Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Grünbuch der Kommission: Schaffung einer Kapitalmarktunion COM (2015) 63 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 580/14 (PDF) = AE-Nr. 141071

Brüssel, den 18.2.2015
COM (2015) 63 final

Grünbuch

Schaffung einer Kapitalmarktunion {SWD(2015) 13 final}

Vorwort

Oberste Priorität der Kommission - und Europas - sind Beschäftigung und Wachstum. Um Europa wieder auf einen Wachstumspfad zu führen, muss es uns gelingen, Investitionen in europäische Unternehmen und Infrastruktur zu mobilisieren. Die Investitionsoffensive in Höhe von 315 Mrd. EUR wird dazu beitragen, diesen Prozess in Gang zu bringen. Um jedoch das Investitionsniveau langfristig zu steigern, müssen wir einen echten Binnenmarkt für Kapital schaffen - eine Kapitalmarktunion für alle 28 Mitgliedstaaten.

Im Vergleich zu anderen Teilen der Welt ist die Unternehmensfinanzierung in Europa nach wie vor stark von den Banken und zu einem weitaus geringeren Teil von den Kapitalmärkten abhängig. Stärkere Kapitalmärkte würden die Banken als Finanzierungsquelle ergänzen und

Im Wesentlichen besteht unsere Aufgabe darin, zwischen Anlegern und Sparern und dem Wachstum eine Verbindung herzustellen. Die Kapitalmarktunion kann nicht mithilfe einer einzelnen Maßnahme erreicht werden. Viele Schritte werden nötig sein, die einzeln betrachtet vielleicht bescheiden sein mögen, in der Summe jedoch große Wirkung entfalten werden. Wir müssen Hindernisse, die den Kapitalfluss von Investoren zu Investitionsmöglichkeiten behindern, erkennen und beseitigen und die Hürden überwinden, die es Unternehmen erschweren, Investoren zu erreichen. Darüber hinaus muss die Investitionskette zur Kanalisierung dieser Mittel sowohl im Inland als auch grenzüberschreitend möglichst effizient gestaltet werden.

Weshalb ist dies ein lohnendes Unterfangen? Schon wenige Beispiele machen den potenziellen Nutzen deutlich. Zieht man die USA als Vergleich heran, so erhalten mittelständische Unternehmen - die Wachstumsmotoren vieler Länder - dort fünfmal so viel Mittel auf den Kapitalmärkten wie in der EU. Würden die Risikokapitalmärkte in Europa eine ähnliche Tiefe aufweisen, wären zwischen 2008 und 2013 sage und schreibe 90 Mrd. EUR für die Unternehmensfinanzierung verfügbar gewesen. Könnte man das heutige Volumen an KMU-Verbriefungen auf sichere Weise auch nur auf die Hälfte des Niveaus von 2007 zurückführen, könnten etwa 20 Mrd. EUR an zusätzlichen Mitteln frei gemacht werden.

Viele der anstehenden Probleme - Insolvenz- und Wertpapiergesetze, Steuerbehandlung - werden in der Tat schon seit Jahren diskutiert. Heute sind Fortschritte jedoch dringender geboten denn je. Auch wenn wir vor einem langfristigen Projekt stehen, das jahrelange beständige Anstrengungen erfordern wird, sollten wir auch kurzfristig schon Fortschritte erzielen. Daher werden wir in den kommenden Monaten

Dieses Grünbuch bildet den Auftakt zu einer dreimonatigen Konsultation. Wir möchten die Standpunkte von Parlamentsabgeordneten, Mitgliedstaaten, Kapitalmarktakteuren und all jenen einholen, denen Beschäftigung, Wachstum und die Interessen der Europäischen Bürgerinnen und Bürger ein Anliegen sind. Ihre Rückmeldungen werden in die Ausarbeitung eines Aktionsplans einfließen, der bis 2019 die Grundsteine für eine voll funktionsfähige Kapitalmarktunion legen soll.

Die Richtung, in die wir uns bewegen müssen, ist klar: Es gilt, die Kapitalmarktunion von Grund auf aufzubauen, Hindernisse zu erkennen und nacheinander zu beseitigen, eine Dynamik zu erzeugen und die Grundlage für wachsendes Vertrauen in Investitionen in Europas Zukunft zu schaffen. Der freie Kapitalverkehr war eines der Grundprinzipien, auf denen die EU aufgebaut wurde. Lassen Sie uns nun, mehr als fünfzig Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge, die Gelegenheit ergreifen und dafür sorgen, dass diese Vision Wirklichkeit wird.

Abschnitt 1
Schaffung einer Kapitalmarktunion

Der freie Kapitalverkehr wurde vor mehr als fünfzig Jahren in den Römischen Verträgen verankert. Er zählt zu den von der Europäischen Union garantierten Grundfreiheiten und sollte ein zentrales Element des Binnenmarkts sein. Doch trotz der erzielten Fortschritte sind die Kapitalmärkte nach wie vor fragmentiert und überwiegend national ausgerichtet. Nach einer Phase der verstärkten Integration der EU-Finanzmärkte ist seit Ausbruch der Krise mit dem Rückzug der Banken und Anleger auf ihre Heimatmärkte ein rückläufiger Trend zu verzeichnen.

Verglichen mit anderen Rechtsräumen ist die kapitalmarktgestützte Finanzierung in Europa relativ schwach ausgeprägt. Unsere Märkte für Beteiligungskapital, Schuldverschreibungen und andere Instrumente tragen in geringerem Umfang zur Wachstumsfinanzierung bei und die europäischen Unternehmen sind weiterhin stark von den Banken abhängig, weshalb unsere Volkswirtschaften empfindlich auf eine Einschränkung der Kreditvergabe durch die Banken reagieren. Auch das Vertrauen der Anleger ist unzureichend, so dass Ersparnisse in Europa womöglich nicht immer dem produktivsten Zweck zugeführt werden. Das Investitionsniveau in Europa liegt historisch gesehen deutlich unter dem Normalwert und die europäischen Finanzmärkte können mit ihren globalen Konkurrenten nicht Schritt halten.

Um auf Dauer zu mehr Wachstum und Beschäftigung zurückzukehren, ist es neben weiteren Reformen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erforderlich, dass die Kapitalmärkte verstärkt dazu beitragen, Finanzierungsmittel in die Wirtschaft zu lenken. Dazu müssen Hürden für den Kapitalverkehr zwischen Anlegern und Unternehmen oder Projekten mit Finanzierungsbedarf, sei es innerhalb eines Mitgliedstaats oder grenzüberschreitend, erkannt und abgebaut werden.

Die Schaffung einer Kapitalmarktunion ist eine zentrale Initiative im Arbeitsprogramm der neuen Kommission. Sie würde die Finanzierungsmöglichkeiten der Wirtschaft stärker diversifizieren und vor allem für KMU die Kosten der Kapitalaufnahme senken. Stärker integrierte Kapitalmärkte, insbesondere für Beteiligungskapital, würde die Schockresistenz der europäischen Wirtschaft erhöhen und zusätzliche Investitionen ermöglichen, ohne die Schuldenstände in die Höhe zu treiben. Die Kapitalmarktunion soll mittels effizienter Marktinfrastrukturen und Intermediäre zu einem besseren Kapitalfluss von Anlegern zu europäischen Investitionsprojekten führen und so die Allokation von Risiken und Kapital EU-weit verbessern und letztlich Europas Widerstandsfähigkeit gegen künftige Schocks erhöhen.

Die Kommission hat sich daher verpflichtet, bis 2019 die Grundsteine für eine gut regulierte und integrierte Kapitalmarktunion zu legen, die alle Mitgliedstaaten umfasst und gewährleistet, dass ein breites Spektrum an Unternehmen größtmöglichen Nutzen aus den Kapitalmärkten und den nicht im Bankengeschäft tätigen Finanzinstituten zieht.

