Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und Förderregeln für Erzeuger bestimmter Kulturpflanzen

Punkt 29 der 786. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2003

Der Bundesrat möge anstelle der Ziffern 1 bis 33 der Ausschussempfehlungen in Drucksache 61/1/03 wie folgt beschließen:

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Halbzeitbewertung der Agenda 2000 die Chance bietet, die Weichen für eine umfassende Reform der europäischen Landwirtschaftspolitik zu stellen. Deshalb begrüßt der Bundesrat den Zeitpunkt und den grundlegenden Reformansatz der Vorschläge der Kommission zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die Ziele der Vorschläge sind richtig, weil sie

Der Bundesrat ist allerdings der Ansicht, dass eine Reihe von Vorschlägen der Kommission nicht zielführend sind. Außerdem sind wichtige Fragen im Zusammenhang mit Ausstattung und Ausgestaltung der einzelnen Reformelemente noch offen.

In den kommenden Monaten muss das Reformpaket in den Gremien der EU intensiv beraten konkretisiert und verbessert werden, um zu einer Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik zu gelangen, die den Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung von Landwirtschaft und ländlichem Raum sowie den internationalen und entwicklungspolitischen Verpflichtungen Europas gerecht wird. Zudem hält der Bundesrat die Vorschläge der Kommission in der vorliegenden Form verwaltungsmäßig für nicht umsetzbar.

Zur Bewertung der zentralen Elemente der Kommissionsvorschläge im Einzelnen:

1. Entkopplung der Flächen- und Tierprämien von der Produktion

Die Kommission schlägt pauschalierte Zahlungen an die Betriebe vor, deren Höhe auf Grund der historischen Prämienansprüche berechnet werden soll. Der Bundesrat hält dies für nicht akzeptabel, weil es die ungerechte Prämienverteilung und dadurch die bestehenden Wettbewerbsnachteile insbesondere der Grünlandregionen zementiert. Eine Umsetzung zum 1. Januar 2004 ist auf Grund der Vielzahl offener Fragen und der verwaltungsrechtlichen Aspekte ohnehin nicht möglich.

Allerdings räumt die Kommission den Mitgliedstaaten Spielräume ein, regionale "Einheitsprämien" festzulegen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf darauf hinzuwirken, dass die Mitgliedstaaten und die Länder bei der Umsetzung dieser Option den entsprechenden Gestaltungsspielraum erhalten. Der Leitgedanke dabei ist, dass alle landwirtschaftlichen Produktionssysteme und -verfahren, die den Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden, gleichermaßen unterstützt werden sollten.

Um bruchartige Änderungen in der Einkommensverteilung zu vermeiden, sollte es allerdings angemessene Übergangsfristen zwischen dem gegenwärtigen System und dem neuen System geben, um den von den Reformen negativ betroffenen Betrieben ausreichend Zeit zur Anpassung zu geben. Denkbar wäre eine einheitliche Flächenprämie, ergänzt um degressiv auslaufende, betriebsindividuelle und nutzungsbezogene Zusatzprämien. Grundlage für die Berechnung der einheitlichen Flächenprämie muss das bisherige Prämienvolumen der jeweiligen Region sein.

2. Modulation und Degression

Der Bundesrat vertritt nachdrücklich die Auffassung, dass soziale Kriterien verstärkt Eingang in die Gemeinsame Agrarpolitik finden müssen und begrüßt die Vorschläge der Kommission zur Modulation. Hervorzuheben ist die degressive Ausgestaltung der Vorschläge. Es ist allerdings notwendig, die Freibeträge anzuheben, um kleine und mittlere Betriebe nicht zu überfordern. Außerdem muss die obligatorische Modulation zum frühestmöglichen Zeitpunkt eingeführt werden.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die durch Modulation gewonnenen Mittel in vollem Umfang für die Entwicklung des Ländlichen Raums verwendet werden müssen.

