg, die Steuern in den meisten Fällen ausschließlich maschinell festzusetzen, ebenfalls nicht vereinbar.

Auch lassen die mit 28 % und 71 % unvertretbar hohen Mitnahmeeffekte diese Steuersubvention in einem kritischen Licht erscheinen.

Einige der förderfähigen Leistungen zu streichen, wie es z.B. das Forschungsgutachten vorschlägt, beseitigt diese Problematik nach Meinung des Bundesrechnungshofes nicht. Dies würde vielmehr die Rechtsanwendung erheblich erschweren. Das Abgrenzen der förderfähigen von den nicht förderfähigen Aufwendungen würde schwieriger. Außerdem würde ein weiteres Differenzieren bei den förderfähigen Leistungen dem Anliegen einer Steuervereinfachung33 zuwiderlaufen.

Der Bundesrechnungshof hält es angesichts der hohen finanziellen Belastung, die die Steuerermäßigung jährlich verursacht, nicht für vertretbar, die aufgezeigten Vollzugsdefizite, Mitnahmeeffekte und Zielverfehlungen dauerhaft hinzunehmen. Ansatzpunkte, um die Probleme bei der Umsetzung der Steuerermäßigung wirksam und mit vertretbarem Aufwand zu vermeiden, sind nicht erkennbar. Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen, die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen abzuschaffen. Seine Empfehlung bezieht sich nicht auf Dienstleistungen für Pflege und Betreuung.

6 Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums

Das Bundesfinanzministerium will ungeachtet des hohen Fördervolumens und der hohen Mitnahmeeffekte zunächst das Ergebnis einer Gesetzesevaluierung abwarten, bevor es Entscheidungen trifft. Auch das Forschungsgutachten habe empfohlen, noch zwei bis drei Jahre Daten zu erfassen, um zu einem aussagekräftigeren Ergebnis zu kommen.

Das Bundesfinanzministerium hat eingeräumt, die untersuchte Steuervergünstigung sei besonders komplex und missbrauchsanfällig. Deshalb seien die Anspruchsvoraussetzungen einer effizienten maschinellen aber auch personellen Prüfung nur eingeschränkt zugänglich. Daneben hat es jedoch ausgeführt, es sei aus organisatorischer Sicht nicht vorstellbar, jeden Einzelfall zu prüfen. Das maschinelle Risikomanagement sei am besten geeignet, mit den gegebenen Mitteln die Ziele der Vollständigkeit, Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu erreichen. Ziel des maschinellen Risikomanagements sei nicht, jedes Risiko auszuschalten, sondern die höchstmögliche Balance zwischen Chancen und Risiken zu finden. Diesem Gedanken folge auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es bei der Entscheidung der Finanzbehörden, ein Risikomanagementsystem einzuführen, Zweckmäßigkeitserwägungen zulasse. Die Risikoregeln zielten darauf ab, die risikoarmen Fälle - unter bewusster Inkaufnahme von Risiken - von den besonders risikobehafteten Fallkonstellationen zu trennen und die knappen personellen Ressourcen der Finanzbehörden auf die risikobehafteten Fälle zu konzentrieren.

Ferner stimmt das Bundesfinanzministerium dem Bundesrechnungshof zu, dass Doppelförderungen derzeit nicht wirksam vermieden werden können. Es hat angekündigt, diese Frage mit den obersten Finanzbehörden der Länder zu erörtern.

7 Abschließende Würdigung und Empfehlung

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Auffassung fest.

Die Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums bestätigt die vom Bundesrechnungshof aufgezeigte Problematik. Dem zweifellos hohen Fehler- und Missbrauchsrisiko bei der Anwendung der Vorschrift könnte die Finanzverwaltung nur durch eine hohe Kontrolldichte begegnen, die jedoch nach Angaben des Bundesfinanzministeriums nicht realisierbar ist. Da 80 bis 90 % der Fälle ohne jede Prüfung bleiben, ist das maschinelle Risikomanagement nicht geeignet, die Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu erreichen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Vorschrift gegenwärtig nicht gesetzeskonform vollzogen werden kann. Zudem wäre selbst ein gesetzeskonformer Vollzug der Norm mit erheblichen Mitnahmeeffekten verbunden. Die starken Zweifel an der Eignung der Vorschrift zum Erreichen ihrer Ziele bestünden auch in diesem Falle fort.

Daher bleibt der Bundesrechnungshof bei seiner Empfehlung, die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen abzuschaffen.

Entgegen der Darstellung des Bundesfinanzministeriums sieht auch das Forschungsgutachten wegen der hohen Mitnahmeeffekte sofortigen Handlungsbedarf. Ein weiteres Abwarten - wie vom Bundesfinanzministerium erwogen - führt dazu, die unvertretbar hohen Mitnahmeeffekte weitere Jahre in Kauf zu nehmen.

Es liegt in der Hand des Gesetzgebers, die Empfehlung aufzugreifen und umzusetzen sowie über die dann anfallenden Mehreinnahmen zu entscheiden.

Der Bericht ist am 15. Dezember 2010 vom Ausschuss des Großen Senats des Bundesrechnungshofes beschlossen worden.

Bonn, den 1. Februar 2011
Der Präsident des Bundesrechnungshofes
Prof. Dr. Dieter Engels
Der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes
Norbert Hauser