Die Kapitalmarktunion soll in der EU dazu beitragen, dass KMU sich genauso einfach Kapital beschaffen können wie Großunternehmen; dass sich die Kosten für Investitionen und den Zugang zu Anlageprodukten EU-weit aneinander annähern; dass die Mittelbeschaffung auf den Kapitalmärkten einfacher wird; und dass unnötige rechtliche oder aufsichtliche Hürden einer Kapitalbeschaffung in anderen Mitgliedstaaten nicht länger im Wege stehen. Wenngleich diese Neuerungen dazu beitragen werden, die Abhängigkeit von Bankkrediten zu verringern, werden die Banken als Gläubiger eines großen Teils der Wirtschaft und als Intermediäre auf den Kapitalmärkten in der Kapitalmarktunion dennoch eine zentrale Rolle einnehmen und weiterhin für die europäische Wirtschaft von großer Bedeutung sein.

Diese Herausforderungen sind nicht gänzlich neu, müssen aber angesichts des Wachstumsbedarfs in der EU dringend gelöst werden. Davon geht auch die notwendige Dynamik aus, um Fortschritte zu erzielen. Dieses Grünbuch soll auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten eine Diskussion über die möglichen kurz- und langfristigen Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele anstoßen, an der sich die EU-Gesetzgeber, andere EU-Institutionen, nationale Parlamente und alle interessierten Kreise beteiligen.

Die Kapitalmarktunion wird sich von der Bankenunion unterscheiden, da eine vertiefte Integration der Kapitalmärkte andere Schritte erfordert, als für die Kernelemente einer Bankenunion notwendig sind. Doch wird die Bankenunion mit ihrem Ziel, der Verflechtung von Staaten und Banken im Euro-Währungsgebiet ein Ende zu setzen, den Grundstein für Stabilität legen, die wiederum für die Entwicklung der Kapitalmarktunion in allen EU-Mitgliedstaaten erforderlich ist. Im Gegenzug werden gut integrierte Kapitalmärkte die Widerstandsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion erhöhen.

Die Kapitalmarktunion sollte auf den folgenden zentralen Grundsätzen aufbauen:

1.1 Erreichung einer Kapitalmarktunion

Die Schaffung einer Kapitalmarktunion ist ein langfristiges Unterfangen. An einem einheitlichen Regelwerk wird bereits gearbeitet und zahlreiche wichtige Reformen1 werden bereits umgesetzt. Die Kommission wird sich bei ihrem weiteren Vorgehen auf eine Bewertung der ausstehenden Prioritäten unter Berücksichtigung deren möglicher Folgen und Umsetzbarkeit stützen und hierbei eine umfassende wirtschaftliche Analyse, eine Folgenabschätzung und eine Konsultation zugrunde legen.

Auf der Grundlage der Konsultationsergebnisse wird die Kommission in weiterer Folge Maßnahmen erarbeiten, um folgende Ziele zu erreichen:

Die Kommission führt derzeit eine breit angelegte Konsultation über die Art der Probleme, mögliche Maßnahmen und die Prioritätensetzung durch. Rechtsvorschriften sind womöglich nicht immer eine geeignete politische Antwort auf diese Herausforderungen, und in vielen Fällen wird es Sache des Marktes sein, Lösungen zu finden. In bestimmten Bereichen werden nichtlegislative Schritte und die wirksame Umsetzung des Wettbewerbsrechts und der Binnenmarktvorschriften am ehesten zu Fortschritten führen. Die Kommission wird erfolgversprechende Lösungen der Märkte unterstützen und Regeländerungen nur dort befürworten, wo sie notwendig sind.

Dieses Grünbuch ist wie folgt untergliedert: Abschnitt 2 enthält eine Beschreibung der momentanen Struktur der europäischen Kapitalmärkte sowie eine erste Analyse der Hürden, die tieferen und stärker integrierten Kapitalmärkten im Wege stehen. Weitere Analysen sind der beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zu entnehmen. In Abschnitt 3 bittet die Kommission um Stellungnahme zu den politischen Prioritäten, die ausgehend von der Kommissionsmitteilung "Eine Investitionsoffensive für Europa"2 frühzeitig verfolgt werden sollen und Themen wie die Umsetzung der Verordnung über europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF), hochwertige Verbriefungen, Kreditinformationen über KMU, Privatplatzierungen und die Überarbeitung der Prospektrichtlinie umfassen. In Abschnitt 4 bittet sie um Stellungnahme zu den Hürden, die dem Zugang zu Finanzmitteln, der Ausweitung der Finanzierungsquellen und der Schaffung effizienterer Märkte im Wege stehen und bei denen die Arbeiten auf der Grundlage der Rückmeldungen vorangetrieben werden können. Eine Hürde für grenzüberschreitende Kapitalflüsse stellen auch das Insolvenzrecht, das Gesellschaftsrecht, das Steuerrecht und das Wertpapierrecht dar; hier bedarf es weiterer Analysen und Rückmeldungen, um das Ausmaß der Herausforderungen in jedem Bereich zu erfassen und angemessene Lösungen und Prioritäten zu erarbeiten.

Da die Kapitalmarktunion zu einer zunehmenden Öffnung nationaler Märkte für Anleger, Emittenten und Intermediäre, zur Förderung des freien Kapitalverkehrs und zu einem Austausch bewährter Verfahren führen wird, sollte sie auch als Möglichkeit betrachtet werden, die Entwicklung der Märkte auf nationaler Ebene voranzutreiben. Angesichts der unterschiedlichen Entwicklungsgrade der Kapitalmärkte innerhalb der EU und der spezifischen Herausforderungen in einzelnen Mitgliedstaaten könnten die politischen Antworten auch aus individuellen Maßnahmen auf nationaler Ebene bestehen, die unter anderem auf den länderspezifischen Empfehlungen der Kommission in Rahmen des Europäischen Semesters beruhen würden. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, Konsultationen zu den spezifischen Herausforderungen bei der Entwicklung ihrer Kapitalmärkte durchzuführen und die Ergebnisse in die Diskussion einzubringen.

Abschnitt 2
Derzeitige Herausforderungen an den europäischen Kapitalmärkten

2.1 Aktueller Zustand der europäischen Kapitalmärkte

Neben der direkten Kreditvergabe durch die Banken sind Kapitalmärkte der wichtigste Kanal, über den potenzielle Anleger Unternehmen mit Finanzierungsbedarf treffen können. Sie stellen der Wirtschaft ein diversifiziertes Spektrum an Finanzierungsquellen zur Verfügung. Abbildung 1 zeigt einen vereinfachten Überblick über die Finanzströme in einer Volkswirtschaft. Auch wenn es an den Kapitalmärkten in erster Linie um direkte Finanzierungen geht, sind diese Märkte doch auch mit Finanzmittlern verknüpft, die Gelder von den Sparern zu den Investoren lenken.

Abbildung 1: Schematischer Überblick über die Kapitalmärkte im Finanzsystem

In den letzten Jahrzehnten sind die Kapitalmärkte in der EU stark gewachsen. So stieg die Börsenkapitalisierung in der EU von 1,3 Billionen EUR im Jahr 1992 (22 % des BIP) bis Ende 2013 auf insgesamt rund 8,4 Billionen EUR (ca. 65 % des BIP) an. Die ausstehenden Schuldverschreibungen erreichten im Jahr 2013 einen Gesamtwert von über 22,3 Billionen EUR (171 % des BIP), im Vergleich zu 4,7 Billionen EUR (74 % des BIP) im Jahr 19923.

Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Märkte jedoch nach wie vor eher unterentwickelt. Die Märkte für öffentliche Kapitalbeteiligungen der USA haben fast das doppelte Volumen wie die der EU (in % des BIP) und das dreieinhalbfache wie die der Schweiz (Abbildung 2).

Abbildung 2: Börsenkapitalisierung und Schuldverschreibungen (in % des BIP)

Quelle: ECMI-Statistikpaket.

Abbildung 3: Finanzierungsmuster der Unternehmen (in % der Gesamtverbindlichkeiten)

Auch die Märkte für privates Beteiligungskapital sind in den USA etwa doppelt so groß wie in der EU, die Märkte für Privatplatzierungen sogar bis zu drei Mal so groß.

