Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft und zur Änderung weiterer Vorschriften

A. Problem und Ziel

Der Entwurf dient der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1 - EUStA-Verordnung). Die EUStA-Verordnung ist in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar anzuwenden. Um die Verpflichtungen aus der EUStA-Verordnung vollständig und bundeseinheitlich zu erfüllen, bedarf es zusätzlich einiger Durchführungsbestimmungen.

Bei der EUStA handelt es sich um eine unabhängige europäische Behörde mit Sitz in Luxemburg. Sie ist zuständig für die strafrechtliche Ermittlung und Verfolgung sowie die Anklageerhebung bei Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union nach der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29; L 350 vom 29.12.2017, S. 50) in ihrer Umsetzung in nationales Recht. Diese Richtlinie legt Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Strafen zur Bekämpfung von Betrug und sonstigen gegen die finanziellen Interessen der Europäischen Union gerichteten rechtswidrigen Handlungen fest.

Die EUStA-Verordnung ist am 20. November 2017 in Kraft getreten. Sie ist im Wege der sogenannten Verstärkten Zusammenarbeit durch eine Gruppe von 20 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf Grundlage des Artikels 86 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zustande gekommen. Zwischenzeitlich haben sich zwei weitere Mitgliedstaaten an der Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der EUStA beteiligt. Die EUStA kann gemäß Artikel 120 der EUStA-Verordnung frühestens drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung ihre operative Arbeit aufnehmen. Das Datum der Arbeitsaufnahme der EUStA wird von der Europäischen Kommission durch Beschluss festgelegt. Voraussetzung dafür ist, dass die EUStA zu dem von der Europäischen Kommission festzulegenden Datum in vollem Umfang funktionsfähig ist.

Darüber hinaus soll eine Strafbarkeitslücke im Bereich des Schutzes von Privat- und Dienstgeheimnissen geschlossen werden. Handlungen von Europäischen Amtsträgern können nach geltender Rechtslage nur unzureichend strafrechtlich erfasst werden, da § 203 Absatz 2 und § 353b des Strafgesetzbuches (StGB) auf Europäische Amtsträger nur in Ausnahmefällen anwendbar sind. Eine Rechtsänderung ist insbesondere im Hinblick auf Einrichtungen und Dienststellen der Europäischen Union in der Bundesrepublik Deutschland angezeigt.

Zudem dient der Entwurf der Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige und auf das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) sowie zur Ersetzung des Beschlusses 2009/316/JI des Rates (ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 143). Durch diese Richtlinie soll der europäische Strafnachrichtenaustausch, das heißt der Datenaustausch zwischen den nationalen Strafregisterbehörden, weiter verbessert werden.

B. Lösung

Der Entwurf beinhaltet neben einem neuen Stammgesetz, dem Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetz in der Entwurfsfassung (EUStAG-E), auch einzelne Neuregelungen im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und der Strafprozessordnung (StPO). Die Neuregelungen im GVG dienen dazu, die Position der EUStA bzw. der deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte in der staatsanwaltschaftlichen Struktur der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmen. Wie gemäß Artikel 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung vorgesehen, soll damit gewährleistet werden, dass die einschlägigen Bestimmungen des GVG, der StPO und anderer Rechtsvorschriften bei Ermittlungsverfahren der EUStA subsidiär Anwendung finden. Mit dem EUStAG-E sollen erforderliche, die EUStA-Verordnung ergänzende

Regelungen getroffen werden. Ferner soll das EUStAG-E Regelungen für Konstellationen schaffen, in denen Vorschriften des nationalen Rechts wegen des Vorrangs der EUStA-Verordnung keine oder nur modifizierte Anwendung finden können. Außerdem wird das StGB geändert, damit die Strafvorschriften zum Schutz von Privatgeheimnissen und von Dienstgeheimnissen zukünftig auf alle Europäischen Amtsträger anwendbar sind. Eine Gleichstellungsregelung im Bundestatistikgesetz, die insoweit Bedienstete des Statistischen Amtes der Europäischen Union mit (deutschen) Amtsträgern gleichstellt, kann in diesem Zuge aufgehoben werden. Durch eine Ausweitung des Europäischen Führungszeugnisses auf Drittstaatsangehörige in § 30b des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) sowie durch eine Erweiterung der Selbstauskunft nach § 42 BZRG wird den Vorgaben der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 Rechnung getragen. Bei der Gelegenheit wird eine Klarstellung zur Nichtaufnahme deutscher Gerichtsentscheidungen in das Europäische Führungszeugnis vorgenommen.

C. Alternativen

Keine. Der Entwurf dient der Durchführung der unmittelbar geltenden Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 und der Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln beim Bund, der sich aus der Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 ergibt, soll finanziell und stellenmäßig im Einzelplan 07 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein. Im Kapitel 0718 sind ab dem Haushaltsjahr 2022 folgende Mehraufwände zu erwarten: zum einen werden für die Einführung eines auch für Drittstaatsangehörige verpflichtenden Europäischen Führungszeugnisses dauerhaft zwei Planstellen des mittleren und zwei Planstellen des gehobenen Dienstes benötigt, was einen dauerhaften personellen Mehraufwand von 244 000 Euro bedingt. Zum anderen wird für die Selbstauskünfte für EU-Bürgerinnen und Bürger sowie Drittstaatsangehörige voraussichtlich ein einmaliger Sachaufwand von 150 000 Euro anfallen. Zusätzliche Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand infolge des Gesetzes sind für Länder und Gemeinden nicht zu erwarten.

Im Übrigen sind Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand, die über die Folgen der EUStA-Verordnung hinausgehen, nicht zu erwarten.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Soweit der Entwurf der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 dient, entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand der Verwaltung.

Durch die Einführung eines auch für Drittstaatsangehörige verpflichtenden Europäischen Führungszeugnisses ergibt sich bei der Registerbehörde ein gewisser Mehraufwand im Hinblick auf die jährlich anfallenden Personalkosten. Der für die Bearbeitung anfallende personelle Mehraufwand beträgt rund 244 000 Euro. Dieser entsteht in Zweifelsfällen durch den Abgleich der Identitäten zwischen antragstellender Person und der im Register eingetragenen Personen. Bezüglich der Selbstauskünfte für Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sowie Drittstaatsangehörige, die zukünftig um Eintragungen aus den Strafregistern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu ergänzen sind, ist von einem einmaligen Sachaufwand von rund 150 000 Euro auszugehen.

F. Weitere Kosten

Durch den Entwurf entstehen weitere Kosten allenfalls durch die vorgeschlagenen Erweiterungen der Strafbarkeit. Die insoweit zu erwartenden Mehrkosten im justiziellen Kernbereich dürften allerdings keinen nennenswerten Umfang haben, da die Erweiterungen voraussichtlich lediglich Einzelfälle erfassen werden.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft und zur Änderung weiterer Vorschriften

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 31. Januar 2020 Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft und zur Änderung weiterer Vorschriften mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 13.03.20

Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft und zur Änderung weiterer Vorschriften1)

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Gesetz zur Ausführung der EU-Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetz - EUStAG)

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz dient der Ausführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1).

(2) Dieses Gesetz gilt für Strafverfahren, in welchen das Amt der Staatsanwaltschaft gemäß § 142b Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes von den deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälten oder dem deutschen Europäischen Staatsanwalt ausgeübt wird. Bestimmungen dieses Gesetzes, die auf Delegierte Europäische Staatsanwälte Bezug nehmen, gelten entsprechend auch für den deutschen Europäischen Staatsanwalt, wenn dieser gemäß Artikel 28 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 das Verfahren selbst führt.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes sind nicht anzuwenden, soweit das Recht der Europäischen Union, im Besonderen die Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 in der jeweils geltenden Fassung, unmittelbar gilt.

§ 2 Verfahrensvorschriften

Ist die Europäische Staatsanwaltschaft nach den Artikeln 22 und 23 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zuständig und hat sie gemäß Artikel 25 dieser Verordnung die Verfolgung übernommen, sind die Vorschriften über das strafrechtliche Verfahren, insbesondere die 1) Artikel 4 dieses Gesetzes dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige und auf das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS), sowie zur Ersetzung des Beschlusses 2009/316/JI des Rates (ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 143).

Strafprozessordnung, das Gerichtsverfassungsgesetz, das Jugendgerichtsgesetz und die Abgabenordnung, anzuwenden, soweit nicht in der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 in der jeweils geltenden Fassung oder in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

§ 3 Anwendbarkeit von Vorschriften der Strafprozessordnung über das Ermittlungsverfahren

(1) Wenn die Europäische Staatsanwaltschaft nach den Artikeln 22 und 23 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zuständig ist und gemäß Artikel 25 dieser Verordnung die Verfolgung übernommen hat, sind die §§ 153c, 160 Absatz 1 und § 170 Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.

(2) Soweit die Vorschriften der Strafprozessordnung hinsichtlich einer Ermittlungsmaßnahme eine gerichtliche Anordnung oder Bestätigung vorsehen, ist bei grenzüberschreitenden Maßnahmen, die gemäß Artikel 31 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 in einem anderen an der Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligten Mitgliedstaat durchgeführt werden sollen, eine solche gerichtliche Anordnung oder Bestätigung bei einem deutschen Gericht nur einzuholen, wenn nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates eine solche gerichtliche Anordnung oder Bestätigung nicht erforderlich ist.

(3) Soweit nach den Vorschriften der Strafprozessordnung die gerichtliche Zuständigkeit an den Sitz der zuständigen Staatsanwaltschaft anknüpft, gilt als Sitz der Europäischen Staatsanwaltschaft der Dienstort des gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts oder des gemäß Artikel 31 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 unterstützend tätig werdenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts. Dies gilt auch dann, wenn der Europäische Staatsanwalt im Einklang mit Artikel 28 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 entschieden hat, die Leitung des Verfahrens selbst zu übernehmen.

(4) § 171 Satz 2 der Strafprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Antragsteller, der zugleich Verletzter ist, über die Möglichkeiten der Anfechtung gemäß § 172 Absatz 2 der Strafprozessordnung und gemäß Artikel 42 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 sowie die dafür jeweils vorgesehenen Fristen zu belehren ist.

(5) Die §§ 172 bis 177 der Strafprozessordnung sind nicht anzuwenden, soweit dem Verletzten gemäß Artikel 42 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 der Rechtsweg zum Europäischen Gerichtshof eröffnet ist. Soweit nach Artikel 42 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 der Rechtsweg gegen eine Entscheidung nach Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zu den Gerichten der Mitgliedstaaten eröffnet ist, ist § 172 Absatz 1 der Strafprozessordnung nicht anzuwenden. Im Fall des Satzes 2 ist § 172 Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Antragsteller, der zugleich Verletzter ist, binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides nach § 171 der Strafprozessordnung die gerichtliche Entscheidung gegen den Einstellungsbescheid der Europäischen Staatsanwaltschaft beantragen kann.

§ 4 Anwendbarkeit datenschutzrechtlicher Bestimmungen

(1) § 161 Absatz 2 und die §§ 483 bis 491 der Strafprozessordnung sind auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Europäische Staatsanwaltschaft nicht anzuwenden.

(2) § 479 Absatz 5 Satz 2 und 3 der Strafprozessordnung ist nicht anzuwenden in Fällen, in denen die Europäische Staatsanwaltschaft Empfänger der übermittelten personenbezogenen Daten ist.

(3) Die §§ 496 bis 499 der Strafprozessordnung sind nur anzuwenden, soweit die Delegierten Europäischen Staatsanwälte gemäß Artikel 45 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 elektronische Akten in Datenverarbeitungsanlagen einer Bundes- oder Landesbehörde führen.

(4) Die §§ 12 bis 14 und 16 bis 20 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz sind anzuwenden, soweit die Europäische Staatsanwaltschaft nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 befugt ist, die zuständigen innerstaatlichen Behörden unter Übermittlung personenbezogener Daten zu unterrichten. Die §§ 21 und 22 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz sind nicht anzuwenden.

§ 5 Anwendbarkeit des Gerichtsverfassungsgesetzes

(1) Die Delegierten Europäischen Staatsanwälte sind in dieser Eigenschaft ausschließlich den Weisungen und der Aufsicht nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 unterstellt. Die §§ 144 bis 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind insoweit nicht anzuwenden.

(2) Die §§ 198 bis 201 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen ist, soweit der erlittene Nachteil von der Europäischen Staatsanwaltschaft oder ihrem Personal in Ausübung ihres Amtes verursacht worden und diesen zuzurechnen ist.

§ 6 Anwendbarkeit des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

(1) Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen ist auf grenzüberschreitende Ermittlungen gemäß Artikel 31 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 nur bei Maßnahmen nach Artikel 31 Absatz 6 dieser Verordnung anzuwenden. Auf die Stellung von Rechtshilfeersuchen durch einen Delegierten Europäischen Staatsanwalt nach Maßgabe des Artikels 31 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 ist § 74 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht anzuwenden. Sofern die ersuchte ausländische Stelle die Rechtshilfe an Bedingungen knüpft oder von Zusicherungen abhängig macht, entscheidet der mit den Ermittlungen betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Annahme der Bedingungen oder die Abgabe von Zusicherungen im Einvernehmen mit den deutschen Justizbehörden, die für die Erfüllung der Bedingungen oder die Einhaltung der Zusicherungen zuständig sind. Satz 2 gilt entsprechend für Entscheidungen eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts über eingehende Ersuchen eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts eines anderen teilnehmenden Mitgliedstaates gemäß Artikel 31 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 , sofern die Europäische Staatsanwaltschaft für die Leistung der Rechtshilfe zuständig ist.

(2) Auf den Erlass eines Europäischen Haftbefehls durch einen Delegierten Europäischen Staatsanwalt gemäß Artikel 33 Absatz 2 oder Artikel 105 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 sind § 74 Absatz 1 und 2 und § 83i des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht anzuwenden. Über den Erlass des Europäischen Haftbefehls entscheidet der mit den Ermittlungen betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt. Sofern der betroffene andere Mitgliedstaat die Überstellung der verfolgten Person an Bedingungen knüpft oder von Zusicherungen abhängig macht, entscheidet der Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Annahme der Bedingungen oder die Abgabe von Zusicherungen im Einvernehmen mit den deutschen Justizbehörden, die für die Erfüllung der Bedingungen oder die Einhaltung der Zusicherungen zuständig sind.

(3) Soweit Delegierte Europäische Staatsanwälte gemäß Artikel 104 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 befugt sind, nach Maßgabe einer völkerrechtlichen Vereinbarung gemäß § 1 Absatz 3 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, die unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden ist, Ersuchen um sonstige Rechtshilfe an eine ausländische Stelle zu richten, ist § 74 Absatz 1 und 2 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht anzuwenden. Sofern die ersuchte ausländische Stelle die Rechtshilfe an Bedingungen knüpft oder von Zusicherungen abhängig macht, entscheidet der mit den Ermittlungen betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Annahme der Bedingungen oder die Abgabe von Zusicherungen im Einvernehmen mit den deutschen Justizbehörden, die für die Erfüllung der Bedingungen oder die Einhaltung der Zusicherungen zuständig sind. Für eingehende Rechtshilfeersuchen einer ausländischen Stelle, über die ein Delegierter Europäischer Staatsanwalt nach Artikel 104 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zu entscheiden hat, gilt Satz 1 entsprechend.

(4) Absatz 3 gilt entsprechend für die Stellung von Rechtshilfeersuchen nach Maßgabe des Artikels 105 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 an die Behörden eines nicht an der Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligten Mitgliedstaates der Europäischen Union sowie für die Entscheidung über eingehende Rechtshilfeersuchen, sofern das Ersuchen auf die Übermittlung von Auskünften aus Akten der Europäischen Staatsanwaltschaft oder die Herausgabe von Gegenständen gerichtet ist, über die die Europäische Staatsanwaltschaft im Rahmen eines von ihr geführten Ermittlungsverfahrens verfügt.

§ 7 Anwendbarkeit der Abgabenordnung

(1) § 386 Absatz 2 und 4 Satz 3 der Abgabenordnung ist nicht anzuwenden, wenn die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß den Artikeln 22 und 23 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zuständig ist und gemäß Artikel 25 dieser Verordnung die Verfolgung übernommen hat. § 386 Absatz 4 Satz 1 und 2 der Abgabenordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Finanzbehörde unter den Voraussetzungen des Artikels 24 Absatz 2, 3 und 5 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 die Europäische Staatsanwaltschaft von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu unterrichten hat und die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 27 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 das Verfahren an sich ziehen kann.

(2) § 395 der Abgabenordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass im vorbereitenden Verfahren der mit dem Ermittlungsverfahren betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Gewährung der Akteneinsicht und die Besichtigung der beschlagnahmten oder sonst sichergestellten Gegenstände entscheidet.

(3) § 397 Absatz 1 der Abgabenordnung ist nicht anzuwenden auf die Entscheidung eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts, ein Verfahren gemäß Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 einzuleiten.

§ 8 Anwendbarkeit des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen

Das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ist nicht anzuwenden, wenn die Strafverfolgungsmaßnahme auf einer Anordnung der Europäischen Staatsanwaltschaft beruht und ihr der dadurch entstandene Schaden zuzurechnen ist. Für Strafverfolgungsmaßnahmen, die durch eine deutsche Strafverfolgungsbehörde oder ein deutsches Gericht angeordnet wurden, bleibt das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen anwendbar.

§ 9 Anwendbarkeit des Rechtspflegergesetzes

§ 31 Absatz 1 des Rechtspflegergesetzes ist nicht anzuwenden. Der mit den Ermittlungen betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt kann dem Rechtspfleger die in § 31 Absatz 1 des Rechtspflegergesetzes genannten Geschäfte im Einzelfall übertragen.

§ 10 Strafvollstreckung

(1) Aufgaben der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren nimmt abweichend von § 142b Absatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes die Staatsanwaltschaft am Sitz des Gerichts des ersten Rechtszuges wahr.

(2) Im Rahmen der Anhörung gemäß § 453 Absatz 1 Satz 2, § 454 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 3 sowie § 462 Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung und gemäß § 57 Absatz 1 Satz 2, § 58 Absatz 1 Satz 2, § 65 Absatz 1 Satz 1, § 87 Absatz 3 Satz 4 und § 88 Absatz 4 Satz 1 des Jugendgerichtsgesetzes soll die nach Absatz 1 zuständige Staatsanwaltschaft dem mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

§ 11 Anwendbarkeit des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten

(1) Die Europäische Staatsanwaltschaft ist auch für die Verfolgung der Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 40 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zuständig, soweit die Ordnungswidrigkeit im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 untrennbar mit einer unter Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung fallenden strafbaren Handlung verbunden ist. § 43 Absatz 1 und § 63 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten gelten entsprechend.

(2) § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist mit der Maßgabe anwendbar, dass die Europäische Staatsanwaltschaft auch für das Verfahren in Bezug auf die juristische Person oder Personenvereinigung zuständig ist, sofern die Europäische Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen eine in § 30 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten bezeichnete Leitungsperson wegen einer Straftat führt, für die die Europäische Staatsanwaltschaft nach den Artikeln 22 und 23 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zuständig ist.

(3) Für die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen gemäß § 91 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten gilt § 10 Absatz 1 entsprechend.

§ 12 Mitteilungspflichten des Delegierten Europäischen Staatsanwalts

(1) Hat die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder gemäß Artikel 27 Absatz 1 dieser Verordnung ihr Evokationsrecht ausgeübt, übermittelt der Delegierte Europäische Staatsanwalt die gemäß § 492 Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung in das staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister einzutragenden Daten an das beim Bundesamt für Justiz geführte Register.

(2) Der Delegierte Europäische Staatsanwalt teilt die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gemäß Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 der Staatsanwaltschaft mit, die nach § 142 in Verbindung mit § 143 des Gerichtsverfassungsgesetzes für die Verfolgung von Straftaten gemäß Artikel 22 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 zuständig ist, wenn die Europäische Staatsanwaltschaft nicht die Verfolgung übernimmt.

§ 13 Amtshilfe

Soweit erforderlich, können die Delegierten Europäischen Staatsanwälte die in § 142 Absatz 1 Nummer 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Staatsanwaltschaften um Amtshilfe bei der Durchführung einzelner Ermittlungsmaßnahmen und anderer Maßnahmen nach Artikel 30 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 ersuchen.

§ 14 Gleichstellung mit Amtsträgern

Für die Anwendung des Strafgesetzbuches stehen die Delegierten Europäischen Staatsanwälte und der deutsche Europäische Staatsanwalt Amtsträgern gleich, sofern sie nicht bereits als Europäische Amtsträger erfasst sind.

§ 15 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit ( Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person ( Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung ( Artikel 13 des Grundgesetzes) eingeschränkt.

Artikel 2
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Artikel 3 und 4 des Gesetzes vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 142a wird folgender § 142b eingefügt:

" § 142b Europäische Staatsanwaltschaft

(1) In Verfahren, in denen die Europäische Staatsanwaltschaft nach den Artikeln 22 und 23 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1) zuständig ist und gemäß Artikel 25 dieser Verordnung die Verfolgung übernommen hat, wird das Amt der Staatsanwaltschaft durch Staatsanwälte ausgeübt, die zugleich als Delegierte Europäische Staatsanwälte für die Bundesrepublik Deutschland gemäß dieser Verordnung ernannt sind. Bei Verfahren vor dem Bundesgerichtshof wird das Amt der Staatsanwaltschaft durch einen Bundesanwalt ausgeübt, der zugleich als Delegierter Europäischer Staatsanwalt gemäß der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 ernannt ist. Wird der gemäß der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 für die Bundesrepublik Deutschland ernannte Europäische Staatsanwalt gemäß Artikel 28 Absatz 4 dieser Verordnung tätig, wird das Amt der Staatsanwaltschaft durch diesen ausgeübt.

(2) Im Falle des Artikels 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 entscheidet der Generalbundesanwalt auf Antrag der betroffenen Staatsanwaltschaft oder der Europäischen Staatsanwaltschaft. Gegen die Entscheidung des Generalbundesanwalts kann die betroffene Staatsanwaltschaft oder die Europäische Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Bundesgerichtshof erheben."

2. Dem § 143 wird folgender Absatz 6 angefügt:

(6) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind die in der Bundesrepublik Deutschland als Delegierte Europäische Staatsanwälte gemäß der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 ernannten Staatsanwälte unabhängig von ihrem Dienstsitz für alle Strafsachen im Geltungsbereich dieses Gesetzes zuständig, mit denen sie nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 befasst sind. Satz 1 gilt entsprechend für den deutschen Europäischen Staatsanwalt, der gemäß Artikel 28 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 tätig wird."

Artikel 3
Änderung der Strafprozessordnung

§ 16 der Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2146) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Der Wortlaut wird Absatz 1.

2. Folgender Absatz 2 wird angefügt:

(2) Ist Anklage von der Europäischen Staatsanwaltschaft erhoben worden, so prüft das Gericht auf Einwand des Angeklagten auch, ob die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 36 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) (ABl. L 283 vom 31.10.2017, S. 1) befugt ist, vor einem Gericht im Geltungsbereich dieses Gesetzes Anklage zu erheben. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend."

Artikel 4
Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

Das Bundeszentralregistergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2510) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. § 30b wird wie folgt gefasst:

" § 30b Europäisches Führungszeugnis

(1) Sofern der Mitgliedstaat eine Übermittlung nach seinem Recht vorsieht, wird in das Führungszeugnis nach § 30 oder § 30a Absatz 1 die Mitteilung über Eintragungen in den Strafregistern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union vollständig und in der übermittelten Sprache (Europäisches Führungszeugnis) für die folgenden Personen aufgenommen:

Nicht aufgenommen werden Entscheidungen deutscher Gerichte. § 30 gilt entsprechend.

(2) Ersuchen der Registerbehörde um Übermittlung der nach Absatz 1 in das Führungszeugnis zusätzlich aufzunehmenden Eintragungen für ein Europäisches Führungszeugnis von Personen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, sind an den Herkunftsmitgliedstaat zu richten.

(3) Ersuchen der Registerbehörde um Übermittlung der nach Absatz 1 in das Führungszeugnis zusätzlich aufzunehmenden Eintragungen für ein Führungszeugnis von Drittstaatsangehörigen sind unter Nutzung des zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, die über Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen verfügen, an die an diesem System teilnehmenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu richten.

(4) Das Führungszeugnis soll spätestens 20 Werktage nach der Übermittlung der Ersuchen der Registerbehörde erteilt werden. Haben die Mitgliedstaaten keine Auskunft aus ihrem Strafregister erteilt, ist hierauf im Führungszeugnis hinzuweisen."

2. In § 42 Satz 2 werden nach der Angabe " § 30 Absatz 1" ein Komma und die Wörter "für den Umfang der Auskunft gelten § 30b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bis 4" eingefügt.

3. Nach § 57a Absatz 5 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt:

"Betrifft das Ersuchen eine Auskunft über die sie betreffenden Eintragungen in das Strafregister einer Person, so erteilt die Registerbehörde eine unbeschränkte Auskunft."

Artikel 5
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 62 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 203 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 werden nach dem Wort "Amtsträger" die Wörter "oder Europäischer Amtsträger" eingefügt.

2. § 353b wird wie folgt geändert:

Artikel 6
Änderung des Bundesstatistikgesetzes

§ 22a des Bundesstatistikgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2394), das zuletzt durch Artikel 10 Absatz 5 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 7
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

1. Der Entwurf dient der Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (im Folgenden: EUStA-Verordnung).

Die Europäische Staatsanwaltschaft (im Folgenden: EUStA) ist eine unabhängige Einrichtung der Europäischen Union mit eigener Rechtspersönlichkeit. Da durch die EU-StA eine schnelle und effiziente Entscheidungsfindung in Bezug auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen ermöglicht werden soll, gliedert sich die EUStA organisatorisch in zwei Ebenen. Neben der zentralen Dienststelle in Luxemburg, bestehend aus dem Kollegium und den Ständigen Kammern, die vom Europäischen Generalstaatsanwalt und den Europäischen Staatsanwälten gebildet werden, besteht die dezentrale Ebene aus den Delegierten Europäischen Staatsanwälten, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten ansässig sind und dort für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen zuständig sind und die Anklage vor Gericht vertreten.

Die EUStA-Verordnung beruht auf einem auf Artikel 86 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützten Vorschlag der Europäischen Kommission vom 17. Juli 2013; sie ist nach mehrjährigen Verhandlungen im Rat am 20. November 2017 in Kraft getreten. Derzeit nehmen 22 Mitgliedstaaten an der Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der EUStA teil (nach gegenwärtigem Stand nicht teilnehmende Mitgliedstaaten: Dänemark, Irland, Polen, Schweden, Ungarn und das Vereinigte Königreich).

Ziel der Verordnung ist die bessere Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union, da nach Feststellungen der Europäischen Kommission nicht in allen Mitgliedstaaten die Strafverfolgungsbehörden in der Lage sind, einen angemessenen und vergleichbaren Schutz der finanziellen Interessen der Union zu gewährleisten und sich dieses Ziel besser auf Unionsebene erreichen lässt. Die Verordnung sieht ein System der geteilten Zuständigkeit zwischen der EUStA und den nationalen Behörden bei der Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union vor, räumt der EUStA aber Vorrang ein sofern sie entschieden hat, in dem konkreten Fall ein Ermittlungsverfahren einzuleiten (Artikel 25 Absatz 1 EUStA-Verordnung).

Als unmittelbar geltendes Unionsrecht bedarf die EUStA-Verordnung grundsätzlich keiner Umsetzung in das nationale Recht. Andererseits sieht die EUStA-Verordnung in Artikel 5 Absatz 3 vor, dass die Verordnung zwar Vorrang vor entgegenstehendem nationalen Recht hat, das nationale Recht aber anwendbar ist bzw. bleibt, soweit eine Frage in dieser Verordnung nicht geregelt ist. Auch einzelne Artikel der Verordnung nehmen ausdrücklich Bezug auf das anwendbare nationale Recht. Entsprechend sieht der Entwurf Ergänzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) vor, mit denen klargestellt wird, dass die Bestimmungen des GVG, der Strafprozessordnung (StPO) und anderer deutscher Rechtsvorschriften in Ermittlungsverfahren der EUStA subsidiär Anwendung finden. Der Entwurf sieht ferner die Schaffung eines neuen Stammgesetzes (Europäische-Staatsanwaltschaft-Gesetz, im Folgenden: EUStA-G) vor, mit dem solche Vorschriften des deutschen Rechts, die wegen des Vorrangs der EUStA-Verordnung keine Anwendung finden, für nicht bzw. modifiziert anwendbar erklärt werden.

2. Darüber hinaus schließt der Entwurf eine Strafbarkeitslücke im Bereich des Schutzes von Privat- und Dienstgeheimnissen. Handlungen von Europäischen Amtsträgern können nach geltender Rechtslage nur unzureichend strafrechtlich erfasst werden, da § 203 Absatz 2 und § 353b StGB auf Europäische Amtsträger nur in Ausnahmefällen anwendbar sind. Die Gewährleistung eines einheitlichen Schutzes gegen Informationsabflüsse bei Handlungen von Europäischen Amtsträgern im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 2a StGB wie bei Handlungen von (deutschen) Amtsträgern im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 2 StGB durch eine Änderung der Vorschiften des Strafgesetzbuches zum Schutz von Privatgeheimnissen und von Dienstgeheimnissen (§§ 203 und 353b StGB) ist insbesondere im Hinblick auf Einrichtungen und Dienststellen der Europäischen Union in der Bundesrepublik Deutschland angezeigt.

Zu erwähnen ist hier insbesondere die Europäische Zentralbank.

3. Zudem dient der Entwurf der Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige und auf das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) sowie zur Ersetzung des Beschlusses 2009/316/JI des Rates (ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 143) - im Folgenden: Richtlinie (EU) Nr. 2019/884. Durch diese Richtlinie soll der europäische Strafnachrichtenaustausch weiter verbessert werden. Durch eine Ausweitung des Europäischen Führungszeugnisses auf Drittstaatsangehörige in § 30b des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) sowie eine Erweiterung der Selbstauskunft nach § 42 BZRG wird den Vorgaben der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 Rechnung getragen. Bei der Gelegenheit wird eine Klarstellung zur Nichtaufnahme deutscher Gerichtsentscheidungen in das Europäische Führungszeugnis vorgenommen.

II. Entstehungsbeschichte der EUStA-Verordnung

Die mögliche Errichtung der EUStA ist in Artikel 86 AEUV vorgesehen. Die Europäische Kommission hat am 17. Juli 2013, zusammen mit dem Entwurf für die Eurojust-Verordnung (jetzt: Verordnung (EU) Nr. 2018/1727 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 betreffend die Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) und zur Ersetzung und Aufhebung des Beschlusses 2002/187/JI des Rates; ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 138). den Vorschlag einer Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft vorgelegt.

Trotz langwieriger Beratungen und Verhandlungen im Rat konnte die gemäß Artikel 86 Absatz 1 Unterabsatz 1 AEUV vorgesehene Einstimmigkeit nicht erreicht werden. Nach Befassung des Europäischen Rates am 9. März 2017 haben sodann am 3. April 2017 insgesamt 16 Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Bundesrepublik Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Portugal, Rumänien, die Slowakei, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik und Zypern) dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission mitgeteilt, dass sie eine Verstärkte Zusammenarbeit zur Errichtung der EUStA im Sinne von Artikel 86 Absatz 1 Unterabsatz 3 AEUV begründen wollen. Damit galt gemäß Artikel 86 Absatz 1 Unterabsatz 3 AEUV die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit nach Artikel 20 Absatz 2 EU-Vertrag (EUV) als erteilt. Noch vor förmlicher Annahme der EUStA-Verordnung im Rat am 12. Oktober 2017 haben vier weitere Mitgliedstaaten (Estland, Italien, Lettland und Österreich) sich der Gruppe dieser Mitgliedstaaten angeschlossen. Nach Inkrafttreten der EUStA-Verordnung haben auch die Niederlande und Malta den Wunsch geäußert, sich an der Verstärkten Zusammenarbeit zu beteiligen. Die Europäische Kommission hat gemäß Artikel 331 Absatz 1 Unterabsatz 2 AEUV die Teilnahme dieser weiteren Mitgliedstaaten bestätigt.

Gemäß Artikel 20 Absatz 4 EUV sind nur die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten an die EUStA-Verordnung gebunden. Zwar sollen gemäß Artikel 327 AEUV die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten der Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit nicht im Wege stehen. Gleichwohl ist die EUStA-Verordnung nur für die teilnehmenden Mitgliedstaaten verbindlich und entfaltet nur dort ihre Rechtswirkung gemäß Artikel 288 Absatz 2 AEUV.

III. Wesentlicher Inhalt der EUStA-Verordnung Kapitel I (Gegenstand und Begriffsbestimmungen)

Artikel 1 der EUStA-Verordnung bestimmt, dass mit dieser Verordnung die Europäische Staatsanwaltschaft errichtet und ihre Arbeitsweise geregelt wird.

Artikel 2 der EUStA-Verordnung enthält Begriffsbestimmungen.

Kapitel II (Errichtung, Aufgaben und Grundprinzipien der EUStA)

Die Artikel 3 bis 7 der EUStA-Verordnung enthalten grundlegende Regelungen zu den Aufgaben und Pflichten der EUStA. Die EUStA ist eine unionsrechtliche Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit, die mit Eurojust zusammenarbeiten und im Einklang mit Artikel 100 EUStA-Verordnung von Eurojust unterstützt werden soll (Artikel 3). Hintergrund für diese spezielle Bezugnahme auf die Zusammenarbeit mit Eurojust ist, dass die EUStA gemäß Artikel 86 Absatz 1 AEUV "ausgehend von Eurojust" eingesetzt werden sollte.

Die Aufgabe der EUStA besteht nach Artikel 4 EUStA-Verordnung in der Vornahme strafrechtlicher Untersuchungen und Verfolgung sowie der Anklageerhebung in Bezug auf Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union, die gemäß der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug (ABl. L 198 vom 28.7.2017, S. 29) (nachfolgend PIF-Richtlinie) harmonisiert worden sind (sogenannte PIF-Taten; das französische Akronym PIF steht für "Protection des intérêts financiers" (Schutz der finanziellen Interessen [der Union]). Die EUStA soll die Aufgaben als Staatsanwaltschaft wahrnehmen "bis das Verfahren endgültig abgeschlossen ist" (Artikel 4 Satz 2 EUStA-Verordnung). Die Zuständigkeit der EUStA besteht bis zur endgültigen Klärung der Frage "ob der Verdächtige oder Beschuldigte die Straftat begangen hat, gegebenenfalls einschließlich der Festlegung des Strafmaßes und der abschließenden Entscheidung über alle verfügbaren Rechtshandlungen oder Rechtsbehelfe, bis hierüber rechtskräftig entschieden ist" (vergleiche Erwägungsgrund Nummer 31 der EUStA-Verordnung). Aus diesem Grund bleibt die EUStA auch im Wiederaufnahmeverfahren gemäß den §§ 359 ff. StPO sowie für Entscheidungen nach § 30 Jugendgerichtsgesetz (JGG) zuständig. Allerdings hat die EUStA gemäß Artikel 4 der Verordnung keine Zuständigkeit im Strafvollstreckungsverfahren. Folglich sieht der Entwurf (§ 10 Absatz 1 EUStAG-E) vor, dass die nach § 451 StPO der Staatsanwaltschaft obliegenden Aufgaben als Vollstreckungsbehörde auf die Staatsanwaltschaft am Sitz des erstinstanzlichen Gerichts übertragen wird.

