Der Bundesrat hat in seiner 809. Sitzung am 18. März 2005 beschlossen, zu dem Bericht wie folgt Stellung zu nehmen:
A. Grundsätzliche Vorgehensweise bei der Bewertung des Agrarpolitischen Berichts 2005
- l. Das Wirtschaftsjahr 2003/04 stellt auf Grund der durch die Trockenheit in 2003 bedingten positiven Preisentwicklung im Marktfruchtbau ein Ausnahmejahr dar und kann für eine nachhaltige Bewertung der Einkommenslage der Landwirtschaft nur bedingt verwendet werden. Dies wird auch dadurch gestützt, dass noch im letzten Ernährungs- und agrarpolitischen Bericht 2004 der Bundesregierung für die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe insgesamt mit einem Rückgang der Einkommen in der Größenordnung von 3 bis 8 % gerechnet wurde.
B. Wirtschaftliche Lage und Wettbewerbsstellung der deutschen Landwirtschaft
- 2. Die Einkommenslage der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe in Deutschland hat sich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2003/2004 je nach Region und Betriebszweig sehr unterschiedlich entwickelt. Das Unternehmensergebnis stieg nach deutlichen Rückgängen in den Vorjahren gegenüber dem niedrigen Vorjahresergebnis im Durchschnitt um 4,8 % an und liegt nun bei 28.254 Euro je Unternehmen. Den Ausschlag hierfür gab letztlich die sehr positive Preisentwicklung im Ackerbau. Die Mehrheit der
Betriebe aber musste erneut einen weiteren Rückgang des Unternehmensergebnisses hinnehmen. Dies betrifft vor allem Milchvieh- und Rinderhalter sowie Veredelungs- und Gartenbaubetriebe.
Diese negative Einkommensentwicklung bei Milchvieh- und Futterbaubetrieben widerspricht damit dem Bekenntnis der Bundesregierung, den Futterbau besonders zu fördern.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass die Veränderung der Nettowertschöpfung je Arbeitskraft ein wichtiger makroökonomischer Indikator für die Einkommensentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft in der EU-25 ist. Die Entwicklung dieses Wertes weist für Deutschland für die vergangenen Jahre eine negative Tendenz im Vergleich zu vielen anderen Mitgliedstaaten der EU-25 aus. In der Rangliste der EU-25 fällt Deutschland von Platz 3 in 2001 auf Rang 15 in 2004. Eine der Ursachen für die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft innerhalb der EU sieht der Bundesrat in der unbefriedigenden Investitionstätigkeit auf Grund fehlender Perspektiven und den über eine 1 : l-Umsetzung des EU-Rechts hinausgehenden nationalen Regelungen der Bundesregierung im Fach- und Ordnungsrecht. Die Steuererhöhung für Agrardiesel und die Abgabensteigerung bei der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung kommen im Wirtschaftsjahr 2004/05 massiv erschwerend hinzu.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft sich weiter verschärft hat. Eine deutliche positive Entwicklung der Betriebszahlen ist nur mehr in der Gruppe über 100 ha LF erkennbar. Vom Strukturwandel besonders stark betroffen waren klein- und mittelbäuerliche Betriebe bis 50 ha, von denen zwischen 2003 und 2004 5,4 % bzw. 16.600 Betriebe aufgaben. Im gesamten Zeitraum 2001 bis 2004 gaben in dieser Größenklasse 13 % bzw. 42.400 Landwirte ihren Betrieb auf. Diese Entwicklung widerspricht dem Bekenntnis der Bundesregierung, die Strukturen einer bäuerlichen Landwirtschaft und die Viehhaltung stärken zu wollen.