Darüber hinaus sind die Kapitalmärkte in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich stark entwickelt. So beträgt die inländische Börsenkapitalisierung im Vereinigten Königreich mehr als 121 % des BIP, in Lettland, Zypern und Litauen dagegen weniger als 10 %.

Europa verlässt sich bei Finanzierungen traditionell stärker auf die Banken, deren Kreditvergabe in diesem Zusammenhang eine wesentlich wichtigere Rolle spielt als die Emission von Schuldtiteln auf dem Markt (Abbildung 3). Diese stärkere Abhängigkeit von Bankkrediten macht die europäische Wirtschaft und insbesondere KMU insgesamt anfälliger, wenn die Bedingungen für die Vergabe von Bankkrediten - wie in der Finanzkrise der Fall - strenger werden.

Quelle: Eurostat, OECD. Anmerkung: Die Darlehen umfassen Bankdarlehen und Darlehen zwischen Unternehmen.

Die Möglichkeiten des Zugangs zu den Kapitalmärkten variieren erheblich nach Unternehmen, aber auch nach Mitgliedstaaten. Die Begebung von Unternehmensanleihen durch nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften hat in der EU deutlich zugenommen, was zum Teil auf die niedrigen Zinsen und die dadurch bedingten günstigen Marktbedingungen für die Anleiheemittenten zurückzuführen ist. Allerdings wurden die Anleihen hauptsächlich von Großunternehmen und weniger von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) begeben.

Zudem konzentriert sich die Emission von Anleihen auf die größeren Märkte; Märkte, auf denen Unternehmen die größten Finanzierungsprobleme haben, spielen diesbezüglich eine eher untergeordnete Rolle.

Aufgrund zunehmender Bestände an ausländischen Finanzinstumenten war an den Kapitalmärkten der EU zwar schon vor der Krise eine zunehmende Integration festzustellen, doch war ein Teil dieser Integration - wie die Krise gezeigt hat - auf Emissionsfinanzierungen im Interbankengeschäft zurückzuführen, bei denen im Falle von Schocks mit einer plötzlichen Kehrtwende zu rechnen war. Die Aktienmärkte der EU sind nach wie vor durch eine starke Ausrichtung auf den heimischen Markt gekennzeichnet; mögliche Risiken und Vorteile machen sich deshalb nicht grenzüberschreitend bemerkbar. Auch die Bestände an ausländischen Schuldverschreibungen sind niedriger als man in einem voll integrierten Markt erwarten könnte. Selbst die am besten funktionierenden nationalen Märkte der EU erreichen nicht die kritische Größe, was die Anlegerbasis verkleinert und die Auswahl an Finanzinstrumenten einschränkt.

2.2 Herausforderungen und Chancen einer Kapitalmarktunion

Der Integration und Entwicklung der EU-Kapitalmärkte stehen verschiedene Hindernisse im Wege, die durch historische, kulturelle, wirtschaftliche und rechtliche Faktoren bedingt und zum Teil tief verwurzelt und nur schwer zu überwinden sind. Hierzu gehören zum Beispiel bei den Unternehmen gewachsene Vorlieben für bestimmte Finanzierungsformen, Merkmale der Altersversorgung, aufsichtsrechtliche Vorschriften und administrative Hürden, Aspekte der Corporate Governance und des Gesellschaftsrechts, Datenlücken und Merkmale der verschiedenen Steuersysteme sowie ineffiziente Marktstrukturen. Einige dieser Unterschiede bestehen selbst auf gut integrierten Kapitalmärkten fort. Um die Vorteile eines voll integrierten Kapitalbinnenmarkts zum Tragen zu bringen, müssen insbesondere in den folgenden drei Schlüsselbereichen Herausforderungen angegangen werden.

Erstens muss auf der Nachfrageseite insbesondere für KMU (z.B. innovative Startups mit hohem Wachstumspotenzial) der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, einschließlich zu Risikokapital, verbessert werden.. Der Erfolg wird davon abhängen, wie gut es im Laufe der Zeit gelingt, Informationsprobleme und die Fragmentierung wichtiger Marktsegmente zu überwinden und die Kosten für den Zugang zu den Kapitalmärkten zu senken. Darüber hinaus müssen spezifische Hindernisse für die Finanzierung langfristiger Projekte, einschließlich Investitionen in die Infrastruktur, ausgeräumt werden.

Zweitens wird auf der Angebotsseite die Entwicklung der EU-Kapitalmärkte davon abhängen, wie stark Gelder in Kapitalmarktinstrumente fließen. Eine Förderung der institutionellen und privaten Investitionen in die Kapitalmärkte käme einer Diversifizierung der Finanzierungsquellen zugute. Die wachsende betriebliche und private Altersvorsorge in Europa könnte dazu führen, dass über Kapitalmarktinstrumente mehr Mittel in ein breiteres Spektrum von Bereichen mit Investitionsbedarf fließen und so den Übergang zur Marktfinanzierung erleichtern. Wenn Kleinanleger mehr Vertrauen in Kapitalmärkte und Finanzvermittler hätten, würden private Ersparnisse, die derzeit weitgehend in Hauseigentum und Bankeinlagen ruhen, gegebenenfalls stärker in Kapitalmarktinstrumente fließen. Die dadurch erreichte Steigerung der globalen Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der europäischen Kapitalmärkte könnte auch den Investitionsfluss fördern.

Drittens können größere, stärker integrierte und tiefere Kapitalmärkte nur erreicht werden, wenn Hindernisse, die die Märkte fragmentieren und der Entwicklung spezifischer

Marktsegmente im Wege stehen, überwunden werden. Würde die Effizienz der Märkte gesteigert, könnte die EU die Vorteile eines größeren und tieferen Marktes besser nutzen. Dazu gehören mehr Wettbewerb, mehr Wahlmöglichkeiten und niedrigere Kosten für die Anleger sowie eine effizientere Teilung und Verteilung der Risiken. Stärker integrierte Kapitalmärkte, insbesondere für Beteiligungskapital, kämen der Schockresistenz der europäischen Wirtschaft zugute und würden mehr Investitionen ermöglichen ohne die Schuldenstände in die Höhe zu treiben. Gut funktionierende Kapitalmärkte werden die Kapitalallokation in der Wirtschaft verbessern und sich positiv auf die unternehmerische Initiative, die Risikobereitschaft und auf die Investitionen in Infrastruktur und neue Technologien auswirken.

Abschnitt 3
Prioritäten für frühzeitige Maßnahmen

Die Kommission hat eine Reihe von Bereichen ermittelt, in denen der Bedarf an Fortschritten allgemein anerkannt wird und die ein Potenzial für rasche Vorteile bergen. Im folgenden Abschnitt wird darauf näher eingegangen und um Stellungnahme der Interessenträger zu spezifischen Aspekten in den einzelnen Bereichen ersucht.

3.1 Abbau der Schranken für den Zugang zu den Kapitalmärkten

Der Prospekt enthält detaillierte Informationen über Unternehmen und über die Bedingungen und Risiken einer Investition, und ist für Unternehmen, die sich Finanzmittel beschaffen wollen, somit das Eingangstor zu den Kapitalmärkten; die meisten Unternehmen, die Schuldtitel oder Eigenkapitalinstrumente begeben wollen, müssen einen Prospekt erstellen. Der Prospekt darf jedoch keinesfalls zu einem unnötigen Hindernis für den Zugang zu den Kapitalmärkten werden. Die Kommission wird die aktuelle Prospektrichtlinie im Rahmen einer parallel zu diesem Grünbuch lancierten öffentlichen Konsultation überarbeiten, um den Unternehmen (einschließlich KMU) die Kapitalaufnahme in der gesamten EU4 zu erleichtern und um KMU-Wachstumsmärkte zu fördern. Dabei wird geprüft, in welchen Fällen ein Prospekt erforderlich ist, wie das Genehmigungsverfahren gestrafft werden kann und welche Möglichkeiten es für eine Vereinfachung der in den Prospekten enthaltenen Informationen gibt.

