Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung

A. Problem und Ziel

Aufgrund des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) sind die Berufungsgerichte gemäß § 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) verpflichtet, eine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen, wenn sie davon überzeugt sind, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Der Zurückweisungsbeschluss ist gemäß § 522 Absatz 3 ZPO unanfechtbar.

Auf der einen Seite hat die Vorschrift zu der beabsichtigten Verfahrensbeschleunigung geführt und dadurch dem Missbrauch der Berufung als Mittel der Prozessverschleppung entgegengewirkt. Auf der anderen Seite zeigt die Zivilgerichts-Statistik deutlich, dass die Berufungsgerichte die Vorschrift trotz ihres zwingenden Charakters sehr unterschiedlich anwenden. Dieses birgt die Gefahr einer Zersplitterung der Zivilrechtspflege, wodurch das Vertrauen der Rechtsuchenden beeinträchtigt werden kann.

B. Lösung

Der Entwurf führt für Zurückweisungsbeschlüsse mit einer Beschwerde über 20 000 Euro das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde ein. Damit sind Zurückweisungsbeschlüsse in gleicher Weise anfechtbar wie Berufungsurteile. Die uneinheitliche Anwendungspraxis der Berufungsgerichte verliert ihre Bedeutung. Außerdem wird mit einer deutlicheren Formulierung der zwingende Charakter des § 522 Absatz 2 ZPO unterstrichen. Schließlich muss das Berufungsgericht künftig einstimmig feststellen, dass die Sache keiner mündlichen Verhandlung bedarf, bevor es die Sache durch Zurückweisungsbeschluss entscheiden darf.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Personelle Mehrbelastungen des Bundesgerichtshofes (BGH) werden teilweise kompensiert, indem in Insolvenzsachen die Rechtsbeschwerde nur noch eingeschränkt statthaft ist. Der Entwurf hat mithin keine belastenden Auswirkungen auf den Bundeshaushalt.

Die Berufungsgerichte werden durch den im Entwurf vorgesehenen Ausschluss des Zurückweisungsbeschlusses bei gebotener mündlicher Verhandlung nur unerheblich zusätzlich belastet. Der Entwurf hat daher keine belastenden Auswirkungen auf die Haushalte der Länder.

E. Sonstige Kosten

Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf Einzelpreise und auf das Preisniveau sind durch den Entwurf nicht zu erwarten. Spezifische verbraucherpolitische Auswirkungen hat der Entwurf nicht.

F. Bürokratiekosten

Für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung werden keine Informationspflichten eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 4. Februar 2011
Die Bundeskanzlerin

An die Präsidentin des Bundesrates Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 18.03.11

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung der Zivilprozessordnung

§ 522 der Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2248) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Absatz 2 wird wie folgt geändert:

2. Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

(3) Gegen den Beschluss steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre."

Artikel 2
Änderung der Insolvenzordnung

§ 7 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1885) geändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 3
Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung

Das Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 9 Absatz 3 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In § 26 Nummer 8 wird die Angabe "2011" durch die Angabe "2013" ersetzt.

2. Nach § 38 wird folgender § 38a eingefügt:

" § 38a

Für Zurückweisungsbeschlüsse, die vor dem ... [einsetzen: Datum des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung] erlassen wurden, ist § 522 Absatz 3 in der vor dem ... [einsetzen: Datum des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung] geltenden Fassung weiter anzuwenden."

Artikel 4
Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung

Das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. Dezember2010 (BGBl. I S. 2248) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 5
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung:

A. Allgemeiner Teil

I. Ausgangslage

Am 1. Januar 2002 trat das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 in Kraft (BGBl. I S. 1887). Das Gesetz bewirkte eine grundlegende Strukturreform des Zivilprozesses; insbesondere wurden die Rechtsmittel der Berufung, Revision und Beschwerde von Grund auf neu gestaltet.