Artikel 5 der Verordnung legt einige Grundprinzipien der Tätigkeit der EUStA fest. Insbesondere soll die EUStA gewährleisten, dass bei ihrer Tätigkeit die in der EU-Grundrechte-Charta verankerten Rechte beachtet werden, und sie wird auf die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismäßigkeit verpflichtet (Absatz 1 bzw. Absatz 2). Sodann bestimmt Absatz 3, dass die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen im Namen der EUStA der Verordnung unterliegen, dass jedoch, soweit eine Frage in der Verordnung nicht geregelt ist, das anwendbare nationale Recht gilt. Subsidiär anwendbar ist, soweit dies in der EUStA-Verordnung nicht abweichend geregelt ist (siehe dazu insbesondere Artikel 31 EUStA-Verordnung), das Recht des Mitgliedstaates, dessen sogenannter Delegierter Europäischer Staatsanwalt (Artikel 13 Absatz 1 EUStA-Verordnung) mit den Ermittlungen betraut ist. Dieser Entwurf dient im Wesentlichen dazu, die sich aus diesen Regelungen des Artikels 5 Absatz 3 für die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ergebenden Folgen zu regeln bzw. klarzustellen.

Artikel 6 EUStA-Verordnung regelt die Unabhängigkeit der EUStA, die externe Weisungsfreiheit der dort tätigen Staatsanwälte sowie die Rechenschaftspflicht der EUStA gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission. Die Rechenschaftspflicht gilt, ebenso wie die in Artikel 7 geregelte Berichterstattung gegenüber dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten, nur für die "allgemeinen Tätigkeiten" der EUStA - nicht also für die Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen einzelner Ermittlungsverfahren.

Kapitel III (Status, Aufbau und Organisation der EUStA)

Abschnitt 1 (Status und Aufbau der EUStA)

Artikel 8 bis 13 der EUStA-Verordnung regeln den Status und den Aufbau der EUStA.

Die EUStA gliedert sich in zwei Ebenen (Artikel 8 EUStA-Verordnung). Die zentrale Dienststelle wird in Luxemburg angesiedelt und besteht aus dem Europäischen Generalstaatsanwalt (Artikel 11 EUStA-Verordnung) und den Europäischen Staatsanwälten aus den jeweiligen Mitgliedstaaten (Artikel 12 EUStA-Verordnung), welche zusammen das Kollegium bilden (Artikel 9 EUStA-Verordnung) und im Einklang mit der Geschäftsordnung der EUStA in Ständigen Kammern (Artikel 10 EUStA-Verordnung) tätig werden. Zur zentralen Ebene gehört auch der Verwaltungsdirektor der EUStA (Artikel 18 EUStA-Verordnung) sowie das dort tätige unterstützende Personal (Artikel 8 Absatz 5 EUStA-Verordnung). Die dezentrale Ebene besteht aus den Delegierten Europäischen Staatsanwälten (Artikel 13 EUStA-Verordnung), die in den jeweiligen Mitgliedstaaten ansässig sind und dort unter Berücksichtigung der Weisungen der Ständigen Kammern und des aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalts die eigentlichen Ermittlungsmaßnahmen durchführen bzw. gegenüber nationalen Behörden anordnen und die Anklage vor Gericht vertreten. Im Hinblick auf diese Funktionen der Zentrale soll deren Struktur sicherstellen, dass alle nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in der EUStA vertreten sind und die Staatsanwälte Kenntnisse der einzelnen Rechtsordnungen besitzen.

Artikel 9 EUStA-Verordnung regelt die Zusammensetzung und die Aufgaben des Kollegiums und enthält einige Verfahrensbestimmungen für dessen Tätigkeit. Das Kollegium soll eine "allgemeine Aufsicht" über die Tätigkeit der EUStA führen. Die vom Kollegium eingerichteten Kammern haben bestimmte Berichtspflichten gegenüber dem Kollegium (siehe etwa Artikel 10 Absatz 10 EUStA-Verordnung); das Kollegium hat jedoch nicht die Aufgabe, operative Entscheidungen in Einzelfällen zu treffen (Artikel 9 Absatz 2 Satz 3 EUStA-Verordnung). Hierzu sind dagegen die vom Kollegium einzusetzenden Ständigen Kammern berufen (Artikel 10 EUStA-Verordnung). Ihnen obliegt es grundsätzlich, alle Abschlussentscheidungen im Rahmen der Ermittlungsverfahren zu treffen (Absatz 3), und sie können den Delegierten Europäischen Staatsanwälten Weisungen erteilen (Absatz 4 und 5). Bestimmte Entscheidungsbefugnisse können die Kammern dem aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalt übertragen (Absatz 7).

Artikel 11 EUStA-Verordnung regelt die Grundzüge der Stellung und Aufgaben des Europäischen Generalstaatsanwalts und seiner/ihrer zwei Stellvertreter. Der Europäische Generalstaatsanwalt ist Leiter der EUStA und zuständig für die Organisation der Arbeit der EUStA sowie für die Außenvertretung. Im Bereich der operativen Tätigkeit hat der Europäische Generalstaatsanwalt - abgesehen davon, dass er ebenso wie seine Stellvertreter, gegebenenfalls aber auch andere Europäische Staatsanwälte, den Vorsitz in einer Ständigen Kammer führt (Artikel 10 Absatz 1 EUStA-Verordnung) - jedoch nur wenige spezifische Befugnisse (Artikel 27 Absatz 1, Artikel 29 und Artikel 34 Absatz 4).

Artikel 12 EUStA-Verordnung regelt die Aufgaben der Europäischen Staatsanwälte. Grundsätzlich sollen die Europäischen Staatsanwälte im Auftrag der zuständigen Ständigen Kammer die Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen der Delegierten Europäischen Staatsanwälte in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat beaufsichtigen. Die Europäischen Staatsanwälte dienen als "Verbindungsstellen und Informationskanäle" (Absatz 5) zwischen der zentralen und der dezentralen Ebene. Dadurch soll die Funktionsweise der EUStA als einheitliche Dienststelle gewährleistet werden. Wenn nach nationalem Recht eines Mitgliedstaates eine interne Überprüfung einer bestimmten Handlung innerhalb der Struktur einer nationalen Staatsanwaltschaft vorgesehen ist, so regelt Artikel 12 Absatz 4 EUStA-Verordnung, dass die Überprüfung solcher Handlungen des Delegierten Europäischen Staatsanwalts, im Einklang mit der Geschäftsordnung der EUStA, unter die Aufsichtsbefugnis des aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalts fällt. Diese Regelung kann in der Bundesrepublik Deutschland für den Fall einer (formlosen) Dienstaufsichtsbeschwerde Anwendung finden. Dagegen wird die Regelung nicht anwendbar sein für die einer möglichen gerichtlichen Entscheidung vorgeschaltete Beschwerde nach § 172 Absatz 2 StPO gegen eine Entscheidung der EUStA über eine Verfahrenseinstellung nach Artikel 39 EUStA-Verordnung, da diese Entscheidung von der zuständigen Kammer (Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe b) und nicht von dem verfahrensführenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt zu treffen sind (siehe dazu § 3 Absatz 5 EUStAG-E).

Artikel 13 EUStA-Verordnung regelt, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte (nur) in ihrem eigenen Mitgliedstaat im Namen der EUStA handeln und dort in Bezug auf Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen und Anklageerhebung grundsätzlich die gleichen Befugnisse wie nationale Staatsanwälte haben (Absatz 1). Hierzu sieht der Entwurf eine Ergänzung des GVG vor (§ 142b Absatz 1 GVG-E), die bestimmt, dass - abweichend von § 142 GVG - in EUStA-Verfahren das Amt der Staatsanwaltschaft von dem nach Maßgabe der Verordnung zuständigen deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalt ausgeübt wird. Entsprechendes soll für den deutschen Europäischen Staatsanwalt gelten für den Fall, dass dieser nach Artikel 28 Absatz 4 EUStA-Verordnung ausnahmsweise das Ermittlungsverfahren selbst führt. Ferner soll geregelt werden, dass die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte, abweichend von § 143 GVG keine an die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts gebundene, sondern eine bundesweite Zuständigkeit haben (§ 143 Absatz 6 GVG-E).

Abschnitt 2 (Ernennung und Entlassung der Mitglieder)

Die Artikel 14 bis 20 EUStA-Verordnung regeln die Ernennung und Entlassung der Mitglieder der EUStA. Das Verfahren für die Ernennung des Europäischen Generalstaatsanwalts und der Europäischen Staatsanwälte soll deren Unabhängigkeit gewährleisten. Der nach Artikel 14 Absatz 3 und Artikel 16 Absatz 2 EUStA-Verordnung vorgesehene Auswahlausschuss ist durch Beschluss des Rates vom 18. September 2018 eingesetzt worden. Der Rat hat ferner mit Beschluss vom 13. Juli 2018 die Regeln für die Tätigkeit des Auswahlausschusses festgelegt. Während nach Artikel 14 Absatz 1 EUStA-Verordnung der Europäische Generalstaatsanwalt vom Europäischen Parlament und dem Rat im gegenseitigen Einvernehmen und die Europäischen Staatsanwälte gemäß Artikel 16 Absatz 3 EUStA-Verordnung vom Rat zu ernennen sind, sollen die Stellvertreter des Europäischen Generalstaatsanwalts vom Kollegium der EUStA aus dem Kreis der Europäischen Staatsanwälte ernannt werden.

Die Amtszeit der Europäischen Staatsanwälte beträgt gemäß Artikel 16 Absatz 3 EUStA-Verordnung grundsätzlich sechs Jahre. Mit Beschluss vom 9. April 2019 hat der Rat die nach Artikel 16 Absatz 4 EUStA-Verordnung vorgesehenen Übergangsbestimmungen festgelegt, in deren Folge ein Drittel der Europäischen Staatsanwälte zunächst nur eine Amtszeit von drei Jahren haben wird. Über die Auswahl der betroffenen Mitgliedstaaten wurde durch Los entschieden; der deutsche Europäische Staatsanwalt fällt danach nicht unter diese Übergangsregelung.

Gemäß Artikel 17 Absatz 1 EUStA-Verordnung ernennt das Kollegium auf Vorschlag des Europäischen Generalstaatsanwalts die von den Mitgliedstaaten benannten Delegierten Europäischen Staatsanwälte. Diese werden gemäß Artikel 96 Absatz 6 Satz 1 der EUStA-Verordnung als "Sonderberater" eingestellt (siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 96 bis 98). Dies soll es ermöglichen, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte, wie Artikel 17 Absatz 2 EUStA-Verordnung vorsieht, sowohl integraler Bestandteil der EUStA sind als auch auf operativer Ebene weiterhin die Stellung eines Staatsanwalts nach innerstaatlichem Recht haben und in die nationalen Strafverfolgungsbehörden integriert sind. In Angelegenheiten der EUStA sollen die nationalen Behörden keine Dienstaufsicht über die Delegierten Europäischen Staatsanwälte ausüben.

Artikel 17 Absatz 4 Satz 2 EUStA-Verordnung lässt es jedoch zu, dass die zuständige nationale Behörde mit Zustimmung des Europäischen Generalstaatsanwalts Disziplinarmaßnahmen auch wegen Pflichtverstößen in der Tätigkeit als Delegierter Europäischer Staatsanwalt ergreifen. Dies ist gegebenenfalls bei Verfahren nach § 17 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) und der entsprechenden Regelungen der Länder zu beachten.

Die Artikel 18 und 19 EUStA-Verordnung regeln die Ernennung, den Status und die Zuständigkeiten des Verwaltungsdirektors der EUStA. Dieser ist für die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben der EUStA zuständig (Artikel 19 Absatz 4 EUStA-Verordnung) und gegenüber dem Europäischen Generalstaatsanwalt und dem Kollegium rechenschaftspflichtig (Artikel 18 Absatz 6 EUStA-Verordnung). Er führt in seiner Eigenschaft als Anweisungsbefugter den Haushaltsplan der EUStA eigenverantwortlich aus (Artikel 93 Absatz 1 EUStA-Verordnung) und unterliegt insoweit der Entlastung durch das Europäische Parlament (Artikel 94 Absatz 10 EUStA-Verordnung).

Artikel 20 EUStA-Verordnung sieht vor, dass die Europäische Kommission für die Errichtung und den anfänglichen administrativen Betrieb der EUStA zuständig ist.

Abschnitt 3 (Geschäftsordnung der EUStA)

Artikel 21 der EUStA-Verordnung bestimmt, dass die Organisation der Arbeit der EUStA durch die Geschäftsordnung geregelt wird. Die Geschäftsordnung soll auf Vorschlag des Europäischen Generalstaatsanwalts vom Kollegium beschlossen werden. Sie soll lediglich interne organisatorische Regelungen treffen und keine Rechte oder Pflichten für externe Personen begründen.

Kapitel IV (Zuständigkeit und Ausübung der Zuständigkeit der EUStA)

Abschnitt 1 (Zuständigkeit der EUStA)

Artikel 22 EUStA-Verordnung (Sachliche Zuständigkeit)

Die EUStA ist gemäß Artikel 22 Absatz 1 Satz 1 EUStA-Verordnung für alle Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zuständig, die mit der PIF-Richtlinie in ihrer Umsetzung in nationales Recht harmonisiert worden sind. Die Richtlinie ist am 17. August 2017 in Kraft getreten und war bis zum 6. Juli 2019 in nationales Recht umzusetzen. Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2017 über die strafrechtliche Bekämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtetem Betrug ist am 28. Juni 2019 in Kraft getreten (BGBl. I S. 844).

Artikel 22 Absatz 1 Satz 2 der EUStA-Verordnung sieht für Fälle des Mehrwertsteuerbetruges im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe d der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 vor, dass die EUStA nur zuständig ist, wenn die Tat mit dem Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten verbunden ist und zusätzlich der Gesamtschaden mindestens 10 Millionen Euro umfasst. Diese Einschränkung entspricht der Regelung in Artikel 2 Absatz 2 der PIF-Richtlinie; sie wurde in den Artikel 22 Absatz 1 EUStA-Verordnung aufgenommen, um zu vermeiden, dass durch die dynamische Verweisung auf die PIF-Richtlinie eine etwaige künftige diesbezügliche Änderung der PIF-Richtlinie automatisch eine Zuständigkeitserweiterung der EUStA zur Folge hätte.

Um die Anwendung der Regelung des Artikels 22 Absatz 1 EUStA-Verordnung in der Praxis zu erleichtern, ist vorgesehen, dass alle Mitgliedstaaten gemäß Artikel 117 Satz 3 EUStA-Verordnung der EUStA eine Liste der Bestimmungen des nationalen Rechts übermitteln, die im Sinne von Artikel 22 Absatz 1 EUStA-Verordnung als Umsetzung der PIF-Richtlinie anzusehen sind.

Gemäß 22 Absatz 2 EUStA-Verordnung ist die EUStA auch für Straftaten bezüglich der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung im Sinne des in nationales Recht umgesetzten Rahmenbeschlusses 2008/841/JI (im deutschen Recht: § 129 StGB; Änderung des § 129 StGB durch das 54. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 17. Juli 2017; BGBl. I S. 2440) zuständig, wenn der Schwerpunkt der strafbaren Handlungen der kriminellen Vereinigungen auf der Begehung von PIF-Taten im Sinne des Artikels 22 Absatz 1 der EUStA-Verordnung liegt.

Daneben sieht Artikel 22 Absatz 3 EUStA-Verordnung in bestimmten Fällen eine Ausdehnung auf andere Straftaten nach nationalem Recht vor, wenn diese Tat untrennbar mit einer harmonisierten Straftat zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union verbunden ist. Relevantes Kriterium zur Auslegung des Begriffs "untrennbar miteinander verbunden" ist, entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum unionsrechtlichen Doppelbestrafungsverbot (Grundsatz des "ne bis in idem"; EuGH, Rs. C-436/04, Van Esbroeck, ECLI:EU:C:2006:165, Rn. 36), die Identität des Sachverhaltes. Es müssen konkrete Umstände vorliegen, die zeitlich und räumlich untrennbar miteinander verbunden sind (vergleiche dazu auch Erwägungsgrund Nummer 54 EUStA-Verordnung). Die Zuständigkeit der EUStA darf in diesen Fällen jedoch nur im Einklang mit Artikel 25 Absatz 3 der EUStA-Verordnung ausgeübt werden.

Artikel 22 Absatz 4 EUStA-Verordnung stellt klar, dass die EUStA nicht für Straftaten in Bezug auf nationale direkte Steuern und auch nicht für die mit diesen untrennbar verbundenen Straftaten zuständig ist. Ferner wird klargestellt, dass die Struktur und die Funktionsweise der Steuerverwaltung der Mitgliedstaaten durch die Verordnung unberührt bleiben.

Artikel 23 EUStA-Verordnung (Territoriale und personelle Zuständigkeit)

Artikel 23 der EUStA-Verordnung regelt die territoriale und personelle Zuständigkeit der EUStA. Bei der Anwendung dieser Bestimmungen ist zu berücksichtigen, dass der auch hier verwendete Begriff "Mitgliedstaat" sich nur auf Mitgliedstaaten bezieht, die an der Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der EUStA beteiligt sind (siehe die Definition in Artikel 2 Punkt 1 EUStA-Verordnung). Damit ein Delegierter Europäischer Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren einleiten kann, ist jedoch nach Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung zusätzlich erforderlich, dass auch sein Mitgliedstaat nach seinem nationalen Recht Gerichtsbarkeit für die Straftat hat (siehe Erläuterungen zu Artikel 26 EUStA-Verordnung).

Abschnitt 2 (Ausübung der Zuständigkeit der EUStA)

Artikel 24 EUStA-Verordnung (Meldung und Prüfung von Informationen)

Gemäß Artikel 24 Absatz 1 EUStA-Verordnung sollen EU-Behörden und mitgliedstaatliche Behörden der EUStA unverzüglich jegliche Straftaten melden, für die diese ihre Zuständigkeit ausüben könnte. Die Vorschrift normiert also eine Anzeigepflicht. Diese wird nicht erst bei Vorliegen eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Absatz 2 StPO ausgelöst. Vielmehr prüft erst die EUStA gemäß Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung, ob die Möglichkeit, dass nach kriminalistischer Erfahrung eine verfolgbare Straftat gegeben ist, vorliegt (Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Auflage, 2019, § 152 StPO Rn. 4). Diese umfassende Prüfung,

insbesondere auch Fragen des subjektiven Tatbestands bzw. der Verjährung oder des Strafklageverbrauchs kann nicht schon von den anzeigenden Behörden verlangt werden. Aus Erwägungsgrund Nummer 48 der EUStA-Verordnung ergibt sich zudem, dass die nationalen Behörden die EUStA über "Handlungen unterrichten, die eine in die Zuständigkeit der EUStA fallende Straftat darstellen könnten." Gleichwohl setzt Erwägungsgrund Nummer 51 der EUStA-Verordnung eine gewisse Bewertung durch die nationalen Behörden voraus. Die Meldepflicht der nationalen Behörden sollte sich daher an § 116 der Abgabenordnung (AO) orientieren, der für die Meldung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Straftat, der zwar weder einen Anfangsverdacht gemäß § 152 Absatz 2 StPO oder einen sonstigen qualifizierten Tatverdacht im Sinne der §§ 112, 203 StPO voraussetzt, aber mehr als eine bloße Vermutung ist (Rätke in: Klein, 14. Auflage, 2018, Abgabenordnung, § 116 AO Rn. 4). Entsprechendes gilt auch für § 6 des Subventionsgesetzes (SubvG). Dort setzt die Mitteilungspflicht ein, wenn die Wahrscheinlichkeit und nicht nur die Möglichkeit besteht, dass ein Subventionsbetrug vorliegt. Eine Pflicht zur Überprüfung aller Vergabeverfahren, ob die Möglichkeit eines Subventionsbetruges gegeben ist, besteht aber nicht (Bundestagsdrucksache 7/3441, S. 45 damals zu § 7 Absatz 1 SubvG, in der Begründung wird ausdrücklich auf den heutigen § 116 AO verwiesen).

Dabei sieht die Verordnung vor, dass die Meldung sowohl an die EUStA-Zentrale als auch an einen Delegierten Europäischen Staatsanwalt erfolgen kann. Die Mitgliedstaaten können bestimmte Meldewege, im Einklang mit der Verordnung, festlegen und entscheiden, ob sie ein direktes oder ein zentralisiertes System errichten wollen (siehe Erwägungsgrund Nummer 52 der EUStA-Verordnung). Solche Regelungen können in der Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls in Verwaltungsvorschriften getroffen werden.

Sofern nach Maßgabe des anwendbaren nationalen Rechts bereits ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat eingeleitet worden ist, für welches die EUStA ihre Zuständigkeit ausüben könnte, ist die EUStA gemäß Artikel 24 Absatz 2 EUStA-Verordnung unverzüglich zu unterrichten, damit diese entscheiden kann, ob sie ihr Evokationsrecht nach Artikel 27 EUStA-Verordnung ausübt. Nach deutschem Recht gilt ein Ermittlungsverfahren dann als eingeleitet, wenn die Ermittlungsbehörde eine Maßnahme trifft, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild darauf abzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen. Dabei genügt jede Maßnahme der Staatsanwaltschaft, der Polizei oder der Finanzbehörden, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen des Verdachts einer Straftat strafrechtlich (zum Beispiel durch Vernehmung als Beschuldigten) einzuschreiten (Griesbaum in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage, 2019, § 160 Rn. 14).

Darüber hinaus ist auch die Anzeigeerstattung durch private Hinweisgeber vorgesehen, wenn auch nicht ausdrücklich in der EUStA-Verordnung geregelt. Aus Erwägungsgrund Nummer 49 der EUStA-Verordnung ergibt sich, dass die EUStA "auch Informationen von anderen Quellen wie privaten Dritten erhalten oder einholen" kann. In diesem Fall findet Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung Anwendung, der regelt, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt in einem Mitgliedstaat immer dann ein Ermittlungsverfahren einleitet, wenn nach dem anwendbaren nationalen Recht ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, dass eine in die Zuständigkeit der EUStA fallende Straftat begangen wurde. Die Pflicht zur Entgegennahme von Anzeigen durch die EUStA folgt unmittelbar aus Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung; daher kann § 158 StPO hinsichtlich der Anzeigeerstattung bei der EUStA keine Anwendung finden. Da § 142b GVG-E vorsieht, dass das Amt der Staatsanwaltschaft von den Delegierten Europäischen Staatsanwälten ausgeübt wird, sofern die EUStA gemäß Artikel 25 EUStA-Verordnung die Strafverfolgung übernommen hat, besteht aber hinsichtlich der Unanwendbarkeit des § 158 StPO kein gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf. Wie die EUStA mit dem Eingang der Anzeigen (zum Beispiel Eingangsbestätigung gemäß § 158 Absatz 1 Satz 3 StPO) und der Weiterleitung der Anzeigen, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen (§ 158 Absatz 3 StPO), verfährt, bedarf einer internen Regelung der EUStA, sodass für die Anwendung von § 158 StPO insgesamt kein Raum besteht.

Erwägungsgrund Nummer 50 der EUStA-Verordnung sieht zudem vor, dass die Mitgliedstaaten den Schutz von Hinweisgebern vor Vergeltung oder anderen nachteiligen oder diskriminierenden Maßnahmen im Beschäftigungsverhältnis sicherstellen sollen. Diesem Anliegen soll die Richtlinie 2019/1937/EU zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17) melden, mit ihrer Umsetzung in das Recht der Mitgliedstaaten Rechnung tragen.

Ist der EUStA ein Sachverhalt übermittelt worden, so wird der Eingang gemäß Geschäftsordnung der EUStA registriert und die Informationen werden gemäß Artikel 24 Absatz 6 EUStA-Verordnung daraufhin geprüft, ob Anlass zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bzw. zur Ausübung des Evokationsrechts besteht. Kommt die EUStA nach Prüfung des Sachverhaltes zu dem Ergebnis, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten bzw. nicht von ihrem Evokationsrecht Gebrauch zu machen, so unterrichtet die EU-StA gemäß Artikel 24 Absatz 7 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung die nationalen Behörden, die den Sachverhalt gemäß Artikel 24 Absatz 1 oder Absatz 2 EUStA-Verordnung der EU-StA zur Kenntnis gebracht hatten. Ferner soll die EUStA gemäß Artikel 24 Absatz 7 EUStA-Verordnung die Opfer und, sofern dies im nationalen Recht vorgesehen ist, andere Personen, die die Anzeige erstattet hatten, unterrichten. Insoweit ist § 171 StPO mit ergänzender Maßgabe anzuwenden (siehe dazu § 3 Absatz 4 EUStAG-E).

Absatz 8 sieht vor, dass die EUStA, sofern sie Kenntnis davon erlangt, dass möglicherweise eine nicht in ihre Zuständigkeit fallende Straftat begangen wurde, unverzüglich die zuständigen nationalen Behörden unterrichten und alle sachdienlichen Beweise an diese weiterleiten soll. Diese Vorschrift kann Bedeutung erlangen, wenn die EUStA einen Bericht nach Artikel 24 Absatz 1 der Verordnung oder eine Anzeige seitens einer Privatperson erhalten und festgestellt hat, dass es sich nicht um eine Straftat handelt, für die die EUStA nach Maßgabe von Artikel 22 und 23 der Verordnung zuständig ist, oder um eine Tat, für die sie jedenfalls nach Maßgabe von Artikel 25 Absatz 2 oder Absatz 3 der Verordnung auf die Ausübung ihrer Zuständigkeit verzichten soll. Erwägungsgrund Nummer 48 Satz 2 der Verordnung nennt als weiteres Beispiel, dass die EUStA im Rahmen ihrer Ermittlungen von einem Sachverhalt Kenntnis erhält, der eine Straftat außerhalb ihrer Zuständigkeit darstellen könnte, wie etwa eine Falschaussage. Entsprechend wäre auch im Fall des § 108 Absatz 1 StPO durch Unterrichtung des Delegierten Europäischen Staatsanwalts zu verfahren.

Artikel 25 EUStA-Verordnung (Ausübung der Zuständigkeit der EUStA)

Wie sich auch aus Erwägungsgrund Nummer 13 der EUStA-Verordnung ergibt, sieht die Verordnung ein System der geteilten Zuständigkeit zwischen der EUStA und den nationalen Behörden vor. Die EUStA übt gemäß Artikel 25 Absatz 1 EUStA-Verordnung ihre Zuständigkeit entweder durch Einleitung des Ermittlungsverfahrens nach Artikel 26 EUStA-Verordnung oder durch Wahrnehmung ihres Evokationsrechts nach Artikel 27 EUStA-Verordnung aus. Entscheidet die EUStA, von ihrer Zuständigkeit Gebrauch zu machen, so haben die nationalen Behörden davon abzusehen, ihre eigene Zuständigkeit in Bezug auf dieselbe strafbare Handlung auszuüben (Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 EUStA-Verordnung). Insoweit hat dann die Zuständigkeit der EUStA Vorrang vor den diesbezüglichen Zuständigkeiten der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten (Erwägungsgrund Nummer 58 der EU-StA-Verordnung). Dies ist innerstaatlich unabhängig davon zu beachten, ob für die Europäische Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren von einem deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalt eingeleitet (bzw. evoziert) wurde oder von einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt eines anderen Mitgliedstaates; in jedem Fall müssen deutsche Behörden dann nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 EUStA-Verordnung davon absehen, ein Ermittlungsverfahren in eigener Zuständigkeit zu führen. Über ein etwa schon eingeleitetes nationales Ermittlungsverfahren ist die EUStA gemäß Artikel 24 Absatz 2 EUStA-Verordnung zu unterrichten, damit sie auch insoweit von ihrem Evokationsrecht nach Artikel 27 EUStA-Verordnung Gebrauch machen kann.

Allerdings setzt Artikel 25 EUStA-Verordnung zugleich der Möglichkeit der EUStA, ihre Zuständigkeit auszuüben, bestimmte Schranken: So ergibt sich aus Absatz 2, dass die EUStA bei Straftaten, bei denen ein Schaden von weniger als 10 000 EUR zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union entstanden oder zu erwarten ist, von ihrer Zuständigkeit nur unter bestimmten, dort genannten Voraussetzungen Gebrauch machen kann.

Absatz 3 bestimmt, dass die EUStA auch in weiteren dort genannten Fällen von ihrer Zuständigkeit keinen Gebrauch machen, sondern den Fall nach Artikel 34 EUStA-Verordnung an die zuständigen nationalen Behörden verweisen soll. Die Regelung des Absatzes 3 stellt insoweit im Fall von untrennbar verbundenen Delikten im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 EUStA-Verordnung auf die relative Schwere des jeweiligen Tatbestandes ab (Absatz 3, Buchstabe a) bzw. bei bestimmten Delikten auf die jeweilige Schadenshöhe, die durch die gleiche Tat einerseits der Union und andererseits einem anderen Geschädigten entstanden ist (Absatz 3 Buchstabe b). Letztgenannte Regelung kann etwa dann von Bedeutung sein, wenn durch die gleiche Tat sowohl der Union zustehende Zollabgaben hinterzogen werden wie auch dem Mitgliedstaat zustehende direkte Steuern (etwa auf Tabakerzeugnisse). Wie sich aus Absatz 3 Unterabsatz 2 ergibt, kommt es jedoch bei bestimmten, in der PIF-Richtlinie harmonisierten Delikten nicht auf die relative Schadenshöhe an, wie etwa im Fall des Subventionsbetruges; hier soll die EUStA ihre Zuständigkeit auch dann ausüben können, wenn der dem Mitgliedstaat entstandene Schaden höher ist als der Schaden, welcher der Union entstanden ist.

Aus Absatz 4 folgt wiederum, dass die EUStA mit Zustimmung der zuständigen nationalen Behörden ihre Zuständigkeit in Fällen dennoch ausüben kann, bei denen ansonsten aufgrund der Anwendung von Absatz 3 Buchstabe b die Ausübung ihrer Zuständigkeit ausgeschlossen wären, sofern sie besser in der Lage ist, die Ermittlungen durchzuführen oder Straftaten zu verfolgen. Dies könnte, wie in Erwägungsgrund Nummer 60 der EUStA-Verordnung ausgeführt, der Fall sein, wenn die EUStA bei einer Straftat aufgrund deren grenzübergreifenden Art und Größenordnung effizienter ermitteln könnte, wenn an der Straftat kriminelle Vereinigungen beteiligt sind oder eine bestimmte Art der Straftat eine ernsthafte Gefahr für die finanziellen Interessen der Union oder für die Glaubwürdigkeit ihrer Institutionen und das Vertrauen der Bürger darstellen könnte.

Besteht zwischen der EUStA und der nationalen Strafverfolgungsbehörde Uneinigkeit darüber, ob die strafbare Handlung in den Anwendungsbereich der Artikel 22 Absatz 2 oder 3 oder Artikel 25 Absatz 2 oder 3 fällt, so soll gemäß Artikel 25 Absatz 6 EUStA-Verordnung die zuständige nationale Behörde entscheiden. In Anlehnung an § 143 Absatz 3 GVG sieht § 142b Absatz 2 GVG-E vor, dass bei solchen Zuständigkeitsstreitigkeiten der Generalbundesanwalt entscheidet. Gegen die Entscheidung des Generalbundesanwalts kann die betroffene Stelle Beschwerde beim Bundesgerichtshof erheben (siehe dazu Artikel 2 des Entwurfs).

Kapitel V (Verfahrensvorschriften für Ermittlungsverfahren, Ermittlungsmaßnahmen, Strafverfolgung und Alternativen zur Strafverfolgung)

Abschnitt 1 (Vorschriften für Ermittlungsverfahren)

Artikel 26 EUStA-Verordnung (Einleitung von Ermittlungsverfahren und Aufteilung der Zuständigkeiten innerhalb der EUStA)

Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung trifft Regelungen für die Entscheidung über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die EUStA und weist die Zuständigkeit für diese Entscheidungen den Delegierten Europäischen Staatsanwälten zu. Grundsätzlich kann danach jeder Delegierte Europäische Staatsanwalt ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn der Mitgliedstaat nach Maßgabe des dortigen Rechts Gerichtsbarkeit für die gegenständliche Straftat hat, was sich nach deutschem Recht vorrangig nach den §§ 3 ff. StGB richtet; zusätzlich müssen auch die Voraussetzungen für die Zuständigkeit (Artikel 22 und 23 EUStA-Verordnung) und die Ausübung der Zuständigkeit der EUStA (Artikel 25 EU-StA-Verordnung) gegeben sein. Absatz 1 verweist auf das mitgliedstaatliche Recht in der Frage, ob ein "berechtigter Grund zu der Annahme" besteht, dass eine in die Zuständigkeit der EUStA fallende Straftat begangen wurde, für die die EUStA nach Maßgabe des Artikels 25 Absatz 2 und 3 ihre Zuständigkeit auch ausüben kann. Soweit ein deutscher Delegierter Europäischer Staatsanwalt über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu entscheiden hat, ist § 152 Absatz 2 StPO somit als Maßstab zur Prüfung des Anfangsverdachts anwendbar. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, sieht die EUStA-Verordnung keine Ermessensentscheidung vor; vielmehr soll der Delegierte Europäische Staatsanwalt in diesem Fall ein Ermittlungsverfahren einleiten (siehe auch den Hinweis in Erwägungsgrund Nummer 66 der EUStA-Verordnung auf die Anwendbarkeit des Legalitätsprinzips). Die Vorschrift des Artikels 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung geht daher der Regelung des § 160 Absatz 1 StPO vor. Die Unanwendbarkeit dieser Norm wird in § 3 Absatz 1 EUStAG-E klargestellt.

Für den Fall, dass mehrere an der Errichtung der EUStA teilnehmende Mitgliedstaaten Gerichtsbarkeit für die Tat haben, regelt Artikel 26 Absatz 4 EUStA-Verordnung die interne Zuständigkeitsverteilung. Grundsätzlich soll das Ermittlungsverfahren von einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt eingeleitet und geführt werden, in dessen Mitgliedstaat der Schwerpunkt der strafbaren Handlung liegt bzw. in dem ein Großteil der Straftaten begangen wurde. Im Ausnahmefall kann davon abgewichen werden. Dabei sind die in Satz 2 aufgeführten Kriterien in der dort angegebenen Rangordnung zu beachten.

Bis zur Entscheidung über die Strafverfolgung gemäß Artikel 36 EUStA-Verordnung kann die aufsichtführende Ständige Kammer gemäß Artikel 26 Absatz 5 EUStA-Verordnung das Verfahren einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt in einem anderen Mitgliedstaat übertragen und kann Verfahren verbinden oder abtrennen, wenn diese Entscheidungen im allgemeinen Interesse der Rechtspflege liegen und mit den in Absatz 4 aufgeführten Kriterien übereinstimmen.