3.2 Verbreiterung der Anlegerbasis für KMU

Für KMU hat sich der Zugang zu Finanzmitteln in der Krise stärker verschlechtert als für größere Unternehmen. Informationen über KMU sind in der Regel nur begrenzt verfügbar und finden sich üblicherweise eher bei den Banken, so dass es für einige KMU schwierig ist, eine breitere Basis von Anlegern, die keine Banken sind und ihren Finanzierungsbedarf decken könnten, zu erreichen. Die Verbesserung der Kreditinformationen würde einen effizienten und nachhaltigen Kapitalmarkt für KMU aufbauen helfen. Ein gemeinsamer Mindestsatz vergleichbarer Informationen für Kreditauskünfte und Kreditbewertung könnte mehr Finanzmittel für KMU mobilisieren. Zudem könnte die Entwicklung von Finanzinstrumenten zur Refinanzierung von KMU-Darlehen wie etwa die Verbriefung von KMU-Krediten von standardisierten Informationen über die Kreditqualität profitieren.

Arbeiten zur Bewertung der Kreditwürdigkeit (Kreditscoring) haben begonnen und finden breite Unterstützung seitens der Mitgliedstaaten. Das Kreditscoring informiert Anleger und Darlehensgeber über die Kreditwürdigkeit von KMU. In Europa verfügen jedoch rund 25 % aller Unternehmen und rund 75 % der vom Eigentümer geführten Unternehmen über kein Kreditscoring. Die Arbeiten in diesem Bereich könnten dazu beitragen, die Finanzierung innovativer Startups mit hohem Wachstumspotenzial stärker zu diversifizieren. In einem ersten Schritt plant die Kommission für das Jahr 2015 die Durchführung von Workshops über KMU-Kreditinformationen, um diese Arbeiten voranzutreiben.

3.3 Nachhaltige Verbriefung

Verbriefungen, bei denen Vermögenswerte wie Hypotheken in einem Pool zusammengeführt werden, in den Anleger dann investieren, können ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Risikoübertragung sein und die Kreditvergabekapazitäten der Banken steigern. Allerdings hat sich dieser Bereich trotz der geringen Verlustraten bei europäischen Verbriefungen noch nicht von der Krise erholt. Das Emissionsvolumen von Verbriefungen belief sich in Europa im Jahr 2014 auf rund 216 Mrd. EUR, gegenüber 594 Mrd. EUR im Jahr 20075. Ein nachhaltiger EU-Markt für hochwertige Verbriefungen, der sich auf einfache, transparente und standardisierte Verbriefungsinstrumente stützt, könnte eine Brücke zwischen Banken- und Kapitalmärkten schlagen.

Im Rahmen der unlängst veröffentlichten delegierten Rechtsakte zu Solvabilität II und zur Liquiditätsdeckungsquote wurde bereits damit begonnen, einen umfassenden und kohärenten aufsichtsrechtlichen Ansatz für einfache, transparente und standardisierte Verbriefungen zu entwickeln. Ergänzend zu diesen Initiativen haben sich auch Zentralbanken, Aufsichtsbehörden, nationale Behörden und Vertreter des Privatsektors für ein umfassenderes Konzept zur Förderung der Rückkehr zu Verbriefungen in der EU ausgesprochen.

Für die Anleger müsste eine EU-weite Initiative hohe Standards, Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit für alle Verbriefungsinstrumente gewährleisten. Ein solcher Rahmen sollte insbesondere im Hinblick auf KMU-Darlehen mehr Transparenz und Kohärenz und eine bessere Verfügbarkeit der wichtigsten Informationen bewirken und das Wachstum der Sekundärmärkte im Interesse einer Vereinfachung sowohl von Emissionen als auch Investitionen stärken. Die Kommission wird parallel zu diesem Grünbuch eine Konsultation über konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele durchführen.

3.4 Förderung langfristiger Investitionen

Die Investitionstätigkeit hat in der EU seit dem Höchststand aus dem Jahr 2007 deutlich nachgelassen und liegt nach wie vor unter dem historischen Durchschnitt. Die Europäische Kommission hat bereits eine Investitionsoffensive angekündigt, die im Laufe der nächsten drei Jahre dank der Errichtung des neuen Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI)6 öffentliche und private Investitionen in Höhe von mindestens 315 Mrd. EUR anstoßen wird, und hat eine Mitteilung über die langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft veröffentlicht, in der eine Reihe von Maßnahmen beschrieben sind, die die Investitionstätigkeit weiter anregen sollen. Der kürzlich fertig gestellte Rechtsrahmen für europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF) wird den Anlegern Möglichkeiten für langfristige Investitionen in Unternehmen und Infrastrurkturprojekte eröffnen. ELTIF dürften für Anleger wie Versicherungsunternehmen oder Pensionsfonds, die auf der Suche nach stetigen Einkommensströmen oder langfristigem Kapitalwachstum sind, besonders attraktiv sein.

Die Kommission bittet um Stellungnahme dazu, wie die Kommission und die Mitgliedstaaten die Nutzung von ELTIF fördern könnten, einschließlich einer möglichen Ausweitung von Vergünstigungen, die derzeit nationalen Regelungen gewährt werden, auf ELTIF.

3.5 Entwicklung europäischer Märkte für Privatplatzierungen

Eine Finanzierungsmöglichkeit für Unternehmen stellen Privatplatzierungen dar, bei denen einer Einzelperson oder einer kleinen Gruppe von Anlegern Wertpapiere außerhalb der öffentlichen Märkte angeboten werden. Dies kann Unternehmen eine kosteneffizientere Finanzierungsmöglichkeit bieten und darüber hinaus die Verfügbarkeit von Finanzierungen für mittlere bis große Unternehmen und möglicherweise auch für Infrastrukturprojekte verbessern.

Mittlere europäische Unternehmen sind schon seit vielen Jahren am US-amerikanischen Markt für Privatplatzierungen aktiv und haben im Jahr 2013 dort 15,3 Mrd. USD aufgenommen7. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise hat in Europa die Beliebtheit von Privatplatzierungen zugenommen und sind in einigen Mitgliedstaaten entsprechende Märkte entstanden. Insbesondere in Deutschland und Frankreich wurden im Jahr 2013 auf den inländischen Privatplatzierungsmärkten Mittel in Höhe von rund 15 Mrd. EUR aufgenommen. Hindernisse, die der Entwicklung europaweiter Märkte im Wege stehen, sind unterschiedliche nationale Insolvenzgesetze, fehlende standardisierte Verfahren, Unterlagen und Informationen über die Bonität der Emittenten.

In einem ersten Schritt auf dem Weg zu europäischen Privatplatzierungsmärkten hat ein Konsortium von Wirtschaftsverbänden einen Leitfaden für gemeinsame Verfahren, Grundsätze und eine standardisierte Dokumentation für Privatplatzierungen erstellt, der mit einer Vielzahl von Rechtsrahmen vereinbar ist. Dieser Leitfaden wurde kürzlich veröffentlicht und erste Emissionen dürften bald folgen. Die Kommission begrüßt dieses marktorientierte Konzept, das kurzfristig zur Entstehung eines europaweiten Privatplatzierungsmarkts beitragen könnte.

Fragen

Abschnitt 4
Entwicklung und Integration der Kapitalmärkte

Um die Vorteile eines voll integrierten Kapitalbinnenmarkts zum Tragen zu bringen, müssen Herausforderungen insbesondere in den folgenden drei Schlüsselbereichen angegangen werden:

4.1 Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln

Letztlich hängt der Erfolg aller Bestrebungen, eine effiziente Kapitalmarktunion zu schaffen und einen möglichst breiten Zugang zu Finanzierungen zu ermöglichen, von gut funktionierenden Märkten für Beteiligungskapital und Anleihen ab, die aufgrund ihrer Größe und Bedeutung eine entscheidende Rolle spielen. Allerdings gibt es noch erhebliche Hemmnisse für den freien Fluss von Finanzmitteln, die insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sowie längerfristige Projekte (z.B. im Bereich Infrastruktur) betreffen, die beide für die Steigerung der Produktivität und des Wirtschaftswachstums von entscheidender Bedeutung sind. In den am stärksten von der Krise betroffenen Mitgliedstaaten sind diese Probleme besonders ausgeprägt.