Seitdem muss das Berufungsgericht gemäß § 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) eine Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Mit der Vorschrift war die gesetzgeberische Absicht verbunden, offensichtlich unbegründete Berufungen möglichst frühzeitig zu entscheiden und dadurch das Berufungsverfahren in eindeutig gelagerten Fällen im Interesse des Berufungsgegners zu beschleunigen.

Die Beschlusszurückweisung setzt nach § 522 Absatz 2 Satz 2 ZPO voraus, dass das Berufungsgericht oder der Vorsitzende die Parteien zuvor auf die in Aussicht genommene Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hingewiesen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Berufungsführer soll damit die Möglichkeit erhalten, dem Berufungsgericht Gesichtspunkte zu unterbreiten, die seiner Auffassung nach an der Beschlusszurückweisung hindern. Nach § 522 Absatz 2 Satz 3 ZPO ist der Zurückweisungsbeschluss zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis des Gerichts enthalten sind. Damit soll sichergestellt werden, dass der unterliegende Berufungsführer über die wesentlichen Gründe für die Erfolglosigkeit seines Rechtsmittels unterrichtet wird. Gemäß § 522 Absatz 3 ZPO ist der Beschluss unanfechtbar. Dieser führt unmittelbar die Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbei.

Der einstimmig zu fassende Zurückweisungsbeschluss ist nicht an eine Streitwertgrenze gebunden. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen haben die Gerichte durch Zurückweisungsbeschluss zu entscheiden; ein richterliches Ermessen besteht insoweit nicht.

Aus der Zivilgerichts-Statistik geht hervor, dass die Land- und Oberlandesgerichte in sehr unterschiedlichem Maße von dem Zurückweisungsbeschluss Gebrauch machen, obwohl es keinen Ermessensspielraum gibt. Die Quoten der Erledigung durch Zurückweisungsbeschluss in Bezug auf alle erledigten Berufungssachen bewegen sich auf der Ebene der Landgerichte im Jahr 2009 zwischen 6,4 Prozent (OLG-Bezirk Karlsruhe) und 23,8 Prozent (OLG-Bezirk Braunschweig) und auf der Ebene der Oberlandesgerichte zwischen 9,1 Prozent (OLG Hamm) und 27,1 Prozent (OLG Rostock). Der Bundesdurchschnitt liegt bei 14,2 Prozent für die Landgerichte und 16,1 Prozent für die Oberlandesgerichte. Die gravierenden regionalen Unterschiede in der Anwendungspraxis der Berufungsgerichte waren auch Gegenstand einer Plenardebatte am 5. März 2009 im Deutschen Bundestag über einen Gesetzesantrag der FDP-Fraktion (BT-Drs. 016/11457), der die Einführung einer Rechtsbeschwerde gegen den bislang unanfechtbaren Zurückweisungsbeschluss vorsah.

Die Gründe für die unterschiedliche und uneinheitliche Handhabung des § 522 Absatz 2 ZPO sind vielfältig. Aus der allgemeinen Justizstatistik, die jährlich vom Statistischen Bundesamt herausgegeben wird, lassen sich hierzu nur wenige Erkenntnisse gewinnen. Gesichert ist lediglich, dass die Zahl der nach § 522 Absatz 2 ZPO eingeleiteten Verfahren noch wesentlich höher liegt, weil die Berufung auf einen Hinweisbeschluss nach § 522

Absatz 2 Satz 2 ZPO häufig zurückgenommen wird. Da die bundesweite Rücknahmequote mit 31,3 Prozent bei den Landgerichten und 29,6 Prozent bei den Oberlandesgerichten außerordentlich hoch ist, kann die Quote der nach § 522 Absatz 2 ZPO eingeleiteten Verfahren im Bundesdurchschnitt auf mehr als 25 Prozent aller Berufungsverfahren geschätzt werden.