Absatz 7 regelt die Pflicht der EUStA, die "zuständigen nationalen Behörden" über die Entscheidung, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, zu unterrichten. Die Regelung wiederholt daher insoweit die Bestimmung in Artikel 25 Absatz 5 EUStA-Verordnung. Dieser Pflicht soll durch die Eintragung ins Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister (ZStV) und die Mitteilung der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an die nach § 143 Absatz 1 GVG sonst zuständige Staatsanwaltschaft Rechnung getragen werden (siehe dazu § 12 Absatz 1 und Absatz 2 EUStAG-E).

Artikel 27 EUStA-Verordnung (Evokationsrecht)

Gemäß Artikel 27 EUStA-Verordnung kann die EUStA für den Fall, dass eine Justiz- oder Strafverfolgungsbehörde eines Mitgliedstaates bereits nach nationalem Recht ein Verfahren eingeleitet und die EUStA gemäß Artikel 24 Absatz 2 EUStA-Verordnung hierüber unterrichtet hat, innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist entscheiden, das ihr von dieser Regelung eingeräumte Evokationsrecht auszuüben. Anders als im Fall einer originären Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung hat die EUStA ein Ermessen, ob sie von dem Evokationsrecht Gebrauch macht oder hierauf verzichtet; in diesen Fällen findet insoweit also das Legalitätsprinzip (Erwägungsgrund Nummer 66 der EUStA-Verordnung) keine Anwendung.

Während der in Absatz 1 bestimmten Frist sollen die mitgliedstaatlichen Behörden nur dringend erforderliche Maßnahmen treffen und davon absehen, Entscheidungen nach nationalem Recht zu treffen, die zur Folge haben könnten, dass die EUStA ihr Evokationsrecht nicht mehr ausüben kann (siehe Artikel 27 Absatz 2 EUStA-Verordnung).

Die Zuständigkeit für die Prüfung, ob die EUStA von ihrem Evokationsrecht Gebrauch macht, obliegt grundsätzlich dem Delegierten Europäischen Staatsanwalt eines Mitgliedstaates, dessen Behörden ein Ermittlungsverfahren nach nationalem Recht eingeleitet hatten (siehe Artikel 27 Absatz 6 EUStA-Verordnung). Ebenso wie im Fall der originären Einleitung eines Verfahrens durch die EUStA (Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung) kann auch in diesen Fällen gegebenenfalls die zuständige Ständige Kammer anschließend entscheiden, das Verfahren gemäß Artikel 26 Absatz 5 Buchstabe a EUStA-Verordnung einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt eines anderen Mitgliedstaates zu übertragen.

Übt die EUStA ihr Evokationsrecht aus, gibt die zuständige Behörde des Mitgliedstaates unverzüglich die Akte ab und übt keine weitere Zuständigkeit in Bezug auf dieselbe Straftat aus (Artikel 27 Absatz 5 EUStA-Verordnung). In diesem Fall leitet die Europäische Staatsanwaltschaft nicht nach Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung ein Verfahren ein, sondern setzt das von der nationalen Behörde eingeleitete Verfahren fort.

Macht die EUStA von ihrem Evokationsrecht innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist keinen Gebrauch, so kann die mitgliedstaatliche Behörde das Ermittlungsverfahren fortsetzen; sie ist dann jedoch gemäß Absatz 7 verpflichtet, die EUStA über alle neuen Sachverhalte zu informieren, die der EUStA Anlass geben könnten, über die Ausübung des Evokationsrechts erneut zu entscheiden.

Artikel 28 EUStA-Verordnung (Führung der Ermittlungen)

Artikel 28 EUStA-Verordnung enthält wesentliche Regelungen über die Führung der Ermittlungsverfahren der EUStA insbesondere im Hinblick auf interne Zuständigkeiten und Weisungsbefugnisse gegenüber Ermittlungsbehörden der Mitgliedstaaten. Gemäß Absatz 1 Satz 1 soll der mit dem Verfahren betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt im Einklang mit der Verordnung und dem Recht seines Mitgliedstaates Ermittlungsmaßnahmen und andere Maßnahmen entweder selbst treffen oder die zuständigen Behörden seines Mitgliedstaates hierzu anweisen. Aus der Bezugnahme auf das nationale Recht in Satz 1 folgt, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt dabei die in dem Mitgliedstaat geltenden Zuständigkeitsverteilungen zu der Frage, welche Maßnahmen durch die Staatsanwaltschaft getroffenen werden können bzw. welche Behörden für die Durchführung welcher Maßnahmen zuständig sind, zu beachten hat. Dies gilt auch für Befugnisse nationaler Behörden, an Ermittlungsmaßnahmen beteiligt zu werden (etwa § 403 Absatz 1 und 2 AO) . Gemäß Absatz 1 Satz 2 sollen die Behörden im Einklang mit dem nationalen Recht sicherstellen, dass die Weisungen befolgt werden, und sollen die Maßnahmen, zu denen sie angewiesen worden sind, treffen. Die Bezugnahme auf die mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften in Satz 2 bedeutet hier wiederum, dass die angewiesene Behörde nur im Rahmen ihrer innerstaatlichen Zuständigkeiten zu handeln verpflichtet ist, aber auch, dass sie - unbeschadet der Sachleitungsbefugnis des Delegierten Europäischen Staatsanwalts - nicht verpflichtet ist, Maßnahmen zu ergreifen, die nach anwendbarem nationalen Recht nicht zulässig wären. Durch den Verweis auf das nationale Recht finden § 161 Absatz 1 StPO, § 152 GVG und die §§ 402, 404 AO hinsichtlich der allgemeinen Ermittlungsbefugnis ("Ermittlungen jeder Art") des Delegierten Europäischen Staatsanwalts wie auch in Bezug auf mögliche Weisungen und Ermittlungsaufträge an Polizei-, Zoll- und Steuerbehörden Anwendung. Diese mitgliedstaatlichen Behörden werden so als "verlängerter Arm" der EU-StA tätig. Soweit die EUStA-Verordnung Vorrang vor entgegenstehendem nationalem Recht beansprucht, gilt dies auch für die Rechtsvorschriften, die die Befugnisse der nationalen Strafverfolgungsbehörden regeln.

Die EUStA soll im Anwendungsbereich der EUStA-Verordnung als zuständige Behörde für das Ermittlungs- und das Strafverfahren an die Stelle der Staatsanwaltschaften der Mitgliedstaaten treten. Dem würde es widersprechen, auch die Staatsanwaltschaften der Mitgliedstaaten als "nationale Behörde" im Sinne des Artikels 28 Absatz 1 EUStA-Verordnung zu behandeln, mit der Folge, dass die EUStA ein Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften als "nationale Behörde" ausüben könnte. Vorgesehen werden sollte jedoch, dass die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte im Einzelfall im Wege der Amtshilfe eine deutsche Staatsanwaltschaft etwa für umfangreichere Durchsuchungsmaßnahmen oder gemäß § 161a Absatz 4 StPO um die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen ersuchen kann. Eine generelle Pflicht zur Amtshilfe gemäß Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) besteht nicht, da es sich bei der EUStA um eine EU-Behörde und nicht um eine Behörde des Bundes oder der Länder handelt. Gleichwohl ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 6 EUStA-Verordnung, dass eine loyale Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden, mithin auch den deutschen Staatsanwaltschaften und der EUStA zur Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union, geboten ist und die zuständigen nationalen Behörden die Ermittlungen der EUStA aktiv "fördern und unterstützen" sollen.

Zu diesem Zweck sieht der Entwurf in § 13 EUStAG-E eine Regelung vor, aufgrund derer die EUStA deutsche Staatsanwaltschaften um Amtshilfe ersuchen kann.

Absatz 2 regelt, dass die zuständigen nationalen Behörden zu jedem Zeitpunkt während des von der EUStA geführten Verfahrens dringend erforderliche Maßnahmen im Einklang mit dem nationalen Recht treffen dürfen, auch wenn die zuständigen nationalen Behörden nicht explizit auf Weisung des Delegierten Europäischen Staatsanwalts handeln (Absatz 2 Satz 1). Dies entspricht den Pflichten der Polizei-, Steuer- und Zollbehörden nach § 163 Absatz 1 StPO bzw. nach den §§ 402 und 404 AO. Der Delegierte Europäische Staatsanwalt ist von den nationalen Behörden unverzüglich über die ergriffenen Eilmaßnahmen zu informieren (Absatz 2 Satz 2). Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Polizei, Steuer und Zollbehörden entspricht diese Vorschrift der Regelung des § 163 Absatz 2 Satz 1 StPO, wenn die nationale Strafverfolgungsbehörde nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die EUStA tätig wird, da die EUStA in diesem Fall gemäß § 142b Absatz 1 Satz 1 GVG-E als Staatsanwaltschaft gilt.

Anders als in Bezug auf Artikel 28 Absatz 1 EUStA-Verordnung sollten in Bezug auf Absatz 2 auch die nationalen Staatsanwaltschaften gemäß Artikel 117 EUStA-Verordnung als "zuständige Behörden" benannt werden. Auch innerhalb der EUStA sollte es zwar einen Eildienst der deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte geben. Ist dieser jedoch nicht erreichbar, sollte es im Einklang mit Artikel 28 Absatz 2 EUStA-Verordnung gleichwohl möglich sein, Eilmaßnahmen durch die ansonsten örtlich zuständige Staatsanwaltschaft zu veranlassen. Die in § 143 Absatz 2 GVG geregelte Notzuständigkeit sollte auch im Fall des Artikels 28 Absatz 2 EUStA-Verordnung Anwendung finden.

Artikel 28 Absatz 3 EUStA-Verordnung regelt, unter welchen Voraussetzungen die zuständige Ständige Kammer auf Vorschlag des aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalts das Verfahren einem anderen Delegierten Europäischen Staatsanwalt in demselben Mitgliedstaat neu zuweisen kann. Nach Absatz 4 kann in den dort aufgezählten, außergewöhnlichen Ausnahmefällen auch der aufsichtführende Europäische Staatsanwalt mit Genehmigung der Ständigen Kammer eine begründete Entscheidung treffen, die Ermittlungen selbst zu führen. Ermittlungsmaßnahmen oder andere Maßnahmen kann er nach dieser Vorschrift entweder selbst treffen oder die zuständigen Behörden dazu anweisen. Dass auch der deutsche Europäische Staatsanwalt als "Staatsanwalt" agieren kann, soll durch die Regelung in § 142b Absatz 1 Satz 3 GVG-E und § 1 Absatz 2 Satz 2 EUStAG-E klargestellt werden.

Artikel 29 EUStA-Verordnung (Aufhebung von Vorrechten und Befreiungen)

Die Vorschrift regelt das interne Verfahren für den Fall, dass die Ermittlungen der EUStA Personen betreffen, die nach nationalem Recht (Absatz 1) bzw. durch Unionsrecht (Absatz 2) durch ein Vorrecht oder eine Befreiung geschützt sind, und dadurch die Durchführung des Ermittlungsverfahrens behindert wird. In diesem Fall soll der Antrag auf Aufhebung des Vorrechts bzw. der Befreiung im Einklang mit dem anwendbaren nationalen Recht bzw. Unionsrecht vom Europäischen Generalstaatsanwalt gestellt werden.

Artikel 29 Absatz 1 EUStA-Verordnung kann in der Bundesrepublik

Deutschland insbesondere für das Verfahren zur Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Artikel 46 GG) bzw. nach den entsprechenden Vorschriften der Länder Anwendung finden.

Artikel 29 Absatz 2 EUStA-Verordnung betrifft Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des entsprechenden Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union vom 8. April 1965, ABl. 1967 Nr. 152 S. 13 i.d.F. des Vertrags von Lissabon vom 13. Dezember 2007, ABl. 2008 C 115, S. 210.

Abschnitt 2 (Regeln für Ermittlungsmaßnahmen und andere Maßnahmen)

Die EUStA-Verordnung sieht vor, dass Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich nach Maßgabe des anwendbaren mitgliedstaatlichen Rechts durchzuführen sind. Die Verordnung enthält insoweit in Artikel 30 nur einzelne unionsrechtliche Vorgaben, die bei der Anordnung und Durchführung einer Maßnahme in dem Mitgliedstaat des verfahrensführenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts zu beachten sind.

Artikel 31 und Artikel 32 EUStA-Verordnung sehen ergänzend Regelungen für grenzüberschreitende Ermittlungen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der EUStA-Verordnung vor.

Artikel 30 EUStA-Verordnung (Ermittlungsmaßnahmen und andere Maßnahmen)

Absatz 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten bei Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren bedroht sind, sicherzustellen, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt die dort unter Buchstabe a bis f aufgeführten Arten von Ermittlungsmaßnahmen anordnen bzw. beantragen kann. Da die dort aufgeführten Ermittlungsmaßnahmen auch in der StPO vorgesehen und grundsätzlich bei den Delikten, für die die EUStA gemäß Artikel 22 EUStA-Verordnung zuständig ist, anwendbar sind, ergibt sich aus Artikel 30 Absatz 1 EUStA-Verordnung kein ergänzender Regelungsbedarf.

So wird den in Absatz 1 Buchstabe a und b aufgeführten Ermittlungsmaßnahmen durch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmevorschriften der StPO (§§ 94, 98; §§ 99, 100 Absatz 1; §§ 102, 103; § 108) ausreichend Rechnung getragen. Die Herausgabe von gespeicherten (verschlüsselten oder entschlüsselten) Computerdaten (Absatz 1 Buchstabe c) kann durch die Sicherstellung des Computers oder Mobiltelefons und die einmalige Beschlagnahme von E-Mails beim Provider gemäß den §§ 94, 98 StPO erreicht werden. Die Erhebung von Verkehrs- und Standortdaten wird in § 100g StPO geregelt. Bankauskünfte sind von § 161a StPO umfasst.

Die Sicherstellung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten, einschließlich Vermögenswerten gemäß Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung wird zum einen durch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmevorschriften und zum anderen durch die Möglichkeit der Beantragung eines Arrestbeschlusses (§§ 111e Absatz 1 und Absatz 4, 111j StPO in Verbindung mit §§ 73 Absatz 1, 73c, 73d StGB) sowie der Vollziehung des Vermögensarrestes durch einen Pfändungsbeschluss (§§ 73 ff. StGB in Verbindung mit den §§ 111b, 111d, 111e, 111f Absatz 3 Satz 3 StPO in Verbindung mit den §§ 928, 930, 829, 840 ZPO) ermöglicht.

Die Überwachung der aus- und eingehenden elektronischen Kommunikation gemäß Absatz 1 Buchstabe e ist über die Telefonüberwachung (Festnetz und Mobilfunk) inklusive Verkehrs- und Standortdaten (§§ 100a, 100g StPO) möglich. Auch die Internetkommunikation kann gemäß den §§ 100a Absatz 2, 100g Absatz 1 StPO überwacht werden.

Die in Absatz 1 Buchstabe f genannte Verfolgung und Ortung von Gegenständen mit technischen Mitteln wird über die Erhebung der Verkehrs- und Standortdaten (§ 100g StPO), den Einsatz eines IMSI-Catchers (§ 100i StPO) sowie die Observationsvorschriften (§ 163f StPO in Verbindung mit § 100h StPO) ermöglicht. Die kontrollierte Warenlieferung kann auf die allgemeine Ermittlungskompetenz gemäß den §§ 161, 163 StPO in Verbindung mit Nummer 29a b i.d.R. chtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) gestützt werden. Erfolgt eine längerfristige Observation, sind zusätzlich die Vorschriften des § 163f StPO zu beachten.

Absatz 2 schränkt die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Absatz 1 ein und bestimmt, dass auch unbeschadet des Artikels 29 EUStA-Verordnung mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften für bestimmte Personen- oder Berufsgruppen, die rechtlich zur Geheimhaltung verpflichtet sind, weiterhin anwendbar sind. Mithin finden das Zeugnisverweigerungsrecht für Berufsgeheimnisträger gemäß § 53 StPO, die Beschlagnahmeverbote nach § 97 StPO sowie die Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote gemäß § 160a StPO Anwendung. Auch § 160 Absatz 4 StPO findet im EUStA-Verfahren Anwendung und mithin wird unter anderem der Schutz besonderer Amts- und Berufsgeheimnisträger und des Steuer- und Sozialgeheimnisses (§ 30 AO, § 35 SGB I, §§ 67 ff. SGB X) sichergestellt.

Artikel 30 Absatz 3 EUStA-Verordnung enthält eine weitere wichtige Einschränkung der Verpflichtungen aus Absatz 1: Danach können mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften an die in Absatz 1 Buchstabe c, e und f genannten Ermittlungsmaßnahmen zusätzliche Bedingungen oder Anwendungseinschränkungen knüpfen. Insbesondere können sie die Anwendbarkeit der in Absatz 1 Buchstabe e und f genannten Ermittlungsmaßnahmen auf einen Katalog von bestimmten schweren Straftaten beschränken. Die Regelung des Absatzes 3 erlaubt es daher, die nach deutschem Recht bestehenden Beschränkungen in Bezug auf besonders eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen (§§ 100a, 100c, 100f, 100g, 100h und 100i StPO) auch - und abweichend von der lediglich an das Höchstmaß von vier Jahren anknüpfenden Regelung in Absatz 1 - in Bezug auf Ermittlungsverfahren der EUStA anzuwenden. Die Bundesregierung beabsichtigt, von dieser Regelung Gebrauch zu machen, und wird die entsprechende Liste der EUStA gemäß Artikel 117 der EUStA-Verordnung übermitteln.

Gemäß Artikel 30 Absatz 4 EUStA-Verordnung, sind die Delegierten Europäischen Staatsanwälte befugt, zusätzlich zu den in Absatz 1 genannten Maßnahmen andere Arten von Maßnahmen zu beantragen oder anzuordnen, die ihnen in ihrem Mitgliedstaat in vergleichbaren Fällen zur Verfügung stehen. Darunter fallen zum Beispiel die Wohnraumüberwachung gemäß § 100c StPO, die akustische Überwachung außerhalb der Wohnung gemäß § 100f StPO, der Einsatz verdeckter Ermittler gemäß § 110a StPO sowie die Durchführung einer Quellen-Telefonüberwachung (Telekommunikation mittels Laptop, PCs oder IP-Telefonie) gemäß den §§ 100a Absatz 1 Satz 1 bis 3, Absatz 5, 100e StPO.

Absatz 5 enthält zunächst eine unionsrechtliche Vorgabe, die von den Delegierten Europäischen Staatsanwälten bei der Anordnung zu beachten ist: Sie können die in Absatz 1 und Absatz 4 genannten Maßnahmen nur dann anordnen, wenn hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, dass durch die betreffende Maßnahme Informationen oder Beweismittel erlangt werden können, die für die Ermittlungen nützlich sind, und keine weniger eingreifende Maßnahme zur Verfügung steht, mit der sich dasselbe Ziel erreichen ließe. Der hier angelegte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergänzt entsprechende Regelungen oder Grundsätze des nationalen Verfahrensrechts, ersetzt aber, insbesondere im Anwendungsbereich des Absatzes 3 nicht diesbezügliche spezifische Anforderungen, die das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht an die Anordnung bzw. Durchführung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen stellt (siehe dazu auch Erwägungsgrund Nummer 88 Absatz 3 der EUStA-Verordnung).

Artikel 30 Absatz 5 Satz 2 EUStA-Verordnung sieht vor, dass für die Anordnung und Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen die Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts gelten. Damit finden grundsätzlich alle Regelungen der StPO über die Anordnung und Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen Anwendung. Das gilt ebenso für Regelungen der StPO, die einen Richtervorbehalt vorsehen, wie auch Regelungen, die besondere Vorkehrungen unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes oder der Privatsphäre treffen. Da etwa die Regelungen der § 100e Absatz 2 StPO, § 101 Absatz 7 Satz 1 und § 162 Absatz 1 Satz 1 StPO hinsichtlich des für die Anordnung zuständigen Gerichts jeweils auf den Sitz der Staatsanwaltschaft Bezug nehmen, soll mit § 3 Absatz 3 EUStAG-E eine spezifische Regelung für die EUStA geschaffen werden, die als Sitz im Sinne dieser Vorschriften den Dienstort des mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts bestimmt.

Hinsichtlich der durch die Erhebung von Daten gewonnenen Erkenntnisse sind auch für die EUStA § 101 Absatz 3 StPO und § 101a Absatz 3 StPO anwendbar. Demnach sind personenbezogene Daten, die aus einer Maßnahme nach Artikel 30 Absatz 1 EUStA-Verordnung gewonnen wurden, entsprechend zu kennzeichnen (zum Beispiel durch einen Sonderband Telekommunikationsüberwachung "TKÜ"). Die Kennzeichnung ist auch bei Übermittlung durch die EUStA an andere Stellen aufrechtzuerhalten und durch die Beigabe von besonderen Verarbeitungsbedingungen (Artikel 53 EUStA-Verordnung) abzusichern. Auch die aus § 101b StPO folgenden Berichtspflichten an das Bundesamt für Justiz über die auf Antrag der EUStA erfolgten gerichtlich angeordneten Maßnahmen nach den §§ 100a, 100b, 100c, 100g StPO finden wegen des Verweises in Artikel 30 Absatz 5 auf das Recht der Mitgliedstaaten in EUStA-Verfahren Anwendung.

Artikel 31 und 32 EUStA-Verordnung (Grenzüberschreitende Ermittlungen bzw. Vollstreckung der zugewiesenen Maßnahmen)

Artikel 31 EUStA-Verordnung regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Delegierten Europäischen Staatsanwälte zwischen den an der Errichtung der EUStA beteiligten Mitgliedstaaten. Die EUStA-Verordnung hält hier - trotz des Postulats der EUStA, eine "einheitliche Behörde" zu sein (siehe Artikel 8 Absatz 1 EUStA-Verordnung) - an dem Grundsatz fest, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte nur in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat handeln können (siehe auch Artikel 13 Absatz 1 EUStA-Verordnung).

Artikel 31 EU-StA-Verordnung sieht daher vor, dass der "betraute" (das heißt der das Ermittlungsverfahren führende) Delegierte Europäische Staatsanwalt zwar die Entscheidung über die Anordnung einer Ermittlungsmaßnahme trifft, sich jedoch im Übrigen eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts in dem Mitgliedstaat bedient, in dem die Maßnahme durchgeführt werden soll (sogenannter "unterstützender" Delegierter Europäischer Staatsanwalt).

Die Bestimmungen des Artikels 31 EUStA-Verordnung, mit Ausnahme von dessen Absatz 6, treffen im Sinne von Artikel 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung abschließende Regeln über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Delegierten Europäischen Staatsanwälten; daher finden die Vorschriften des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) grundsätzlich ebenso wenig Anwendung wie internationale Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen. Dies soll mit § 6 Absatz 1 EUStAG-E ausdrücklich klargestellt werden. Anwendbar bleiben jedoch völkerrechtliche Vereinbarungen, Rechtsakte der Europäischen Union und gesetzliche Regelungen über die Zusammenarbeit von anderen Behörden, wie etwa den Polizei- und Zollbehörden, auch soweit diese nach Artikel 28 EUStA-Verordnung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der EUStA tätig werden (siehe auch Erwägungsgrund Nummer 74 der EUStA-Verordnung). Gleiches gilt für die Rechtshilfe in Strafsachen auf Ersuchen eines Gerichts im Hauptverfahren.

Artikel 31 Absatz 1 EUStA-Verordnung sieht vor, dass der mit den Ermittlungen betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Erforderlichkeit einer bestimmen Maßnahme entscheidet und sie dem Delegierten Europäischen Staatsanwalt eines anderen teilnehmenden Mitgliedstaates zuweist. Gemäß Absatz 2 kann der betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt alle Maßnahmen zuweisen, die ihm gemäß Artikel 30 EUStA-Verordnung nach dem Recht seines Mitgliedstaates zur Verfügung stehen; für die Begründung und Anordnung ist das Recht dieses Mitgliedstaates maßgeblich. Der unterstützende Delegierte Europäische Staatsanwalt soll sodann die ihm zugewiesene Maßnahme nach dem dort geltenden Recht durchführen (Artikel 32 EUStA-Verordnung) und zwar - entsprechend der Regelung in Artikel 28 Absatz 1 EUStA-Verordnung - entweder selbst oder indem er die dort zuständigen Behörden (etwa Polizei, Zoll) mit der Durchführung beauftragt (Artikel 31 Absatz 4 EUStA-Verordnung).

Eine Anerkennungsentscheidung ist, anders als bei der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. Nr. L 130 S. 1, ber. ABl. Nr. L 143 S. 16; im Folgenden: Richtlinie EEA), durch den unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt nicht vorgesehen. Vielmehr hat er die ihm zugewiesene Maßnahme auszuführen und verfügt lediglich über eine Art "Gegenvorstellung" gemäß Artikel 31 Absatz 5 EUStA-Verordnung, der vorsieht, dass er den die Aufsicht führenden Europäischen Staatsanwalt davon in Kenntnis setzt. Gegebenenfalls entscheidet die zuständige Ständige Kammer gemäß Artikel 31 Absatz 8 EUStA-Verordnung.

Die EUStA-Verordnung sieht besondere, und von den Prinzipien der Richtlinie EEA abweichende, Regelungen für den Fall vor, dass die von dem betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt beabsichtigten Maßnahmen in einem oder in beiden der betroffenen Mitgliedstaaten einem Richtervorbehalt unterliegt. Der Verordnungstext verwendet insoweit den Begriff der "richterlichen Genehmigung". Dieser ist als Oberbegriff für unterschiedliche mitgliedstaatliche Verfahrensregelungen gedacht und meint sowohl den Fall einer gerichtlichen Anordnung auf Antrag der Staatsanwaltschaft wie auch die richterliche Genehmigung einer vom Staatsanwalt angeordneten Maßnahme. Die in Artikel 31 Absatz 3 EUStA-Verordnung getroffenen Regelungen beruhen auf dem in Erwägungsgrund Nummer 72 der EUStA-Verordnung erläuterten Prinzip, wonach in jedem Fall nur in einem der beiden Mitgliedstaaten eine vorherige Befassung eines Gerichts erforderlich sein soll.

Ist nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht nur in einem der beiden betroffenen Mitgliedstaaten eine vorherige richterliche Anordnung oder Genehmigung einer staatsanwaltlichen Anordnung erforderlich, so ist sie im Fall des Mitgliedstaates des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts dort vor der Zuweisung (Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 3 EUStA-Verordnung), andernfalls nach Zuweisung durch den unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt in dessen Mitgliedstaat (Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Verordnung) zu erwirken. Sind nach dem Recht beider Mitgliedstaaten richterliche Beschlüsse erforderlich, so ist ein solcher Beschluss nur in dem Mitgliedstaat, in dem die Maßnahme durchgeführt werden soll, durch den unterstützend tätig werdenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt einzuholen. In jedem Fall entscheidet das Gericht nach dem dort anwendbaren Verfahrensrecht. Lehnt das Gericht in dem Mitgliedstaat, in dem die Maßnahme durchgeführt werden soll, die Anordnung bzw. vorherige Genehmigung ab, so soll der mit dem Verfahren betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt die Zuweisung an den unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt zurückziehen (Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 2 EUStA-Verordnung).

Diese Regelungen in Artikel 31 Absatz 3 EUStA-Verordnung haben zur Folge, dass Vorschriften der StPO, die einen Richtervorbehalt vorsehen, in grenzüberschreitenden Fällen nur dann zur Anwendung kommen, wenn nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates, in dem die Maßnahme durchgeführt werden soll, keine vorherige richterliche Anordnung oder Genehmigung erforderlich ist. Dies soll in § 3 Absatz 2 EUStAG-E klargestellt werden. Auch wenn danach im Anwendungsbereich des Artikels 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung etwa in den Fällen der §§ 98 Absatz 1 und 2, 100 Absatz 1 und 2, 100e Absatz 1 und 2, 105, 162 Absatz 1, 163e Absatz 4 und 163f Absatz 3 StPO keine richterliche Anordnung bzw. Bestätigung bei einem deutschen Gericht einzuholen ist, kann der mit dem Ermittlungsverfahren betraute deutsche Delegierte Europäische Staatsanwalt gleichwohl die Anordnung der Ermittlungsmaßnahme gegenüber dem unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt nach Artikel 31 Absatz 1 EUStA-Verordnung nur dann treffen, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Maßnahme auch nach deutschem Recht vorliegen (Artikel 31 Absatz 2 Satz 1 und 2 EUStA-Verordnung). Die Anordnung der Ermittlungsmaßnahme unterliegt damit letztlich einem doppelten rechtlichen Prüfmaßstab, da das Gericht in dem Mitgliedstaat, in dem die Maßnahme durchgeführt werden soll, wiederum die Anordnungsvoraussetzungen nach Maßgabe des dortigen Strafprozessrechts zu prüfen hat (Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung).

Artikel 31 Absatz 6 EUStA-Verordnung sieht vor, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte neben den Ermittlungsmaßnahmen, die ihnen nach nationalem Recht auch bei rein innerstaatlichen Ermittlungen zur Verfügung stehen (Artikel 30 EUStA-Verordnung) auch auf typische grenzüberschreitende Maßnahmen zurückgreifen können, die in rechtshilferechtlichen Instrumenten, wie zum Beispiel der Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung geregelt sind. In Betracht kommen etwa Regelungen über die zeitweilige Überstellung von inhaftierten Personen zum Zwecke der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen (Artikel 22, 23 Richtlinie EEA), die grenzüberschreitende Vernehmung per Videokonferenz und sonstige audiovisuelle Übertragung oder Telefonkonferenz (Artikel 24, 25 Richtlinie EEA), verdeckte Ermittlungen (Artikel 29 Richtlinie EEA) und die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs ohne technische Hilfe des anderen Mitgliedstaates (Artikel 31 Richtlinie EEA).

§ 6 Absatz 1 EUStAG-E trifft ergänzende Regelungen zur Durchführung dieser Bestimmung.

Artikel 32 regelt die Vollstreckung der angeordneten Maßnahmen in dem anderen Mitgliedstaat und sieht vor, dass, ähnlich wie im Bereich der grenzüberschreitenden Rechtshilfe, die Vollstreckung nach dem Recht des unterstützenden Mitgliedstaates erfolgt, aber Formvorschriften und Verfahrensvorgaben, die von dem verfahrensführenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt ausdrücklich angegeben werden, im Rahmen des rechtlich Möglichen einzuhalten sind.

Artikel 33 EUStA-Verordnung (Festnahme im Ermittlungsverfahren und grenzüberschreitende Übergabe)

Artikel 33 Absatz 1 EUStA-Verordnung regelt, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt "im Einklang mit dem nationalen Recht [...], das in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall anwendbar ist", anordnen oder beantragen kann, dass der Beschuldigte festgenommen oder in Untersuchungshaft genommen wird. Da die Delegierten Europäischen Staatsanwälte aufgrund der Regelung des § 142b Absatz 1 GVG-E den nationalen Staatsanwälten gleichgestellt sind, finden die §§ 112 bis 130 und 131 StPO in EUStA-Verfahren uneingeschränkt Anwendung. Die Regelungen über Festnahmeanordnungen bzw. Haftbefehle deutscher Gerichte im Hauptverfahren (vergleiche die §§ 230 Absatz 2, 236 StPO, § 183 Satz 2 GVG) bleiben von Artikel 33 Absatz 1 EUStA-Verordnung ohnehin unberührt, da diese Vorschrift nur Anordnungen bzw. Anträge eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts betrifft. Der Vollstreckungshaftbefehl gemäß § 457 Absatz 2 Satz 1 StPO ist ebenfalls nicht von Artikel 33 EUStA-Verordnung betroffen, da die Europäische Staatsanwaltschaft auch nicht Vollstreckungsbehörde ist (§ 10 Absatz 1 EU-StAG-E).

Absatz 2 regelt den Erlass eines Europäischen Haftbefehls (EuHB), also alle ausgehenden Fahndungen und Auslieferungsersuchen auf Grundlage des EuHB. Eingehende EuHB aus anderen Mitgliedstaaten sind nicht Gegenstand von Artikel 33 Absatz 2 EUStA-Verordnung. Die Zuständigkeit für die Durchführung von Auslieferungs- und EuHB-Übergabeverfahren liegt daher auch bei Ersuchen von ausländischen Delegierten Europäischen Staatsanwälten weiterhin bei der Generalstaatsanwaltschaft.

Erwirkt ein deutscher Delegierter Europäischer Staatsanwalt gemäß Artikel 33 Absatz 1 EUStA-Verordnung in Verbindung mit § 112 StPO einen nationalen Haftbefehl, kann er gegebenenfalls auch einen Europäischen Haftbefehl ausstellen. Dem steht auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der verbundenen Rechtssache C-508/18 und C-82/19 PPU, OG und PI, ECLI:EU:C:2019:456, nicht entgegen, da die EUStA den vom EuGH gestellten Anforderungen in Bezug auf die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft (Rn. 74 des Urteils) gerecht wird.

Da die EUStA gemäß Artikel 6 Absatz 1 EUStA-Verordnung unabhängig ist, kann § 74 Absatz 1 und 2 IRG auch in Verbindung mit § 83i IRG nicht zur Anwendung kommen. Dies wird in § 6 Absatz 2 EUStAG-E klargestellt.

Abschnitt 3 (Regeln zur Strafverfolgung)

Artikel 34 EUStA-Verordnung (Verweisung und Übertragung von Verfahren an bzw. auf die nationalen Behörden)

Artikel 34 EUStA-Verordnung trifft für unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen Regelungen über die Verweisung eines Falls an die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden sowie gegebenenfalls die Übertragung des Verfahrens. Absatz 1 findet Anwendung, wenn die EUStA feststellt, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Sachverhalt um keine Straftat handelt, für die sie gemäß Artikel 22 und Artikel 23 EUStA-Verordnung zuständig ist. In einem solchen Fall muss die EUStA den Sachverhalt einer zuständigen mitgliedstaatlichen Behörde zur Übernahme anbieten. Wenn die Behörde den Fall übernimmt, soll die EUStA das Verfahren übertragen (Absatz 7). Ist keine Behörde zur Übernahme bereit, wird die EUStA das Verfahren mangels eigener Zuständigkeit gemäß Artikel 39 EUStA-Verordnung einstellen müssen. Wird das Verfahren aber von einer mitgliedstaatlichen Behörde übernommen, so soll die EUStA keine Einstellungsentscheidung nach Artikel 39 EUStA-Verordnung treffen, sondern lediglich intern das "Verfahren beenden" (Absatz 7).

Ebenso wie im Fall mangelnder Zuständigkeit gemäß Artikel 22 oder Artikel 23 EUStA-Verordnung soll die EUStA gemäß Absatz 2 das Verfahren auch dann einer mitgliedstaatlichen Behörde zur Übernahme anbieten, wenn die EUStA gemäß Artikel 25 Absatz 2 oder Absatz 3 auf eine Ausübung ihrer Zuständigkeit verzichten soll (also etwa wegen der geringen Schadenshöhe). Wenn in diesem Fall keine mitgliedstaatliche Behörde zur Übernahme des Verfahrens bereit ist, kann die EUStA allerdings - anders als in den in Absatz 1 geregelten Fällen - das Verfahren fortsetzen (Absatz 5). Gleiches gilt für den Fall, dass die EUStA gemäß Absatz 3 das Verfahren einer mitgliedstaatlichen Behörde zur Übernahme angeboten hat.