Für die zweite Säule der europäischen Agrarpolitik stehen gegenwärtig nur rund 10 % der Agrarausgaben der EU zur Verfügung. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik muss genutzt werden, um das Gleichgewicht zwischen den beiden Säulen zu verbessern.

Der Bundesrat fordert, dass die über Modulation und Degression einbehaltenen Mittel so wieder verwendet werden, dass sie in vollem Umfang in den Mitgliedstaaten verbleiben in denen sie angefallen sind.

3. Cross compliance

Der Bundesrat begrüßt die obligatorische Bindung der betriebsbezogenen Einkommenszahlungen an die Einhaltung der gesetzlichen Standards im Umweltschutz und Tierschutz sowie in der Lebensmittelsicherheit und der betrieblichen Arbeitssicherheit.

Die Vorschläge werden die Durchsetzung der guten fachlichen Praxis und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben unterstützen und die gesellschaftliche Akzeptanz der Zahlungen verbessern.

Nach Auffassung des Bundesrates sind die in den Vorschlägen aufgeführten 38 Rechtsvorschriften der EU verbunden mit zusätzlichen weitergehenden Kriterien der guten fachlichen Praxis, die von den Mitgliedstaaten innerhalb eines von der EU vorgegebenen Gemeinschaftsrahmens zu konkretisieren sind, im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoS) nicht umsetzbar. Es drohen ein unvertretbarer Kontroll- und Verwaltungsaufwand, ohne dass das Anlastungsrisiko für die Länder hinreichend minimiert werden kann.

Der Bundesrat fordert, dass cross compliance in einer für den Landwirt und die Kontrollbehörden praktikablen Form umgesetzt wird. Dies erfordert vor allem eine Vereinfachung in Form der Konzentration auf die wesentlichen Rechtsbereiche und kontrollierbare Kriterien.

4. Marktordnungen

4.1 Milch und Milcherzeugnisse

Der Bundesrat unterstützt nachdrücklich die Absicht der Kommission, den Milcherzeugern eine dauerhafte Perspektive zu bieten. Ein vollständiger Ausstieg aus der Quotenregelung im Jahre 2008 wäre nicht ohne tiefgreifende Strukturbrüche möglich.

Es ist deshalb notwendig und richtig, die Milchmarktordnung fortzuführen und sinnvoll weiterzuentwickeln.

Vor diesem Hintergrund erachtet es der Bundesrat für notwendig, die Beschlüsse der Agenda 2000 zum Milchsektor an die geänderten Rahmenbedingungen des Marktes anzupassen. Dies ist auch im Hinblick auf die finanziellen Spielräume im EU-Haushalt (Beschluss der Staats- und Regierungschefs der EU vom 24./25. Oktober 2002), die WTO-Verhandlungen und die Osterweiterung der EU geboten.

Ziel muss es sein, den Milcherzeugern ein ausreichendes Einkommen zu sichern und die Milchproduktion in der Fläche, insbesondere auch in weniger wettbewerbsfähigen Grünlandregionen, zu erhalten.

Der Bundesrat lehnt die von der Kommission vorgeschlagene zusätzliche Anhebung der Milchquoten, die Einschränkung der Butterintervention und die drastischen Preissenkungen ab, weil sie einen zusätzlichen Mengen- und Preisdruck in einem bereits überversorgten Markt bedeuten. Grundsätzlich sollten Preissenkungen nur gegen angemessene und ausreichend hohe Ausgleichsbeträge erfolgen.

4.2 Getreide

Der Bundesrat hält die von der Kommission beabsichtigte allgemeine Senkung der administrativen Preise bei Getreide sowie die Abschaffung der monatlichen Zuschläge vor dem Hintergrund der zu erwartenden WTO-Zwänge für vertretbar.

Allerdings sollte der Wegfall der Roggenintervention nur schrittweise in Verbindung mit einer Stärkung alternativer Verwertungsmöglichkeiten und geeigneten Kompensationsmaßnahmen erfolgen.