II. Zielsetzung des Entwurfs

Der Entwurf wirkt der bisher unterschiedlichen Anwendungspraxis der Berufungsgerichte entgegen. Er führt für Zurückweisungsbeschlüsse mit einer Beschwerde über 20 000 Euro das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde ein. Damit ist in dem höheren Streitwertsegment die Anfechtbarkeit von Berufungsurteil und Zurückweisungsbeschluss in gleicher Weise ausgestaltet. Die uneinheitliche Praxis bei der Anwendung des § 522 Absatz 2 ZPO wirkt sich dann auf die Anfechtbarkeit der Entscheidung der Berufungsgerichte nicht mehr aus.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin zu prüfen, ob in der durch Zurückweisungsbeschluss entschiedenen Berufungssache Revisionszulassungsgründe gemäß § 543 Absatz 2 ZPO vorliegen, die nach § 522 Absatz 2 Nummer 2 und 3 ZPO eine Entscheidung durch Zurückweisungsbeschluss ausgeschlossen hätten. Liegen diese Zulassungsgründe vor, ist die Revision zuzulassen. Der BGH prüft in dem sich gemäß § 544 Absatz 6 anschließenden Revisionsverfahren den Zurückweisungsbeschluss auf die Verletzung des sachlichen und formellen Rechts. Damit wird die höchstrichterliche Kontrolle über die Spruchpraxis der Berufungsgerichte im oberen Streitwertsegment in vollem Umfang wiederhergestellt.

Zudem muss das Berufungsgericht künftig einstimmig feststellen, dass die Sache keiner mündlichen Verhandlung bedarf, bevor durch Zurückweisungsbeschluss entschieden werden darf.

Des Weiteren wird die Vorschrift nun noch deutlicher als zwingende formuliert, um klarzustellen, dass die Berufungsgerichte keinen Ermessensspielraum haben, wenn die Voraussetzungen des § 522 Absatz 2 ZPO vorliegen.

III. Gesetzgebungszuständigkeit; Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (gerichtliches Verfahren).

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

IV. Gesetzesfolgen; Nachhaltigkeitsaspekte; Bürokratiekosten

Durch die Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen Zurückweisungsbeschlüsse mit einer Beschwerde über 20 000 Euro werden nach dem Stand von 2009 von den 8 411 erlassenen Zurückweisungsbeschlüssen der Oberlandesgerichte 3 869 anfechtbar. Dies entspricht einer Quote von 46,0 Prozent. Auf der Ebene der Landgerichte werden lediglich 68 von 8 407 erlassenen Zurückweisungsbeschlüssen anfechtbar.

Wie viele Nichtzulassungsbeschwerden gegen Zurückweisungsbeschlüsse beim BGH eingehen werden, lässt sich nicht genau abschätzen. Einen gewissen Anhaltspunkt gibt die Rechtsmittelquote für die Nichtzulassungsbeschwerde gegen Berufungsurteile. Diese lag im Jahre 2009 bei rund 33,3 Prozent (auf 7 088 anfechtbare Berufungsurteile kamen 2 361 Nichtzulassungsbeschwerden). Tendenziell dürften die durch Zurückweisungsbeschluss entschiedenen Berufungssachen aber eindeutiger und damit deutlich weniger rechtsmittelanfällig sein, so dass von einer erheblich niedrigeren Anfechtungsquote auszugehen ist. Im Ergebnis dürften nicht mehr als 750 zusätzliche Nichtzulassungsbeschwerden pro Jahr zum BGH gelangen. Dies entspräche einer Steigerung von rund 15 Prozent, bezogen auf alle Eingänge bei den Zivilsenaten des BGH (5 152 Revisionen, Nichtzulassungsbeschwerden und Rechtsbeschwerden im Jahre 2009). Die Mehrbelastung dürfte bei allen Zivilsenaten gleichmäßig anfallen, da die Sachen thematisch nicht beschränkt sind.