- 5. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass für die Sicherung lebensfähiger und attraktiver ländlicher Räume eine verbesserte Wertschöpfung, die Sicherung vorhandener und Bereitstellung neuer Arbeitsplätze in der Landwirtschaft im vor- und nachgelagerten Bereich wie auch im landwirtschaftsnahen und außerlandwirtschaftlichen Bereich von zentraler Bedeutung ist. Der sich verschärfende Strukturwandel in der Landwirtschaft in Verbindung mit den sich verschlechternden Wertschöpfungsbedingungen in der gesamten Agrarwirtschaft droht dabei insbesondere im ländlichen Raum mehr Arbeitsplätze freizusetzen als angesichts der schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland dort im landwirtschaftsnahen oder außerlandwirtschaftlichen Bereich entstehen.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass der gewerbliche Vergleichslohn und damit die Anforderungen des Landwirtschaftsgesetzes wie schon im Vorjahr von 82 % der Haupterwerbsbetriebe - gegenüber 77 % im Wirtschaftsjahr 2001/02 und 72 % im Wirtschaftsjahr 2000/01 - nicht erreicht wurde. Der gewerbliche Vergleichslohn wurde nur noch von Betrieben ab etwa 100 ha erzielt. Das im Landwirtschaftsgesetz festgeschriebene Ziel der Teilnahme der Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommensentwicklung wurde erneut in eklatanter Weise verfehlt.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass sich das Einkommen der ökologisch wirtschaftenden Haupterwerbsbetriebe gegenüber dem letzten Wirtschaftsjahr um ca. 10 % verbessert hat. Die Ackerbaubetriebe konnten dabei ihr Einkommen um 36 % erhöhen, während sich das Einkommen der Futterbaubetriebe jedoch um 1 % verringerte. Der um ca. 10.000 € höhere Gewinn der ökologisch wirtschaftenden Betriebe gegenüber den konventionellen Betrieben beruht im Wesentlichen auf den um 13.400 € höheren staatlichen Transferzahlungen.
Der Bundesrat stellt fest, dass das in der Regierungserklärung vom
- 8. Februar 2001 verkündete Ziel, den Anteil der ökologisch wirtschaftenden Betriebe binnen 10 Jahren auf 20 % der Gesamtbetriebe zu steigern, nicht erreicht wird. Mit 12.740 Betrieben lag der Anteil der Öko-Betriebe im Jahr 2000 bei 2,8 %. Als Folge der BSE-Krise nahm der Anteil im Jahr 2001 um 0,5 % auf 3,3 % zu. 2003 lag der Anteil mit 16.466 Betrieben bei 3,9 %. Zur Erreichung des o.g. Ziels der Bundesregierung müsste die Zahl der Öko-Betriebe in 2003 bereits um ca. 8.000 Betriebe höher liegen.
- 8. Der Bundesrat stellt fest, dass sich die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft in den benachteiligten Gebieten weiter verschlechtert hat. Das Gewinnniveau in den benachteiligten Gebieten liegt mit 11.500 € deutlich niedriger als in den anderen Gebieten. Im Vorjahr lag der Abstand bei 7.100 €. Der Gewinn pro Unternehmen sank im Wirtschaftsjahr 2003/04 um 3,7 %. Pro Hektar LF sank der Gewinn sogar um 7,2 %. Die Nettoinvestitionen ebenso wie die Eigenkapitalbildung waren im Durchschnitt negativ. Der Bundesrat befürchtet, dass sich die Landwirtschaft in diesen Gebieten, in denen knapp die Hälfte der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe liegen, langfristig zurückzieht, wenn die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft in diesen Gebieten nicht verbessert.
- 9. Der Bundesrat stellt fest, dass mit einer bereinigten Eigenkapitalbildung im Wirtschaftsjahr 2003/04 von nur 2.696 € eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ausgerichtete Finanzierung von notwendigen Erweiterungsinvestitionen nicht möglich ist. Im Wirtschaftsjahr 2000/01 lag dieser Wert noch bei 10.400 €.
- 10. Der Bundesrat stellt fest, dass sich die Nettoinvestitionen nun bereits im vierten Jahr in Folge auf sehr niedrigem Niveau bewegen. Die Nettoinvestitionen je Unternehmen nahmen gegenüber dem Vorjahr durchschnittlich um 63 % auf l.290 € je Unternehmen ab. Die Investitionstätigkeit in der Landwirtschaft bleibt damit weiterhin unbefriedigend. Der Bundesrat sieht darin einen klaren Hinweis auf die allgemeine Verunsicherung in der Landwirtschaft hinsichtlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven. Als eine Ursache dafür sieht der Bundesrat die zunehmenden Wettbewerbsnachteile der deutschen Landwirtschaft und die mangelnde Planungssicherheit als Folge einer sich erhöhenden Reformfrequenz.