KMU sind traditionell stark auf Bankkredite angewiesen. In der Krise wurden die Banken in ihren Entscheidungen über die Vergabe von Krediten zwangsläufig immer selektiver. Dies war sowohl durch Bilanzzwänge als auch durch die steigende Ausfallwahrscheinlichkeit von Kreditnehmern bedingt. Die Kapitalmärkte können Bankdarlehen für KMU zwar sinnvoll ergänzen, doch kommt aufgrund der großen Diversität der Unternehmen und der spärlichen Kreditinformationen persönlichen Beziehungen hier häufig große Bedeutung zu.

Alternative Finanzierungsquellen spielen - insbesondere für Startups und kleine, aber rasch wachsende Unternehmen in innovativen Wirtschaftszweigen - eine wichtige Rolle. Diese Unternehmen generieren in der Regel zunächst nur geringe Cashflows und hängen von externen Finanzierungen ab, um wachsen zu können. Bankfinanzierungen sowie andere Finanzierungsinstrumente wie Leasing und Factoring sind häufig schwer zugänglich oder reichen für Unternehmen mit signifikanten immateriellen Vermögenswerten, die nicht ohne weiteres als Sicherheit für einen Kredit verwendet werden können, nicht aus.

Der Zugang zu öffentlichen Kapitalmärkten ist nicht nur für KMU teuer, sondern auch für mittelgroße Unternehmen, die noch eher als KMU Kapital auf öffentlichen Märkten aufnehmen. Eigenkapitalinstrumente und Schuldtitelemissionen sind mit hohen Fixkosten zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten und regulatorischen Anforderungen verbunden. Darunter fallen auch die Kosten für die Offenlegung von Informationen, die Anleger oder Regulierungsbehörden verlangen, sowie die Erfüllung anderer Corporate-GovernanceAnforderungen und die Inauftraggabe externer Ratings. Zudem sind Unternehmen, die sich in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, aus kommerziellen Erwägungen vielleicht nicht daran interessiert, detaillierte Informationen über ihren Geschäftsplan offenzulegen, und zögern, die Kontrolle abzugeben oder strengere externe Prüfungen zu akzeptieren. Dadurch sind kleine und mittelgroße Unternehmen häufig vom Zugang zu öffentlichen Beteiligungskapital- und Anleihemärkten ausgeschlossen und in dieser Beziehung hauptsächlich auf die privaten Märkte angewiesen, die in der Regel weniger stark standardisiert, komplexer und häufig teurer sind.

Großunternehmen können die Fixkosten für die Nutzung der Kapitalmärkte aufgrund ihrer Größe im Allgemeinen gut bewältigen und mit jeder einzelnen Emission die Aufmerksamkeit von Kreditgebern, Anlegern und Analysten gewinnen. Auch wenn die Begebung von Unternehmensanleihen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und den Rückgang der Kreditvergabe durch die Banken teilweise ausgeglichen hat, bleibt die Emission börsennotierter Aktien in Europa nach wie vor verhalten. Wirksamere und effizientere Märkte können dazu beitragen, die Kosten für den Zugang zu diesen Märkten zu senken und kämen damit allen Unternehmen zugute.

Schließlich benötigt die EU zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit auch umfangreiche Neuinvestitionen in die Infrastruktur. Kurzfristiges Denken, regulatorische Hindernisse und andere Faktoren schränken den Mittelfluss zu solchen Projekten jedoch ein. Zudem weisen viele Infrastrukturprojekte Merkmale öffentlicher Güter auf, so dass eine ausschließlich private Finanzierung möglicherweise nicht das geeignete Mittel ist, um eine optimale Investitionshöhe zu erreichen. Der EFSI dürfte zwar einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Investitionen in Infrastrukturprojekte leisten8, doch würde die Kommission Anregungen bezüglich alternativer Möglichkeiten zur Erreichung dieses Ziels begrüßen.

Schließung von Informationslücken

In Europa wenden sich die meisten KMU nur dann an Banken, wenn sie eine Finanzierung benötigen. Knapp 13 % dieser Anträge werden abgelehnt, häufig weil sie selbst bei Rentabilität nicht dem von den Banken erwünschten Risikoprofil entsprechen. Zwar verweisen die Banken KMU mitunter an andere Geldgeber, doch funktioniert dies nicht immer, da weder die Banken noch KMU sich der Alternativen ausreichend bewusst sind. Die Banken könnten deshalb dazu ermutigt werden, KMU, deren Kreditanträge abgelehnt werden, für alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu sensibilisieren.

Die "International Financial Reporting Standards" (IFRS) sind für die Förderung einer einheitlichen Rechnungslegung in der EU von zentraler Bedeutung und erleichtern großen börsennotierten Unternehmen in der EU den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. Würden jedoch kleine Unternehmen, insbesondere solche, die Zugang zu speziellen Handelsplätzen suchen, zur vollumfänglichen Anwendung der IFRS verpflichtet, würden ihnen damit zusätzliche Kosten aufgebürdet. Die Erarbeitung eines vereinfachten, einheitlichen und qualitativ hochwertigen Rechnungslegungsstandards, der auf solche an bestimmten Handelsplätzen9 notierte Unternehmen zugeschnitten ist, könnte hier für größere Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen und bei verhältnismäßiger Anwendung die Attraktivität solcher Unternehmen für international tätige Anleger erhöhen. Ein solcher Standard könnte zu einem Merkmal für KMU-Wachstumsmärkte werden und käme für die Anwendung in größerem Umfang in Betracht.

Größere Transparenz von Infrastrukturvorhaben oder Projektverzeichnissen könnte diese für private Anleger attraktiver machen und gleichzeitig die Regulierungsbehörden bei der Entwicklung eines besser abgestimmten Aufsichtssystems für Infrastrukturinvestitionen unterstützen. Im Bericht der Investment-Taskforce vom 9. Dezember 2014 wurde als Lösung die Einrichtung einer zentralen EU-Website mit Links zu Projekten/Projektverzeichnissen der Mitgliedstaaten und Informationen über EU-Vorhaben (z.B. im Rahmen der Fazilität "Connecting Europe" und der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds) vorgeschlagen. Auf der Grundlage des Berichts der Investment-Taskforce hat die Kommission die Schaffung eines europäischen Investitionsprojekteverzeichnisses vorgeschlagen, damit Investoren sich leichter über Anlagemöglichkeiten in der gesamten EU informieren können und um deren Beteiligung an der Gesamtfinanzierung zu maximieren10. Dazu gehören auch die Einrichtung einer eigenen Website und gemeinsame Standards für die Präsentation der Informationen. Die Erstellung eines solchen Projektverzeichnisses wird auf den Arbeiten aufbauen, die in einigen Mitgliedstaaten bereits begonnen haben.

Standardisierung als Anstoß für Märkte

Auch wenn Standardisierung nicht ohne Nachteile ist, kann bestimmten Märkte durch einen Satz gemeinsamer Marktregeln, transparente Produktmerkmale und eine kohärente Beaufsichtigung und Durchsetzung der Bestimmungen ein erster Anstoß gegeben werden. Ein gewisses Maß an Standardisierung kann die Attraktivität für Anleger erhöhen und für größere Markttiefe und -liquidität sorgen. Dies trifft vor allem auf kleinere Mitgliedstaaten zu, wo die Märkte keine effiziente Mindestgröße erreichen können, wenn sie auf inländische Kapitalquellen beschränkt bleiben. Wenn gemeinsame Standards nicht erforderlich oder nur schwer zu erreichen sind, kann der Schwerpunkt stärker auf die EU-weite Einführung bewährter Praktiken gelegt werden, um die Entwicklung bestimmter Finanzinstrumente zu fördern.