Auf der anderen Seite besteht für die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde in Insolvenzsachen nach § 7 der Insolvenzordnung (InsO) kein praktisches Bedürfnis mehr, weil die Zulassungsgründe in den §§ 543 Absatz 2, 574 Absatz 2 ZPO durch die Rechtsprechung des BGH mittlerweile hinreichend konturiert sind. Deshalb können die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO eingeschränkt werden. Dadurch wird der BGH gleichzeitig partiell entlastet. Eine solche Einschränkung wird bereits seit längerem gefordert, da der zuständige Zivilsenat seit Jahren mit diesen Rechtsbeschwerden stark belastet ist. 2009 entfielen auf den zuständigen Zivilsenat 20,9 Prozent der insgesamt beim BGH eingegangenen Rechtsbeschwerden, davon waren 73 Prozent(209) Rechtsbeschwerden nach der Insolvenzordnung. Diese sind seit dem 1. Januar 2002 nicht mehr von einer Zulassung abhängig.

Das verbleibende Mehraufkommen bei den Zivilsenaten des BGH lässt sich voraussichtlich in Anbetracht der seit dem Jahr 2002 deutlich zurückgegangenen Anzahl der Revisionen mit den vorhandenen Personalkapazitäten bewältigen, zumal der BGH über eine Nichtzulassungsbeschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann und der Beschluss gemäß § 544 Absatz 4 ZPO regelmäßig nicht begründet werden muss.

Personelle Mehrbelastungen werden teilweise kompensiert, indem in Insolvenzsachen die Rechtsbeschwerde nur noch eingeschränkt statthaft ist. Der Entwurf hat mithin keine belastenden Auswirkungen auf den Bundeshaushalt.

Die Berufungsgerichte werden durch den im Entwurf vorgesehenen Ausschluss des Zurückweisungsbeschlusses bei gebotener mündlicher Verhandlung nur unwesentlich zusätzlich belastet. Der Entwurf hat daher keine Auswirkungen auf die Haushalte der Länder.

Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf Einzelpreise und auf das Preisniveau sind durch den Entwurf nicht zu erwarten. Spezifische verbraucherpolitische Auswirkungen hat dieser Entwurf nicht.

Der Gesetzentwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Er sieht Regelungen vor, die die höchstrichterliche Kontrolle über die Spruchpraxis der Berufungsgerichte bei einer Beschwerde von über 20 000 Euro in vollem Umfang wiederherstellt und damit zu einer Verbesserung des Rechtsschutzes der Bürgerinnen und Bürger auch durch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beiträgt.

Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.

V. Geschlechterspezifische Auswirkungen

Der Entwurf hat keine geschlechtsspezifischen Auswirkungen.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung)

Zu Nummer 1 Buchstabe a (§ 522 Absatz 2 Satz 1)

Die geänderte Formulierung des Rechtsfolgenausspruchs in Absatz 2 Satz 1 unterstreicht den zwingenden Charakter der Norm. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 vor, hat das Berufungsgericht die Berufung zurückzuweisen, ohne dass ein Ermessensspielraum besteht.

Als weitere Voraussetzung für den Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses wird in Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bestimmt, dass das Berufungsgericht eine mündliche Verhandlung einstimmig nicht für angemessen erachtet. Diese Regelung ist an die Rechtslage im verwaltungsgerichtlichen Berufungsverfahren, § 130a Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angelehnt. Die zusätzliche Voraussetzung für einen Zurückweisungsbeschluss dient dem Schutz des Berufungsführers. Über die von ihm eingelegte Berufung soll, auch wenn sein Rechtsmittel letztlich ohne Aussicht auf Erfolg ist, mündlich verhandelt werden, wenn dies aus anderen Gründen angebracht erscheint, insbesondere wenn die Rechtsverfolgung für ihn existenzielle Bedeutung hat (z.B. in Arzthaftungssachen) oder wenn das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist. In diesen Fällen kann ein anerkennenswertes Bedürfnis bestehen, mündlich zu verhandeln, auch wenn das Rechtsmittel aussichtslos und eine Revision mangels Grundsatzbedeutung nicht zuzulassen ist. Der Berufungsführer kann die Gründe für eine mündliche Verhandlung bereits in der Berufungsbegründung oder aber als Reaktion auf einen Hinweisbeschluss nach § 522 Absatz 2 Satz 2 vortragen und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung anregen.