4.3 Spezifischer Zusatzbetrag für Eiweißpflanzen

Der Bundesrat hält die Zielsetzung der Kommission, den Anbau heimischer Eiweißpflanzen gezielt zu fördern, für richtig. Im Rahmen der BSE-Krise ist die Fütterung landwirtschaftlicher Nutztiere in Misskredit geraten. Dies gilt insbesondere für den Einsatz tierischer Futtermittel zur Proteinversorgung von Schweinen und Geflügel.

Diese Kritik hat schließlich zum gegenwärtigen Verbot der Tiermehlverfütterung geführt. Es ist deshalb sinnvoll, die Proteinversorgung der Nutztiere stärker mit heimischen Eiweißpflanzen zu decken. Der Anbau von z.B. Ackerbohnen und Erbsen ist allerdings nur dann mit anderen Marktfrüchten konkurrenzfähig, wenn dies zusätzlich prämiert wird. Da es sich um eine gesellschaftlich erwünschte Leistung handelt, ist es richtig, eine Zusatzprämie zu gewähren.

Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass erwogen werden sollte, Zusatzprämien für Eiweißpflanzen langfristig im Rahmen der zweiten Säule zu gewähren, weil sie dort mit weniger Verwaltungsaufwand umgesetzt werden können.

4.4 CO₂-Kredit/Nachwachsende Rohstoffe

Der Bundesrat begrüßt die Einführung eines CO₂-Kredits. Der Anbau von Energiepflanzen dient dem Ziel der Substitution fossiler Energien und reduziert damit die CO₂-Emissionen. In der Konsequenz muss eine solche gesellschaftlich erwünschte Umweltleistung auch entsprechend honoriert werden.

Der Bundesrat ist allerdings der Auffassung, dass die Vorschläge der Kommission nicht ausreichend sind. Zum einen ist die vorgeschlagene Zusatzprämie von 45 Euro pro Hektar, auch angesichts der erheblichen Kosten der vorgeschriebenen Verwendungskontrollen, zu gering. Zudem ist die Begrenzung der Beihilfe für Energiepflanzen auf eine garantierte Höchstfläche von 1,5 Mio. ha EU-weit vor dem Hintergrund der Weißbücher der Kommission zu "Erneuerbaren Energien" und zu "Biotreibstoffen" viel zu niedrig. Die Prämie muss deutlich angehoben und die Flächenbegrenzung gestrichen werden.

Angesichts der hierbei möglicherweise auftretenden handelspolitischen Probleme im Rahmen der WTO sollte nach Ansicht des Bundesrates langfristig erwogen werden, Anbau und Verwertung von Energiepflanzen und nachwachsenden Rohstoffen zur stofflichen Nutzung als eine gesellschaftlich erwünschte Umweltleistung in der zweiten Säule der EU-Agrarpolitik zu verankern.

4.5 Flächenstilllegung

Der Bundesrat begrüßt die von der Kommission vorgeschlagene langfristige ökologische Flächenstilllegung. Es sollte allerdings möglich sein, den Ertrag dieser Flächen zur energetischen Nutzung bzw. für die Nutzung als nachwachsende Rohstoffe heranzuziehen.

5. Betriebsberatungssystem

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Verpflichtung zur Teilnahme an Betriebsberatungssystemen für Betriebe mit mehr als 15.000 Euro pro Jahr an Direktzahlungen bzw. mehr als 100.000 Euro pro Jahr an Umsatz keine Impulse für eine bessere Umsetzung von cross compliance bietet. Es entfallen damit keine der nach EU-Recht erforderlichen Kontrollen. Betriebsberatungssysteme sind jedoch als freiwillige Maßnahmen sinnvoll.

6. Ländliche Entwicklung

Der Bundesrat begrüßt die Erweiterung des Förderspektrums im Rahmen der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik. Sie beseitigt einige Defizite der bisherigen Verordnung. Dadurch eröffnen sich neue Perspektiven für die Förderung des Tier- und Verbraucherschutzes.