Wenn eine mitgliedstaatliche Behörde das Verfahren gemäß Artikel 34 Absatz 7 EUStA-Verordnung übernommen hat, so obliegt ihr die Entscheidung darüber, wie mit dem Ermittlungsverfahren weiter verfahren wird, einschließlich der Möglichkeit, das Verfahren im weiteren Verlauf nach Maßgabe des Strafverfahrensrechts einzustellen.

Artikel 35 EUStA-Verordnung (Abschluss der Ermittlungen)

Die Vorschrift enthält interne Verfahrensbestimmungen über den Abschluss des Ermittlungsverfahrens und die Vorbereitung der Entscheidung über das weitere Vorgehen. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Delegierten Europäischen Staatsanwalts, zu entscheiden, ob die Ermittlungen als abgeschlossen zu erachten sind; er kann aber nicht selbst über die Erhebung der Anklage (Artikel 36 EUStA-Verordnung) bzw. die Durchführung eines "Vereinfachten Verfahrens" (Artikel 40 EUStA-Verordnung) oder die Einstellung des Verfahrens (Artikel 39 EUStA-Verordnung) entscheiden, sondern muss der zuständigen Ständigen Kammer berichten (Artikel 35 Absatz 1 EUStA-Verordnung). Dies gilt auch für die Entscheidung, das Verfahren nach Artikel 34 EUStA-Verordnung einer zuständigen mitgliedstaatlichen Behörde zur Übernahme anzubieten.

Artikel 35 EUStA-Verordnung bestimmt, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt einen Abschlussbericht einschließlich eines Beschlussvorschlags verfasst und diesen über den aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalt der zuständigen Ständigen Kammer zur Entscheidung übermittelt. Die Vorschrift des § 169a StPO findet ergänzende Anwendung, soweit sie vorsieht, dass die Staatsanwaltschaft (für den Fall der Anklageerhebung) den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt. Der zuständige Delegierte Europäische Staatsanwalt wird diesen Abschlussvermerk vorzunehmen haben, sobald die Ständige Kammer nach Artikel 36 EUStA-Verordnung über die Anklageerhebung entschieden hat. Bedeutung hat der Zeitpunkt des Abschlusses der Ermittlungen für das Recht auf Akteneinsicht (§ 147 Absatz 2, 5 und 6 StPO).

Artikel 36 EUStA-Verordnung (Strafverfolgung vor nationalen Gerichten)

In Verfahren der EUStA sollen die Delegierten Europäischen Staatsanwälte auch die Anklage vor den Gerichten der Mitgliedstaaten vertreten. Die EUStA-Verordnung enthält weder Regelungen über das Verfahren der Zulassung der Anklage durch das Gericht der Hauptsache noch für das gerichtliche Strafverfahren. Insoweit gilt uneingeschränkt das jeweilige nationale Strafverfahrensrecht. Auch das Strafbefehlsverfahren gemäß den §§ 407 ff. StPO dürfte als Strafverfolgung im Sinne des Artikels 36 EUStA-Verordnung gelten.

Im Wesentlichen enthält Artikel 36 EUStA-Verordnung lediglich interne Verfahrensregelungen zur Entscheidung über die Anklageerhebung (Absatz 1 und Absatz 2) sowie - für den Fall, dass mehrere Mitgliedstaaten Gerichtsbarkeit ausüben könnten - die Wahl des Mitgliedstaates, in dem gegebenenfalls Anklage erhoben werden soll. Grundsätzlich soll Anklage in dem Mitgliedstaat des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts erhoben werden. Die Ständige Kammer kann allerdings beschließen, das Verfahren einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt in einem anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Anklageerhebung zu übertragen, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die dies rechtfertigen. Dabei sind die in Artikel 26 Absatz 4 und 5 EUStA-Verordnung genannten Kriterien heranzuziehen (Absatz 3). Ebenso kann die Ständige Kammer beschließen, mehrere Verfahren miteinander zu verbinden, wenn Ermittlungen von verschiedenen Delegierten Europäischen Staatsanwälten gegen dieselbe(n) Person(en) geführt wurden, damit die Strafverfolgung in diesen Fällen vor den Gerichten eines einzigen Mitgliedstaates, der nach seinem Recht für jedes dieser Verfahren Gerichtsbarkeit hat, erfolgen kann (Absatz 4).

Sowohl die grenzüberschreitende Übertragung nach Absatz 3 wie auch die grenzüberschreitende Verbindung von Verfahren nach Absatz 4 können zu Nachteilen für den Beschuldigten führen - sei es, dass allein der späte Wechsel des anwendbaren materiellen Rechts bzw. Prozessrechts die Verteidigung erschweren oder dass das nach der Übertragung anwendbare mitgliedstaatliche Recht aus Sicht der Verteidigung möglicherweise nachteilige Auswirkungen haben kann. Aus diesem Grund weist Erwägungsgrund Nummer 87 Unterabsatz 2 der EUStA-Verordnung darauf hin, dass Verfahrenshandlungen, welche die Wahl des Mitgliedstaates betreffen, dessen Gerichte für die Entscheidung über die Anklage zuständig sein sollen, "Rechtswirkung gegenüber Dritten" entfalten und daher "der gerichtlichen Kontrolle durch die einzelstaatlichen Gerichte spätestens im Hauptverfahren unterliegen" sollten. Der Entwurf sieht aus diesem Grund eine Ergänzung des § 16 StPO um einen Absatz 2 vor (siehe dazu Artikel 3 des Entwurfs).

Die Anklage - auch nach einer Übertragung oder Verbindung von Verfahren (Absatz 3 bzw. Absatz 4) - kann grundsätzlich nur in einem Mitgliedstaat erfolgen, dessen Gerichte nach dem Recht dieses Mitgliedstaates zuständig sind. Die innerstaatliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich ebenfalls nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates (Absatz 5). Ferner verpflichtet Absatz 6 die EUStA, die zuständigen nationalen Behörden von der Erhebung der Anklage in Kenntnis zu setzen, soweit dies für die Zwecke der Wiedereinziehung, verwaltungsrechtlicher Folgemaßnahmen oder der Überwachung erforderlich ist. Insoweit ist auch § 403 Absatz 3 AO von der EUStA zu beachten.

Auf das Hauptverfahren, einschließlich der Aufgaben, Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft, findet das Recht des jeweiligen Mitgliedstaates Anwendung; die EUStA-Verordnung macht insoweit keine Vorgaben. Die Regelungen des Absatzes 7 betreffen lediglich die internen Verfahren der EUStA und verpflichten den Delegierten Europäischen Staatsanwalt, gegebenenfalls Weisungen der Zentrale im Hinblick auf den weiteren Verfahrensgang bei Einlegung eines Rechtsmittels und bei Zustimmung zur gerichtlichen Einstellung des Verfahrens einzuholen. Kann im Rahmen der Hauptverhandlung die Weisung der Ständigen Kammer nicht abgewartet werden, so dürfte der Delegierte Europäische Staatsanwalt berechtigt sein, seine Zustimmung zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens auch ohne vorherige Weisung durch die Ständige Kammer zu erteilen.

Artikel 37 EUStA-Verordnung (Beweismittel)

Artikel 37 EUStA-Verordnung soll verhindern, dass aus rein formellen Gründen die grenzüberschreitende Verwertbarkeit von Beweismitteln erschwert wird. In Ermittlungsverfahren der EUStA werden regelmäßig Ermittlungsmaßnahmen in mehr als einem Mitgliedstaat durchzuführen sein; die dabei von der EUStA in einem anderen Mitgliedstaat gewonnenen Beweismittel sollen grundsätzlich im Hauptverfahren Verwendung finden können. Die Vorschrift des Absatzes 1 ordnet an, dass beigebrachte Beweismittel nicht allein deshalb als unzulässig abgelehnt werden dürfen, weil sie in einem anderen Mitgliedstaat oder nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates erhoben wurden. Wie sich aus Absatz 2 ergibt, berührt dies allerdings nicht die Befugnis des Prozessgerichts, die vom Angeklagten oder von den Staatsanwälten der EUStA beigebrachten Beweismittel frei zu würdigen.

Die in Absatz 1 zum Ausdruck kommende Pflicht, die Verwertung von Beweismitteln nicht allein deswegen abzulehnen, weil sie "nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates erhoben wurden", bedeutet nicht, dass das Gericht grundsätzlich gehindert wäre, die Verwertbarkeit auch unter dem Gesichtspunkt der diesbezüglichen Anforderungen der eigenen Rechtsordnung zu prüfen. Auch Erwägungsgrund Nummer 80 der EUStA-Verordnung unterstreicht insoweit, diese Verordnung dürfe "nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie es den Gerichten verbietet, die Grundprinzipien des nationalen Rechts hinsichtlich der Fairness des Verfahrens anzuwenden, wie sie in ihren nationalen Rechtsordnungen, einschließlich denen des Common Law, gelten."

Artikel 38 EUStA-Verordnung (Verwertung eingezogener Vermögenswerte)

Nicht nur das Hauptverfahren, sondern gegebenenfalls auch die Strafvollstreckung richtet sich ausschließlich nach dem anwendbaren mitgliedstaatlichen Recht. Auch im Hinblick auf die Verwertung von gerichtlich eingezogenen Vermögenswerten, die mit einer in die Zuständigkeit der EUStA fallenden Straftat in Zusammenhang stehen oder von Erträgen aus einer solchen Straftat stammen, bekräftigt Artikel 38 Satz 1 EUStA-Verordnung lediglich die Anwendbarkeit des nationalen Rechts. Satz 2 bringt allerdings zum Ausdruck, dass diese Verwertung nicht "die Rechte der Union oder anderer Opfer auf Ausgleich des ihnen entstandenen Schadens" beeinträchtigen darf. Das deutsche Strafverfahrensrecht gewährleistet diese Vorgabe durch das - unter anderem - im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (ABl. L 127 vom 29.4.2014, S. 39; L 138 vom 13.5.2014, S. 114) geschaffene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl. I S. 872).

Abschnitt 4 (Regeln für Alternativen zur Strafverfolgung)

Artikel 39 EUStA-Verordnung (Einstellung des Verfahrens)

Die Vorschriften des Artikels 39 EUStA-Verordnung regeln die Verfahrenseinstellung durch die EUStA und finden Anwendung bevor die EUStA nach Maßgabe der Verfahrensordnung eines Mitgliedstaates Anklage erhoben hat. Die Regelungen des Artikels 39 EUStA-Verordnung betreffen nicht Einstellungsentscheidungen durch das Gericht nachdem Anklage erhoben worden ist. Insoweit trifft lediglich Artikel 36 Absatz 7 EUStA-Verordnung Regelungen zur internen Entscheidungsbefugnis für den Fall, dass nach mitgliedstaatlichem Recht die Staatsanwaltschaft vor einer Einstellungsentscheidung des Gerichts angehört wird oder zustimmen muss.

Absatz 1 Buchstabe a bis g regelt die Gründe für die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens. Dabei handelt es sich um zwingende Einstellungsgründe. Das Verfahren ist danach einzustellen, wenn die Strafverfolgung aufgrund des Rechts des Mitgliedstaates des betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts aus einem der dort genannten Gründe nicht mehr möglich ist. In diesem Fall soll die Ständige Kammer die Einstellung des Ermittlungsverfahrens auf Grundlage eines Berichts des Delegierten Europäischen Staatsanwalts (Artikel 35 Absatz 1 EUStA-Verordnung) beschließen.

Artikel 39 Absatz 2 EUStA-Verordnung bestimmt, dass die Einstellung des Verfahrens gemäß Absatz 1 weitere Ermittlungen auf der Grundlage neuer Tatsachen nicht ausschließt. Dadurch wird im Umkehrschluss deutlich, dass die Einstellung nach Absatz 1 in der Regel zu einer endgültigen Verfahrenseinstellung führen soll. Dessen Wirkungen sollen nicht nur von der EUStA, sondern nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGH zum Grundsatz "ne bis in idem" (Artikel 50 Grundrechte-Charta, Artikel 54 Schengener Durchführungsübereinkommen; vergleiche dazu etwa: EuGH, Rs. 486/14 (PDF) , Kossowski, E-CLI:EU:C:2016:483, Rn. 31 ff.) gegebenenfalls auch von den mitgliedstaatlichen Behörden zu beachten sein.

Die Regelung des § 170 Absatz 2 Satz 1 StPO wird durch Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung wegen des Anwendungsvorrangs der Verordnung verdrängt. Gleiches gilt für die Verweisung auf den Privatklageweg gemäß den §§ 374, 376 StPO als Sonderform der Einstellung gemäß § 170 Absatz 2 Satz 1 StPO, welche in EUStA-Verfahren jedoch keine praktische Rolle spielen dürfte. Die gemäß Artikel 22 Absatz 1 EUStA-Verordnung in die Zuständigkeit der EUStA fallenden Straftaten stellen keine privatklagefähigen Delikte im Sinne des § 374 StPO dar. Sollte ein privatklagefähiges Delikt gemäß Artikel 22 Absatz 3 EUStA-Verordnung dennoch in den Zuständigkeitsbereich der EUStA fallen und nach Durchführung sämtlicher Ermittlungen lediglich das untrennbar verbundene privatklagefähige Delikt nachweisbar sein, so kommt die Zurückverweisung an die nationale Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 34 Absatz 1 EUStA-Verordnung in Betracht.

§ 170 Absatz 2 Satz 1 StPO soll mit § 3 Absatz 1 EUStAG-E ausdrücklich für unanwendbar erklärt werden. Anwendbar bleibt dagegen die Regelung des § 170 Absatz 2 Satz 2 StPO, wonach der Beschuldigte von der Einstellung zu benachrichtigen ist. Diese Vorschrift findet gemäß Artikel 39 Absatz 4 EUStA-Verordnung Anwendung, der regelt, dass die Einstellung dem Verdächtigen oder Beschuldigten mitzuteilen ist, wenn dies nach nationalem Recht geboten ist.

Gemäß Erwägungsgrund Nummer 81 Satz 2 der EUStA-Verordnung soll die Liste der Einstellungsgründe in Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung erschöpfend sein; aus dem operativen Teil der Verordnung ergibt sich dies jedoch nicht. Ferner heißt es in Satz 1 des Erwägungsgrundes Nr. 81, die Ermittlungen sollten "in der Regel" zur Strafverfolgung vor den zuständigen nationalen Gerichten führen, "wenn ausreichend Beweise vorliegen und der Strafverfolgung keine rechtlichen Gründe entgegenstehen". Daher dürfte jedenfalls nicht ausgeschlossen sein, dass sich aus mitgliedstaatlichem Recht ergebende Prozesshindernisse von der EUStA zu beachten sind auch wenn sie in Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung nicht als Einstellungsgrund aufgeführt sind.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob auch Regelungen der §§ 153 ff. StPO Anwendung durch die EUStA finden können. Da Artikel 39 EUStA-Verordnung nur die Einstellung durch die EUStA regelt, finden auch diese Vorschriften, soweit sie Einstellungsentscheidungen durch das Gericht nach Klageerhebung betreffen, uneingeschränkt Anwendung. Ferner finden § 153a Absatz 1 StPO, § 45 Absatz 3 JGG und § 398a AO Anwendung aufgrund der Regelung des Artikels 40 EUStA-Verordnung. Auch im Übrigen dürfte es jedoch dem Grundsatz der Prozessökonomie widersprechen, wenn die EUStA zur Anklageerhebung verpflichtet wäre und erst das zuständige Gericht das Verfahren nach Klageerhebung mit Zustimmung der EUStA nach den §§ 153 Absatz 2, 153b Absatz 2 und den §§ 154 Absatz 2, 154a Absatz 2, 154b Absatz 4 StPO in geeigneten Fällen einstellen dürfte. Da die Verordnung lediglich Einstellungsgründe vorsieht, die, wie sich im Umkehrschluss aus Artikel 39 Absatz 2 EUStA-Verordnung ergibt, in der Regel zu einer endgültigen Verfahrenseinstellung führen, dürfte es jedenfalls nicht ausgeschlossen sein, nach Maßgabe von Artikel 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung solche mitgliedstaatlichen Vorschriften anzuwenden, denen eine solche Rechtswirkung nicht zukommt (§§ 153 Absatz 1, 154 Absatz 1, 154a Absatz 1, 154b Absatz 1 und § 154f StPO; § 398 AO; § 45 Absatz 1 und Absatz 2 JGG). Auch § 153b StPO sollte gemäß Artikel 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung Anwendung finden können, etwa in Fällen, in denen ein Hinweisgeber Informationen weitergibt und deshalb ein Absehen von Strafe durch das Gericht, zum Beispiel gemäß § 46b StGB in Betracht kommt. In diesem Fall sollte auch die EUStA die Möglichkeit haben, mit Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung abzusehen, zumal die Verordnung in Erwägungsgrund Nummer 50 der EUStA-Verordnung den Schutz von Hinweisgebern vorsieht. Dagegen dürfte für die Anwendung des § 153c StPO aufgrund des Vorrangs der Verordnung kein Raum sein (siehe dazu § 3 Absatz 1 EUStAG-E).

Artikel 39 Absatz 3 EUStA-Verordnung verpflichtet die EUStA zur Konsultation der zuständigen nationalen Behörde, sofern sie erwägt, ein Ermittlungsverfahren einzustellen, das sie auch unter dem Gesichtspunkt der Verfolgung von untrennbar mit einer PIF-Tat verbundenen anderen Straftaten eingeleitet hat (Artikel 39 Absatz 1 Satz 1 EUStA-Verordnung; siehe dazu auch die Erläuterungen zu Artikel 22 Absatz 3 EUStA-Verordnung). Gleiches gilt in Fällen, in denen die EUStA ihre Zuständigkeit im Hinblick auf Straftaten im Sinne des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a und b der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 ausübt und der entstandene oder voraussichtliche Schaden zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union den Schaden, der einem anderen Opfer entstanden ist oder entstehen könnte, nicht übersteigt (Artikel 39 Absatz 3 Unterabsatz 2 EUStA-Verordnung; siehe dazu auch die Erläuterungen zu Artikel 25 Absatz 3 EUStA-Verordnung). In beiden Fällen soll diese Regelung dazu dienen, es der nationalen Behörde zu erlauben, die EUStA zu ersuchen, anstelle einer Einstellung nach Artikel 39 EUStA-Verordnung das Ermittlungsverfahren nach Artikel 34 Absatz 6 EUStA-Verordnung an die nationale Strafverfolgungsbehörde zu übertragen. Die nach Artikel 39 Absatz 3 EUStA-Verordnung zu konsultierende Behörde soll die nach Artikel 25 Absatz 6 EUStA-Verordnung zuständige nationale Behörde sein. Der Entwurf sieht in § 142b Absatz 2 GVG-E vor, diese Zuständigkeit in die Hände des Generalbundesanwalts zu legen.

Gemäß Artikel 39 Absatz 4 EUStA-Verordnung sind der Verdächtige bzw. Beschuldigte sowie die Opfer der Straftat von der Einstellung zu unterrichten, "wenn dies nach nationalem Recht geboten ist". Die §§ 170 Absatz 2 Satz 2 und 171 Satz 1 StPO finden daher Anwendung. Aufgrund des Vorrangs der Verordnung sind jedoch in Bezug auf § 171 Satz 2 und die §§ 172 bis 177 StPO Sonderregelungen zu treffen (siehe § 3 Absatz 4 und Absatz 5 EUStAG-E).

Artikel 39 Absatz 4 Satz 2 EUStA-Verordnung regelt darüber hinaus, dass die eingestellten Verfahren auch an das Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF; Abkürzung der französischen Bezeichnung: Office Européen de Lutte Anti-Fraude) oder die zuständigen nationalen Verwaltungs- und Justizbehörden zum Zwecke der Wiedereinziehung oder sonstiger verwaltungsrechtlicher Folgemaßnahmen verwiesen werden können.

§ 11 Absatz 1 EUStAG-E sieht vor, dass die Europäische Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen auch für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit zuständig ist und die §§ 43 Absatz 1 und 63 Absatz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) entsprechend Anwendung finden. Abschnitt 5 (Regeln zu vereinfachten Verfahren).

Artikel 40 EUStA-Verordnung (Vereinfachte Strafverfolgungsverfahren)

Die Vorschrift des Artikels 40 EUStA-Verordnung erlaubt es der EUStA, ein Ermittlungsverfahren im Wege eines "vereinfachten Strafverfolgungsverfahrens" zum Abschluss zu führen, sofern das anwendbare nationale Verfahrensrecht ein solches Verfahren vorsieht und die im nationalem Recht vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind (Absatz 1) sowie unter Beachtung der in Absatz 2 der Vorschrift genannten Kriterien. Kennzeichnend für ein solches Verfahren nach nationalem Recht muss sein, dass der endgültige Abschluss des Verfahrens erfolgt, sofern der Verdächtige die mit ihm vereinbarten Bedingungen (Absatz 1) erfüllt hat (Absatz 3). Die Formulierung in Absatz 3, der Delegierte Europäische Staatsanwalt werde sodann "im Hinblick auf den endgültigen Abschluss des Verfahrens tätig", wurde gewählt, da die diesbezüglichen Regelungen in einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sind.

Bei von deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälten geführten Ermittlungsverfahren können nach Maßgabe von Artikel 40 EUStA-Verordnung die Vorschriften des § 153a Absatz 1 StPO, des § 45 Absatz 3 JGG und des § 398a AO zur Anwendung kommen. Bei der Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen sowie der nach § 153a Absatz 1 StPO möglichen Auflagen und Weisungen sind die Vorgaben des Artikels 40 Absatz 2 der Verordnung zu beachten. Wie auch im Fall anderer Abschlussentscheidungen der EUStA gilt bei Artikel 40 EUStA-Verordnung, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt sowohl für die Entscheidung über ein diesbezügliches Angebot an den Beschuldigten (Absatz 1) wie auch über die Einstellung nach Erfüllung der Bedingungen durch den Beschuldigten (Absatz 2) die aufsichtführende Ständige Kammer befassen muss.

Kapitel VI (Verfahrensgarantien)

Artikel 41 EUStA-Verordnung (Umfang der Rechte Verdächtiger oder Beschuldigter)

Die Vorschrift des Artikels 41 EUStA-Verordnung bestimmt im Kern, dass "Verdächtige und Beschuldigte" sowie andere Verfahrensbeteiligte die Verfahrensrechte haben, die das anwendbare nationale Verfahrensrecht vorsieht (Absatz 3). Als Mindeststandard zu beachten sind jedoch die einschlägigen Vorgaben des Unionsrechts (Absatz 1 und Absatz 2). Das deutsche Strafverfahrensrecht entspricht auch den Vorgaben des Absatzes 3, soweit dieser vorsieht, dass das nationale Recht den Verfahrensbeteiligten ermöglichen soll, "Beweismittel beizubringen, zu beantragen, dass Sachverständige bestellt bzw. vernommen und Zeugen gehört werden, und die EUStA aufzufordern, derartige Maßnahmen im Namen der Verteidigung zu erwirken".

Artikel 42 EUStA-Verordnung (Gerichtliche Kontrolle)

Artikel 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung sieht vor, dass der Rechtsschutz in Bezug auf "Verfahrenshandlungen" der EUStA - abweichend von Artikel 263 Absatz 4 AEUV - von den nationalen Gerichten ausgeübt wird. Entsprechendes gilt für Untätigkeitsklagen nach Artikel 265 Absatz 3 AEUV. Die Regelungen der Artikel 263 und 265 AEUV gelten aber weiterhin für etwaige Klagen der privilegierten Kläger nach Artikel 263 Absatz 2 bzw. 265 Absatz 1 AEUV, also etwa Klagen der Europäischen Kommission oder eines Mitgliedstaates (siehe Erwägungsgrund Nummer 89 der EUStA-Verordnung). Die Regelung des Artikels 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung gilt nur für "Verfahrenshandlungen der EUStA". Ob eine bestimmte Handlung "Verfahrenshandlung" ist, ist für die gerichtliche Zuständigkeit entscheidend, da für Entscheidungen der EUStA, die keine Verfahrenshandlungen, sondern "administrative Entscheidungen", sind, gemäß Artikel 42 Absatz 8 EUStA-Verordnung der EuGH zuständig bleibt. In Erwägungsgrund Nummer 89 der EUStA-Verordnung werden als "verwaltungsrechtliche Entscheidungen der EUStA" solche bezeichnet, "die sie nicht in Ausübung ihrer Aufgaben der Ermittlung, Verfolgung oder Anklageerhebung getroffen hat". Die Regelung des Absatzes 1 gilt ferner nur für Verfahrenshandlungen "mit Rechtswirkung gegenüber Dritten". Diese Formulierung orientiert sich an Artikel 263 Absatz 1 AEUV. Wie Erwägungsgrund Nummer 87 Absatz 2 der EUStA-Verordnung erläutert, umfasst der Begriff "Dritte" "den Verdächtigen, das Opfer und andere betroffene Personen, deren Rechte durch solche Verfahrenshandlungen beeinträchtigt werden könnten". Ob eine Verfahrenshandlung Rechtswirkungen gegenüber Dritten erzeugt, soll aber für die Zuständigkeit der nationalen Gerichte nicht entscheidend sein: Wie sich aus Erwägungsgrund Nummer 87 Absatz 3 der EUStA-Verordnung ergibt, soll die Verordnung nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten einschränken, auch Rechtsschutz gegenüber Verfahrenshandlungen ohne Rechtswirkung gegenüber Dritten auszuüben.

Damit finden grundsätzlich alle einschlägigen Vorschriften der StPO Anwendung, die Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen, die etwa von Ermittlungsmaßnahmen betroffen s i.d.R. chtsschutz gegen "Verfahrenshandlungen" der EUStA gewähren. Soweit eine gerichtliche Anordnung oder eine nachträgliche gerichtliche Bestätigung einer Maßnahme im Sinne des Artikels 30 EUStA-Verordnung durch ein deutsches Gericht ergangen ist, dürfte es sich nicht um eine "Verfahrenshandlung der EUStA" im Sinne des Artikels 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung handeln, sodass die nationalen Rechtsbehelfe, wie die Beschwerde gemäß § 304 StPO oder im Falle des § 101 Absatz 7 Satz 2 StPO die sofortige Beschwerde gemäß § 311 StPO, statthaft sind, ohne dass sich deren Anwendbarkeit - bzw. die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte - erst aus Artikel 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung ergibt.

Während Artikel 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung grundsätzlich auf die "Anforderungen und Verfahren des nationalen Rechts" verweist, stellt Erwägungsgrund Nummer 87 Absatz 2 der EUStA-Verordnung das Ergebnis der Verhandlungen im Rat heraus, dass "Verfahrenshandlungen, die die Wahl des Mitgliedstaates betreffen, dessen Gerichte für die Entscheidung über die Anklage zuständig sein sollen" (siehe dazu Artikel 36 Absatz 3 EUStA-Verordnung), "Rechtswirkung gegenüber Dritten" haben und "daher der gerichtlichen Kontrolle durch die einzelstaatlichen Gerichte spätestens im Hauptverfahren unterliegen" sollten. Diese Anforderung gibt Anlass zu einer Ergänzung der Vorschrift des § 16 StPO (siehe dazu die Regelung in Artikel 3 des Entwurfs).

Im Rahmen eines nach Artikel 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung anwendbaren nationalen Rechtsbehelfs soll der Richter auch die Vereinbarkeit der Verfahrenshandlungen der EU-StA mit Unionsrecht prüfen. Der nationale Richter soll gegebenenfalls die Vereinbarkeit mit nationalem Recht und mit Unionsrecht feststellen können - ebenso wie gegebenenfalls die Unvereinbarkeit mit nationalem Recht. Sollte er allerdings "Zweifel an der Gültigkeit der betreffenden Verfahrenshandlung nach Unionsrecht hegen" (siehe Erwägungsgrund Nummer 88 Absatz 2 der EUStA-Verordnung), so muss er das Verfahren aussetzen und dem Gerichtshof gemäß Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a zur Vorabentscheidung nach Artikel 267 AEUV vorlegen. Diese Regelung folgt der sogenannten "Foto-Frost"-Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Rs. 314/85 , ECLI:EU:C:1987:452, Rn. 14ff.), wonach nationale Gerichte nicht befugt sind, die Ungültigkeit eines Unionsaktes festzustellen, und daher - entgegen Artikel 267 Absatz 2 AEUV - auch Gerichte, gegen deren Entscheidungen noch ein Rechtsmittel besteht, gegebenenfalls die Frage der Gültigkeit dem EuGH vorlegen müssen. Allerdings sieht Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a EUStA-Verordnung ferner vor, dass solche Gültigkeitsfragen dem EuGH nur vorgelegt werden dürfen und müssen, sofern sich eine Frage der Gültigkeit "unmittelbar auf der Grundlage des Unionsrechts" stellt. In Erwägungsgrund Nummer 88 Absatz 3 der EUStA-Verordnung heißt es dazu ergänzend:

"Nationale Gerichte können dem Gerichtshof jedoch keine Vorabentscheidungsfragen zur Gültigkeit von Verfahrenshandlungen der EUStA im Hinblick auf nationales Verfahrensrecht oder nationale Maßnahmen zur Umsetzung von Richtlinien vorlegen, selbst wenn diese Verordnung auf diese Bezug nimmt." Gleiches gilt danach, wenn sich die Frage der Gültigkeit hinsichtlich des im nationalen Recht verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stellt.

Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung enthält keine Regelung zum Rechtsschutz gegenüber der EUStA, sondern soll lediglich der Vollständigkeit halber klarstellen, dass - neben der Regelung in Absatz 2 Buchstabe a - auch die übrigen Zuständigkeiten des EuGH nach Artikel 267 AEUV selbstverständlich unberührt bleiben. Dies gilt grundsätzlich auch für Absatz 2 Buchstabe c, wonach der EuGH im Verfahren nach Artikel 267 AEUV auch im Fall von Zuständigkeitskonflikten zwischen der EUStA und einer nationalen Behörde über die Auslegung der Artikel 22 und 25 der EUStA-Verordnung entscheidet (siehe dazu auch in Artikel 2 des Entwurfs die Regelung des § 142b Absatz 2 GVG-E).

Artikel 42 Absatz 3 EUStA-Verordnung sieht vor, dass - abweichend von der Zuständigkeitsregelung des Absatzes 1 - die Zuständigkeit des EuGH für Nichtigkeitsklagen gegen

Einstellungsentscheidungen der EUStA (Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung) unberührt bleibt. Die Vorschrift gilt für die nach Artikel 263 Absatz 4 AEUV klagebefugten natürlichen und juristischen Personen. Die Klagebefugnis etwa der Europäischen Kommission oder eines Mitgliedstaates (Artikel 263 Absatz 2 AEUV) soll ohnehin von den Regelungen der EU-StA-Verordnung unberührt bleiben (siehe Erwägungsgrund Nummer 89 der EUStA-Verordnung). Die Regelung des Absatzes 3 gilt nur, sofern die Einstellungsentscheidung "unmittelbar auf der Grundlage des Unionsrechts angefochten" wird; in diesem Fall können die §§ 172 bis 177 StPO in EUStA-Verfahren keine Anwendung finden. Dies soll in § 3 Absatz 5 Satz 1 EUStAG-E klargestellt werden. In anderen Fällen wird daher gegebenenfalls gemäß Absatz 1 Rechtsschutz vor den Gerichten der Mitgliedstaaten zu suchen sein.

Nach Artikel 42 Absatz 4 EUStA-Verordnung ist der EuGH "im Einklang mit Artikel 268 AEUV" auch für Schadensersatzforderungen gegenüber der EUStA zuständig. Die Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) in EUStA-Verfahren können keine Anwendung finden, wenn die Strafverfolgungsmaßnahme auf der Anordnung der EUStA beruht und ihr der entstandene Schaden zugerechnet werden kann, da diese Regelungen von Artikel 113 Absatz 3 und Absatz 4 EUStA-Verordnung verdrängt werden. Dies soll in § 8 EUStAG-E klargestellt werden. Auch ein Anspruch auf Entschädigung gemäß den §§ 198 bis 201 GVG ist mit Blick auf Artikel 113 Absatz 3 und 4 der EUStA-Verordnung ausgeschlossen, soweit der erlittene Nachteil von der EUStA oder ihrem Personal in Ausübung ihres Amtes verursacht worden ist und diesen zugerechnet werden kann (siehe dazu § 5 Absatz 2 EUStAG-E).

Die Regelung des Absatzes 8 betrifft Entscheidungen der EUStA in Bezug auf datenschutzrechtliche Regelungen in Kapitel VIII der Verordnung sowie Entscheidungen, "bei denen es sich nicht um Verfahrenshandlungen handelt, wie etwa Entscheidungen der EUStA über das Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten oder [...] sonstige administrative Entscheidungen". Die Regelung bestimmt, dass insoweit die Zuständigkeit des EuGH nach Artikel 263 Absatz 4 AEUV unberührt bleibt. In Erwägungsgrund Nummer 89 der EUStA-Verordnung wird ergänzend erläutert, der EuGH bleibe zuständig für "verwaltungsrechtliche Entscheidungen der EUStA mit Rechtswirkung gegenüber Dritten [...], das heißt Entscheidungen, die sie nicht in Ausübung ihrer Aufgaben der Ermittlung, Verfolgung oder Anklageerhebung getroffen hat."

Kapitel VII (Informationsverarbeitung)

Artikel 43 EUStA-Verordnung (Zugang der EUStA zu Informationen)

Diese Vorschrift regelt in Absatz 1, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte unter den gleichen Bedingungen, wie sie für vergleichbare Fälle nach nationalen Recht gelten, sachdienliche Informationen erhalten, die in nationalen Ermittlungs- und Strafverfolgungsdatenbanken oder anderen einschlägigen Registern von Behörden gespeichert sind.

Durch diese Regelung haben die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte auch schon vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung) bzw. der Übernahme der Ermittlungen im Wege der Evokation (Artikel 27 Absatz 1 EUStA-Verordnung) Zugriff auf die Informationen im Zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (§§ 492 ff. StPO). Da sich der Anspruch auf den Zugriff direkt aus der Verordnung ergibt, besteht kein gesetzgeberischer Regelungs- bzw. Klarstellungsbedarf (zur Mitteilungspflicht der EUStA vergleiche § 12 Absatz 1 EUStAG-E und die Erläuterungen hierzu).

Gleiches gilt etwa auch für die Auskunft aus dem Bundeszentralregister und hinsichtlich der Zugriffe auf weitere Datenbanken (wie zum Beispiel das Schuldnerverzeichnis gemäß § 882f Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Zivilprozessordnung - ZPO). Auch insoweit ergibt sich der Auskunftsanspruch unmittelbar aus Artikel 43 Absatz 1 EUStA-Verordnung in Verbindung mit der jeweiligen Regelung im deutschen Recht. Entsprechendes gilt auch für den deutschen Europäischen Staatsanwalt, sofern er gemäß Artikel 28 Absatz 4 EUStA-Verordnung die Ermittlungen an sich gezogen hat.

Absatz 2 regelt die Auskunftsrechte der EUStA in Bezug auf Datenbanken und Register der Union.