Ein stärker integrierter europäischer Markt für gedeckte Schuldverschreibungen könnte zu einer günstigeren Finanzierung von Banken beitragen und den Anlegern ein breiteres Spektrum von Investitionsmöglichkeiten bieten. Der Erfolg gedeckter Schuldverschreibungen als Finanzierungsinstrument ist eng mit der Entwicklung eines spezifischen nationalen Rechtsrahmens verknüpft. Die Kommission wird im Jahr 2015 eine Konsultation über die Vorteile und mögliche Gestaltung eines EU-Rahmens für gedeckte Schuldverschreibungen durchführen und mehrere Optionen für eine stärkere Integration der Märkte für gedeckte Schuldverschreibungen präsentieren, die auf Erfahrungen mit bewährten nationalen Rahmen basieren werden. Sie wird ferner darüber nachdenken, ob Anleger - analog zu ähnlichen Angabepflichten bei strukturierten Finanzinstrumenten - mehr Informationen über die Sicherheiten, die gedeckten Schuldverschreibungen und anderen strukturierten Schuldtiteln zugrunde liegen, erhalten sollten.

Trotz der jüngsten Zunahme der Emissionen von Unternehmensanleihen sind diese weiterhin durch schwache Standardisierung und Preistransparenz gekennzeichnet. In den vergangenen Jahren wurden in einigen Mitgliedstaaten neue elektronische Plattformen für den Anleihehandel eingerichtet, die sich gezielt an Kleinanleger richten, doch könnte die mangelnde Standardisierung die Entwicklung von Handelsplätzen und eines liquiden Sekundärmarkts hemmen. Eine stärkere Standardisierung der Emission von Unternehmensschuldverschreibungen könnte der Entwicklung eines stärker liquiden Sekundärmarkts für Unternehmensanleihen zugute kommen. Die Kommission bittet um Stellungnahmen zu der Frage, ob ein stärker standardisierter Markt für Unternehmensanleihen weiter verfolgt werden sollte und sich dies am besten durch marktorientierte Initiativen oder durch aufsichtliche Maßnahmen erreichen lässt.

Eine weitere, neu aufkommende Kategorie von Investitionen, die den Zugang zu Finanzmitteln weiter verbessern könnten, sind Umwelt-, Sozial- und CorporateGovernance-Investitionen wie z.B. die so genannten "grünen Anleihen". Die Erträge grüner Anleihen fließen in Projekte und Tätigkeiten zur Bekämpfung des Klimawandels oder zur Verfolgung anderer Ziele der ökologischen Nachhaltigkeit. Ein Grund für das rapide Wachstum dieses Marktes ist die marktgetriebene Standardisierung, bei der den u.a. von der Weltbank, der Europäischen Investitionsbank und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erarbeiteten Kriterien für die Auswahl grüner Anleihen Rechnung getragen wird. Marktteilnehmer arbeiten derzeit an der Ausarbeitung freiwilliger Leitlinien, der so genannten "Grundsätze für grüne Anleihen", die Transparenz empfehlen und durch Klärung bestimmter Prinzipien für die Emission grüner Anleihen die Entwicklung eines integrierten Marktes für grüne Anleihen fördern.

Raum für die Entwicklung alternativer Finanzierungsformen.

Der Online-Charakter von Mechanismen wie Peerto-Peer-Darlehen und Crowdfunding lässt zwar auf ein großes Potenzial für die Finanzierung der Wirtschaft über nationale Grenzen hinweg schließen, doch gibt es diesbezüglich kaum Anzeichen für grenzübergreifende oder europaweite Tätigkeiten. Als Folgemaßnahme zur Mitteilung über Crowdfunding11 sammelt die Kommission Informationen über die Vorgehensweise der Branche bei der Bereitstellung von Informationen und über Regulierungskonzepte der Mitgliedstaaten. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die unterschiedlichen nationalen Konzepte in diesen Bereichen zwar Crowdfunding auf lokaler Ebene fördern können, aber in einem grenzüberschreitenden Kontext nicht unbedingt miteinander vereinbar sind.

Fragen

4.2 Entwicklung und Diversifizierung des Finanzierungsangebots

Die Größe der Kapitalmärkte hängt letztlich davon ab, in welchem Umfang Ersparnisse in Kapitalmarktinstrumente fließen. Kapitalmärkte können somit nur gedeihen, wenn es ihnen gelingt, institutionelle Anleger, Kleinanleger und internationale Anleger anzulocken.

Anstoß für Investitionen institutioneller Anleger

Langfristig orientierte institutionelle Anleger spielen auf den Kapitalmärkten eine zunehmend wichtige Rolle. Allerdings können sich langfristige Investitionen, die institutionelle Anleger in langfristige Projekte, einschließlich Investitionen in Infrastruktur, tätigen wollen, an regulatorischen Hindernissen und anderen Faktoren stoßen.

Mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 17 Billionen EUR kommt der europäischen Vermögensverwaltungsbranche eine Schlüsselrolle bei der Kanalisierung von Anlagegeldern in die Wirtschaft zu. Der bisher verzeichnete Erfolg ist direktes Ergebnis der Europäischen Rahmenvorschriften für Investmentfonds. Die OGAW-Bestimmungen (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren)12 für Investmentfonds sind anerkannter internationaler Standard; die Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie)13 hat einen Rahmen für die Arbeit europäischer Verwalter alternativer Investmentfonds geschaffen.

Die durch Rechtsvorschriften bedingten Kosten für die Errichtung von Fonds, die Zulassung als Fondsverwalter und den grenzübeschreitenden Verkauf der Papiere variieren derzeit stark zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Geringere Kosten für die Auflegung eines Fonds und generell für den grenzüberschreitenden Vertrieb würden Marktzutrittsschranken abbauen helfen und den Wettbewerb fördern. Neben der Zulassung neuer Marktteilnehmer ist es auch wichtig, dass Fonds wachsen können, um von Größenvorteilen zu profitieren. Die Kommission begrüßt Meinungen zu weiteren politischen Maßnahmen, die Anreize für institutionelle Anleger schaffen könnten, damit diese größere Summen einsammeln und sie in eine breitere Palette von Vermögenswerten, wie etwa in langfristige Projekte, Startups und KMU, investieren.

Auch in der Altersversorgung und der Versicherungsbranche werden erhebliche Vermögenswerte in Höhe von rund 12 Billionen EUR gehalten, die in Investitionen fließen könnten. Der ab dem 1. Januar 2016 geltende neue Aufsichtsrahmen für

Versicherungsunternehmen (Solvabilität II) 14 wird es den Unternehmen ermöglichen, in stärkerem Umfang in langfristige Vermögenswerte zu investieren, da nationale Beschränkungen für die Zusammensetzung ihres Vermögensportfolios aufgehoben werden15. Darüber hinaus hat die Kommission sichergestellt, dass die Standardformel zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen langfristige Investitionen nicht erschwert, und die Kongruenz zwischen langfristigen Vermögenswerten und langfristigen Verbindlichkeiten gegeben ist16. Trotz der generellen Zustimmung zu diesem Schritt wurde in Bezug auf die Kalibrierung der Kapitalanforderungen an Versicherungsgesellschaften und Banken eine individuelle Behandlung von Infrastrukturinvestitionen gefordert. Hier sind weitere Arbeiten notwendig, um Infrastrukturkredite und/oder Kapitalbeteiligungen mit niedrigerem Risiko zu ermitteln und auf dieser Grundlage die aufsichtsrechtlichen Vorschriften gegebenenfalls zu überarbeiten und Infrastruktur-Unterklassen zu schaffen.

