Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesministergesetzes und des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre

932. Sitzung des Bundesrates am 27. März 2015

A

Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 3 (§ 50 Absatz 1 Nummer 5 VwGO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren

Begründung:

Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die damit einhergehende Verkürzung des Instanzenzuges könnte der im Grundgesetz enthaltenen Leitentscheidung zur Abgrenzung der Zuständigkeit der Bundesgerichte gegenüber der Zuständigkeit der Gerichte der Länder widersprechen. Da die obersten Gerichtshöfe des Bundes grundsätzlich nur als Rechtsmittelgerichte errichtet worden sind (Artikel 92 und Artikel 95 Absatz 1 GG), kommt eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nur ausnahmsweise in Frage; ihre Notwendigkeit muss insbesondere sachlich einleuchtend begründet werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 22.01.2004 - 4 A 32/02 - in juris Rn. 19 und vom 09.07.2008-9 A 14/07 - in juris Rn. 31). Eine solche sachlich einleuchtende Begründung wird vorliegend nicht gegeben.

Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist insoweit nur auf die Sachnähe zu den schon bisher von § 50 Absatz 1 Nummer 5 VwGO erfassten Fälle, Verfahren nach § 44a AbgG. Betroffen seien in beiden Fällen gegenwärtige bzw. ehemalige Mitglieder eines Verfassungsorgans.

Unterstellt, diese Sachnähe ist tatsächlich so groß, dass sie ohne weitere Begründung eine zusätzliche Ausnahme von der oben genannten Leitentscheidung rechtfertigt, müsste jedenfalls für die schon bestehende Zuständigkeitsregel des § 50 Absatz 1 Nummer 5 VwGO ein sachlich einleuchtender Grund gegeben sein. An einer Begründung dafür, dass Klagen von Abgeordneten gegen Maßnahmen nach § 44a AbgG entgegen der oben genannten Leitentscheidung erstinstanzlich beim Bundesverwaltungsgericht zu erheben sind, fehlt es allerdings vollständig. Der dazugehörigen Begründung des Gesetzentwurfs ist eine solche jedenfalls nicht zu entnehmen (vgl. BT-Drucksache 015/5671, Seite 4 zu Artikel 2 des Entwurfs eines Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch nicht jeder beliebige Grund eine derartige Zuständigkeitsbestimmung rechtfertigen, da die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gerichte des Bundes von denen der Länder den föderalen Aufbau des Gerichtswesens berührt und damit die Aufgabenverteilung im Bundesstaat. Ein ausreichender sachlicher Grund kann etwa vorliegen, "wenn Verwaltungsakte bestimmter oberster Bundesbehörden oder Entscheidungen vergleichbarer Hoheitsträger angegriffen werden, die von überregionaler oder allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung sind oder einer raschen endgültigen Klärung ihres Rechtsbestandes bedürfen. Aus dem Ausnahmecharakter einer solchen Zuständigkeitsbestimmung folgt darüber hinaus, dass sie weiteren quantitativen und qualitativen Schranken unterliegt, damit der oberste Gerichtshof seiner eigentlichen Aufgabe als Revisionsgericht, nämlich der Rechtsfortbildung und der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, gerecht werden kann: Die Zuweisung erstinstanzlicher Zuständigkeiten an einen obersten Gerichtshof darf quantitativ und qualitativ nach ihrem Anteil an der gesamten Geschäftslast des Gerichts keine solche Größenordnung erreichen, dass nicht mehr von einer ausnahmsweisen Zuständigkeit gesprochen werden kann." (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.07.2008 - 9 A 14/07 - in juris Rn. 31 f. mit weiteren Nachweisen).

Ob diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind, sollte sowohl für die Fälle nach dem Abgeordnetengesetz als auch für die als sachnah betrachteten Fälle nach dem zu ändernden Bundesministergesetz und dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre noch einmal sorgfältig geprüft und gegebenenfalls begründet werden.

Ein bestehender Bedarf nach einer raschen endgültigen Klärung drängt sich in Bezug auf das Abgeordnetengesetz jedenfalls nicht auf. Selbst ein zwischenzeitlich eintretender Verlust des Mandats würde die Fortführung des Verfahrens nicht hindern (vgl. § 44a Absatz 3 Satz 3 AbgG). Für den Fall von Klagen von Mitgliedern der Bundesregierung oder der Parlamentarischen Staatssekretäre gegen die Untersagung einer beabsichtigten Erwerbstätigkeit oder sonstigen Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes bliebe im Falle besonderer Dringlichkeit im Übrigen die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Absatz 5 VwGO.

Dessen ungeachtet ist auf die Ausführungen des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert hinzuweisen, wonach die erstinstanzlichen Verfahren am Bundesverwaltungsgericht schon jetzt nahezu ein Drittel der Richterarbeitskraft binden, weshalb er die " - ohnehin 'weich' - gezogene Grenze" als "längst überschritten" ansieht (vgl. NWVBI. 2015, 41, 44).

Nach alledem wäre zu erwägen, sämtliche Verfahren - einschließlich der schon jetzt in § 50 Absatz 1 Nummer 5 VwGO bezeichneten - in der ersten Instanz beim sonst örtlich zuständigen Verwaltungsgericht in Berlin (§ 52 VwGO) zu belassen. Vergleichbar ist das Verwaltungsgericht Berlin etwa auch zuständig für Klagen einer Partei gegen die Geltendmachung von rechtswidrig erlangten oder nicht veröffentlichten Spenden durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages gemäß § 31c Absatz 1 des Parteiengesetzes (vgl. Urteil vom 18.01.2007 - 2 A 106.05 - in juris).

B