Der Bundesrat bedauert allerdings, dass der ursprüngliche Vorschlag der Kommission, die Kofinanzierung für Agrarumweltmaßnahmen und Tierschutz um 10 Prozentpunkte auf 85 % in Ziel 1-Gebieten und 60 % in den anderen Gebieten entfallen ist und fordert diesbezüglich, zu dem ursprünglichen Vorschlag zurückzukehren.

Nach Auffassung des Bundesrates sind die Vorschläge der Kommission nur ein erster Schritt. In der Zeit nach 2006 muss die zweite Säule ein stärkeres finanzielles Fundament bekommen. Mit dem finanziellen Ausbau muss eine konzeptionelle Weiterentwicklung einhergehen. Insbesondere ist es dabei notwendig, die regionalen Spielräume für eine integrierte Entwicklung ländlicher Räume als Lebens-, Wirtschafts-, Erholungs- und Naturräume zu erweitern und zur Stabilisierung der multifunktionalen Bedeutung der Landwirtschaft ein umfassendes Konzept zur Honorierung gesellschaftlich erwünschter Leistungen in der zweiten Säule zu verankern.

Außerdem muss das Konzept der Ausgleichszahlungen auf Grund umweltspezifischer Einschränkungen weiter ausgebaut werden.

7. Finanzierung

Der Bundesrat hält die vom Europäischen Rat in Brüssel im Oktober 2002 für die Finanzierung der Marktmaßnahmen und Direktbeihilfen beschlossenen Obergrenzen für einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Finanzierbarkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik in einer erweiterten Union.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass er bereits mit Beschlüssen vom 26. Februar 1999 (BR-Drucksache 866/98 (Beschluss)) und vom 18. Oktober 2002 (BR-Drucksache 652/02(Beschluss) ) eine nationale Kofinanzierung der Direktbeihilfen, die in Deutschland vom Bund vollständig und dauerhaft sicherzustellen ist, für eine sinnvolle Option zur Sicherung der Finanzierbarkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik in einer erweiterten Unon gehalten hat. Die beschriebene Kofianzierung wäre auch in der kommenden Finanzperiode eine geeignete Option zur deutlichen Entlastung Deutschlands als Nettozahler.

Nach Auffassung des Bundesrates darf die Einführung der Modulation zu keiner Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten führen, die Mittel müssen in den Regionen verbleiben. Dabei ist es insbesondere notwendig, dass die Regionen durch den Bund in die Lage versetzt werden, die notwendige nationale Kofinanzierung aufzubringen. Eine zusätzliche finanzielle Belastung kann von den Ländern nicht hingenommen werden.

8. Verwaltungs- und Kontrollaufwand

Der Bundesrat stellt fest, dass mit den Legislativvorschlägen der von der Kommission angekündigte und längst überfällige Bürokratieabbau verfehlt wird.

Die vorgelegten Vorschläge erreichen genau das Gegenteil. Die Umsetzung von Entkopplung, Modulation und cross compliance

In der Konsequenz benötigen die Länder zur Umsetzung der Vorschläge erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel und zusätzliches Personal. Deshalb sind grundlegende Verwaltungsvereinfachungen notwendig, welche die daraus entstehenden Mehrkosten ausgleichen.

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung eindringlich, sich bei den laufenden Beratungen nachdrücklich für die aufgeführten Positionen der Länder einzusetzen.

Gemäß § 5 Abs. 2 EUZBLG ist diese Stellungnahme auf Grund nachstehender Erwägungen maßgeblich zu berücksichtigen:

Der Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und Förderregeln für Erzeuger bestimmter Kulturpflanzen und die damit in Zusammenhang stehenden Verordnungsvorschläge über die Gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse, Getreide und Trockenfutter sowie die Verordnungsvorschläge zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums betreffen schwerpunktmäßig die Behörden der Länder und ihre Verwaltungsverfahren.

Die Länder sind unmittelbar betroffen, da durch die Verordnungsvorschläge neue Verwaltungsverfahren eingeführt bzw. bestehende Verwaltungsverfahren grundlegend umgestaltet werden müssen, deren Vollzug den Ländern obliegt.