Artikel 44 bis 46 EUStA-Verordnung (Fallbearbeitungssystem)

Die Vorschriften der Artikel 44 bis 46 EUStA-Verordnung enthalten Regelungen zum Fallbearbeitungssystem der Europäischen Staatsanwaltschaft, die ergänzender Regelungen in der Geschäftsordnung der EUStA (Artikel 44 Absatz 1) bedürfen.

Artikel 44 Absatz 2 der Verordnung umschreibt den Zweck des EUStA-Fallbearbeitungssystems; die Vorschrift lässt erkennen, dass das EUStA-Fallbearbeitungssystem EUStA-internen Zwecken dienen soll und nicht darauf ausgerichtet ist, ein System zur elektronischen Führung von Strafverfahrensakten bereitzustellen, wie dies die §§ 32 ff. StPO vorsehen. Während die Verfahrensakte von dem mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt nach dem Recht seines Mitgliedstaates geführt werden soll (Artikel 45 Absatz 2 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung), sollen im EUStA-Fallbearbeitungssystem alle Informationen und Beweismittel aus der Verfahrensakte gespiegelt werden (Artikel 45 Absatz 3 EUStA-Verordnung). Aus der Verordnung ergibt sich somit unmittelbar, dass die nach nationalem Recht geführte Verfahrensakte die führende Akte darstellt. Auch Akteneinsicht sollen die Betroffenen nach den nationalen Vorschriften über das Recht der Akteneinsicht nur in die Verfahrensakte nach Artikel 45 Absatz 2 der EUStA-Verordnung nehmen können. Das Fallbearbeitungssystem soll neben diesen Informationen aus den Verfahrensakten (Artikel 44 Absatz 4 Unterabsatz 1 Buchstabe c EUStA-Verordnung) auch ein Register der Informationen enthalten, die von der EUStA nach Artikel 24 EUStA-Verordnung erlangt wurden (Artikel 44 Absatz 4 Unterabsatz 1 Buchstabe a EUStA-Verordnung) und die dort zu speichern sind, bis gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird und diese Informationen dann Teil der Verfahrensakte werden (Artikel 45 Absatz 1 Unterabsatz 3 EUStA-Verordnung). Ferner soll das Fallbearbeitungssystem einen "Index aller Verfahrensakten" enthalten (Artikel 44 Absatz 4 Unterabsatz 1 Buchstabe b EUStA-Verordnung). Dieser Index darf nur bestimmte personenbezogene Daten enthalten (Artikel 44 Absatz 4 Unterabsatz 2 EU-StA-Verordnung), die in einem Anhang zur EUStA-Verordnung abschließend aufgeführt werden sollen, der von der Europäischen Kommission im Wege eines delegierten Rechtsaktes zu erstellen ist (Artikel 49 Absatz 2 und Absatz 3, Artikel 115 und 116 EUStA-Verordnung).

Artikel 45 regelt die Aktenführung durch die Delegierten Europäischen Staatsanwälte. Gemäß Absatz 1 ist eine Verfahrensakte anzulegen, sobald ein Ermittlungsverfahren nach Artikel 26 Absatz 1 der Verordnung eingeleitet wird oder die EUStA nach Artikel 27 Absatz 1 der Verordnung ein von einer nationalen Behörde eingeleitetes Verfahren im Wege der Evokation übernommen hat. Absatz 1 enthält ferner Regelungen zum Inhalt der Verfahrensakten, die im Übrigen aber gemäß Absatz 2 nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates zu führen sind. Für die Aktenführung durch die Delegierten Europäischen Staatsanwälte gelten somit die Vorschriften über die Bildung, Führung und Aufbewahrung der Akten des Bundes und der Länder. Dies umfasst über die in der Strafprozessordnung in einem eigenen Abschnitt geregelten Vorschriften über die elektronische Aktenführung (§§ 32 bis 32f StPO) hinaus etwa Pflichten zur gesonderten Aktenführung ("Sonderhefte") oder die Fertigung eines Abschlussvermerks gemäß § 169a StPO (vergleiche hierzu auch Erläuterungen zu Artikel 35 EUStA-Verordnung). Anzuwenden sind ferner das Justizaktenaufbewahrungsgesetz und die auf dieser Grundlage erlassene Verordnung in der jeweils geltenden Fassung sowie die Aktenordnungen der Länder.

Zu dem nach Artikel 120 Absatz 2 der EUStA-Verordnung von der Europäischen Kommission zu bestimmenden Zeitpunkt der Aufnahme der Ermittlungs- und Strafverfolgungstätigkeit der EUStA werden die Verfahrensakten von den deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälten voraussichtlich noch als Papierakte geführt werden. Solange danach die Strafverfahrensakten von den deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälten manuell geführt werden, muss seitens der Europäischen Staatsanwaltschaft dafür Sorge getragen werden, dass die Akten gemäß Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung im Fallbearbeitungssystem der EUStA gespiegelt werden können. Allerdings ist Vorsorge dafür zu treffen, dass auch die Verfahrensakten der Europäischen Staatsanwaltschaft künftig gemäß den Vorschriften des Vierten Abschnitts des Ersten Buchs der Strafprozessordnung und den auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen elektronisch geführt werden. Die §§ 32 ff. StPO sehen bis zur verbindlichen Einführung der elektronischen Akte zum 1. Januar 2026 die optionale elektronische Aktenführung vor. Dabei obliegt es den Landesjustizverwaltungen, in einer Rechtsverordnung den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem die Akten bei bestimmten Gerichten und Staatsanwaltschaften elektronisch geführt werden sollen. Die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte führen die Akten daher elektronisch, wenn die jeweilige Behörde, bei der sie angesiedelt sind (Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft oder Generalbundesanwalt), die Akten elektronisch führt.

Artikel 45 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 1 EUStA-Verordnung legt fest, dass die Geschäftsordnung der EUStA Vorschriften über die Organisation und Führung der Verfahrensakten enthalten kann, soweit dies zur Sicherstellung der Funktion der Europäischen Staatsanwaltschaft als einheitliche Behörde erforderlich ist. Die Vorschrift dürfte bei Führung einer elektronischen Akte auf nationaler Ebene praktisch leerlaufen, weil die Aufbereitung und Sortierung der Inhalte für das zentrale Fallbearbeitungssystem der EUStA nach der Spiegelung auf der zentralen Ebene stattfinden soll.

Artikel 45 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 2 der EUStA-Verordnung trifft Regelungen über den Zugang zu den Verfahrensakten der EUStA in Bezug auf "Verdächtige und Beschuldigte sowie für andere an dem Verfahren beteiligte Personen". Insoweit soll das nationale Verfahrensrecht gelten, sodass die §§ 147, 406e Absatz 1 StPO anwendbar sind.

Artikel 45 EUStA-Verordnung sieht keine Regelungen zu der Frage vor, ob und unter welchen Voraussetzungen etwa auf Ersuchen einer nationalen Behörde Zugang zur Verfahrensakte gewährt oder Auskunft aus der Verfahrensakte erteilt werden kann (vergleiche zur Anwendbarkeit der §§ 474 bis 478 StPO und der §§ 12 bis 22 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG) die Erläuterungen zu Kapitel VIII der EUStA-Verordnung sowie die Begründung zu § 4 EUStAG-E).

Aus Artikel 45 Absatz 3 EUStA-Verordnung ergibt sich die Pflicht zur Spiegelung der von dem Delegierten Europäischen Staatsanwalt geführten Verfahrensakte in dem Fallbearbeitungssystem der EUStA (siehe dazu auch Erläuterungen zu Artikel 44 Absatz 4 EUStA-Verordnung). Dazu gehört auch die Verpflichtung, alle Ergänzungen und Änderungen der Verfahrensakte sowie alle Löschungen und Berichtigungen von in der Verfahrensakte enthaltenen personenbezogenen Daten im EUStA-Fallbearbeitungssystem zeitnah nachzuvollziehen. Umgekehrt sind Informationen, die im Fallbearbeitungssystem enthalten sind, nicht aber in der Verfahrensakte, stets unmittelbar und vollständig in die Verfahrensakte aufzunehmen; dies ergibt sich bereits aus Artikel 45 Absatz 1 Satz 2 und 3 EUStA-Verordnung.

Die Vorschriften des Artikels 46 EUStA-Verordnung enthalten differenzierende Regelungen zu den EUStA-internen Zugriffsrechten in Bezug auf die Verfahrensakten sowie die unterschiedlichen Komponenten des EUStA-Fallbearbeitungssystems. Dabei unterscheiden die Regelungen zwischen der Möglichkeit eines direkten Zugriffs einerseits, und andererseits der Möglichkeit, auf Antrag Zugang zu erhalten.

Artikel 46 Absatz 3 der Verordnung sieht vor, dass ergänzende Regelungen in der Geschäftsordnung der EUStA getroffen werden.

Kapitel VIII (Datenschutz)

Die EUStA-Verordnung enthält mit den Vorschriften der Artikel 47 bis 89 umfassende und grundsätzlich abschließende Regelungen zum Datenschutz. Die Vorschriften gelten überwiegend nur für "operative personenbezogene Daten"; das sind alle von der EUStA für die in Artikel 49 EUStA-Verordnung festgelegten Zwecke verarbeiteten personenbezogene Daten (siehe die Definition des Begriffs in Artikel 2 Nummer 18 der Verordnung).

Artikel 49 EUStA-Verordnung bezeichnet als zulässige Zwecke der Verarbeitung operativer personenbezogener Daten "strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen gemäß dieser Verordnung" sowie den Informationsaustausch mit den Behörden der Mitgliedstaaten und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und internationalen Organisationen (Artikel 49 Absatz 1 EUStA-Verordnung). Der Begriff "Mitgliedstaaten" schließt im Fall des Kapitels VIII - anders als in den übrigen Teilen der Verordnung - auch die nicht an der Errichtung der EUStA teilnehmenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit ein (siehe die Definition in Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung). Für "verwaltungstechnische personenbezogene Daten" - das sind alle personenbezogenen Daten mit Ausnahme der operativen Daten (siehe Artikel 2 Nummer 17 der Verordnung) - gilt gemäß Artikel 48 Absatz 1 der Verordnung nicht das Kapitel VIII, sondern die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 , die zwischenzeitlich ersetzt worden ist durch die Verordnung (EU) Nr. 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG, Abl. 2018 L 295/39.

Die für die operativen personenbezogenen Daten anwendbaren Bestimmungen des Kapitels VIII sind zum großen Teil inhaltlich eng angelehnt an die der Richtlinie 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, Abl. 2016 L 119/89. Damit wollte der Rat gewährleisten, dass die für die EUStA geltenden Vorschriften möglichst weitgehend den gleichen Grundsätzen folgen wie die gesetzlichen Regelungen, die in den Mitgliedstaaten in Umsetzung dieser Richtlinie für das Strafverfahren gelten. Die Bestimmungen dieser Richtlinie werden in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt durch die Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes durch das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 sowie durch Änderung der Strafprozessordnung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626).

Anders als die Regelungen in den Kapiteln IV bis VII der Verordnung nehmen die Regelungen des Kapitels VIII nur in wenigen Fällen ausdrücklich Bezug auf das nationale Recht.

Zu nennen sind hier insbesondere die Regelungen in Artikel 47 Absatz 3 Buchstabe c und in Artikel 49 Absatz 6 EUStA-Verordnung. Die Vorschrift des Artikels 47 Absatz 3 EUStA-Verordnung regelt die Zulässigkeit der Verarbeitung operativer personenbezogener Daten durch die EUStA für einen anderen Zweck als den, für den die Daten erhoben wurden. Zulässig ist auch eine Zweitverwertung nur für einen der in Artikel 49 EUStA-Verordnung genannten Zwecke. Dabei kann es sich um eine andere der in Artikel 49 Absatz 1 aufgeführten Zweckkategorien handeln, aber auch um die Verwertung für einen gleichartigen Zweck in einem anderen Ermittlungsverfahren als dem, für den die Daten erhoben worden waren. Die EUStA darf eine solche Zweitverwertung nur vornehmen unter den drei kumulativ anzuwendenden Voraussetzungen, die in Artikel 47 Absatz 3 der Verordnung genannt sind. Dazu gehört als Punkt c auch, dass die Nutzung der Daten für diesen anderen Zweck nicht "nach dem anwendbaren nationalen Verfahrensrecht über die gemäß Artikel 30 getroffenen Ermittlungsmaßnahmen verboten ist". Anwendbar ist insoweit das Recht des Mitgliedstaates, in dem die Daten erhoben wurden. Für in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens erhobene Daten sind daher von der EUStA insbesondere auch die Vorschriften des § 479 Absatz 1 bis 3 StPO zu beachten und zwar sowohl bei einer Zweitverwertung durch die EUStA selbst (Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe a EUStA-Verordnung) wie auch im Fall einer Übermittlung durch die EUStA an externe Stellen im Rahmen eines Informationsaustausches (Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe b und c).

Gemäß Artikel 49 Absatz 6 EUStA-Verordnung ist die EUStA gehalten, bei der Anwendung der Artikel 57 bis 62 der Verordnung "unter Beachtung nationaler Verfahrensvorschriften über die Informationspflicht gegenüber der betroffenen Person und die Möglichkeiten, diese Informationen zu unterlassen, einzuschränken oder zu verzögern", zu handeln. Die Regelung ist daher zu beachten bei Entscheidungen der EUStA nach Artikel 58 Absatz 3, Artikel 60 und Artikel 62 Absatz 5 EUStA-Verordnung. Sie gilt aber nur für Informations- bzw. Auskunftspflichten, nicht für die in Artikel 61 Absatz 1 und 2 der Verordnung genannten Pflichten zur Berichtigung unrichtiger Daten und zur Löschung bzw. Einschränkung der Verarbeitung. In der Bundesrepublik Deutschland sind nach Maßgabe von Artikel 49 Absatz 6 EUStA-Verordnung etwa die Regelungen der §§ 101 Absatz 4 bis 7 und 101a Absatz 6 StPO zu beachten.

Zu erwähnen ist insoweit aber auch Artikel 53 Absatz 2 EUStA-Verordnung, der die EUStA verpflichtet, besondere Verarbeitungsbedingungen zu beachten, die ihr von einer nationalen Behörde - nach Maßgabe des nationalen Rechts - bei der Übermittlung von Daten aufgegeben wurden. So können etwa Verwendungsbeschränkungen nach § 161 Absatz 3 und 4 StPO auch gegenüber der EUStA zur Geltung gebracht werden.

Trotz der umfangreichen Regelungen des Kapitels VIII findet auch hier grundsätzlich die Bestimmung des Artikels 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung Anwendung, wonach subsidiär das nationale Recht gilt, sofern und soweit eine Frage in der Verordnung "nicht geregelt ist". Ist dagegen eine Frage sowohl im nationalen Recht als auch in der EUStA-Verordnung geregelt, "so ist diese Verordnung maßgebend". Damit bleibt in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten, soweit die EUStA "Verantwortlicher" im Sinne des Datenschutzes ist, zwar kein Raum für die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes. Ferner sehen § 4 Absatz 1 bis 3 EUStAG-E die Klarstellung vor, dass die §§ 161 Absatz 2, 479 Absatz 5 Satz 2 und 3 sowie die §§ 483 bis 491 StPO aufgrund des Vorrangs bzw. des abschließenden Charakters der EUStA-Verordnung keine bzw. nur eingeschränkte Anwendung finden.

Dagegen können andere datenschutzrechtliche Bestimmungen der Strafprozessordnung nach Maßgabe von Artikel 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung ergänzende Anwendung finden. So nehmen einige weitere Vorschriften des Kapitels VIII zwar nicht ausdrücklich, aber letztlich in der Sache auf Fragen Bezug, die in Anwendung des nationalen Verfahrensrechts zu beurteilen sind. Das gilt schon für die grundlegende Norm des Artikels 49 Absatz 1 Buchstabe b EUStA-Verordnung, die die Verarbeitung von Daten für "strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen" erlaubt; zwar erfolgen diesbezügliche Maßnahmen "gemäß dieser Verordnung"; die Regelungen etwa über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung) wie auch die Führung der Ermittlungen (Artikel 28 Absatz 1 EUStA-Verordnung) und die Regelungen über Ermittlungsmaßnahmen (Artikel 30 EUStA-Verordnung) nehmen aber ihrerseits Bezug auch auf das nationale Strafverfahrensrecht. Damit können auch insoweit aus dem nationalen Strafverfahrensrecht folgende Beschränkungen zur Anwendung kommen, wie etwa die Regelung des § 160 Absatz 4 StPO. Eine weitere derartige Einbruchstelle des nationalen Verfahrensrechts findet sich etwa in Artikel 50 Absatz 1 EUStA-Verordnung, soweit dieser die EUStA verpflichtet, regelmäßig die Notwendigkeit der Speicherung der erhobenen operativen Daten zu prüfen, die letztlich auch bedingt ist durch Vorgaben des nationalen Verfahrensrechts für das Ermittlungsverfahren; hier können die § 101 Absatz 8 StPO und § 101a Absatz 3 StPO ergänzende Anwendung finden. Entsprechendes gilt für Artikel 61 Absatz 2 EUStA-Verordnung, soweit dieser die EUStA zur Löschung von Daten verpflichtet, deren Verarbeitung "gegen die Artikel 47, 49 oder 55 verstößt oder wenn die operativen personenbezogenen Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gelöscht werden müssen, der die EUStA unterliegt".

Im Übrigen ist eine subsidiäre Anwendung von Vorschriften der StPO über die zweckändernde Verwendung von Daten nach Maßgabe von Artikel 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung möglich, soweit bestimmte Fragen in der Verordnung nicht geregelt sind. Das gilt grundsätzlich etwa für die Vorschriften der §§ 474 ff. StPO. Die Vorschrift des Artikels 47 Absatz 3 EUStA-Verordnung gestattet der EUStA unter den dort genannten Voraussetzungen ausdrücklich auch die Verarbeitung personenbezogener Daten für einen anderen Zweck als den, für den sie erhoben wurden.

Zu den zulässigen anderen Zwecken gehört auch der "Informationsaustausch mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten [...] gemäß dieser Verordnung" (Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe b EUStA-Verordnung). Ferner sehen eine Reihe von Vorschriften ausdrücklich Pflichten der EUStA vor, die zuständigen nationalen Behörden zu unterrichten. In Bezug auf Strafverfolgungsbehörden gilt dies gemäß Artikel 24 Absatz 8 EUStA-Verordnung auch zur Verwendung in anderen Strafverfahren. Gegebenenfalls wären der Übermittlung geeignete Verarbeitungsbedingungen gemäß Artikel 53 Absatz 1 oder Absatz 2 EUStA-Verordnung beizugeben. Ein solcher Informationsaustausch kann nach Maßgabe der EUStA-Verordnung auch mit anderen als Strafverfolgungsbehörden erfolgen (siehe etwa Artikel 25 Absatz 5, Artikel 26 Absatz 7, Artikel 36 Absatz 6 und Artikel 39 Absatz 4 EUStA-Verordnung). Insoweit sind ergänzende Regelungen zu treffen zur Anwendbarkeit der §§ 12 bis 22 EGGVG (siehe dazu § 4 Absatz 4 EUStAG-E).

Auch die Regelungen der §§ 492 bis 495 StPO sollen Anwendung finden sowohl im Hinblick auf die Eintragung von Daten aus den von den deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälten geführten Strafverfahren in das Zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister (ZStV) wie auch den Zugriff auf das ZStV.

Kapitel IX (Finanz- und Personalbestimmungen)

Artikel 90 bis 95 EUStA-Verordnung (Finanzbestimmungen)

Um die vollständige Selbständigkeit und Unabhängigkeit der EUStA gewährleisten zu können, wird sie mit einem eigenständigen Haushalt ausgestattet. Die Einnahmen bestehen im Wesentlichen aus einem Beitrag aus dem Haushalt der Europäischen Union (Artikel 91 Absatz 3 Buchstabe a EUStA-Verordnung). Da die EUStA im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit errichtet wird, gehen die Zuweisungen aus dem Unionshaushalt im Innenverhältnis gemäß Artikel 332 AEUV zulasten der an der Errichtung beteiligten Mitgliedstaaten; daher sollen die nicht an der Errichtung teilnehmenden Mitgliedstaaten Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 11 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 609/2014 des Rates vom 26. Mai 2014 zur Festlegung der Methoden und Verfahren für die Bereitstellung der traditionellen, der MwSt. und der BNE-Eigenmittel sowie der Maßnahmen zur Bereitstellung der erforderlichen Kassenmittel (Neufassung), ABl. 2014 L 168, 39 erhalten (siehe Artikel 91 Absatz 7 EUStA-Verordnung). Die Vorschriften der Artikel 90 bis 95 enthalten weitgehend übliche Regelungen zur Aufstellung und Ausführung des Haushalts von EU Agenturen.

Die Ausgaben der EUStA umfassen Personalkosten, Verwaltungs- und Infrastrukturausgaben sowie operative Ausgaben, Artikel 91 Absatz 4 EUStA-Verordnung.

Zu den operativen, vom Haushalt gedeckten, Ausgaben zählen insbesondere die Kosten für die Kommunikation zwischen den Delegierten Europäischen Staatsanwälten und der zentralen Ebene, Kosten der Briefzustellung und für Übersetzungen, Reisekosten sowie die für die interne Funktionsweise der EUStA notwendigen Kosten. Ferner sollen dazu auch solche Kosten, die den Mitgliedstaaten bei Ermittlungen vorher nicht entstanden sind und nur darauf zurückzuführen sind, dass die EUStA das Verfahren führt, als operative Ausgaben im Sinne des Artikels 91 Absatz 4 EUStA-Verordnung zählen (Erwägungsgrund Nummer 113 der EUStA-Verordnung). Dagegen sollen Kosten, "die im Zusammenhang mit von den zuständigen nationalen Behörden durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen" entstehen (und auch entstanden wären, wenn das Verfahren von der nationalen Staatsanwaltschaft geführt werden würde), und "Kosten der Prozesskostenhilfe" nicht zu den operativen Ausgaben der EUStA zählen (Artikel 91 Absatz 5 Unterabsatz 2 EUStA-Verordnung). Fallen jedoch außergewöhnlich hohe Kosten für Ermittlungsmaßnahmen im Auftrag der EUStA an, zum Beispiel für komplexe Sachverständigengutachten, polizeiliche Großeinsätze oder Überwachungstätigkeiten über einen längeren Zeitraum (Erwägungsgrund Nummer 112 der EU-StA-Verordnung), so können die Delegierten Europäischen Staatsanwälte von sich aus oder auf begründeten Antrag der zuständigen nationalen Behörden die Ständigen Kammern zu der Frage konsultieren, ob die Kosten dieser Ermittlungsmaßnahme teilweise von der EUStA getragen werden (Artikel 96 Absatz 6 EUStA-Verordnung).

Die den deutschen Behörden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens entstandenen Kosten können nach Maßgabe der §§ 464 ff. StPO als Verfahrenskosten in Ansatz gebracht werden; das gilt jedoch nicht für Kosten der Ermittlungsverfahren, die nach Artikel 91 Absatz 5 oder Absatz 6 der Verordnung von der EUStA getragen werden.

Artikel 96 bis 98 EUStA-Verordnung (Personalbestimmungen)

Die Artikel 96 bis 98 enthalten einige Regelungen in Bezug auf das Personal der EUStA, bestehend aus dem Europäischen Generalstaatsanwalt, den Europäischen Staatsanwälten, den Delegierten Europäischen Staatsanwälten, dem Verwaltungsdirektor und dem sonstigen Personal in der Zentrale der EUStA. Gemäß Artikel 96 Absatz 1 EUStA-Verordnung finden das Beamtenstatut und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union (Verordnung Nr. 31 (EWG), 11 (EAG) des Rates über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft; ABl. 45 vom 14.6.1962, S. 1385) sowie die diesbezüglichen Durchführungsregelungen, die die Organe der Union im gegenseitigen Einvernehmen erlassen haben, Anwendung.

Die Europäischen Staatsanwälte sollen als Bedienstete auf Zeit von der EUStA eingestellt werden (Artikel 96 Absatz 1 Unterabsatz 2 EUStA-Verordnung). Insoweit kann für den deutschen Europäischen Staatsanwalt § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte sowie für Richterinnen und Richter des Bundes (Sonderurlaubsverordnung - SUrlV) zur Anwendung kommen.

Für die Delegierten Europäischen Staatsanwälte sieht die EUStA-Verordnung eine Beschäftigung als Sonderberater gemäß den Artikeln 5, 123 und 124 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union vor. In der Bundesrepublik Deutschland kann insoweit eine Zuweisung gemäß § 20 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) bzw. § 29 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) erfolgen.

Die EUStA-Verordnung enthält keine ausdrückliche Regelung dazu, welches Personal für die EUStA auf nationaler Ebene vorgesehen ist oder von den Mitgliedstaaten gestellt werden solle. Dass aber auch neben den Delegierten Europäischen Staatsanwälten weiteres nationales Personal, wie zum Beispiel auch Geschäftsstellen eingeplant ist, ergibt sich mittelbar aus Artikel 98 Absatz 1 und Artikel 108 Absatz 2 EUStA-Verordnung.

Artikel 98 Absatz 1 EUStA-Verordnung regelt, dass die EUStA zusätzlich zu ihrem eigenen Personal auch auf abgeordnete nationale Sachverständige oder sonstige Personen zurückgreifen darf, die ihr zur Verfügung gestellt werden, aber nicht bei ihr beschäftigt sind.

Artikel 108 Absatz 2 EUStA-Verordnung regelt zudem, dass sonstige Personen, die auf nationaler Ebene an der Wahrnehmung der Aufgaben der EUStA mitwirken oder Unterstützung dafür leisten, einer Geheimhaltungspflicht unterliegen. Ferner heißt es in Erwägungsgrund Nummer 113 der EUStA-Verordnung, dass die Kosten für "Büro und Sekretariat des Delegierten Europäischen Staatsanwalts" von den Mitgliedstaaten getragen werden soll. Daraus ergibt sich, dass auch die Delegierten Europäischen Staatsanwälte an ihrem jeweiligen Sitz mit Geschäftsstellen auszustatten sind, deren Kosten die Mitgliedstaaten tragen. In der Bundesrepublik Deutschland findet aufgrund der Regelung des § 142b GVG-E auch die Vorschrift des § 153 GVG in Bezug auf den Einsatz von Geschäftsstellenpersonal am Dienstort der Delegierten Europäischen Staatsanwälte Anwendung.

Kapitel X (Bestimmungen über die Beziehungen der EUStA zu ihren Partnern)

Die Vorschriften der Artikel 99 bis 105 enthalten Regelungen über die Zusammenarbeit der EUStA mit Dienststellen der Union und mit Behörden der nicht an der Errichtung der EUStA teilnehmenden Mitgliedstaaten, von Drittstaaten und mit internationalen Organisationen. Gemäß Artikel 99 Absatz 2 EUStA-Verordnung soll die EUStA, "soweit dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben relevant ist", mit den genannten Stellen "direkt sämtliche Informationen austauschen"; Voraussetzung ist die Beachtung der Geheimhaltungsverpflichtungen gemäß Artikel 111 der Verordnung sowie, dass "die Verordnung nichts anderes vorsieht".

Zu beachten sind gegebenenfalls insbesondere auch die Datenschutzbestimmungen des Kapitels VIII.

Die Artikel 100 bis 103 der EUStA-Verordnung enthalten jeweils spezifische Regelungen zur Zusammenarbeit mit Eurojust, OLAF und Europol sowie zu den Organen der Union und zu sonstigen Einrichtungen und Stellen der Union.

Artikel 104 der EUStA-Verordnung bezeichnet eine Reihe unterschiedlicher Mechanismen für die justizielle Zusammenarbeit der EUStA mit Drittstaaten und internationalen Organisationen. Während in Absatz 1 auf die in Artikel 99 Absatz 3 angesprochene Möglichkeit des Abschlusses von "Arbeitsvereinbarungen" hingewiesen wird, die jedoch keinen Austausch personenbezogener Daten erlauben, betreffen Absatz 3 bis Absatz 5 völkerrechtlich bindende Übereinkommen, die Grundlage für Rechtshilfeersuchen der EUStA an Drittstaaten sein können. Im Rahmen einer hier vorgegebenen Stufenfolge soll die EUStA primär auf der Grundlage von Übereinkommen handeln, die die Union auf der Grundlage gemäß Artikel 218 AEUV geschlossen hat oder denen sie beigetreten ist (Absatz 3). Bislang gibt es keine solchen Übereinkommen, die ausdrückliche Regelungen über die strafrechtliche Zusammenarbeit der EUStA mit Drittstaaten enthalten. Soweit die Union nicht selbst über anwendbare Übereinkommen verfügt, soll die EUStA Rechtshilfeersuchen an Drittstaaten auf der Grundlage von multilateralen Übereinkommen der Mitgliedstaaten stellen können (Absatz 4). Dazu sollen primär die Mitgliedstaaten die EUStA als "eine zuständige Behörde" für die Zwecke der Anwendung des Übereinkommens anerkennen und, soweit das Übereinkommen dies vorsieht, als solche notifizieren. Grundsätzlich infrage kommen insoweit Übereinkommen im Rahmen des Europarats, die von den Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind und die Regelungen über die Rechtshilfe in Strafsachen enthalten. Die Zusammenarbeit der EUStA mit einem Drittstaat setzt allerdings voraus, dass der Drittstaat die Notifikation als "zuständige Behörde" akzeptiert und bereit ist, auf der Basis des Übereinkommens auch der EUStA Rechtshilfe zu leisten.

Sofern im konkreten Fall weder Absatz 3 noch Absatz 4 zur Anwendung kommen, sieht Absatz 5 Unterabsatz 1 alternativ vor, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte in ihrer Eigenschaft als nationale Staatsanwälte ein Rechtshilfeersuchen an den Drittstaat auf der Basis eines geltenden bilateralen oder multilateralen Übereinkommens richten und dabei darauf hinweisen, dass die auf der Grundlage des Ersuchens gegebenenfalls übermittelten Beweismittel von der EUStA für die Zwecke der Verordnung verwendet werden sollen. Ferner bestimmt Absatz 5 Unterabsatz 2, dass die Europäische Staatsanwaltschaft auch ohne Vorliegen einer anwendbaren internationalen Übereinkunft im Einzelfall Rechtshilfeersuchen an einen Drittstaat stellen kann.

Schließlich sieht Absatz 6 auch vor, dass die EUStA auf Ersuchen eines Drittstaates Rechtshilfe leisten kann, allerdings nur im Wege der Übermittlung von Informationen oder Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der EUStA befinden. Die EUStA soll also nicht auf Ersuchen eines Drittstaates Ermittlungsmaßnahmen durchführen, sondern kann lediglich Informationen oder Beweismittel zur Verfügung stellen, die sie im Rahmen eines eigenen Ermittlungsverfahrens gewonnen hat (siehe insoweit zu datenschutzrechtlichen Beschränkungen auch Artikel 47 Absatz 3 EUStA-Verordnung).

In den Fällen des Artikels 104 Absatz 4 und Absatz 5 Unterabsatz 1 der EUStA-Verordnung werden die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte gegebenenfalls auf der Grundlage von völkerrechtlichen Vereinbarungen im Sinne des § 1 Absatz 3 IRG tätig. Daher sollten in diesen Fällen, ebenso wie im Fall des Artikels 104 Absatz 6 der Verordnung, die Regelungen des IRG Anwendung finden.

§ 6 EUStAG-E sieht weitere Regelungen zur Durchführung dieser Bestimmungen vor. Ergänzend werden gesonderte Regelungen in den Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) zu erwägen sein.

Artikel 105 EUStA-Verordnung trifft Regelungen über die strafrechtliche Zusammenarbeit der EUStA mit den nicht an der Errichtung der EUStA beteiligten Mitgliedstaaten. Diese sind gemäß Artikel 20 Absatz 4 EUV an die EUStA-Verordnung nicht gebunden, sollen aber der Verstärkten Zusammenarbeit "nicht im Wege stehen". Der Rat hat bei seiner Sitzung am 8. Juni 2017 im Rahmen einer Erklärung die Europäische Kommission ersucht, "geeignete Vorschläge zur Gewährleistung einer wirksamen justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen der Europäischen Staatsanwaltschaft und allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nicht an der Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft teilnehmen, vorzulegen". Dies ist bislang nicht geschehen. Für den Fall, dass kein solches Rechtsinstrument besteht, sieht Artikel 105 Absatz 3 EUStA-Verordnung vor, dass die an der Errichtung der EUStA teilnehmenden Mitgliedstaaten die EUStA als "zuständige Behörde" für die Zwecke der Umsetzung der geltenden Rechtsakte der Union im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit "notifizieren". Wie Erwägungsgrund Nummer 110 der EUStA-Verordnung erkennen lässt, geht die EUStA-Verordnung davon aus, dass in diesem Fall die nichtteilnehmenden Mitgliedstaaten auch angesichts des sie bindenden Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Artikel 4 Absatz 3 EUV) verpflichtet sind, Anordnungen der EUStA etwa auf der Grundlage der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. EU 2014 L 130/1) in gleicher Weise anzuerkennen und zu vollstrecken wie Anordnungen von Justizbehörden der Mitgliedstaaten.

Die Regelungen in Artikel 105 Absatz 3 EUStA-Verordnung könnte es auch ermöglichen, dass die Behörden eines nicht an der Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft beteiligten Mitgliedstaates beispielsweise eine Europäische Ermittlungsanordnung an die Europäische Staatsanwaltschaft richten. Allerdings kann dies angesichts der in dieser Vorschrift verwendeten Formulierung ("zuständige Justizbehörde [...] in Fällen, die in die Zuständigkeit der EUStA fallen") nur gelten für Ersuchen, die darauf gerichtet sind, Erkenntnisse aus einem von der Europäischen Staatsanwaltschaft geführten Verfahren zu gewinnen. Wie im Fall des Artikels 104 Absatz 6 EUStA-Verordnung dürfte die Regelung des Artikels 105 Absatz 3 EUStA-Verordnung jedoch keine Anwendung finden können für an die Europäische Staatsanwaltschaft gerichtete Ersuchen um Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen für ein ausländisches Ermittlungsverfahren.

Die Vorschriften der Artikel 104 Absatz 4 bis 6 und 105 Absatz 3 EUStA-Verordnung bedürfen einer klarstellenden Ergänzung, die mit § 6 Absatz 3 und 4 EUStAG-E getroffen werden soll und primär dazu dient, der Unabhängigkeit der EUStA Rechnung zu tragen.

Kapitel XI (Allgemeine Bestimmungen)

Die Vorschriften der Artikel 106 bis 120 EUStA-Verordnung enthalten eine Reihe von allgemeinen und Schlussbestimmungen.

Zu erwähnen sind:

Artikel 113 EUStA-Verordnung (Allgemeine Haftungsregelung)

Artikel 113 Absatz 3 EUStA-Verordnung regelt, dass die EUStA im Bereich der außervertraglichen Haftung jeden von der EUStA oder ihrem Personal in Ausübung ihres Amtes verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam sind, ersetzt soweit ihr der Schaden zugerechnet werden kann. Diese Formulierung entspricht der des Artikels 340 AEUV.