Zu Nummer 1 Buchstabe b (§ 522 Absatz 2 Satz 4 - neu -)

Die Vorschrift ergänzt mit Blick auf die künftige Anfechtbarkeit den notwendigen Inhalt eines Zurückweisungsbeschlusses. Ein anfechtbarer Beschluss hat künftig die Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Tatbestand mit Darstellung der etwaigen Änderungen und Ergänzungen zu enthalten. Dies entspricht dem notwendigen Inhalt eines anfechtbaren Berufungsurteils gemäß § 540 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1. Aus dieser Bezugnahme müssen sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung für den Bundesgerichtshof zweifelsfrei ergeben.

Die Bezugnahme kann - wie beim Berufungsurteil - durch Änderungen oder Ergänzungen modifiziert werden. Zwar wird das Berufungsgericht, wenn es durch Zurückweisungsbeschluss entscheidet, in der Regel keine Änderungen oder Ergänzungen der erstinstanzlichen Feststellungen vornehmen; denkbar ist jedoch, dass das Berufungsgericht Veranlassung hat, eine Klarstellung der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des Rechtsstreits vorzunehmen. Dies soll dem Berufungsgericht nicht durch eine zu enge Fassung des Gesetzes verwehrt werden.

Zu Nummer 2 (§ 522 Absatz 3)

Der neue § 522 Absatz 3 Satz 1 führt gegen einen Zurückweisungsbeschluss das Rechtsmittel ein, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre. Dies entspricht dem Rechtsgedanken der Regelung des § 130a Satz 2 in Verbindung mit § 125 Absatz 2 Satz 4 VwGO für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über eine Berufung durch Beschluss. Das Regelungsvorbild ist sprachlich überarbeitet worden.

Nach § 522 Absatz 3 Satz 1 - neu - ist die Nichtzulassungsbeschwerde das statthafte Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss. Bei einer Entscheidung durch Urteil, hätte das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen, weil es das Vorliegen der Revisionszulassungsgründe gemäß § 543 Absatz 2 (Grundsatzbedeutung, Notwendigkeit der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) verneint hat. Andernfalls hätte es wegen § 522 Absatz 2 Nummer 2 und 3 gar nicht durch Zurückweisungsbeschluss entscheiden dürfen. Die Nichtzulassung der Revision in einem Berufungsurteil unterliegt gemäß § 544 Absatz 1 der Beschwerde.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde überprüft der BGH den Zurückweisungsbeschluss wie ein Berufungsurteil auf das Vorliegen der Zulassungsgründe in § 543 Absatz 2. Der BGH nimmt diese Prüfung auf Grund der Erkenntnisse vor, die ihm durch das erstinstanzliche Urteil, den Hinweisbeschluss nach § 522 Absatz 2 Satz 1 sowie den Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Absatz 2 Satz 2 zulässigerweise vorliegen. Liegen nach dem Ergebnis dieser Prüfung Zulassungsgründe vor, ist die Revision zuzulassen. Der BGH prüft in dem sich gemäß § 544 Absatz 6 anschließenden Revisionsverfahren die Gründe des Zurückweisungsbeschlusses und die in diesem Beschluss jedenfalls im Ergebnis für richtig erklärte Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung der ersten Instanz vollumfänglich auf die Verletzung des sachlichen und formellen Rechts.

Weil der Zurückweisungsbeschluss an die Stelle des Berufungsurteils tritt, ist es aus systematischen Gründen vorzuziehen, die Nichtzulassungsbeschwerde und nicht die Rechtsbeschwerde als das statthafte Rechtsmittel einzuführen. Die Rechtsbeschwerde in den §§ 574 ff. ist als Rechtsmittel gegen Neben- und Zwischenentscheidungen im Zivilprozess konzipiert und daher nicht das systematisch richtige Rechtsmittel gegen den Zurückweisungsbeschluss, der die Instanz abschließt. Die im Entwurf vorgesehene Lösung gewährleistet, dass Zurückweisungsbeschlüsse und Berufungsurteile in gleichem Umfang überprüfbar sind.

