Beschluss des Bundesrates
Entschließung des Bundesrates für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Projekte der Sektorenkopplung im Rahmen einer Experimentierklausel

Der Bundesrat hat in seiner 989. Sitzung am 15. Mai 2020 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst

Anlage
Entschließung des Bundesrates für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Projekte der Sektorenkopplung im Rahmen einer Experimentierklausel

1. Der Bundesrat stellt fest, dass zur Erreichung der Klimaschutzziele und zur Umsetzung der Energiewende die Marktintegration der erneuerbaren Energien und die Kopplung des Sektors Energiewirtschaft mit den Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie unabdingbar sind. Dazu ist es erforderlich, die sektorenübergreifende Wettbewerbsfähigkeit von Strom aus erneuerbaren Energien herzustellen.

2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, durch eine Experimentierklausel den Rechtsrahmen zu schaffen, um neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen zur Überwindung der Hemmnisse in der Wettbewerbsfähigkeit mit zeitlich befristeten und räumlich begrenzten Experimenten zu erproben.

Mit den Experimenten soll beispielsweise herausgefunden werden,

Die Experimente sollten wissenschaftlich begleitet werden, um Schlussfolgerungen für die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sektorenkopplung ziehen zu können.

3. Der Bundesrat wiederholt seine Bitte an die Bundesregierung um eine grundlegende Reform der staatlich induzierten Preisbestandteile. Ferner sind weitere regulatorische Änderungen vorzunehmen, die für die erfolgreiche Marktintegration der Sektorenkopplungstechnologien erforderlich sind. Diese Reform soll schrittweise auf der Grundlage der bereits bekannten Änderungsbedarfe und der Schlussfolgerungen durchgeführt werden, die durch die Experimente gezogen werden. Mit ihr soll umgehend begonnen werden. Sie soll spätestens bis zum Ende des Jahres 2025 abgeschlossen werden.

Begründung:

Die Energiewende kann ohne Sektorenkopplung nicht gelingen. Zum einen gibt es Zeiten, in denen mehr Strom erzeugt als gebraucht wird. Hier bedarf es einer sinnvollen Verwendung des Stroms statt der Abregelung. Zum anderen entsteht mit den Kopplungstechnologien eine große industriepolitische Chance für Deutschland. Zudem können die Klimaschutzziele ohne Umsetzung der Energiewende in allen Sektoren nicht erreicht werden.

Sektorenkopplung meint, den CO₂-frei erzeugten Strom vor allem zur Wärmeerzeugung sowie in den Sektoren Verkehr, chemische Industrie und Schwerindustrie und hier insbesondere in der Stahlindustrie einzusetzen. Er kann beispielsweise als Wasserstoff, Methanol, Ammoniak, Wärme oder E-Fuel weiterverwendet werden. Die für die Umwandlungsprozesse benötigten Technologien sind bereits vorhanden.

Die Sektorenkopplung hat jedoch eine Vielzahl von Hemmschuhen durch die unterschiedlichen Steuern, Abgaben und Umlagen sowie die regulatorischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Sektoren und auch innerhalb dieser zum Beispiel bei den einzelnen Verkehrsträgern. So setzt das bestehende System der staatlich induzierten Preisbestandteile im Energiesektor klima- und innovationspolitische Fehlanreize.

Daher bedarf es einer grundlegenden Reform des Steuer- und Abgabensystems und des regulatorischen Rahmens im Energiesektor. Aus den Reallaboren sind teilweise Änderungsbedarfe bekannt. Darüber hinaus ist zurzeit nicht klar, wohin und wie diese Entwicklung erfolgen soll, weil die Gesetze sowie die Steuer- und Abgabensysteme zu unterschiedlich und zu komplex sind. Die Suche nach dem richtigen Weg mittels weiterer Gutachten und Anhörungen würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und zu unsicheren Ergebnissen führen. Dadurch könnte die Energiewende nicht zeitnah umgesetzt und so könnten die Klimaschutzziele nicht mehr bis 2030 erreicht werden.

An dieser Stelle setzt die Experimentierklausel an. Die Idee ist, zum Beispiel 100 Projekte mit unterschiedlichen Technologien von der Bundesnetzagentur auszuschreiben. In den Projektanträgen müssen die für eine wirtschaftliche Umsetzung der Projekte erforderlichen Ausnahmen und Gesetzesabweichungen benannt werden. Die ausgewählten Projekte erhalten dann die auf sie individuell zugeschnittenen Ausnahmen und Anpassungen von Steuern und Abgaben sowie regulatorischen Rahmenbedingungen im Energierecht. Dabei ist der zukünftige Einsatz entscheidend, weil der in der chemischen Industrie eingesetzte erneuerbare Strom möglicherweise andere Rahmenbedingungen braucht, um wirtschaftlicher zu sein, als der im Wärmebereich.

Innerhalb einer Projektlaufzeit von drei bis vier Jahren kann beispielsweise herausgefunden werden,

- netzdienlich sind.

Darauf aufbauend lässt sich eine große Reform erheblich leichter und zielgerichteter durchführen.

Zu den Projekten, die in Reallaboren mit Investitionsunterstützung und unter geschützten Bedingungen derzeit erprobt werden, braucht die Energiewende jetzt einen nächsten ergänzenden Schritt mittels der Experimentierklausel, mit der das praktische Erproben am Markt ermöglicht wird. Dabei können die Technologien unter realen wirtschaftlichen Bedingungen erprobt und zur industriellen Reife weiterentwickelt werden.

Die Experimente sollen wissenschaftlich begleitet werden, um Schlussfolgerungen für die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sektorenkopplung ziehen zu können. Auf dieser Grundlage und zu den bereits bekannten Änderungsbedarfen soll eine Reform des Steuer- und Abgabensystems und des regulatorischen Rahmens im Energiesektor in Teilschritten spätestens bis zum Jahr 2025 durchgeführt werden. Dabei soll sie die Schaffung von energiewirtschaftlich sinnvollen Flexibilitätsoptionen anreizen und ökonomische Hemmnisse beseitigen, die einer systemstabilisierenden Sektorenkopplung entgegenstehen. Die Reform sollte grundsätzlich so ausgestaltet werden, dass Verbraucher insgesamt nicht höher belastet werden und die soziale Verträglichkeit gewahrt wird. Zugleich sollen Wettbewerbsverzerrungen abgebaut und der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt werden. Dadurch sollen volkswirtschaftlich effiziente und innovative Geschäftsmodelle für die Energiewende und den Klimaschutz in allen Sektoren ermöglicht und so auch wirtschafts- und industriepolitische Potenziale mobilisiert werden.