Kapitalgedeckte Systeme für die Altersvorsorge sind in einigen Mitgliedstaaten zunehmend von Bedeutung. Werden solche Systeme umsichtig und entsprechend ihrer gesellschaftlichen Funktion verwaltet, können sie zur Tragfähigkeit und Angemessenheit der Pensions- und Rentensysteme beitragen und eine wachsende Rolle als Investoren in der europäischen Wirtschaft einnehmen. Neue Vorschriften für die betriebliche Altersversorgung, die derzeit erörtert werden, könnten Hindernisse für mehr Investitionen der Rentensysteme in langfristige Vermögenswerte beseitigen. Der Austausch bewährter Verfahren könnte zudem die Kompatibilität nationaler Systeme erhöhen.

Die persönliche Altersvorsorge ist Gegenstand mehrerer Rechtsakte der EU. Hier stellt sich die Frage, ob die Einführung eines standardisierten Produkts (z.B. über ein europaweites oder "29." System) unter Beseitigung der Hindernisse für den grenzüberschreitenden Zugang den Binnenmarkt für die persönliche Altersvorsorge stärken würden. In jedem Fall müsste ein wirksamer Verbraucherschutz gewährleistet werden, und gleichzeitig müsste für eine bessere Deckung und Inanspruchnahme sowie eine angemessene Sicherung der Spareinlagen gesorgt sein.

Als Alternative zu traditionellen Bankdarlehen, Schuldtitelemissionen und Eigenkapitalinstrumenten spielt auch das private Beteiligungs- und Risikokapital in der europäischen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Allerdings können auf Risikokapitalmärkten häufig keine ausreichenden Skaleneffekte erzielt werden; dies gilt nicht nur für auf die Finanzierung wachstumsstarker Unternehmen spezialisierte Börsen, sondern auch für Risikokapitalbeteiligungen in der Gründungs- oder Entwicklungsphase neu gegründeter oder High-Tech-Unternehmen. Hinzu kommen große Unterschiede bei der Entwicklung der Risikokapitalmärkte in den einzelnen Mitgliedstaaten: rund 90 % aller RisikokapitalfondsVerwalter konzentrieren sich auf acht Mitgliedstaaten17.

In einigen Mitgliedstaaten ist es für Risikokapitalfonds nicht einfach, eine Größenordnung zu erreichen, die ihnen eine Streuung des Portfolio-Risikos ermöglicht. Hauptgründe hierfür scheinen das Fehlen einer Risikokapitalkultur, fehlende Informationen, fragmentierte Märkte und hohe Kosten zu sein.

Um die Bereitstellung von Risikokapital für Startups und Sozialunternehmen, das diesen unter bestimmten Bedingungen in Form von Eigenkapitalbeteiligungen oder Darlehen gewährt wird, zu fördern, hat die EU im Jahr 2013 die Verordnungen über Europäische Risikokapitalfonds18 und den Europäische Fonds für soziales Unternehmertum19 erlassen. Die Ergebnisse sind bisher ermutigend, doch besteht Spielraum für weiteres Wachstum, wobei einer weiteren Verbreitung vermutlich ein ganzes Spektrum von Hindernissen entgegen steht. Es wurde insbesondere der Einwand erhoben, dass Verwalter, die über ein Portfolio in Höhe von mehr als 500 Mio. EUR verfügen, solche Fonds weder eröffnen und verwalten noch diese Bezeichnung verwenden dürfen, um die Fonds in der EU zu vertreiben. Eine Ausweitung auf ein größeres Spektrum an Marktteilnehmern könnte die Anzahl von Risikokapitalfonds und Europäischen Fonds für soziales Unternehmertum gegebenenfalls erhöhen.

Auch öffentliche Mittel können hier eine Rolle spielen; in mehreren Mitgliedstaaten sind regionale Gebietskörperschaften bereits wichtige Geber von Risikokapital. EU-Finanzinstrumente wie das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP), die europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF)20 und Beteiligungsfinanzierungen im Rahmen von Strukturfondsprogrammen konnten erfolgreich dazu beitragen, Risikokapital für KMU zu mobilisieren. Das EU-Programm für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und für KMU (COSME)21 und die Horizont-2020 Programme werden darauf aufbauen. Darüber hinaus wurden im Juli 2014 die Regeln für staatliche Beihilfen geändert und mehr Spielraum für staatliche Interventionen eingeräumt, um gegebenenfalls die Entwicklung eines Markts für Risikofinanzierungen und die Verbesserung des Zugangs für KMU zu fördern und den Zugang für KMU sowie kleine oder innovative Mid-Cap-Unternehmen zu verbessern22. Nun ist zu prüfen, wie das Volumen der Risikokapitalfonds gesteigert und wie Finanzierungen des öffentlichen und des privaten Sektors dazu beitragen können.

Auch der Mangel an Ausstiegsmöglichkeiten für Investoren könnte sich als Hindernis für die Bereitstellung von Risikokapital erweisen. Die Kommission möchte herausfinden, wie ein besseres Umfeld für Business Angels23, Risikokapital und Börsengänge geschaffen werden kann, um bessere Ausstiegsstrategien für Investoren zu ermöglichen und die Bereitstellung von Risikokapital für Startups zu steigern.

Die Banken werden auch weiterhin als Emittenten, Anleger und Intermediäre zentrale Akteure an den Kapitalmärkten bleiben; auch im Hinblick auf die Vermittlung von Krediten kommt ihnen aufgrund ihrer Bedeutung für die Finanzierung und die Bereitstellung von Informationen nach wie vor eine zentrale Rolle zu. Gleichzeitig entstehen jedoch neue Technologien und Geschäftsmodelle wie Peerto-Peer-Darlehen oder andere Arten direkter Darlehen ohne Beteiligung von Banken, die auf die Finanzierung von KMU und Startups ausgerichtet sind. Die Kommission ersucht um Rückmeldungen zu Hindernissen, die die Bereitstellung und das Wachstum solcher Dienste, die die Kreditvergabe der Banken ergänzen, signifikant erschweren.

Fragen

Anstöße für Kleinanleger

Das Interesse der Kleinanleger für direkte Investitionen in die Kapitalmärkte ist in der EU im Allgemeinen eher schwach ausgeprägt; hier dominieren kollektive institutionelle Investitionen. Allerdings verfügen die europäischen Haushalte über erhebliche Spareinlagen auf Bankkonten, die in einigen Fällen produktiver genutzt werden könnten. Die sinkenden Einlagenzinsen bieten den privaten Haushalten bereits einen Anreiz, ihr Finanzvermögen von den Banken in die Wertpapiermärkte umzuschichten.

Investmentfonds wie OGAW sind bei Kleinanlegern, die auf den Kapitalmärkten investieren wollen, zwar sehr beliebt, doch ist der Anteil direkter Beteiligungen von Kleinanlegern an OGAW nach wie vor relativ gering: Im Jahr 2013 hielten private Haushalte im Euroraum nur 26 % der Anteile an Investmentfonds24. Im Bestreben, für eine breitere Palette von Investmentprodukten und für mehr Wettbewerb zu sorgen, begrüßt die Kommission Rückmeldungen zu Möglichkeiten für eine Steigerung der grenzüberschreitenden Beteiligung von Kleinanlegern an OGAW.

Kleinanleger werden Investitionen in Kapitalmärkte erst dann als attraktiv betrachten, wenn sie Vertrauen in diese Märkte und die dort tätigen Finanzintermediäre haben und davon ausgehen, dass sie für ihre Ersparnisse eine bessere Rendite sicher erzielen können. Die Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger ist eine zentrale Aufgabe und große Herausforderung für den Finanzsektor. Auch eine bessere Allgemeinbildung bei Finanzfragen würde die Verbraucher in die Lage versetzen, Finanzprodukte effizienter und einfacher auszuwählen und Produkte miteinander zu vergleichen. Derzeit laufen verschiedene nationale Programme zur Verbesserung von Finanzwissen und -ausbildung sowie das EU-Projekt "Consumer Classroom". In bestimmten Fällen könnten sich auch stärker standardisierte oder einfachere Finanzprodukte, wie sie in einigen Mitgliedstaaten bereits bestehen, als nützlich erweisen.