Die in § 522 Absatz 3 Satz 1 - neu - vorgesehene Gleichstellung zwischen Zurückweisungsbeschluss und Berufungsurteil bewirkt zudem, dass die Wertgrenze des § 26 Nummer 8 des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung in Höhe von 20 000 Euro auch für die Anfechtbarkeit von Zurückweisungsbeschlüssen gilt. Die Geltungsdauer dieser Wertgrenze wird durch Artikel 3 Nummer 1 des Entwurfs bis Ende 2013 verlängert.

Gemäß § 708 Nummer 10 sind Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Vorschrift wird erweiternd auf die erstinstanzlichen Urteile angewandt, die durch Zurückweisung der Berufung bestätigt werden. Der dahinter stehende Rechtsgedanke ist auf die Zurückweisungsbeschlüsse übertragbar. Eine eigene Regelung für die vorläufige Vollstreckbarkeit der durch einen anfechtbaren Zurückweisungsbeschluss bestätigten erstinstanzlichen Urteile ist nicht erforderlich.

Zu Artikel 2 (Änderung der Insolvenzordnung)

Mit der Insolvenzordnung wurden teilweise für das deutsche Recht völlig neue Wege beschritten.

Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa das Insolvenzplanverfahren und die Restschuldbefreiung. Es war somit nahezu zwingend, dass mit der Umsetzung dieses neuen Rechts in der Praxis zahlreiche Streitfragen auftreten würden, die einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt werden mussten. Dies betraf insbesondere Fragen des Verbraucherinsolvenzverfahrens, der Stundung der Verfahrenskosten, der Insolvenzanfechtung sowie der Vergütung des Insolvenzverwalters. Nachdem die Insolvenzordnung nun über zehn Jahre in Kraft ist, sind die wesentlichen Streitfragen geklärt, so dass nun das allgemeine Rechtsbeschwerdeverfahren für den Bereich der Insolvenzordnung anwendbar sein soll.

Durch die Aufhebung von § 7 wird die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde zum BGH gegen Entscheidungen der Beschwerdegerichte in Insolvenzsachen abgeschafft. Es gelten damit über § 4 im Hinblick auf die Anfechtbarkeit von Beschwerdeentscheidungen in Insolvenzsachen ausschließlich die allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Absatz 1 Nummer 2 ZPO nur noch statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie im Beschluss zugelassen hat. Die Zulassungsgründe in den §§ 543 Absatz 2, 574 Absatz 2 ZPO sind durch die Rechtsprechung des BGH mittlerweile hinreichend konturiert. Es ist daher sichergestellt, dass auch nach Einführung der Zulassungsrechtsbeschwerde die Fälle, die eine höchstrichterliche Entscheidung in der Sache rechtfertigen, zum BGH gelangen. Die Klärung von Grundsatzfragen in Insolvenzsachen zur Wahrung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Insolvenzrechts bleibt gewährleistet. Gleichzeitig ist mit der Änderung keine Einbuße an Rechtsschutzgewährung verbunden. Es stellt für den Rechtssuchenden keine Einschränkung dar, wenn eine Rechtsbeschwerde, die keine grundsätzliche Bedeutung hat und bei der keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, nicht erst durch eine dritte Instanz auf Kosten des Rechtssuchenden als unzulässig verworfen wird, sondern bereits vom Beschwerdegericht nicht zugelassen wird.