Wie bereits zu Artikel 42 Absatz 4 der Verordnung ausgeführt, können die Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) in EUStA-Verfahren keine Anwendung finden, wenn die Strafverfolgungsmaßnahme auf der Anordnung der EUStA beruht und ihr der entstandene Schaden zugerechnet werden kann. Dies soll in § 8 EUStAG-E klargestellt werden.

Hat die EUStA ein Ermittlungsverfahren übernommen, findet Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) Anwendung.

Artikel 47 Absatz 2 GRC regelt, dass jede Person das Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

Artikel 113 Absatz 3 und 4 der EUStA-Verordnung trifft eine Regelung für die außervertragliche Haftung für von der EUStA oder ihrem Personal in Ausübung ihres Amtes verursachte und diesen zurechenbare Schäden, welche insoweit eine Entschädigung nach den Vorschriften zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gemäß den §§ 198 bis 201 GVG ausschließt. Dies wird in § 5 Absatz 2 EUStAG-E klargestellt.

Artikel 117 EUStA-Verordnung (Mitteilungen)

Artikel 117 sieht eine Reihe von Mitteilungspflichten der Mitgliedstaaten vor.

Zum einen soll jeder Mitgliedstaat "die für die Durchführung dieser Verordnung zuständigen Behörden" benennen. Diese Angaben sollen dem Europäischen Generalstaatsanwalt, dem Rat und der Europäischen Kommission mitgeteilt werden. Die EUStA-Verordnung enthält mehrere Vorschriften, die auf die "zuständigen Behörden" der Mitgliedstaaten verweisen. In Umsetzung dieser Verpflichtung werden insbesondere die nach Artikel 24 Absatz 1 und Absatz 2, Artikel 25 Absatz 5 und Absatz 6, Artikel 26 Absatz 7, Artikel 28 Absatz 1 und Absatz 2, Artikel 34, Artikel 36 Absatz 6 und Artikel 39 Absatz 4 EUStA-Verordnung in der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Behörden zu benennen sein.

Die Mitgliedstaaten sollen der EUStA ferner "eine ausführliche Liste der nationalen Bestimmungen zum materiellen Strafrecht, die für die in der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 definierten Straftaten gelten, und weiterer einschlägiger nationaler Vorschriften" übermitteln. Die EU-StA soll die in diesen Listen enthaltenen Informationen öffentlich bekannt machen. Diese Regelung soll der Transparenz und Rechtssicherheit dienen in der Frage, für welche Straftatbestände der nationalen Rechtsordnung die EUStA nach Maßgabe von Artikel 22 Absatz 1 und Absatz 2 der Verordnung zuständig ist.

Ferner sollen die Mitgliedstaaten, die von der Regelung des Artikels 30 Absatz 3 Satz 2 EUStA-Verordnung Gebrauch machen wollen, die Anwendung von Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe e und f auf bestimmte schwere Straftaten zu beschränken, der EUStA eine Liste dieser Straftaten übermitteln. Insoweit werden die in den §§ 100a Absatz 2, 100b Absatz 2 und 100g Absatz 2 StPO genannten Straftatbestände, soweit diese nach Artikel 22 EUStA-Verordnung in der Zuständigkeit der EUStA liegen, aufzuführen sein.

Artikel 120 EUStA-Verordnung (Inkrafttreten)

Die EUStA-Verordnung ist gemäß Artikel 120 Absatz 1 am 20. November 2017 in Kraft getreten. Die EUStA kann gemäß Artikel 120 Absatz 2 Unterabsatz 2 der EUStA-Verordnung frühestens drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung ihre operative Arbeit aufnehmen. Das Datum der Arbeitsaufnahme der EUStA soll von der Europäischen Kommission durch Beschluss festgelegt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die EUStA zu dem von der Europäischen Kommission festzulegenden Datum in vollem Umfang funktionsfähig ist.

Allerdings wird die EUStA, wie sich aus Artikel 120 Absatz 2 Unterabsatz 1 ergibt, dann ihre Zuständigkeit für alle in ihre Zuständigkeit fallenden Straftaten ausüben, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung begangen wurden. Die Behörden der Mitgliedstaaten werden die EUStA daher zu gegebener Zeit gemäß Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung über alle noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen, von ihren Behörden geführten Ermittlungsverfahren unterrichten müssen, die Taten betreffen, für die die EUStA nach den Artikeln 22 bis 23 und 25 der Verordnung ihre Zuständigkeit ausüben kann. Gegebenenfalls kann die EUStA sodann von ihrem Evokationsrecht nach Artikel 27 der Verordnung Gebrauch machen.

IV. Alternativen

Eine Alternative zur Aufnahme der notwendigen Regelungen in das in Artikel 1 vorgesehene EUStAG-E hätte darin bestanden, sie in die dort in Bezug genommenen Gesetze einzustellen. Hiervon wurde Abstand genommen, weil damit nicht die für die Rechtsanwendung erforderliche Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erreicht worden wäre.

V. Gesetzgebungskompetenz

Die internationale Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten ist Teil der Pflege der auswärtigen Beziehungen im Sinne des Artikels 32 Absatz 1 GG. Die sich aus der Durchführung der EUStA-Verordnung ergebenden Änderungen fallen deshalb in den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 GG. Darüber hinaus ergibt sich eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 10 GG (internationale Verbrechensbekämpfung) und Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Gerichtsverfassung, gerichtliches Verfahren).

Für die Änderungen des StGB in Artikel 5 folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).

Für die Änderungen des BZRG in Artikel 4 ergibt sich die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 GG (auswärtige Angelegenheiten), Artikel 73 Absatz 1 Nummer 10 GG (internationale Verbrechensbekämpfung) und Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 GG (Strafrecht).

Für die Änderung des Bundesstatistikgesetzes in Artikel 6 folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 11 (Statistik für Bundeszwecke).

VI. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Entwurf dient der Durchführung bzw. Umsetzung von Rechtsinstrumenten der Europäischen Union und ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Soweit die vorgesehenen Vorschriften Bestimmungen des deutschen Rechts für nicht anwendbar erklärt, verstößt dies nicht gegen das vom Europäischen Gerichtshof postulierte Wiederholungsverbot. Die Regelungen dienen vielmehr dem Nachvollzug der unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der EUStA-Verordnung, die gegenüber entgegenstehendem innerstaatlichem Recht Vorrang beansprucht.

Der Entwurf ist auch mit den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

VII. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Die EUStA-Verordnung ist in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht. Gleichwohl sieht Artikel 5 Absatz 3 EUStA-Verordnung vor, dass die EUStA-Verordnung zwar gegenüber entgegenstehendem nationalen Recht vorrangig ist; das nationale Recht aber anwendbar sein bzw. bleiben soll, wenn eine Frage in der EUStA-Verordnung nicht geregelt ist. Auch einzelne Artikel der EUStA-Verordnung nehmen ausdrücklich auf das anwendbare nationale Recht Bezug.

Die Durchführungsbestimmungen zielen darauf ab, der Rechtspraxis die Handhabung der EUStA-Verordnung zu erleichtern und eine bundesweit einheitliche Praxis zu sichern. Dementsprechend sieht der Entwurf Ergänzungen des GVG vor, mit denen klargestellt werden soll, dass die Bestimmungen des GVG, der StPO und anderer deutscher Rechtsvorschriften in Ermittlungsverfahren der EUStA subsidiär Anwendung finden. Zudem soll mit der Schaffung des neuen Stammgesetzes (EUStAG-E) und den dortigen Durchführungsbestimmungen vor allem Rechtssicherheit geschaffen werden, welche Vorschriften des deutschen Rechts wegen des Vorrangs der EUStA-Verordnung keine Anwendung bzw. lediglich modifiziert Anwendung finden.

Die im Zuge der Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 beabsichtigte Einführung eines verpflichtenden Europäischen Führungszeugnisses und einer um Eintragungen aus den Strafregistern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union erweiterten Selbstauskunft für Drittstaatsangehörige bedeutet für antragstellende Personen mit einer Drittstaatsangehörigkeit eine Vereinfachung insoweit, als dass zukünftig die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Führungszeugnisses bzw. einer Selbstauskunft aus den Mitgliedstaaten, in denen sie sich zuvor aufgehalten haben, entfällt.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, die der Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dient. Insbesondere trägt der Entwurf mit der durch die Änderung des Strafgesetzbuches verbundenen Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes von Privatgeheimnissen zur Gewährleistung einer funktionierenden rechtsstaatlichen Strafrechtspflege bei, die Voraussetzung ist für eine friedliche Gesellschaft im Sinne des Nachhaltigkeitsziels 16 der Agenda 2030.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln beim Bund, der sich aus der Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 ergibt, soll finanziell und stellenmäßig im Einzelplan 07 ausgeglichen werden. Über Einzelheiten zur Deckung des Mehrbedarfs wird im Rahmen kommender Haushaltsaufstellungsverfahren zu entscheiden sein. Im Kapitel 0718 sind ab dem Haushaltsjahr 2022 folgende Mehraufwände zu erwarten: zum einen werden für die Einführung eines auch für Drittstaatsangehörige verpflichtenden Europäischen Führungszeugnisses dauerhaft zwei Planstellen des mittleren und zwei Planstellen des gehobenen Dienstes benötigt, was einen dauerhaften personellen Mehraufwand von 244 000 Euro bedingt. Zum anderen wird für die Selbstauskünfte für EU-Bürgerinnen und Bürger sowie Drittstaatsangehörige voraussichtlich ein einmaliger Sachaufwand von 150 000 Euro anfallen. Zusätzliche Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand infolge des Gesetzes sind für Länder und Gemeinden nicht zu erwarten.

Im Übrigen sind Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand, die über die Folgen der EU-StA-Verordnung hinausgehen, nicht zu erwarten.

4. Erfüllungsaufwand

a) Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Den Bürgerinnen und Bürgern entsteht durch die Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Die Einführung eines verpflichtenden Europäischen Führungszeugnisses für Drittstaatsangehörige, denen bislang Führungszeugnisse gemäß § 30 Absatz 1 BZRG ausgestellt wurden, bedeutet für diese Personen keinen Mehraufwand. Es bleibt bei der bisherigen Form der Antragsstellung sowie den Kosten in Höhe von 13 Euro.

Auch die in § 42 BZRG geregelte Selbstauskunft, die neben den Eintragungen im Bundeszentralregister nunmehr auch die Eintragungen der Strafregister anderer EU-Mitgliedstaaten einbezieht, bedeutet für Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union und Drittstaatsangehörige keinen Mehraufwand. Vielmehr wird der Aufwand für die Antragstellenden in geringem Umfang reduziert, da diese, um einen vollständigen Überblick über ihre in den Strafregistern der Mitgliedstaaten der Europäischen Union enthaltenen Eintragungen zu erhalten, nicht mehr selbst Auskünfte in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einholen müssen.

b) Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Wirtschaft entsteht durch dieses Gesetz kein neuer Erfüllungsaufwand.

c) Erfüllungsaufwand für die Verwaltung

aa) Durch die Einführung eines auch für Drittstaatsangehörige verpflichtenden Europäischen Führungszeugnisses ergibt sich bei der Registerbehörde ein gewisser Mehraufwand im Hinblick auf die jährlich anfallenden Personalkosten. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass sich die Zahl der Anträge auf Ausstellung von Führungszeugnissen nicht verändern wird, da Drittstaatsangehörige bereits jetzt die Möglichkeit haben, ein Führungszeugnis nach § 30 BZRG zu beantragen. Erweitert wird lediglich der Umfang des Inhalts, der nunmehr vollständig die in der Europäischen Union erfolgten Verurteilungen abbildet, wie es auch für EU-Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Europäischen Führungszeugnisses sowie Deutsche bei den übrigen Führungszeugnissen der Fall ist. Dies hat den Mehraufwand zur Folge, dass künftig zunächst über ECRIS-TCN die Mitgliedstaaten zu ermitteln sind, in denen Verurteilungen vorliegen, die sodann im Wege des bestehenden elektronischen Strafnachrichtenaustauschs über ECRIS ("European Criminal Record Information System") anzufragen und in das Europäische Führungszeugnis aufzunehmen sind. Sowohl ECRIS-TCN als auch ECRIS sind vollautomatisierte Systeme.

Derzeit werden etwa 2 500 Führungszeugnisse pro Arbeitstag von Drittstaatsangehörigen beantragt, die zukünftig als Europäische Führungszeugnisse ausgestellt werden müssen. Diese werden zu 85 Prozent vollautomatisiert bearbeitet. Entsprechend der Praxiserfahrung müssen 15 Prozent der Anträge manuell bearbeitet werden. Dies betrifft Zweifelsfälle, in denen der intellektuelle Abgleich der Identitäten zwischen antragstellender Person und der im Register eingetragenen Personen erforderlich ist. Dies entspricht 375 Fällen pro Tag und 97 500 Fällen im Jahr. Der für die Bearbeitung der Identitätsabgleiche anfallende personelle Mehraufwand beträgt rund 244 000 Euro. Dies entspricht zwei Arbeitskräften des mittleren (A9m+Z, je rund 51 000 Euro) und des gehobenen Dienstes (A12, rund je 62 000 Euro), die ab dem Moment benötigt werden, in dem "ECRIS-TCN" einsatzfähig ist, was frühestens 2022 der Fall sein wird.

Dabei ist noch nicht geklärt, in welcher Form das Bundeszentralregister zukünftig an die neu bei der Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht zu schaffende Zentraldatenbank "ECRIS-TCN" ("The European Criminal Records Information System for Third-Country Nationals") angebunden sein und wie die Verarbeitung von Fingerabdruckdaten erfolgen wird. Grundlegende Voraussetzung für die technische Anbindung bilden die noch zu schaffenden technischen Vorgaben respektive Verfahrensvorschriften der Europäischen Kommission. Die Ermittlung der Mehraufwände bzw. Investitionskosten wird im Zuge der zu treffenden Anpassungen im deutschen Recht infolge der Verordnung (EU) Nr. 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 2018/1726 (Abl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1) - im Folgenden: Verordnung (EU) Nr. 2019/816 - geschehen.

bb) Bezüglich der Selbstauskünfte für EU-Bürgerinnen und Bürger sowie Drittstaatsangehörige, die nach derzeitiger Gesetzeslage nur die im Bundeszentralregister gespeicherten Eintragungen beinhalten und zukünftig um Eintragungen aus den Strafregistern anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu ergänzen sind, ist kein personeller Mehraufwand messbar. Für die erforderlichen Recherchen wird die vorhandene Infrastruktur genutzt, die im Wesentlichen "ECRIS" umfasst. Für die Recherchen zu Drittstaatsangehörigen werden zukünftig - wie bei der Ausstellung von Europäischen Führungszeugnissen - ECRIS-TCN und ECRIS zu nutzen sein. Ausgehend von derzeit jährlich beantragten rund 1 500 Selbstauskünften, wird zukünftig von - wenn überhaupt - 150 zusätzlichen Recherchen auszugehen sein. Eine Steigerung von mehr als 10 Prozent erscheint vor dem Hintergrund, dass bereits jetzt Selbstauskünfte von EU-Bürgerinnen und Bürgern sowie Drittstaatsangehörigen in Anspruch genommen werden können, unrealistisch. Da die Anträge auf Selbstauskünfte vollautomatisiert bearbeitet werden sollen, sind entsprechende Änderungen des IT-Systems des Bundeszentralregisters, so zum Beispiel die Anpassung der Bearbeitungsmasken und die automatisierte Verarbeitung des neu festzulegenden ECRIS-Anfragecodes, vorzunehmen. Diese Änderungen bedingen einen einmaligen Sachaufwand von rund 150 000 Euro.

Bezüglich der Anträge auf Selbstauskunft von Deutschen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, zu denen die Registerbehörde den Bundeszentralregisterinhalt zuzuliefern hat, ist von einer verschwindend geringen Fallzahl auszugehen. Die Abfrage von Selbstauskünften ist nach derzeitigen Praxiserfahrungen wenig verbreitet und steht weit hinter Auskunftsanfragen in Form eines Führungszeugnisses zurück. Von einem Mehraufwand ist daher nicht auszugehen.

cc) Im Übrigen ist mit dem Entwurf kein zusätzlicher Aufwand für Bund, Länder und Gemeinden verbunden, der über die Folgen der EUStA-Verordnung hinausgeht.

5. Weitere Kosten

Durch die Regelungen des Entwurfs entstehen weitere Kosten allenfalls durch die vorgeschlagenen Erweiterungen des Anwendungsbereichs des Strafgesetzbuches. Die insoweit zu erwartenden Mehrkosten im justiziellen Kernbereich dürften allerdings keinen nennenswerten Umfang haben, da die Erweiterungen voraussichtlich lediglich Einzelfälle erfassen werden.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Der Entwurf hat keine verbraucherpolitischen oder gleichstellungspolitischen Auswirkungen. Auch demografische Auswirkungen sind nicht zu erwarten.

VIII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung oder Evaluierung ist aufgrund der unmittelbar geltenden EUStA-Verordnung, die selbst keine Befristung vorsieht, nicht angezeigt. Eine Evaluierung der EUStA-Verordnung soll gemäß Artikel 119 EUStA-Verordnung spätestens fünf Jahre nach dem von der Europäischen Kommission nach Artikel 120 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung noch festzulegenden Datum der Aufnahme der Ermittlungs- und Strafverfolgungsaufgaben durch die EUStA erfolgen. Auch die Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 bedarf weder einer Befristung noch einer Evaluierung.

Nach Artikel 13a des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates vom 26. Februar 2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austausches von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 93 vom 7.4.2009, S. 23) - im Folgenden: Rahmenbeschluss 2009/315/JI - in der Fassung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 nimmt die Europäische Kommission bis zum 29. Juni 2023 eine Evaluierung des Strafnachrichtenaustauschs über ECRIS vor.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (EUStAG-E)

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Die Vorschrift umschreibt den Anwendungsbereich des Gesetzes und stellt klar, dass das EUStAG-E der Ausführung der EUStA-Verordnung dient (Absatz 1). Das Gesetz gilt für Ermittlungsverfahren, in denen das Amt der Staatsanwaltschaft gemäß § 142b Absatz 1 GVG-E von einem mit dem Verfahren betrauten oder das Verfahren unterstützenden deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalt (siehe Artikel 2 Nummer 5 und 6 EUStA-Verordnung) oder dem deutschen Europäischen Staatsanwalt ausgeübt wird (Absatz 2). Diese Bestimmung dient namentlich der Klarstellung, dass die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte und der deutsche Europäische Staatsanwalt "Staatsanwalt" bzw. "Staatsanwaltschaft" im Sinne der einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften sind. Hintergrund ist, dass die EUStA-Verordnung in Artikel 5 Absatz 3 vorsieht, dass die Verordnung zwar Vorrang vor entgegenstehendem nationalem Recht hat, das nationale Recht aber anwendbar ist bzw. bleibt, soweit eine Frage in dieser Verordnung nicht geregelt ist. Auch einzelne Artikel der Verordnung nehmen ausdrücklich Bezug auf das anwendbare nationale Recht. Entsprechend sollen mit den Vorschriften dieses Gesetzes notwendige ergänzende Regelungen getroffen werden und einzelne Vorschriften des deutschen Rechts, die wegen des Vorrangs der EUStA-Verordnung bei Ermittlungsverfahren der EUStA keine Anwendung finden, für nicht bzw. modifiziert anwendbar erklärt werden.

Gemäß Artikel 28 Absatz 4 EUStA-Verordnung kann in den dort aufgezählten, außergewöhnlichen Ausnahmefällen auch der aufsichtführende Europäische Staatsanwalt mit Genehmigung der Ständigen Kammer die Entscheidung treffen, das Verfahren selbst zu führen. Daher sollen die Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit sie auf Delegierte Europäische Staatsanwälte Bezug nehmen, auch für den deutschen Europäischen Staatsanwalt gelten.

Die Regelungen der EUStA-Verordnung in der jeweils geltenden Fassung haben allerdings im Rahmen ihres Anwendungsbereichs unmittelbare Geltung im Sinne des Artikels 288 Absatz 2 AEUV, die durch die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht berührt wird. Dies soll mit Absatz 3 klargestellt werden. Mit den Vorschriften dieses Gesetzes soll für den Rechtsanwender die notwendige Rechtsklarheit geschaffen werden. Durch dessen Regelungen wird Artikel 5 Absatz 3 Satz 4 EUStA-Verordnung nicht mit Geltungsschein wiederholt, sondern die Nichtanwendung des deutschen Rechts klargestellt und Artikel 5 Absatz 3 Satz 4 EU-StA-Verordnung durchgeführt und konkretisiert.

Die EUStA-Verordnung gilt nur für die und in den Mitgliedstaaten, die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen (Artikel 20 Absatz 4 EUV). Die Definition des Begriffs "Mitgliedstaaten" in Artikel 2 Nummer 1 EUStA-Verordnung bezieht sich daher grundsätzlich auch nur auf die an der Verstärkten Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten, sieht allerdings in Bezug auf die Regelungen der Verordnung zum Datenschutz (Kapitel VIII der Verordnung) Ausnahmen vor. Der dort überwiegend verwendete Begriff "Mitgliedstaaten der Europäische Union" hat zur Folge, dass sich diese Regelungen insoweit auf alle Unionsmitgliedstaaten beziehen. Das gilt insbesondere auch für die Regelungen zur Übermittlung personenbezogener Daten zwischen der EUStA und Behörden der Mitgliedstaaten (Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung). Diese unterschiedlichen Definitionen, die die EUStA-Verordnung verwendet, sind daher auch bei Anwendung dieses Gesetzes sowie der in § 2 EUStAG-E in Bezug genommenen Rechtsvorschriften zu beachten.

Zu § 2 (Verfahrensvorschriften)

In Ergänzung der Regelung des § 142b GVG-E soll § 2 klarstellen, dass in den von der EUStA geführten Verfahren die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geltenden Vorschriften Anwendung finden, soweit weder die EUStA-Verordnung noch die in diesem Gesetz enthaltenen Vorschriften vorrangige bzw. abweichende Regelungen enthalten. Im Rahmen eines von der EUStA in der Bundesrepublik Deutschland geführten Ermittlungsverfahrens werden neben der StPO und dem GVG gegebenenfalls auch das JGG, und die AO sowie einzelne Vorschriften des IRG und des OWiG zur Anwendung kommen können. Dabei handelt es sich um keine abschließende Aufzählung. Auch andere Vorschriften, die im Strafverfahren gelten, können grundsätzlich Anwendung finden, zum Beispiel Vorschriften des Bundeskriminalamtgesetzes.

Zu § 3 (Anwendbarkeit von Vorschriften der Strafprozessordnung über das Ermittlungsverfahren)

Zu Absatz 1

In Absatz 1 werden Regelungen der StPO aufgeführt, die in Verfahren der EUStA von der EUStA-Verordnung verdrängt werden und deshalb keine Anwendung finden.

§ 153c StPO ermöglicht der Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung von Auslandstaten abzusehen. Für die Anwendung von dessen Vorschriften sollte - anders als im Fall anderer Regelungen über die mögliche Einstellung aus Opportunitätsgründen (siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 39 EUStA-Verordnung) kein Raum bestehen. Soweit § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 StPO an den Geltungsbereich der StPO anknüpft, kommt eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht, da die EUStA grundsätzlich eine Zuständigkeit der deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte auch für Auslandstaten deutscher Staatsangehöriger vorsieht (Artikel 23 Buchstabe b in Verbindung mit Artikel 26 Absatz 4 Buchstabe b EUStA-Verordnung). Wie sich aus Erwägungsgrund Nummer 64 der EUStA-Verordnung ergibt, soll die EUStA ihre Zuständigkeit so umfassend wie möglich ausüben, damit sie ihre Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen auch auf außerhalb der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten begangene Straftaten erstrecken kann. Dem würde es widersprechen, wenn deutsche Delegierte Europäische Staatsanwälte ein Ermittlungsverfahren allein mit der Begründung einstellen könnten, die Tat sei außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der StPO begangen worden. Entsprechendes gilt für § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 und Absatz 3 StPO. Für eine Einstellung nach § 153c Absatz 2 StPO besteht neben Artikel 39 EUStA-Verordnung kein Raum, da Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe f eine Regelung für den Fall trifft, dass gegen den Verdächtigen oder Beschuldigten wegen derselben Tat bereits ein Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.

Da weder Staatsschutzdelikte im Sinne der §§ 153d, 153e StPO noch Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch im Sinne des § 153f StPO in die sachliche Zuständigkeit der EUStA gemäß Artikel 22 Absatz 1 und Absatz 2 EUStA-Verordnung fallen, kommt eine Anwendung dieser Opportunitätseinstellungen in EUStA-Verfahren ohnehin nicht in Betracht. Daher kann insoweit auf eine Regelung in diesem Gesetz verzichtet werden.

§ 160 Absatz 1 StPO regelt die Pflicht zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, wenn ein Anfangsverdacht gemäß § 152 Absatz 2 StPO vorliegt.

§ 160 Absatz 1 StPO wird jedoch durch Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung verdrängt, wonach ein Ermittlungsverfahren durch die EUStA einzuleiten ist, wenn nach dem anwendbaren nationalen Recht ein Anfangsverdacht hinsichtlich einer in die Zuständigkeit der EUStA fallenden Straftat besteht. Der Anfangsverdacht wird in § 152 Absatz 2 StPO definiert und ist aufgrund des Verweises auf nationales Recht neben Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung anwendbar. Erlangt die EUStA durch eine Anzeige oder anderweitig von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis, so hat sie nach Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung in Verbindung mit § 152 Absatz 2 StPO förmlich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

§ 170 Absatz 2 Satz 1 StPO wird durch die Regelung in Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung verdrängt, da die Verordnung mit den in Artikel 39 Absatz 1 Buchstabe a bis g aufgeführten Einstellungsgründen insoweit eigenständige Regelungen für Fälle enthält, in denen die Strafverfolgung nicht (mehr) möglich ist. Erwägungsgrund Nummer 81 Satz 2 der Verordnung bezeichnet die Einstellungsgründe als in Artikel 39 Absatz 1 der Verordnung "erschöpfend festgelegt". Für eine ergänzende Anwendung des § 170 Absatz 2 Satz 1 StPO besteht daher kein Raum (siehe hierzu Erläuterungen bei Artikel 39 EUStA-Verordnung). Dagegen findet die Regelung des § 170 Absatz 2 Satz 2 StPO, wonach der Beschuldigte von der Einstellung zu benachrichtigen ist, aufgrund des Verweises in Artikel 39 Absatz 4 EUStA-Verordnung auf das nationale Recht Anwendung. Da sich die Zuständigkeit der EU-StA gemäß Artikel 22 Absatz 1 EUStA-Verordnung nicht auf Straftaten erstreckt, die privatklagefähige Delikte im Sinne der §§ 374, 376 StPO sind, wird die Einstellung und Verweisung auf den Privatklageweg in Ermittlungsverfahren der EUStA keine Bedeutung haben. Ist ein privatklagefähiges Delikt mit einer Straftat zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 EUStA-Verordnung untrennbar verbunden und ist nach durchgeführten Ermittlungen nur diese Straftat nachweisbar, kommt eine Zurückverweisung an die nationale Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 34 Absatz 1 EUStA-Verordnung in Betracht.

Zu Absatz 2

Absatz 2 dient der Klarstellung der Anwendung von Vorschriften der StPO im Fall von grenzüberschreitenden Ermittlungen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der EU-StA-Verordnung. Wie in den Erläuterungen zu Artikel 31 und Artikel 32 EUStA-Verordnung dargelegt, haben die Regelungen in Artikel 31 Absatz 3 EUStA-Verordnung zur Folge, dass Vorschriften der StPO, die einen Richtervorbehalt vorsehen, im Fall der Anordnung einer grenzüberschreitenden Ermittlungsmaßnahme durch einen deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalt nur dann zur Anwendung kommen können, wenn nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates, in dem die Maßnahme durchgeführt werden soll, keine richterliche Anordnung oder Genehmigung erforderlich ist (Fall des Artikels 31 Absatz 3 Unterabsatz 3 EUStA-Verordnung). Verlangt dagegen auch der Mitgliedstaat des unterstützend tätig werdenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts eine gerichtliche Anordnung oder Genehmigung, so folgt aus Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung, dass die richterliche Anordnung bzw. Genehmigung allein am Gericht des Mitgliedstaates, in dem die Maßnahme durchgeführt werden soll, einzuholen ist. Dessen ungeachtet folgt aus Artikel 31 Absatz 2 Satz 1 und 2 EUStA-Verordnung allerdings, dass der deutsche Delegierte Europäische Staatsanwalt bzw. der Europäische Staatsanwalt solche grenzüberschreitenden Maßnahmen auch in diesem Fall gleichwohl nur unter der Voraussetzung anordnen kann, dass (auch) die einschlägigen materiellen Vorschriften des deutschen Rechts das Ergreifen einer solchen Ermittlungsmaßnahme gestatten (siehe dazu Erläuterungen zu Artikel 31 und 32 EUStA-Verordnung).

Eine "richterliche Genehmigung" im Sinne des Artikels 31 Absatz 3 EUStA-Verordnung (zu dem Begriff siehe die Erläuterungen zu Artikel 31 Absatz 3 EUStA-Verordnung) ist auch dann als nach deutschem Recht "erforderlich" anzusehen, wenn die Anordnung zwar bei Gefahr im Verzug durch die Staatsanwaltschaft erfolgen kann, das Gesetz aber eine nachträgliche richterliche Bestätigung verlangt. Auch wenn die Wirksamkeit der Anordnung einer Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug gemäß § 98 Absatz 2 Satz 1 StPO - anders als etwa die Anordnung einer Telefonüberwachung (§ 100e Absatz 1 Satz 3 StPO) oder der Postbeschlagnahme (§ 100 Absatz 2 StPO) - nicht von der Einhaltung der 3-Tages-Frist abhängt (Sollvorschrift, vergleiche Köhler in: Meyer/Goßner/Schmitt, 62. Auflage, 2019, § 98 Rn. 14; Hauschild in: MüKo, 1. Auflage, 2014, § 98 StPO Rn. 23), ist die nachträgliche gerichtliche Bestätigung im Falle des Widerspruchs oder der Abwesenheit des Betroffenen bzw. eines erwachsenen Angehörigen dennoch "erforderlich" im Sinne des Artikels 31 Absatz 3 EUStA-Verordnung.

§ 3 Absatz 2 EUStAG-E stellt klar, dass bei Ermittlungsmaßnahmen, die ein deutscher Delegierter Europäischer Staatsanwalt (oder der deutsche Europäische Staatsanwalt im Fall des Artikels 28 Absatz 4 EUStA-Verordnung) gemäß Artikel 31 Absatz 1 der Verordnung anordnet, die etwa in den Vorschriften der §§ 98 Absatz 1 und 2, 100 Absatz 1 und 2, 100e Absatz 1 und 2, 105, 111j, 163e Absatz 4 und 163f Absatz 3 StPO jeweils in Verbindung mit § 162 Absatz 1 StPO vorgesehene richterliche Anordnung bzw. Bestätigung durch ein deutsches Gericht nur einzuholen ist, wenn nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem die Ermittlungsmaßnahme durchzuführen ist bzw. durchgeführt wird, eine solche richterliche Anordnung oder Bestätigung nicht erforderlich ist. In diesen Fällen hat der Delegierte Europäische Staatsanwalt gemäß Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 3 EUStA-Verordnung eine richterliche Anordnung oder Bestätigung durch das zuständige deutsche Gericht nach Maßgabe der genannten Vorschriften der StPO einzuholen, obwohl die Maßnahme im Ausland durchgeführt werden soll. Ist dagegen auch nach dem Recht des anderen Mitgliedstaates eine richterliche Anordnung oder Genehmigung erforderlich, so ist diese nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern über den unterstützenden Delegierten Europäischen Staatsanwalt nur in dem anderen Mitgliedstaat einzuholen (Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung; siehe dazu näher die Erläuterungen zu Artikel 31 EUStA-Verordnung).

Im umgekehrten Fall haben die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte nach Anordnung und Zuweisung einer Ermittlungsmaßnahme durch den mit dem Ermittlungsverfahren betrauten ausländischen Delegierten Europäischen Staatsanwalt gemäß Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung den nach deutschem Recht erforderlichen richterlichen Beschluss für eine in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführende Maßnahme einzuholen. Die Zuständigkeit des deutschen Ermittlungsrichters ergibt sich unmittelbar aus § 162 Absatz 1 Satz 1 StPO in Verbindung mit § 3 Absatz 3 EUStAG-E am Dienstort des unterstützend tätig werdenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts. In diesen Fällen ist eine Anordnung bzw. Bestätigung durch das zuständige deutsche Gericht auch dann einzuholen, wenn entgegen der Vorschrift des Artikels 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Verordnung bereits in dem anderen Mitgliedstaat eine vorherige gerichtliche Anordnung oder Genehmigung eingeholt worden ist - etwa in der Annahme seitens des ausländischen Delegierten Europäischen Staatsanwalts, dass nach deutschem Recht eine richterliche Anordnung bzw. Genehmigung nicht erforderlich ist.

Da es sich bei gerichtlichen Anordnungen oder Bestätigungen nicht um eine "Verfahrenshandlung der EUStA" im Sinne des Artikels 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung handelt, wird eine Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte nicht erst durch Artikel 42 Absatz 1 EU-StA-Verordnung begründet. In der Bundesrepublik Deutschland ist daher gegen die von einem deutschen Gericht ergangene gerichtliche Anordnung oder Bestätigung die Beschwerde gemäß § 304 StPO oder im Falle des § 101 Absatz 7 Satz 2 StPO die sofortige Beschwerde gemäß § 311 StPO statthaft. Dies gilt ebenso im Fall einer gerichtlichen Anordnung bzw. Bestätigung durch ein deutsches Gericht gemäß Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung in Bezug auf eine in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführende Ermittlungsmaßnahme wie auch bei einer gerichtlichen Entscheidung nach Artikel 31 Absatz 3 Unterabsatz 3 EUStA-Verordnung in Bezug auf eine im Ausland durchzuführende Maßnahme.

Zu Absatz 3

Diese Regelung ist erforderlich, da sich die Zuständigkeit des Gerichts für bestimmte gerichtliche Maßnahmen am Sitz der Staatsanwaltschaft orientiert. So kommt es zum Beispiel bei der Beantragung richterlicher Untersuchungsmaßnahmen gemäß § 162 Absatz 1 Satz 1 StPO auf den Sitz der antragstellenden Staatsanwaltschaft bzw. ihrer Zweigstelle an. Für Maßnahmen nach den §§ 100b bis 100c StPO sieht § 100e Absatz 2 Satz 1 StPO vor, dass diese nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch die in § 74a Absatz 4 GVG genannte Kammer des Landgerichts angeordnet werden können, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Für gerichtliche Entscheidungen über die Zurückstellung der Benachrichtigung betroffener Personen bei verdeckten Maßnahmen (§ 101 Absatz 6 Satz 1 StPO) sowie die nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme (§ 101 Absatz 7 Satz 2 StPO) ist vor Erhebung der öffentlichen Klage (§ 101 Absatz 7 Satz 4 StPO) in der Regel das Anordnungsgericht zuständig (§ 101 Absatz 7 Satz 1 StPO. Steht die Maßnahme nicht (§ 100h StPO) oder im konkreten Fall nicht (§ 100b StPO) unter Richtervorbehalt, regelt § 101 Absatz 7 Satz 1 StPO, dass das Gericht am Sitz der Staatsanwaltschaft für gerichtliche Entscheidungen bei verdeckten Maßnahmen zuständig ist. Auch die Zuständigkeit des Gerichts für die Bestellung eines Pflichtverteidigers gemäß § 142 Absatz 3 Nummer 1 StPO knüpft an den Sitz der Staatsanwaltschaft an.