C. Forderungen des Bundesrates an die Bundesregierung
- 11. In Anbetracht der Tatsache, dass
- - die Entwicklung der Gesamtsituation der deutschen Landwirtschaft (Einkommenslage insbesondere der Futterbau- und Veredelungsbetriebe, Abstand zum gewerblichen Vergleichslohn, Zahl der Betriebe, Eigenkapitalbildung und Nettoinvestitionen) in den letzten drei Wirtschaftsjahren negativ verlaufen ist,
- - die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft in benachteiligten Gebieten im Vergleich zu den übrigen Gebieten sich weiter verschlechtert hat,
- - die Wirtschaftskraft und Wettbewerbsstellung der deutschen Landwirtschaft in Europa, gemessen an der Nettowertschöpfung je Arbeitskraft, sich gegenüber 2001 massiv verschlechtert hat,
- - die Land- und Ernährungswirtschaft einen bedeutenden Wirtschaftsbereich in Deutschland mit etwa 4 Mio. Arbeitsplätzen darstellt und
- - der zukünftige weltweite Bedarf an Nahrungsmitteln der FAO zufolge (Anstieg des Bedarfs an Getreide ausgehend von derzeitigem Level von l,9 Mrd. t um fast 1 Mrd. t bis 2030; Verbrauchszunahme an Fleisch um 160 Mio. t) zum weitaus größten Teil durch Ertragssteigerungen zu erbringen ist,
- - Maßnahmen zu ergreifen, die die Erhaltung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung in Deutschland sichern und standorttreuen Nukleus für Wohlstand und Arbeitsplätze im ländlichen Raum umfassend unterstützen,
- - die Landwirtschaft als einen der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in den benachteiligten Gebieten stärker als bisher zu berücksichtigen, um der dort besonders großen Gefahr der Betriebs- und Bewirtschaftungsaufgaben entgegenzuwirken,
- - die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft durch Verzicht auf nationale Alleingänge bei der Umsetzung von EU-Recht zu stärken,
- - Sonderbelastungen der deutschen Landwirte im Steuer- und Sozialversicherungsrecht zu unterlassen bzw. zurückzufahren und
- - bei allen agrarpolitischen Entscheidungen die Planungssicherheit für zukünftige Investitionen und ein Höchstmaß an Vertrauensschutz für zurückliegende Investitionen sicherzustellen.
- 12. Auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Milchwirtschaft und der nun bereits im dritten Jahr andauernden negativen Einkommensentwicklung der Milchviehbetriebe fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen für die Milchviehbetriebe auf EU-Ebene und nationaler Ebene zu verbessern.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich auf EU-Ebene für folgende Maßnahmen einzusetzen:
- a) Aussetzung der l,5 %igen Quotenerhöhung
- b) Einführung einer flexiblen Quote von 1 bis 3 % zur Anpassung an Marktlage
- c) Einstufung der Milch als "sensibles Produkt" im Rahmen der WTO-Verhandlungen und
- d) keine Einschränkung und kein Abbau der Unterstützung der privaten Lagerhaltung bei Butter und Magermilchpulver.
- 13. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, auf einseitige Begünstigungen des Waldzertifizierungssystems FSC gegenüber dem PEFC-Zertifikat für nachhaltige Waldbewirtschaftung zu verzichten. Die einseitige Information und die Absicht, die Holzbeschaffung des Bundes an FSC-Standards zu orientieren, entsprechen nicht dem Stellenwert beider Systeme in Deutschland, diskriminieren die nachhaltige Forstwirtschaft auf 66 % der deutschen Waldfläche und missachten jegliche gebotene Neutralitätspflicht.