Mit einer solchen Rechtsänderung ist auch eine deutliche Entlastung für den BGH verbunden, so dass dies eine partielle Kompensation für die mit der Änderung von § 522 ZPO zu erwartende zusätzliche Belastung für den BGH bedeutet. Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nach § 7 einzuschränken. Eine solche Einschränkung wird bereits seit längerem gefordert, da der zuständige Zivilsenat seit Jahren mit diesen Rechtsbeschwerden stark belastet ist. 2009 entfielen auf den zuständigen Zivilsenat 20,9 Prozent der insgesamt beim BGH eingegangenen Rechtsbeschwerden, davon waren 73 Prozent(209) Rechtsbeschwerden nach der Insolvenzordnung. Diese sind seit dem 1. Januar 2002 nicht mehr von einer Zulassung abhängig.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung)

Zu Nummer 1 (§ 26 Nummer 8)

Gemäß § 26 Nummer 8 Satz 1 ist die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH nach § 544 ZPO nur bei Beschwerdewerten von mehr als 20 000 Euro eröffnet. Diese Regelung hat sich bewährt. Die Belastung der Zivilsenate des BGH mit Nichtzulassungsbeschwerden hat sich seit dem Jahre 2005 auf einem unbedenklichen Niveau stabilisiert. Mit der vorliegenden Änderung wird die Geltung der Streitwertgrenze um weitere zwei Jahre bis zum 31. Dezember 2013 verlängert.

Zu Nummer 2 (§ 38a - neu -)

Durch die Übergangsvorschrift wird klargestellt, dass ein Rechtsmittel nur gegen solche Zurückweisungsbeschlüsse gegeben ist, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden. Eine rückwirkende Anwendung des neuen § 522 Absatz 3 ZPO wird damit aus Gründen des Vertrauensschutzes ausgeschlossen. Wird gegen einen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassenen Zurückweisungsbeschluss eine Anhörungsrüge nach § 321a ZPO eingelegt, begründet dies nur dann die Anfechtbarkeit des Beschlusses, wenn das Berufungsgericht nach Inkrafttreten einen neuen Beschluss erlässt.

Zu Artikel 4 (Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung - EGInsO)

Zu Nummer 1 (Artikel 102)

Es handelt sich um eine Folgeänderung. Artikel 102 betrifft die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren (EU-InsVO). Artikel 102 § 5 und § 6 betreffen das Verfahren und die Zuständigkeit der öffentlichen Bekanntmachung des wesentlichen Inhaltes der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Artikel 21 EU-InsVO und der Eintragung der Eröffnung des Hauptverfahrens in öffentliche Bücher und Register nach Artikel 22 EU-InsVO. Gemäß Artikel 102 § 7 Satz 1 findet gegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichtes nach diesen Vorschriften die sofortige Beschwerde statt. Durch den Verweis in Artikel 102 § 7 Satz 2 - alt - auf die Vorschrift des § 7 InsO war gegen diese Entscheidungen die Rechtsbeschwerde gegeben. Aufgrund der Aufhebung von § 7 InsO wurde dieser Verweis gegenstandslos und in Artikel 102 § 7 Satz 2 - neu - werden nunmehr die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde für entsprechend anwendbar erklärt. Damit ist die Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nach Artikel 102 § 5 oder § 6 künftig auch nur statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zulässt.

Zu Nummer 2 (Artikel 103 [einsetzen: bei Verkündung nächster freier Buchstabenzusatz])

Die Übergangsvorschrift in Satz 1 stellt klar, dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nur gegen solche Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 6 InsO erforderlich ist, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden. Für Entscheidungen über die sofortige Beschwerde, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen wurden und bei denen die Notfrist des § 575 Absatz 1 ZPO noch nicht abgelaufen ist, ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 7 InsO weiter zulassungsfrei. Satz 2 stellt dies für die Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach Artikel 102 § 7 Satz 1 EGInsO klar.

Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 1561:
Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung

Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Gesetzentwurf auf Bürokratiekosten geprüft, die durch Informationspflichten begründet werden.

Mit dem Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Es entstehen keine neuen Bürokratiekosten für Wirtschaft, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürger.

Der Nationale Normenkontrollrat hat im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrages daher keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Bachmaier
Vorsitzender Berichterstatter