Da die EUStA ihren Sitz in Luxemburg hat und es auch keine förmlichen "Zweigstellen" in den Mitgliedstaaten gibt, legt § 3 Absatz 3 Satz 1 EUStAG-E fest, dass als "Sitz" der EUStA im Sinne der vorstehend genannten Bestimmungen der StPO bei in der Bundesrepublik Deutschland geführten Ermittlungsverfahren der Dienstort des mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalts gilt. Das Gleiche gilt für einen deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalt, der gemäß Artikel 31 Absatz 1 Satz 2 EUStA-Verordnung von einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt eines anderen Mitgliedstaates mit einer Ermittlungsmaßnahme betraut wird. Durch die Regelung in § 3 Absatz 3 EUStAG-E soll eine schnelle Entscheidung des Ermittlungsrichters gewährleistet und darüber hinaus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters gemäß Artikel 101 GG Rechnung getragen werden.

Sofern der Delegierte Europäische Staatsanwalt ein Verfahren einer deutschen Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 27 EUStA-Verordnung übernommen hat, in welchem bereits ein Haftbefehl gemäß § 114 StPO erlassen wurde, ist auch § 126 Absatz 1 Satz 3 StPO anwendbar.

Im Ausnahmefall kann der die Aufsicht führende Europäische Staatsanwalt gemäß Artikel 28 Absatz 4 Unterabsatz 1 Satz 1 EUStA-Verordnung das Ermittlungsverfahren an sich ziehen und Ermittlungsmaßnahmen und andere Maßnahmen treffen. Die Regelung des Artikels 28 Absatz 4 EUStA-Verordnung geht dabei davon aus, dass in diesem Fall bereits ein Delegierter Europäischer Staatsanwalt mit den Ermittlungen betraut ist und der Europäische Staatsanwalt das Ermittlungsverfahren gemäß Artikel 28 Absatz 4 Unterabsatz 3 EU-StA-Verordnung lediglich an seiner Stelle weiterführt. Daher regelt § 3 Absatz 3 Satz 2 EU-StAG-E, dass als Sitz der EUStA weiterhin der Sitz des bisher ermittelnden Delegierten Europäischen Staatsanwalts gilt.

Zu Absatz 4 und 5

Absatz 4 und Absatz 5 treffen Regelungen zu Rechtsschutzmöglichkeiten und Belehrungspflichten gegen die Entscheidungen der EUStA, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen (Artikel 24 Absatz 7 EUStA-Verordnung) bzw. ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren einzustellen (Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung). Die Vorschriften der §§ 171 bis 177 StPO können aufgrund der abweichenden Regelungen in der EUStA-Verordnung nur modifiziert Anwendung finden. Dem Antragsteller, der zugleich Verletzter ist, stehen in Ermittlungsverfahren der EUStA gegebenenfalls unterschiedliche Anfechtungsmöglichkeiten zu. Dies wird in § 3 Absatz 5 EUStAG-E klargestellt. Beruft sich eine natürliche oder juristische Person darauf, dass durch eine Einstellungsentscheidung der EUStA Unionsrecht verletzt wurde, so regelt Artikel 42 Absatz 3 EUStA-Verordnung, dass der Rechtsweg zum EuGH gemäß Artikel 263 Absatz 4 AEUV offensteht. In diesem Fall finden die §§ 172 bis 177 StPO keine Anwendung.

Beruft sich der Verletzte hingegen auf einen Verstoß gegen nationales Recht, kann gemäß Artikel 42 Absatz 1 EUStA-Verordnung das Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Absatz 2 StPO grundsätzlich Anwendung finden. Allerdings ist die Anwendbarkeit des Beschwerdeverfahrens gemäß § 172 Absatz 1 StPO im Fall von Einstellungsentscheidungen nach Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung auszuschließen, da die EUStA-Verordnung in diesen Fällen keine geeigneten Regelungen für die interne Beschwerde vorsieht. Gemäß Artikel 39 Absatz 1 EUStA-Verordnung sind die Ständigen Kammern dafür zuständig, auf Grundlage eines Berichts des verfahrensführenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zu entscheiden. Da die Einstellung somit auf dem Beschluss der Ständigen Kammern und nicht auf der Entscheidung des Delegierten Europäischen Staatsanwalts beruht, handelt es sich um keinen Fall des Artikels 12 Absatz 4 EUStA-Verordnung, der grundsätzlich vorsieht, dass gegebenenfalls eine "interne Überprüfung" von Handlungen eines Delegierten Europäischen Staatsanwalts nach Maßgabe der Geschäftsordnung der EUStA durch den aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalt erfolgt. Demgegenüber sieht die Verordnung eine Überprüfung des Beschlusses der Ständigen Kammern durch eine vorgesetzte Stelle nicht vor.

§ 3 Absatz 5 EUStAG-E bestimmt daher, dass § 172 Absatz 1 StPO nicht zur Anwendung kommt. Der Verletzte kann danach vielmehr unmittelbar das Klageerzwingungsverfahren gegen den Einstellungsbescheid der EUStA führen.

§ 3 Absatz 4 EUStAG-E bestimmt vor diesem Hintergrund, dass der Antragsteller, der zugleich Verletzter ist, auch über seine Rechtsschutzmöglichkeit nach Artikel 42 Absatz 3 EU-StA-Verordnung und die dafür in Artikel 263 Absatz 6 AEUV vorgesehenen Fristen zu belehren ist. Davon grundsätzlich unberührt bleibt die Belehrungspflicht in Bezug auf die Möglichkeit der Anfechtung nach § 172 Absatz 2 Satz 1 StPO, wobei insoweit aber die Maßgaben des § 3 Absatz 5 EUStAG-E zu beachten sind.

Zu § 4 (Anwendbarkeit datenschutzrechtlicher Bestimmungen)

Zu Absatz 1

§ 161 Absatz 2 StPO regelt, dass § 58 Absatz 3 BDSG nicht anzuwenden ist, soweit die StPO die Löschung personenbezogener Daten ausdrücklich anordnet. Infolge der Nichtanwendbarkeit des BDSG (siehe dazu die Erläuterungen in Kapitel VIII) findet auch diese Vorschrift für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die EUStA ohnehin keine Anwendung. Im Übrigen enthält die EUStA-Verordnung mit Artikel 61 Absatz 3 eine ausdrückliche Regelung zu den Voraussetzungen, unter denen die EUStA - anstatt die Daten zu löschen - deren Verarbeitung einschränken kann. Diese Regelungen erlauben auch die Anwendung etwa der §§ 101 Absatz 8 und 101a Absatz 3 StPO, die eine Verpflichtung zur Datenlöschung vorsehen, soweit die personenbezogenen Daten nicht mehr zur Strafverfolgung oder für eine gerichtliche Überprüfung erforderlich sind (siehe dazu auch die Erläuterungen zu Kapitel VIII der Verordnung). Daher soll § 4 Absatz 1 EUStAG-E klarstellen, dass § 161 Absatz 2 StPO nicht anzuwenden ist.

Auch die Vorschriften der §§ 483 bis 491 StPO über die Verarbeitung personenbezogener Daten in Dateien werden durch die spezielleren Regelungen in Artikel 47 ff. EUStA-Verordnung verdrängt und können daher keine Anwendung finden für die Datenverarbeitung durch die EUStA.

Dieser Vorrang der Regelungen der EUStA-Verordnung gilt jedoch nicht für die Datenverarbeitung durch andere deutsche Behörden, die etwa nach Maßgabe von Artikel 28 Absatz 1 und 2 EUStA-Verordnung an den von der EUStA geführten Ermittlungsverfahren mitwirken und insoweit als datenschutzrechtlich "Verantwortlicher" (§ 46 Nummer 7 BDSG, Artikel 3 Nummer 8 der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 ) auch inhaltsgleiche personenbezogene Daten verwalten (vergleiche Erwägungsgrund Nummer 93 der EUStA-Verordnung). So dürfen etwa auch die Polizei- und Finanzbehörden personenbezogene Daten aus einem Ermittlungsverfahren der EUStA in eigenen Dateisystemen verarbeiten, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist. Die Anwendbarkeit des § 161 Absatz 2 StPO und der §§ 483 bis 481 StPO für die Verarbeitung durch diese Behörden wird durch die EUStA-Verordnung nicht berührt.

Zu Absatz 2

§ 479 Absatz 5 StPO regelt die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung von personenbezogenen Daten. Die Regelungen in § 479 Absatz 5 Satz 2 und 3 StPO können keine Anwendung finden in Fällen, in denen die EUStA Empfänger der übermittelten Daten ist. Eine vergleichbar differenzierende Regelung sieht Artikel 54 EUStA-Verordnung nur für die Datenübermittlung zwischen der EUStA und anderen EU-Behörden vor. Zwar dürften die übrigen Bestimmungen des § 479 StPO ergänzend anwendbar sein (vergleiche Erläuterungen zu Kapitel VIII). Die Anwendung des § 479 Absatz 5 Satz 2 und 3 StPO ist aber davon auszunehmen, da die EUStA-Verordnung nicht erlauben dürfte, dass Vorschriften des nationalen Rechts ihr die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung durch eine nationale Behörde übertragen.

Zu Absatz 3

Die Vorschriften in den §§ 496 bis 499 StPO zum Schutz und zur Verwendung personenbezogener Daten in elektronischen Akten finden Anwendung, soweit die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte gemäß Artikel 45 Absatz 2 EUStA-Verordnung elektronische Akten in Datenverarbeitungssystemen von Bundes- oder Landesbehörden führen (siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 44 bis 46 EUStA-Verordnung). Die Vorschriften der §§ 496 bis 499 StPO können dagegen wegen des Vorrangs der EUStA-Verordnung keine Anwendung finden, soweit die Delegierten Europäischen Staatsanwälte "elektronische Aktenkopien" (Artikel 45 Absatz 3 der Verordnung) im Fallbearbeitungssystem der EUStA speichern.

Zu Absatz 4

Die §§ 12 bis 20 EGGVG enthalten grundlegende Bestimmungen zur Zulässigkeit verfahrensübergreifender Mitteilungen unter Übermittlung personenbezogener Daten. Sie gelten auch für die Übermittlung von personenbezogenen Daten durch und an Staatsanwaltschaften. Die Regelungen werden ergänzt durch auf der Grundlage von § 12 Absatz 5 EGGVG erlassene Verwaltungsvorschriften (Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra), Bekanntmachung der Neufassung vom 27. März 2019, BAnz AT 08.04.2019 B1), die insbesondere auch zahlreiche spezifische Mitteilungspflichten begründen.

Da gemäß Artikel 5 Absatz 3 der EUStA-Verordnung das innerstaatliche Verfahrensrecht subsidiär anwendbar ist, soweit eine Frage in der Verordnung nicht geregelt ist, finden mit dieser Maßgabe grundsätzlich auch die Strafverfahren betreffenden Vorschriften der §§ 12 bis 20 EGGVG Anwendung. Auch die EUStA-Verordnung selbst sieht ausdrücklich die Befugnis vor, unter den Voraussetzungen des Artikels 47 Absatz 3 personenbezogene Daten an die Behörden der Mitgliedstaaten auch für andere Zwecke zu übermitteln als die, für die die Daten erhoben wurden. Ferner sehen eine Reihe von Vorschriften ausdrücklich Pflichten der EUStA vor, die zuständigen nationalen Behörden zu unterrichten. Das gilt auch in Bezug auf andere als Strafverfolgungsbehörden (siehe dazu die Erläuterungen zu Kapitel VIII der EUStA-Verordnung). Mit Absatz 4 soll daher klargestellt werden, dass die Vorschriften der §§ 12 bis 14 und 16 bis 20 EGGVG anwendbar sind, soweit die Europäische Staatsanwaltschaft nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 befugt ist, die zuständigen nationalen Behörden unter Übermittlung personenbezogener Daten zu unterrichten.

In der Regel wird für die EUStA als unabhängige Behörde der Union keine Veranlassung besteht, die in § 16 EGGVG vorgesehene parallele Übermittlung von Daten an die dort genannten Bundesbehörden vorzunehmen. Soweit allerdings ein deutscher Delegierter Europäischer Staatsanwalt nach Maßgabe von Artikel 104 Absatz 5 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung in seiner Eigenschaft als deutscher Staatsanwalt personenbezogene Daten an ausländische öffentliche Stellen oder an über- oder zwischenstaatliche Stellen übermittelt, bleibt auch § 16 EGGVG anwendbar.

Die Vorschriften der §§ 21 und 22 EGGVG können, wie die §§ 483 bis 491 StPO, wegen der vorrangigen Regelungen in Artikel 47 ff. EUStA-Verordnung keine Anwendung finden.

Zu § 5 (Anwendbarkeit des GVG)

Zu Absatz 1

Zwar folgt aus § 142b Absatz 1 GVG-E grundsätzlich, dass die deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte ebenfalls "Staatsanwalt" bzw. "Staatsanwaltschaft im Sinne des Gesetzes - und mithin auch der übrigen Bestimmungen des GVG - sind, gleichwohl können einige Vorschriften des GVG keine Anwendung finden, soweit die Beamtinnen und Beamten in ihrer Eigenschaft als Delegierte Europäische Staatsanwälte tätig sind.

Dies gilt aufgrund der eigenständigen Strukturen der EUStA schon für die §§ 144 und 145 GVG. Dies gilt insbesondere aber auch für die Bestimmungen der §§ 146 und 147 GVG. Die Europäische Staatsanwaltschaft ist eine unabhängige Behörde. Dazu gehört, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte keinerlei Weisungen von Personen außerhalb der EUStA, von Mitgliedstaaten oder von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union einholen oder entgegennehmen dürfen (Artikel 6 Absatz 1 Satz 2 EUStA-Verordnung). Dagegen sind die Delegierten Europäischen Staatsanwälte innerhalb der EUStA den Weisungen der Ständigen Kammern und des aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalts unterstellt (Artikel 10 Absatz 2 und Absatz 5, Artikel 12 Absatz 1 und Absatz 3 und Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 EUStA-Verordnung). Gemäß Artikel 12 Absatz 4 EUStA-Verordnung entscheidet auch der Europäische Staatsanwalt als vorgesetzter Beamter über etwaige Dienstaufsichtsbeschwerden. In § 5 Absatz 1 EUStAG-E soll daher bestimmt werden, dass die §§ 144 bis 147 GVG nicht anzuwenden sind.

Dagegen kann § 143 Absatz 2 GVG im Rahmen der Regelung des Artikels 28 Absatz 2 EUStA-Verordnung Anwendung finden (siehe dazu Erläuterungen zu Artikel 28 EUStA-Verordnung).

Zu Absatz 2

Die §§ 198 bis 201 GVG werden in ihrem Anwendungsbereich durch die Regelungen in Artikel 113 Absatz 3 und 4 und Artikel 42 Absatz 4 EUStA-Verordnung verdrängt, soweit der erlittene Nachteil von der EUStA oder ihrem Personal in Ausübung ihres Amtes verursacht und diesen zuzurechnen ist. Bei dem in den §§ 198 ff. GVG vorgesehenen Entschädigungsanspruch wegen Verfahrensverzögerungen handelt es sich um einen staatshaftungsrechtlichen Anspruch sui generis auf Ausgleich für Nachteile infolge rechtswidrigen hoheitlichen Verhaltens (Bundestagsdrucksache 17/3802, S. 19). Hierfür haftet gemäß § 200 GVG entweder das Land oder der Bund. Rechtsträger der EUStA ist jedoch die Europäische Union. Die außervertragliche Haftung der EUStA, welcher auch der staatshaftungsrechtliche Anspruch zuzuordnen ist, ist in Artikel 113 Absatz 3 und 4 EUStA-Verordnung geregelt.

Nach Artikel 113 Absatz 3 EUStA-Verordnung ersetzt die EUStA nach den "allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam sind, jeden von der EUStA oder ihrem Personal in Ausübung ihres Amtes verursachten Schaden, soweit er diesen zuzurechnen ist." Diese Formulierung entspricht der des Artikels 340 AEUV.

Artikel 113 Absatz 3 EUStA-Verordnung benennt ebenfalls die Union als Anspruchsgegner und umschreibt das anspruchsbegründende Verhalten, belässt es im Übrigen aber, wie Artikel 340 AEUV, bei einem Verweis auf die den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze.

Artikel 42 Absatz 4 EUStA-Verordnung bestimmt, dass - abweichend von dem in Absatz 1 dieser Vorschrift formulierten Grundsatz - der EuGH für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen gegenüber der EUStA zuständig bleibt, und verweist insoweit auf Artikel 268 AEUV. Der Unionsrichter wird im Rahmen des Artikels 113 Absatz 3 EUStA-Verordnung somit ebenfalls ermächtigt, im Wege wertender Rechtsvergleichung der nationalen Haftungssysteme unionsspezifische Haftungskriterien (Gellermann in: Streinz, 3. Auflage 2018, Artikel 340 AEUV, Rn. 8) zu entwickeln.

Artikel 47 Absatz 2 GRC regelt, dass jede Person das Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Wird gegen die Pflicht, in angemessener Frist zu entscheiden, verstoßen, können die dadurch bedingten Nachteile zu einem Schadensersatzanspruch führen. Darüber hinaus ist die überlange Dauer des Verfahrens auch bei der Bemessung von Geldbußen und Strafen zu berücksichtigen (Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 3. Auflage 2016, Artikel 47 Rn. 44).

Daher stellt § 5 Absatz 2 klar, dass die Vorschriften der §§ 198 bis 201 GVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass ein Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen ist, soweit der erlittene Nachteil von der EUStA oder ihrem Personal in Ausübung ihres Amtes verursacht und diesen zuzurechnen ist. Im Übrigen finden die Vorschriften der §§ 198 ff. GVG aber auch in Ermittlungsverfahren der EUStA und in gerichtlichen Verfahren Anwendung, in denen die EUStA die Anklage vertritt.

Zu § 6 (Anwendbarkeit des IRG)

Zu Absatz 1

Absatz 1 stellt klar, dass die Vorschriften des IRG grundsätzlich keine Anwendung finden in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen den Delegierten Europäischen Staatsanwälten bei grenzüberschreitenden Ermittlungen, da die Bestimmungen des Artikels 31 der EUStA-Verordnung abschließende Regelungen treffen. Nur ausnahmsweise sollen die Delegierten Europäischen Staatsanwälte gemäß Artikel 31 Absatz 6 der Verordnung auf andere Rechtsinstrumente über die gegenseitige Anerkennung oder die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zurückgreifen können (vergleiche auch Erläuterungen zu Artikel 31 und Artikel 32 EUStA-Verordnung). Soweit deutsche Delegierte Europäische Staatsanwälte nach Maßgabe von Artikel 31 Absatz 6 der Verordnung im Einvernehmen mit dem die Aufsicht führenden deutschen Europäischen Staatsanwalt befugt sind, Ersuchen um sonstige Rechtshilfe im Sinne des Zehnten Teils des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) an Behörden in einem an der Errichtung der EUStA beteiligten Mitgliedstaat zu richten, kann die sonst aus § 74 Absatz 1 und 2 IRG folgende Entscheidungsbefugnis deutscher Behörden nicht zur Anwendung kommen. Für den Fall, dass die Behörden des ersuchten Mitgliedstaates die Leistung der Rechtshilfe an Bedingungen knüpfen oder von der Abgabe von Zusicherungen abhängig machen, deren Einhaltung die Europäische Staatanwaltschaft nicht alleine gewährleisten kann und die auch von deutschen Behörden zu beachten sein werden (§ 72 IRG), sieht Absatz 1 Satz 3 allerdings vor, dass der deutsche Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Annahme der Bedingungen und die Abgabe von Zusicherungen im Einvernehmen mit den zuständigen deutschen Justizbehörden entscheidet. Die Regelung in Satz 2 gilt entsprechend auch für Entscheidungen eines deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalts über eingehende Rechtshilfeersuchen nach Artikel 31 Absatz 6 der Verordnung, sofern die Europäische Staatsanwaltschaft für die Leistung der Rechtshilfe zuständig ist. Dagegen bleibt die Anwendbarkeit des IRG unberührt für eingehende Rechtshilfeersuchen, bei denen nach Maßgabe des IRG ein Gericht oder eine Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht (wie etwa im Fall des § 62 IRG) für die Leistung der Rechtshilfe zuständig ist.

Zu Absatz 2

Absatz 2 regelt die Anwendbarkeit des IRG für den Erlass eines Europäischen Haftbefehls (EuHB) durch einen deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalt nach Maßgabe von Artikel 33 Absatz 2 oder Artikel 105 Absatz 3 der EUStA-Verordnung. Aus den vorstehend zu Absatz 1 dargelegten Gründen kann auch insoweit § 74 Absatz 1 und 2 IRG nicht zur Anwendung kommen. Gleiches gilt für § 83i IRG, der eine Pflicht der Bundesregierung zur Unterrichtung des Rates der Europäischen Union über Fristverzögerungen regelt. Für den Fall, dass die Behörden des ersuchten Mitgliedstaates die Überstellung an Bedingungen knüpfen oder die Abgabe von Zusicherungen abhängig machen, deren Einhaltung die Europäische Staatanwaltschaft nicht alleine gewährleisten kann und die auch von deutschen Behörden zu beachten sein werden (§ 72 IRG) oder dass nach Artikel 15 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1) Informationen zu erteilen sind, die über das Verfahren der Europäischen Staatsanwaltschaft hinausgehen (zum Beispiel zum gerichtlichen Verfahren), sieht auch Absatz 2 vor, dass der mit den Ermittlungen betraute deutsche Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Annahme der Bedingungen und die Abgabe von Zusicherungen im Einvernehmen mit den zuständigen deutschen Justizbehörden entscheidet. So erscheint es beispielsweise geboten, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt, sofern der ersuchte Mitgliedstaat die Überstellung des Verfolgten von der Zusicherung der späteren Rücküberstellung zum Zwecke der Vollstreckung einer etwaigen Freiheitsstrafe abhängig macht, hierüber nur im Einvernehmen mit der nach § 10 EUStAG-E zuständigen Behörde entscheidet.

Für eingehende Ersuchen, das heißt Auslieferungen an andere Mitgliedstaaten, sind die Vorschriften des IRG uneingeschränkt anwendbar, da die EUStA-Verordnung keine Regelungen zur Vollstreckung von Europäischen Haftbefehlen, die von einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt oder auf dessen Antrag von einem Gericht des jeweiligen Mitgliedstaates erlassen wurden trifft. Die Überstellung im Wege der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls erfolgt nicht an die EUStA, sondern an den Mitgliedstaat des verfahrensführenden Delegierten Europäischen Staatsanwalts.

Zu Absatz 3

Soweit die Union nicht selbst über anwendbare Übereinkommen für die Zusammenarbeit mit Drittstaaten verfügt, soll die EUStA Rechtshilfeersuchen an Drittstaaten auf der Grundlage von multilateralen (und gegebenenfalls bilateralen) Übereinkommen der Mitgliedstaaten stellen können (siehe die Erläuterungen zu Artikel 104 Absatz 4 EUStA-Verordnung). Aus den gleichen Gründen wie oben zu Absatz 1 erläutert, kann auf die Stellung eines Rechtshilfeersuchens eines deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalts § 74 Absatz 1 und 2 IRG keine Anwendung finden. Gleiches gilt für den Fall, dass ein deutscher Delegierter Europäischer Staatsanwalt gemäß Artikel 104 Absatz 6 EUStA-Verordnung über ein eingehendes Ersuchen eines Drittstaates zu entscheiden hat. Auch bei der Stellung eines Rechtshilfeersuchens an einen Drittstaat gemäß Artikel 104 Absatz 4 EUStA-Verordnung muss jedoch gewährleistet sein, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt für den Fall, dass die Behörden des ersuchten Mitgliedstaates die Leistung der Rechtshilfe an Bedingungen knüpfen oder die Abgabe von Zusicherungen abhängig machen, deren Einhaltung die Europäische Staatanwaltschaft nicht alleine gewährleisten kann und die auch von deutschen Behörden zu beachten sein werden, der deutsche Delegierte Europäische Staatsanwalt über die Annahme der Bedingungen und die Abgabe von Zusicherungen im Einvernehmen mit den zuständigen deutschen Justizbehörden entscheidet. Die in den anwendbaren Übereinkommen vorgesehenen Geschäftswege werden auch von den Delegierten Europäischen Staatsanwälten zu beachten sein.

Die in Absatz 3 getroffenen Regelungen gelten allerdings nur für Ersuchen, die nach Maßgabe von Artikel 104 Absatz 4 EUStA-Verordnung gestellt werden, nicht jedoch für Ersuchen, die ein deutscher Delegierter Europäischer Staatsanwalt nach Maßgabe von Artikel 104 Absatz 5 Unterabsatz 1 EUStA-Verordnung in seiner Eigenschaft als deutscher Staatsanwalt an einen Drittstaat stellt; in diesem Fall sind die Bestimmungen des IRG uneingeschränkt anzuwenden. Im Hinblick darauf, dass in den Fällen des Artikels 104 Absatz 5 EUStA-Verordnung der Delegierte Europäische Staatsanwalt von Befugnissen eines nationalen Staatsanwalts Gebrauch machen soll, erscheint es auch angemessen, für die Bewilligung an dem bestehenden System der Zuständigkeiten festzuhalten. Allerdings sind hierzu noch Regelungen in den RiVASt und gegebenenfalls weiteren untergesetzlichen Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit der zuständigen Bewilligungsbehörde, zum Verfahren und zum Prüfungsrahmen zu treffen.

Zu Absatz 4

Absatz 4 betrifft Rechtshilfeersuchen im Sinne des Zehnten Teils des IRG, die deutsche Delegierte Europäische Staatsanwälte gemäß Artikel 105 Absatz 3 EUStA-Verordnung an Behörden eines nicht an der Errichtung der EUStA beteiligten Mitgliedstaates richten können. Auch in diesem Fall kann § 74 Absatz 1 und 2 IRG keine Anwendung finden. Absatz 4 sieht daher vor, dass hier die Regelungen in Absatz 3 Satz 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind. Aus Absatz 4 folgt ferner, dass Absatz 3 Satz 1 auch entsprechend anzuwenden ist auf Entscheidungen eines deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalts über Rechtshilfeersuchen, die eine Behörde eines nicht an der Errichtung der EUStA beteiligten Mitgliedstaates - zuständigkeitshalber - an die EUStA richtet. Diese Regelung gilt aber nur für Ersuchen, die auf die Übermittlung von Auskünften aus Akten der Europäischen Staatsanwaltschaft oder die Herausgabe von Gegenständen gerichtet sind, über die die Europäische Staatsanwaltschaft im Rahmen eines von ihr geführten Ermittlungsverfahrens verfügt. Dagegen erstreckt sich die Zuständigkeit der deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälte nicht auf die Entscheidung über Rechtshilfeersuchen, die auf die Vornahme von Ermittlungsmaßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sind. Hier bleiben in Bezug auf Ersuchen eines nicht an der Errichtung der EUStA beteiligten Mitgliedstaates die Zuständigkeiten der deutschen Justizbehörden unberührt.

Zu § 7 (Anwendbarkeit der AO)

Zu Absatz 1

Durch § 386 Absatz 2 AO wird die Finanzbehörde ermächtigt, das Ermittlungsverfahren in bestimmten Fällen selbstständig durchzuführen. Sie nimmt dann die Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen (§ 399 Absatz 1 AO) . Zwar haben die EUStA und die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden grundsätzlich eine geteilte Zuständigkeit für die Ermittlung von Straftaten nach Artikel 22 EUStA-Verordnung. Sofern die EUStA aber entschieden hat, von ihrer Zuständigkeit Gebrauch zu machen, haben die nationalen Behörden davon abzusehen, ihre eigene Zuständigkeit in Bezug auf dieselbe strafbare Handlung auszuüben (Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 EUStA-Verordnung). Dies ist innerstaatlich unabhängig davon zu beachten, ob für die Europäische Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren von einem deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwalt eingeleitet (bzw. evoziert) wurde oder von einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt eines anderen Mitgliedstaates, der nach dortigem Recht ebenfalls Gerichtsbarkeit für den Fall hat (siehe die Erläuterungen zu Artikel 25 Absatz 1 EUStA-Verordnung).

§ 7 Absatz 1 EUStAG-E stellt vor diesem Hintergrund klar, dass in diesem Fall auch die ansonsten gemäß § 386 Absatz 2 AO befugte Finanzbehörde kein Ermittlungsverfahren in eigener Zuständigkeit führen soll. Als Folge finden in diesem Fall insoweit auch die Regelungen der §§ 386 Absatz 4, 387 bis 392 und 399 bis 401 AO keine Anwendung, ohne dass dies einer gesonderten Regelung bedarf. Ausdrücklich geregelt wird in § 7 Absatz 1 EUStAG-E dagegen, dass in diesem Fall auch § 386 Absatz 4 Satz 3 EUStA-Verordnung keine Anwendung findet. Die EUStA-Verordnung enthält mit Artikel 34 eigene Regelungen zur möglichen Abgabe eines Verfahrens an die nationalen Behörden. Daneben besteht für die Anwendung des § 386 Absatz 4 Satz 3 AO kein Raum.

Auch § 386 Absatz 4 Satz 1 und 2 AO können aufgrund des Vorrangs der EUStA-Verordnung nur eingeschränkt Anwendung finden. Gemäß Artikel 24 Absatz 2 EUStA-Verordnung sind auch die Finanzbehörden gehalten, sofern sie ein Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat eingeleitet haben, für die die EUStA gemäß Artikel 22 und Artikel 25 Absatz 2 und 3 EUStA-Verordnung ihre Zuständigkeit ausüben könnte, diese unverzüglich zu unterrichten, damit diese gegebenenfalls gemäß Artikel 27 EUStA-Verordnung das Verfahren an sich ziehen kann. Weitere Unterrichtungspflichten bestehen in bestimmten Fällen, wenn die nationale Behörde der Auffassung ist, dass die EUStA keine Zuständigkeit ausüben kann (Artikel 24 Absatz 3 EUStA-Verordnung), bzw. wenn sich nicht feststellen lässt, ob die Voraussetzungen des Artikels 25 Absatz 2 EUStA-Verordnung erfüllt sind (Artikel 24 Absatz 5 EUStA-Verordnung). Daher soll § 7 Absatz 1 EUStAG-E klarstellen, dass die Regelungen des § 386 Absatz 4 Satz 1 und 2 AO insoweit von den Bestimmungen der EUStA-Verordnung überlagert werden.

Zu Absatz 2

Absatz 2 stellt klar, dass über die Gewährung der Akteneinsicht und die Besichtigung der beschlagnahmten oder sonst sichergestellten Gegenstände gemäß § 395 AO bis zur Erhebung der Anklage der mit dem Verfahren betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt entscheidet.

Zu Absatz 3

§ 397 Absatz 1 AO wird von Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung verdrängt, soweit § 397 Absatz 1 AO die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft regelt.

Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung sieht eine förmliche Entscheidung des zuständigen Delegierten Europäischen Staatsanwalts über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vor, die im Fallbearbeitungssystem der EUStA zu vermerken ist. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sind daher gemäß § 393 Absatz 1 Satz 2 und 3 AO Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen zur Durchsetzung seiner Mitwirkungspflicht im Besteuerungsverfahren unzulässig. Übernimmt der Delegierte Europäische Staatsanwalt ein Verfahren im Wege der Evokation gemäß Artikel 27 EUStA-Verordnung, bleibt § 397 Absatz 1 AO anwendbar, da das Ermittlungsverfahren in diesem Fall durch die zuständige deutsche Behörde eingeleitet worden ist.

Zu § 8 (Anwendbarkeit des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen)

Die Vorschriften des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) können aus den gleichen Gründen keine Anwendung finden, wie die §§ 198, 199 GVG keine Anwendung finden können, soweit diese einen Entschädigungsanspruch im Fall überlanger Dauer eines Ermittlungsverfahrens begründen (siehe dazu Erläuterungen zu § 5 des Gesetzes). Soweit nach in Artikel 113 Absatz 3 EUStA-Verordnung in Bezug genommenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten ein etwaiger Entschädigungsanspruch gegen die Europäische Staatsanwaltschaft bestehen sollte, ist nach Maßgabe von Artikel 42 Absatz 4 EUStA-Verordnung in Verbindung mit Artikel 268 AEUV und Artikel 340 Absatz 2 AEUV ausschließlich der EUGH zuständig. Beruht die Strafverfolgungsmaßnahme dagegen nicht auf einer Anordnung der EUStA, sondern einer deutschen Strafverfolgungsbehörde oder einem deutschen Gericht, bleiben die Vorschriften des StrEG auch in von der EUStA geführten Ermittlungsverfahren weiterhin anwendbar. Dies wird in Satz 2 ausdrücklich klargestellt.

Zu § 9 (Anwendbarkeit des Rechtspflegergesetzes)

Da gemäß § 142b Absatz 1 GVG-E das Amt der Staatsanwaltschaft in den dort genannten Fällen von einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt ausgeübt wird, würde auch § 31 Absatz 1 Rechtspflegergesetz (RPflG) uneingeschränkt Anwendung finden, mit der Folge, dass die dort bezeichneten Geschäfte kraft Gesetzes dem Rechtspfleger übertragen werden. Zwar ist es nach der EUStA-Verordnung grundsätzlich möglich, dass auch Rechtspfleger für die EUStA tätig werden (siehe dazu entsprechend die Erläuterungen zu Artikel 96 EUStA-Verordnung zum Geschäftsstellenpersonal). Gleichwohl widerspricht die Übertragung der Geschäfte im Ermittlungsverfahren kraft Gesetzes aber den Vorgaben der Verordnung. So regelt Artikel 28 Absatz 1 EUStA-Verordnung, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt die Ermittlungsmaßnahmen, zu welchen gemäß Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe d der EUStA-Verordnung auch die Sicherstellung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten einschließlich Vermögenswerten zählt, entweder selbst treffen oder die zuständigen Behörden dazu anweisen kann. Eine Übertragung kraft Gesetzes ist danach aber nicht möglich. Darüber hinaus sieht die EUStA-Verordnung vor, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt gemäß Artikel 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 EUStA-Verordnung den Weisungen der zuständigen Ständigen Kammern und des aufsichtführenden Europäischen Staatsanwalts unterliegt. Diese hätten bei einer Übertragung der Geschäfte kraft Gesetzes an den Rechtspfleger aber kein Weisungsrecht gegenüber dem Rechtspfleger.

Daher regelt § 9 des Gesetzes, dass die in § 31 Absatz 1 RPflG genannten Geschäfte nicht kraft Gesetzes, sondern nur im Einzelfall von dem mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt auf den Rechtspfleger übertragen werden können.

Zu § 10 (Strafvollstreckung)

Absatz 1 bestimmt, dass nicht die EUStA, sondern die Staatsanwaltschaft am Sitz des Gerichts des ersten Rechtszuges die Aufgaben der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren wahrnimmt. Wie sich auch aus Artikel 4 Satz 2 EUStA-Verordnung ergibt, nimmt die EUStA "vor den zuständigen Gerichten der Mitgliedstaaten die Aufgaben der Staatsanwaltschaft wahr, bis das Verfahren endgültig abgeschlossen ist". Daraus folgt, dass die EUStA grundsätzlich nicht für die Aufgaben im Strafvollstreckungsverfahren zuständig ist. Dies wird in § 10 Absatz 1 EUStAG-E klargestellt. Einer Sonderregelung zur Vollstreckung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz bedarf es vorliegend nicht. Die Vollstreckungsleitung erfolgt gemäß § 82 Absatz 1 JGG durch den nach § 84 JGG örtlich zuständigen Jugendrichter. Seine Zuständigkeit als Vollstreckungsbehörde bleibt also auch bei der Vollstreckung von Urteilen in von der EUStA geführten Strafverfahren bestehen. Die Aufgaben der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren werden gemäß § 10 Absatz 1 EUStAG-E von der Staatsanwaltschaft am Sitz des Gerichts des ersten Rechtszuges wahrgenommen. § 85 Absatz 7 JGG bleibt durch die Regelung des § 10 Absatz 1 EUStAG-E unberührt. Da die Staatsanwaltschaft Stellungnahmen gegenüber dem Gericht, zum Beispiel nach § 453 Absatz 1 Satz 1 StPO als Strafverfolgungsbehörde abgibt (Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Auflage, § 451 StPO Rn. 2), bestimmt § 10 Absatz 2 EUStAG-E, dass die nach Absatz 1 zuständige Staatsanwaltschaft dem mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt Gelegenheit zur Stellungnahme geben soll. Gleiches gilt im Rahmen von Anhörungen im Jugendvollstreckungsverfahren, zum Beispiel nach § 87 Absatz 3 Satz 4 JGG.

Zu § 11 (Anwendbarkeit des OWiG)

Absatz 1 bestimmt, dass die EUStA entsprechend der Regelung des § 40 OWiG auch für die Verfolgung einer Tat im prozessualen Sinne (Artikel 103 Absatz 3 GG, § 264 StPO) unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zuständig ist, soweit die Ordnungswidrigkeit im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 EUStA-Verordnung untrennbar mit einer in den Zuständigkeitsbereich der EUStA fallenden strafbaren Handlung gemäß Artikel 22 Absatz 1 EUStA-Verordnung verbunden ist. Dies entspricht dem Grundsatz der Prozessökonomie und vermeidet eine gesonderte Verfolgung der Ordnungswidrigkeit durch die ansonsten zuständige Verwaltungsbehörde und damit gegebenenfalls einen Verstoß gegen das Doppelverfolgungsverbot (Artikel 50 GRC, Artikel 54 Schengener Durchführungsübereinkommen - SDÜ). Eine ausdrückliche Regelung in dem Gesetz ist erforderlich, da sich die Zuständigkeit der EUStA für die Verfolgung einer Tat auch unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit nicht eindeutig aus der Verordnung ergibt.

Dem Rechtsgedanken des Artikels 22 Absatz 3 der EUStA-Verordnung folgend, sollte sich die Zuständigkeit der EUStA aber nur dann auf Ordnungswidrigkeiten erstrecken, wenn diese mit einer PIF-Tat im Sinne des Artikels 22 Absatz 1 EUStA-Verordnung "untrennbar verbunden" sind (vergleiche dazu die Erläuterungen zu Artikel 22 EUStA-Verordnung). Umfasst die prozessuale Tat mehrere Handlungen im materiellrechtlichen Sinn und ist eine von ihnen eine Straftat und die andere eine Ordnungswidrigkeit, so kann die EUStA die Anklage bzw. den Strafbefehlsantrag auf die untrennbar mit der Straftat verbundene Ordnungswidrigkeit erstrecken (vergleiche zu § 40 OWiG: Gürtler in: Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz - OWiG -, 17. Auflage, 2017, § 40 Rn. 2). Stellt die EUStA das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein, ist hinsichtlich der nach § 11 Absatz 1 Satz 1 EU-StAG-E mitverfolgten Ordnungswidrigkeit § 43 Absatz 1 OWiG anwendbar. Erwägt die EU-StA das Verfahren hinsichtlich der mitverfolgten Ordnungswidrigkeit einzustellen, ist gemäß § 63 Absatz 3 OWiG die Verwaltungsbehörde zu beteiligen. Die in Satz 2 geregelte entsprechende Geltung der §§ 43 Absatz 1 und 63 Absatz 3 OWiG stellt sicher, dass die zuständige Verwaltungsbehörde ihrer grundsätzlich zustehenden Verfolgungspflicht nachkommen (vergleiche Lampe in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage, 2018, § 43 Rn. 1) und eine möglichst sachkundige, sachgerechte und gleichmäßige Bearbeitung (vergleiche Kurz in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage, 2018, § 63 Rn. 1) der Ordnungswidrigkeit erfolgen kann (siehe zudem Erläuterungen zu Artikel 39 Absatz 4 EUStA-Verordnung).

Absatz 2 bestimmt, dass die EUStA auch für Verfahren nach § 30 OWiG in Bezug auf eine juristische Person oder Personenvereinigung zuständig ist, sofern die EUStA ein Ermittlungsverfahren gegen eine in § 30 Absatz 1 OWiG bezeichnete Leitungsperson wegen einer Straftat führt, für die die EUStA nach Artikel 22 und 23 der EUStA-Verordnung zuständig ist. Voraussetzung für die Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung in einem von der EUStA geführten Verfahren ist gemäß § 30 Absatz 1 OWiG mithin, dass durch die von der EUStA im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach Artikel 22, 23 und 25 EUStA-Verordnung verfolgte Straftat eine den Verband treffende Pflicht verletzt oder für den Verband eine Bereicherung eingetreten ist oder angestrebt worden ist. Die Festsetzung einer Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen im Rahmen eines von der EUStA gegen eine natürliche Person betriebenen Verfahrens steht im Einklang mit der EUStA-Verordnung. So regelt Artikel 4 EUStA-Verordnung, dass die EUStA für die strafrechtliche Untersuchung und Verfolgung in Bezug auf Personen, die als Täter oder Teilnehmer Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union im Sinne der Richtlinie (EU) Nr. 2017/1371 begangen haben, zuständig ist, wobei Artikel 2 Nummer 2 EUStA-Verordnung "Person" sowohl als natürliche als auch juristische Person definiert. Ob die juristische Person dabei selbst strafrechtlich verfolgt oder ihr Verhalten anderweitig sanktioniert wird, ist im Einklang mit Artikel 6 und 9 der PIF-Richtlinie Sache des mitgliedstaatlichen Rechts.

Absatz 3 stellt klar, dass die EUStA auch nicht für die Vollstreckung gerichtlicher Bußgeldbescheide zuständig ist.

Zu § 12 (Mitteilungspflichten des Delegierten Europäischen Staatsanwalts)

Sowohl Artikel 25 Absatz 5 EUStA-Verordnung als auch Artikel 26 Absatz 7 und Artikel 27 Absatz 1 EUStA-Verordnung sehen Mitteilungspflichten der EUStA an die nationalen Behörden vor, wenn die EUStA entscheidet, ihre Zuständigkeit auszuüben, also ein Ermittlungsverfahren einleitet (Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung) oder ihr Evokationsrechts ausübt (Artikel 27 Absatz 1 EUStA-Verordnung). Die EUStA-Verordnung überlässt es den Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden zu bestimmen, die von der EUStA zu informieren sind.

§ 12 Absatz 1 EUStAG-E regelt daher, dass diese Mitteilungspflicht zum einen durch eine Meldung der nach § 492 Absatz 2 Satz 1 StPO relevanten Daten an das Zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister (ZStV) erfüllt werden soll. Gemäß § 492 Absatz 2 Satz 1 Nummer. 5 StPO ist auch die Verfahrenserledigung, wie die Einstellung des Ermittlungsverfahrens an das ZStV mitzuteilen; eine entsprechende Pflicht der EUStA zur Unterrichtung der zuständigen nationalen Behörden sieht auch Artikel 39 Absatz 4 EUStA-Verordnung vor. Darüber hinaus regelt § 12 Absatz 2 EUStAG-E, dass im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß Artikel 26 Absatz 1 EUStA-Verordnung - neben der Eintragung ins ZStV - eine Unterrichtung der ansonsten zuständigen nationalen Staatsanwaltschaft erforderlich ist. Diese zusätzliche Unterrichtung soll dazu dienen, nach Möglichkeit zu verhindern, dass die Staatsanwaltschaft ohne Kenntnis der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die EUStA in gleicher Sache ebenfalls ein Verfahren einleitet.

Dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt auch bereits vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens Auskunft aus dem ZStV gemäß § 492 Absatz 3 Satz 2 StPO verlangen kann, ergibt sich unmittelbar aus Artikel 13 Absatz 1 und Artikel 43 Absatz 1 EUStA-Verordnung. Ein gesetzgeberischer Klarstellungsbedarf besteht nicht.

Zu § 13 (Amtshilfe)

Die Staatsanwaltschaften der Mitgliedstaaten sollen nicht als "nationale Behörde" im Sinne des Artikels 28 Absatz 1 EUStA-Verordnung behandelt werden (siehe dazu Erläuterungen zu Artikel 28 EUStA-Verordnung). Da jedoch im Einzelfall Unterstützung durch die Staatsanwaltschaften der Mitgliedstaaten erforderlich werden könnte, zum Beispiel bei umfangreicheren Durchsuchungsmaßnahmen oder Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen (§ 161a Absatz 4 StPO) und Artikel 5 Absatz 6 EUStA-Verordnung eine loyale Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der EUStA erfordert, soll mit § 13 EUS-tAG-E eine Regelung geschaffen werden, die es der EUStA ermöglicht, Staatsanwaltschaften im Sinne des § 142 Absatz 1 Nummer 2 und Nummer 3 GVG um Amtshilfe zu ersuchen.

Zu § 14 (Gleichstellung mit Amtsträgern)

In Strafverfahren, in denen das Amt der Staatsanwaltschaft gemäß § 142b Absatz 1 GVG-E von deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälten oder dem deutschen Europäischen Staatsanwalt ausgeübt wird, treten diese vorbehaltlich abweichender Regelungen insbesondere in der EUStA-Verordnung in der Bundesrepublik Deutschland mit denselben Rechten und Pflichten wie ein deutscher Staatsanwalt in einem deutschen Strafverfahren auf. Sie sind damit bei ihrer Arbeit denselben Gefährdungen ausgesetzt, Opfer einer Straftat zu werden, wie deutsche Amtsträger. Dies gilt etwa für tätliche Angriffe bei einer Diensthandlung, für die § 114 Absatz 1 StGB bei Amtsträgern, die zur Vollstreckung von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berufen sind, abweichend von der Körperverletzung nach § 223 StGB eine im Mindestmaß erhöhte Strafandrohung vorsieht. In Betracht kommen aber auch Straftaten, bei denen für Amtsträger, zu denen auch Staatsanwälte zählen, schärfere Strafen vorgesehen sind als für andere Täter oder die überhaupt nur durch Amtsträger begangen werden können.

Zu denken ist hier etwa an Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB), Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) oder Aussageerpressung (§ 343 StGB). Die Gleichstellungsklausel dient dazu, ein einheitliches Schutzniveau bei Handlungen gegen und durch deutsche Delegierte Europäische Staatsanwälte und den deutschen Europäischen Staatsanwalt wie bei entsprechenden Handlungen gegen und von deutschen Staatsanwälten zu gewährleisten, soweit Straftatbestände nicht ohnehin auf Europäische Amtsträger Anwendung finden. Dies ist beispielsweise bei den Korruptionsdelikten in den §§ 331 ff StGB der Fall, bei denen durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 20. November 2015 (BGBl. I S 2025) auch der Europäische Amtsträger in den Anwendungsbereich der Vorschriften aufgenommen wurde. Hier sind der Europäische Staatsanwalt und die Delegierten Europäischen Staatsanwälte bereits über den Begriff des Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a StGB) erfasst, sodass es insoweit keiner Gleichstellung mit inländischen Amtsträgern bedarf.

Artikel 11 Buchstabe a des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union, welches gemäß Artikel 96 Absatz 5 EUStA-Verordnung auch auf die EUStA und ihr Personal Anwendung findet, sieht für die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union im Hoheitsgebiet jedes Mitgliedstaates ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit eine Befreiung von der Gerichtsbarkeit vor. Dies steht einer strafrechtlichen Gleichstellung von deutschen Delegierten Europäischen Staatsanwälten und dem deutschen Europäischen Staatsanwalt mit einem deutschen Amtsträger nicht entgegen. Denn gemäß Artikel 17 Absatz 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union hat jedes Organ der Union die Befreiung eines Beamten oder sonstigen Bediensteten in allen Fällen aufzuheben, in denen dies nach seiner Auffassung den Interessen der Union nicht zuwiderläuft.

Zu § 15 (Einschränkung von Grundrechten)

Die Regelungen in diesem Gesetz stellen einen Eingriff in die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit der Person, des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses und der Unverletzlichkeit der Wohnung dar. Für diese Eingriffe gilt gemäß Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG das Zitiergebot, dem mit § 15 EUStAG-E entsprochen wird.

Zu Artikel 2 (Änderung des GVG)

Zu Absatz 1 (Einfügung des § 142b GVG-E)

Nach Artikel 13 Absatz 1 EUStA-Verordnung haben die Delegierten Europäischen Staatsanwälte in Bezug auf Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen und Anklageerhebung (in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat) die gleichen Befugnisse wie nationale Staatsanwälte. Daher wird in § 142b Absatz 1 GVG-E geregelt, dass das Amt der Staatsanwaltschaft - abweichend von § 142 GVG - durch einen gemäß Artikel 17 Absatz 1 EUStA-Verordnung für die Bundesrepublik Deutschland ernannten Delegierten Europäischen Staatsanwalt ausgeübt wird, sofern die EUStA zuständig ist und gemäß Artikel 25 EUStA-Verordnung die Verfolgung übernommen hat.

§ 142b Absatz 1 GVG-E stellt zum einen klar, dass der Delegierte Europäische Staatsanwalt und nicht die sonst örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit für das Ermittlungsverfahren ausübt (siehe dazu auch Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 EUStA-Verordnung). Gleichwohl sind die in § 142 Absatz 1 GVG bezeichneten Staatsanwaltschaften gemäß Artikel 28 Absatz 2 EUStA-Verordnung befugt, dringend erforderliche Eilmaßnahmen zu ergreifen.

Zum anderen soll durch die Regelung in § 142b Absatz 1 GVG-E erreicht werden, dass die Vorschriften des GVG, der StPO oder andere Rechtsvorschriften, die auf "Staatsanwaltschaft" oder "Staatsanwalt" Bezug nehmen, auf Verfahren Anwendung finden, die von einem Delegierten Europäischen Staatsanwalt als betrauter oder unterstützender Delegierter Europäischer Staatsanwalt (siehe Artikel 2 Nummer 5 und 6 EUStA-Verordnung) geführt werden. Daneben regelt Satz 2, dass die Aufgaben der Staatsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (BGH) in Revisionsverfahren durch einen als Delegierten Europäischen Staatsanwalt ernannten Bundesanwalt übernommen werden. In Satz 3 wird ferner bestimmt, dass das Amt der Staatsanwaltschaft auch durch den für die Bundesrepublik Deutschland ernannten Europäischen Staatsanwalt ausgeübt wird, sofern dieser gemäß Artikel 28 Absatz 4 EUStA-Verordnung das Verfahren selbst führt. Der deutsche Europäische Staatsanwalt kann daher sowohl Strafverfahren an Stelle des sonst zuständigen Delegierten Europäischen Staatsanwalts führen, wie auch, etwa in Vertretungsfällen, die Revision vor dem BGH vertreten.

§ 142b Absatz 2 GVG-E regelt (in Anlehnung an § 143 Absatz 3 GVG), dass der Generalbundesanwalt als zuständige Behörde nach Artikel 25 Absatz 6 EUStA-Verordnung entscheidet, wenn zwischen der EUStA und der nach § 142 in Verbindung mit § 143 GVG sonst zuständigen Staatsanwaltschaft Uneinigkeit besteht, ob die strafbare Handlung in den Anwendungsbereich der Artikel 22 Absatz 2 oder 3 oder Artikel 25 Absatz 2 oder 3 der EUStA-Verordnung fällt. Der Generalbundesanwalt entscheidet auf Antrag der betroffenen Staatsanwaltschaft oder der EUStA. Gegen die Entscheidung des Generalbundesanwalts kann die betroffene Stelle den Bundesgerichtshof im Wege der Beschwerde anrufen. Durch diese Regelung ist im Ergebnis gewährleistet, dass gegebenenfalls der Bundesgerichtshof gemäß Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe c der EUStA-Verordnung in Verbindung mit Artikel 267 AEUV den Europäischen Gerichtshof befassen kann. Die Regelung des § 142b Absatz 2 GVG-E findet auch Anwendung in Bezug auf die Konsultationspflichten nach Artikel 39 Absatz 3 der Verordnung.

Zu Absatz 2 (Ergänzung des § 143 GVG um Absatz 6)

Gemäß Artikel 13 Absatz 2 Satz 2 der EUStA-Verordnung soll der Europäische Generalstaatsanwalt nach Beratung und Einigung mit den einschlägigen Behörden der Mitgliedstaaten die Anzahl der Delegierten Europäischen Staatsanwälte sowie die funktionale und räumliche Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Delegierten Europäischen Staatsanwälten genehmigen. Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder hat sich bei ihrer Tagung am 15. November 2018 dafür ausgesprochen, "dass die für Deutschland vorgesehenen Delegierten Europäischen Staatsanwälte in Zentren in den Ländern Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen konzentriert werden". Die Ansiedlung soll jeweils bei einer Generalstaatsanwaltschaft oder einer Staatsanwaltschaft erfolgen. Gemäß § 3 Absatz 3 EUStAG-E sollen diese Dienstorte der Delegierten Europäischen Staatsanwälte als "Sitz" der EUStA in der Bundesrepublik Deutschland gelten, soweit die Strafprozessordnung zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des Ermittlungsrichters an den Sitz der Staatsanwaltschaft bzw. ihrer Zweigstelle anknüpft.

Unabhängig davon soll durch den in § 143 GVG neu einzufügenden Absatz 6 bestimmt werden, dass die Zuständigkeit der Delegierten Europäischen Staatsanwälte sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt und mithin abweichend von § 143 Absatz 1 GVG nicht, anknüpfend an ihren Dienstsitz bei einer bestimmten Generalstaatsanwaltschaft oder einer Staatsanwaltschaft, an die örtliche Zuständigkeit des Gerichts gebunden ist. Durch die Regelung soll unbeschadet der gegebenenfalls nach Artikel 13 Absatz 2 Satz 2 EUStA-Verordnung zu treffenden räumlichen Aufteilung der Zuständigkeiten, die nur eine Binnenwirkung innerhalb der EUStA haben soll, gewährleistet werden, dass die Delegierten Europäischen Staatsanwälte befugt sind, im gesamten Bundesgebiet Ermittlungsverfahren zu führen und gegebenenfalls Anklage zu erheben.

Aus § 143 Absatz 6 GVG-E folgt, dass auch die Regelungen in Absatz 3 bis 5 keine Anwendung finden können. Absatz 2 bleibt jedoch im Rahmen der Regelung des Artikels 28 Absatz 2 EUStA-Verordnung anwendbar.

Zu Artikel 3 (Änderung der StPO)

Artikel 36 Absatz 3 der EUStA-Verordnung enthält für den Fall, dass mehrere Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer Rechtsvorschriften Gerichtsbarkeit für die verfahrensgegenständliche Straftat haben, Regelungen zu der Frage, in welchem dieser Mitgliedstaaten die EU-StA Anklage erheben können soll (siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 36 EUStA-Verordnung). Erhebt die Europäische Staatsanwaltschaft Anklage in der Bundesrepublik Deutschland, so hat das Gericht gemäß § 16 StPO (künftiger Absatz 1) zunächst seine örtliche Zuständigkeit zu prüfen. Insoweit ist die EUStA bei der Wahl des Gerichts, vor dem sie Anklage erheben will, an die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts gebunden (Artikel 36 Absatz 5 EUStA-Verordnung). Der neu einzufügende § 16 Absatz 2 StPO-E sieht nun vor, dass das Gericht auf Einwand des Angeklagten zusätzlich auch zu prüfen hat, ob die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 36 Absatz 3 EUStA-Verordnung befugt ist, vor einem Gericht in der Bundesrepublik Deutschland Anklage zu erheben. Im Rahmen dieser Prüfung ist gegebenenfalls auch zu bewerten, ob die EUStA unter Berücksichtigung der in Artikel 26 Absatz 4 EUStA-Verordnung genannten Kriterien befugt ist, vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaates Anklage zu erheben als dem, in dem die EUStA das Ermittlungsverfahren geführt hat.

Die Regelung des Artikels 36 Absatz 3 EUStA-Verordnung soll insbesondere verhindern, dass die EUStA, sofern mehrere Mitgliedstaaten Gerichtsbarkeit für die Straftat haben bzw. ausüben können, eine nicht sachgerechte Auswahl des Staates trifft, in dem sie Anklage erheben will. Daher sieht auch Erwägungsgrund Nummer 87 Absatz 2 der EU-StA-Verordnung vor, dass "Verfahrenshandlungen, die die Wahl des Mitgliedstaates betreffen, dessen Gerichte für die Entscheidung über die Anklage zuständig sein sollen [...], Rechtswirkung gegenüber Dritten" haben und "daher der gerichtlichen Kontrolle durch die einzelstaatlichen Gerichte spätestens im Hauptverfahren unterliegen" sollten.

Eine solche Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer grenzüberschreitenden Forumswahl sieht die Strafprozessordnung gegenwärtig nicht vor. Diese soll daher durch den neu einzufügenden § 16 Absatz 2 StPO-E geschaffen werden.

Der Einwand des Angeklagten kann hier - wie im Rahmen der Rüge gemäß § 16 Absatz 1 StPO-E - schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache erhoben werden (Meyer/Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 62. Auflage, 2019, § 16 Rn. 3 der auf § 6a Rn. 6 ff. verweist). Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Angeklagte nach der Belehrung gemäß § 243 Absatz 5 Satz 1 StPO erklärt hat, ob er zur Sache aussagen wolle (Meyer/Goßner/Schmitt, Strafprozessordnung, 62. Auflage, 2019, § 6a Rn. 7).

Hat das Gericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der EUStA nach Artikel 36 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 26 Absatz 4 der EUStA-Verordnung darüber, in welchem Mitgliedstaat die Klageerhebung erfolgen soll, so muss es das Verfahren aussetzen und dem EuGH gemäß Artikel 42 Absatz 2 Buchstabe a EUStA-Verordnung zur Vorabentscheidung nach Artikel 267 AEUV vorlegen, da die Frage der Gültigkeit der Entscheidung der EUStA, in welchem Mitgliedstaat die Anklageerhebung erfolgen soll, unmittelbar auf der Grundlage des Unionsrecht gestellt wird (siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 42 EU-StA-Verordnung).

Zu Artikel 4 (Änderung des BZRG)

Zu Nummer 1 (§ 30b BZRG)

§ 30b BZRG regelt den Inhalt und die Erteilungsvoraussetzungen für das Europäische Führungszeugnis. Mit der Neufassung wird Artikel 6 Absatz 3a der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige und auf das Europäische Strafregisterinformationssystem (E-CRIS), sowie zur Ersetzung des Beschlusses 2009/316/JI des Rates (ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 143) - im Folgenden: Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 - umgesetzt. Darüber hinaus wird eine Klarstellung in Bezug auf die Aufnahme der Entscheidungen deutscher Gerichte vorgenommen.

In das Europäische Führungszeugnis wird bei Personen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, zusätzlich zu den Eintragungen eines einfachen oder erweiterten (Behörden-)Führungszeugnisses die Mitteilung über Eintragungen im Strafregister ihres Herkunftsmitgliedstaates aufgenommen. Dies setzt voraus, dass der Herkunftsmitgliedstaat eine Übermittlung nach seinem Recht vorsieht. Die Einführung des Europäischen Führungszeugnisses beruhte auf Artikel 6 Absatz 2 und 3 des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI, durch den der Strafnachrichtenaustausch, das heißt der Datenaustausch zwischen den nationalen Strafregisterbehörden, zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union verbessert werden sollte.

Zunächst wurden bei Personen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, zusätzlich zu den Eintragungen eines einfachen oder erweiterten (Behörden-)Führungszeugnisses die im Strafregister des Herkunftsstaates gespeicherten Eintragungen nur auf Antrag aufgenommen. Hierdurch konnte es zu erheblichen Informations- und damit letztlich Sicherheitslücken kommen. Durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2732, 3431) wurde die Ausstellung von Europäischen Führungszeugnissen verpflichtend, um sicherzustellen, dass nicht nur Verurteilungen deutscher Gerichte in das Führungszeugnis der Betroffenen aufgenommen werden, sondern darüber hinaus alle Verurteilungen durch Gerichte anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dies geschieht durch eine entsprechende Abfrage des Bundesamtes für Justiz als der deutschen Registerbehörde bei der Registerbehörde des Herkunftsmitgliedstaates, der nach Artikel 4 des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI alle Verurteilungen der eigenen Staatsangehörigen durch Gerichte anderer Mitgliedstaaten übermittelt werden müssen. Die Abfrage erfolgt automatisiert über das System "ECRIS".

Durch Absatz 1 Satz 2 soll klargestellt werden, dass nur die im Herkunftsmitgliedstaat und den anderen Mitgliedstaaten erfolgten Verurteilungen in das von der deutschen Registerbehörde ausgestellte europäische Führungszeugnis zusätzlich aufgenommen werden sollen, nicht jedoch die von der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 4 Rahmenbeschluss 2009/315/JI an den Herkunftsmitgliedstaat übermittelten Verurteilungen deutscher Gerichte. Damit wird sichergestellt, dass einerseits Eintragungen im Bundeszentralregister nicht doppelt im Europäischen Führungszeugnis aufgeführt werden und andererseits die nach deutschem Registerrecht nicht oder nicht mehr in Führungszeugnisse aufzunehmenden Eintragungen doch über die Auskunft des Herkunftsmitgliedstaates in dem Europäischen Führungszeugnis erscheinen. Dies kann zum Beispiel aufgrund Fristablaufs im deutschen Register getilgte Eintragungen betreffen oder solche Eintragungen, die wegen Geringfügigkeit nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind, wenn im Registerrecht des Herkunftsmitgliedstaates längere Tilgungsfristen oder andere Regeln zur Aufnahme von Eintragungen in Führungszeugnisse gelten.

In Umsetzung des Artikels 6 Absatz 3a des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI in der Fassung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 wird das Europäische Führungszeugnis auf Drittstaatsangehörige erweitert (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2).

Für diese Personengruppe gibt es kein Strafregister in einem Mitgliedstaat, in welchem zentral alle Verurteilungen durch Gerichte der Europäischen Union gespeichert werden. Da bei diesen Personen daher eine zentrale Erfassung der Verurteilungen durch Gerichte der Europäischen Union nicht erfolgen kann, ist durch die Verordnung (EU) Nr. 2019/816 die Einrichtung des zentralen Systems ECRIS-TCN geregelt worden. Dort werden nach rechtskräftiger Verurteilung ausschließlich personenbezogene alphanumerische und biometrische Daten des genannten Personenkreises gespeichert. Durch Abfrage dieser sich in Aufbau befindlichen Datenbank werden sich zukünftig die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die im Besitz von Strafregisterinformationen über diese Straftäter sind, effizient ermitteln lassen. Die Abfrage der konkreten Eintragungen in den Strafregistern zur Aufnahme der Mitteilungen in das Europäische Führungszeugnis erfolgt sodann - wie für EU-Bürgerinnen und -Bürger - über ECRIS. Nach der Begriffsbestimmung in Artikel 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) Nr. 2019/816 , die unmittelbar geltendes Recht ist, sind Drittstaatsangehörige Personen, die entweder keine Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union im Sinne des Artikels 20 Absatz 1 AEUV sind oder deren Staatsangehörigkeit unbekannt ist.

Zu Nummer 2 (§ 42 BZRG)

Zur Umsetzung von Artikel 6 Absatz 3 und 3a des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI in der Fassung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 müssen zukünftig auch in Selbstauskünfte für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, sowie für Drittstaatsangehörige im Sinne des Artikel 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) Nr. 2019/816 nicht nur Verurteilungen aufgenommen werden, die im Bundeszentralregister gespeichert sind, sondern darüber hinausgehend auch die über die Betroffenen in den Strafregistern anderer Mitgliedstaaten gespeicherten Eintragungen. Auf diesem Wege wird auch dem Zweck der Selbstauskunft nach § 42 BZRG nach einer umfassenden Information der Betroffenen Rechnung getragen: Betroffene erhalten einen umfassenden Überblick über die für sie gespeicherten Eintragungen im deutschen Bundeszentralregister und gegebenenfalls anderen Strafregistern der Europäischen Union. Hierzu ist wie beim Europäischen Führungszeugnis für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen, eine Abfrage des Strafregisters des Herkunftsmitgliedstaates erforderlich, an das alle Verurteilungen von Gerichten der Europäischen Union übermittelt und dort zentral gespeichert werden. Bei den Drittstaatsangehörigen bedarf es der Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Verurteilungen erfolgt sind, über die im Aufbau befindliche Datenbank ECRIS-TCN, um die entsprechenden Eintragungen nur in diesen Ländern abzufragen. Das wird durch einen Verweis auf die für das Europäische Führungszeugnis entsprechend geltenden Regelungen sichergestellt. Nicht verwiesen wird hingegen auf die Nichtaufnahme deutscher Entscheidungen in der Mitteilung der Registerbehörde des Herkunftsmitgliedstaates (§ 30b Absatz 1 Satz 2). Es würde dem Zweck der umfassenden Unterrichtung der betroffenen Person über die in den Strafregistern gespeicherten Informationen zuwiderlaufen, wenn es zu einer Nichtaufnahme dieser Informationen käme. Die Schutzüberlegungen zugunsten der Betroffenen greifen anders als beim Europäischen Führungszeugnis bei der Selbstauskunft nicht. Es mag für den Betroffenen gerade von Interesse sein zu erfahren, ob zum Beispiel im Bundeszentralregister getilgte Entscheidungen im Strafregister eines anderen Mitgliedstaates noch gespeichert sind.

Zu Nummer 3 (§ 57a BZRG)

Zur vollständigen Umsetzung von Artikel 6 Absatz 3a des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI in der Fassung der Richtlinie (EU) Nr. 2019/884 wird für die Registerbehörde eine Rechtsgrundlage geschaffen, auf Anträge von Personen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf Erteilung einer Selbstauskunft die zulässigen Informationen zu übermitteln. Dies geschieht durch Erteilung einer unbeschränkten Auskunft.

Zu Artikel 5 (Änderung des StGB)

Die Änderungen in den§§ 203 und 353b StGB dienen der Gewährleistung eines einheitlichen Schutzniveaus gegen Informationsabflüsse bei Handlungen von Europäischen Amtsträgern. Von Bedeutung ist dies insbesondere im Hinblick auf Dienststellen der Europäischen Union in der Bundesrepublik Deutschland oder im Hinblick auf Einrichtungen, die auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen wurden. So hat die Europäische Zentralbank ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Informationsabflüsse von dort durch ihre Bediensteten können nach geltender Rechtslage strafrechtlich nicht über § 203 Absatz 2 StGB oder § 353b StGB erfasst werden.

§ 22a Satz 1 des Bundesstatistikgesetzes sieht für die Anwendung der Vorschriften des StGB über die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, Satz 2, Absatz 4 bis 6, § 205), über die Verwertung fremder Geheimnisse (§§ 204, 205)

sowie über die Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht (§ 353b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 2, Absatz 3 und 4) eine Gleichstellung von den in Artikel 3 Nummer 11 und 12 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 genannten Beamten und Beamtinnen und sonstigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Statistischen Amtes der Europäischen Union mit Amtsträgern vor. Eine entsprechende Gleichstellungsregelung in Bezug auf Europol enthielt bis zum 30. Juni 2017 Artikel 2 § 8 Satz 2 des Europol-Gesetzes. Diese Gleichstellungsklausel wurde durch das Erste Gesetz zur Änderung des Europol-Gesetzes vom 23. Juni 2017 aufgrund einer Änderung der Europolverordnung ersatzlos gestrichen. Die Bundesregierung hat allerdings insoweit im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass in der 19. Legislaturperiode ein Gesetzgebungsvorhaben geplant sei, durch das alle Europäischen Amtsträger im Sinne des § 11 Absatz 1 Nummer 2a StGB in die Strafbarkeit nach § 203 Absatz 2 oder § 353b StGB aufgenommen werden sollen (Bundestagsdrucksache 18/11931, S. 4). Derartige Gleichstellungsklauseln sind zukünftig aufgrund der vorgesehenen Änderungen in den §§ 203 und 353b StGB nicht mehr erforderlich.

In § 353b Absatz 4 Nummer 3 StGB in der Entwurfsfassung wird die Strafverfolgung von Taten der Verletzung des Dienstgeheimnisses oder einer besonderen Geheimhaltungspflicht von einer Ermächtigung der Bundesregierung sowie einem Strafverlangen der Dienststelle, der der Europäische Amtsträger zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung unterstand, abhängig gemacht. Die Ermächtigung dient dem Anliegen, die Strafverfolgung in Bezug auf Amtsträger der Europäischen Union auf schwerwiegende Fälle zu beschränken, um zu vermeiden, dass Fälle im untersten Deliktsbereich zur Belastung der Beziehungen zur Europäischen Union führen. Das Strafverlangen korreliert mit dem Umstand, dass durch den Straftatbestand des § 353b StGB Dienstgeheimnisse der Dienststelle geschützt werden sollen und dieser Schutz des Rechtsguts damit der Disposition der Dienststelle unterliegt. Eine Strafverfolgung durch deutsche Strafverfolgungsbehörden entgegen dem Interesse der Dienststelle der Europäischen Union kann dadurch vermieden werden. Eine entsprechende Regelung enthält § 22a Satz 2 des Bundesstatistikgesetzes und war auch in Artikel 2 § 8 Satz 2 des Europol-Gesetzes in der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung enthalten.

Zu Artikel 6 (Änderung des Bundesstatistikgesetzes)

Die Gleichstellungsvorschrift des § 22a des Bundesstatistikgesetzes kann im Hinblick auf die in Artikel 5 vorgesehenen Änderungen des Strafgesetzbuches ersatzlos gestrichen werden (siehe Begründung zu Artikel 5). Soweit in Satz 2 dieser Vorschrift bisher ein Strafverlangen der Europäischen Kommission vorgesehen war, tritt an seine Stelle nun § 353b Absatz 4 Satz 3 StGB in der Entwurfsfassung, der ein Strafverlangen der Dienststelle voraussetzt, der der Europäische Amtsträger zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung unterstand.

Zu Artikel 7 (Inkrafttreten)

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.