Regulierung und Aufsicht können kann dazu beitragen, bei den Anlegern Vertrauen zu schaffen. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) haben im Rahmen von MiFID I125 und anderen Rechtsvorschriften mehr Befugnisse im Bereich des Anlegerschutzes erhalten. Wie die Kommission in ihrer jüngsten Überprüfung der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA)26 anmerkte, könnten deren Mandate in Bezug auf den Verbraucher- und Anlegerschutz geklärt und erforderlichenfalls verstärkt werden.

Mehr grenzübergreifender Wettbewerb bei Finanzdienstleistungen für Privatkunden könnte die Auswahl erhöhen, die Preise senken und die Dienstleistungen verbessern. Finanzdienstleistungen, die auf elektronischem Wege und über mobile Geräte bereitgestellt werden, könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten, sofern es gelingt, die Bedenken hinsichtlich Betrug, Hacking und Geldwäsche ohne Einschnitte bei der Benutzerfreundlichkeit für die Kunden auszuräumen. Die Kommission wird in vorbereitenden Arbeiten untersuchen, wie ein Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen für Privatkunden den Verbrauchern noch mehr Vorteile bringen kann.

Fragen

Attraktivität für internationale Investitionen

Um für internationale Investitionen attraktiv zu sein, müssen die europäischen Kapitalmärkte offen und global wettbewerbsfähig sowie gut reguliert und integriert sein, d.h. es müssen hohe EU-Standards zur Sicherung von Marktintegrität, Finanzstabilität und Anlegerschutz aufrechterhalten werden. Angesichts des globalen Charakters der Kapitalmärkte muss beim Aufbau der Kapitalmarktunion der globale Kontext berücksichtigt werden.

Auch wenn vom krisenbedingten Rückgang der Bruttokapitalströme keine Region der Welt verschont blieb, sind die Bruttokapitalzu- und -abflüsse in der EU (und insbesondere im Euro-Raum) prozentual zum BIP doch am drastischsten gesunken. Alle Komponenten der Bruttokapitalzuflüsse (Portfolioinvestitionen, ausländische Direktinvestitionen und Bankkredite) waren 2013 gegenüber 2007 rückläufig.

Nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) belief sich der weltweite Gesamtbestand an grenzübergreifenden Portfolioinvestitionen Ende 2013 auf 25 Billionen EUR. Die Portfolioinvestitionen zwischen den EU-Mitgliedstaaten erreichten insgesamt 9,6 Billionen EUR, während sich die Portfolioinvestitionen von außerhalb der EU auf 5 Billionen EUR beliefen. Dies macht deutlich, dass die Investitionen aus Drittländern in Aktien und Schuldverschreibungen durchaus noch ausbaufähig sind.

Bei der Unterstützung der Auslandsinvestitionen kommt der internationalen Handels- und Investitionspolitik der EU27 eine zentrale Rolle zu. Internationale Handels- und Investitionsvereinbarungen liberalisieren den Kapitalverkehr, regulieren den Marktzugang und Marktinvestitionen, auch für die Erbringung von Finanzdienstleistungen, und können dazu beitragen, sowohl ein angemessenes Anlegerschutzniveau für Investitionen in Europa als auch EU-weit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen28. Außerdem leistet die Kommission einen Beitrag zu den internationalen Arbeiten im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit, beispielsweise zu den OECD-Kodizes zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs.

Der direkte Vertrieb von EU-Investmentfonds und anderen Anlageinstrumenten in Drittländern sollte erleichtert werden. Erreicht werden könnte dies unter anderem, indem Hemmnisse für den Zugang von EU-Finanzinstituten und -Finanzdienstleistungen zu Drittlandsmärkten abgebaut und die Märkte für die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung in künftigen Handelsvereinbarungen geöffnet würden.

Angesichts dieser Entwicklungen ist die Kommission an Stellungnahmen dazu interessiert, welche Maßnahmen getroffen werden könnten, um die EU-Märkte für internationale Anleger attraktiver zu machen.

Fragen

4.3 Die Funktionsweise der Märkte verbessern - Intermediäre, Infrastruktur und allgemeiner Rechtsrahmen

Einheitliches Regelwerk, Durchsetzung und Wettbewerb

Die Entwicklung eines einheitlichen Regelwerks in den letzten Jahren war ein großer Schritt hin zu einem harmonisierten Rechtsrahmen für die Kapitalmärkte, in dem Firmen über Ländergrenzen hinweg unter gleichen Wettbewerbsbedingungen konkurrieren können. Der Erfolg des einheitlichen Regelwerks hängt auch davon ab, dass die Regeln effektiv umgesetzt und konsequent durchgesetzt werden. Nach wie vor lassen zentrale EU-Rechtsakte den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zusätzliche Anforderungen zu erheben (so genanntes "Goldplating"), und auch unterschiedliche Regelauslegungen haben Probleme zur Folge. Die Kommission arbeitet gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und den Europäischen Aufsichtsbehörden (ESA) daran, sicherzustellen, dass die EU-Rechtsvorschriften für den Finanzsektor richtig implementiert und in der Praxis korrekt durchgesetzt werden.

Der Wettbewerb trägt maßgeblich dazu bei, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die preiswertesten Produkte und Dienstleistungen erhalten und Kapital den produktivsten Verwendungszwecken zugeführt wird. Marktzutrittsschranken für Wettbewerber sollten, wo immer möglich, beseitigt werden, und der Zugang zur Finanzmarktinfrastruktur muss sichergestellt sein. Um effizientere und gut funktionierende Kapitalmärkte sicherzustellen, hat die Kommission ihre wettbewerbsrechtliche Handhabe in den letzten Jahren mehrfach genutzt. Sie wird auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass das Wettbewerbsrecht rigoros angewandt wird, um Wettbewerbsbeschränkungen oder -verzerrungen, die die Entwicklung integrierter, gut funktionierender Kapitalmärkte beeinträchtigen könnten, zu verhindern.

Der Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit sollte auch durchgesetzt werden, um ungerechtfertigte Hemmnisse für die Investitionsströme innerhalb der EU aus der Welt zu schaffen. Beispielsweise könnten Anforderungen eines Aufnahmemitgliedstaat für Marktteilnehmer, die von ihrem Herkunftsmitgliedstaat einen "europäischen Vertriebspass" erhalten haben, in einigen Fällen durchaus ein unzulässiges Kapitalverkehrshemmnis darstellen. Stabilere, transparentere und planbarere Rahmenbedingungen für Anleger könnten dazu beitragen, Vertrauen zu schaffen und die Attraktivität des Binnenmarkts als Standort für langfristige Investitionen zu erhöhen.

Aufsichtskonvergenz

Auch wenn die regulatorischen Rahmenvorschriften für die Kapitalmärkte weitgehend harmonisiert wurden, hängt der Erfolg der Reformen doch auch von der Umsetzung und konsequenten Durchsetzung der Vorschriften ab. Bei der Förderung der Konvergenz kommt den ESA eine entscheidende Rolle zu. Die Kommission hat unlängst einen Bericht über die Tätigkeit der Europäischen Aufsichtsbehörden und des Europäischen Systems der Finanzaufsicht (ESFS)29 veröffentlicht, in dem verschiedene Bereiche mit kurz- und mittelfristigem Verbesserungspotenzial aufgezeigt wurden. Die Kommission wird die Funktionsweise und Tätigkeit der ESA sowie ihre Leitungsstrukturen und Finanzierung weiterhin überprüfen.

Den ESA kommt eine wichtige Rolle dabei zu, eine noch stärkere Konvergenz der Aufsicht zu fördern, indem sie Peer-Reviews stärker in den Mittelpunkt rücken und nutzen sowie für ein geeignetes Followup sorgen. Darüber hinaus könnte die Nutzung der Streitbeilegung, wo diese nötig ist, und der Untersuchungsbefugnisse im Zusammenhang mit mutmaßlichen Verstößen gegen EU-Recht eine binnenmarktweit konsequente Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts erleichtern.

Die Rolle, die die ESA in diesem Zusammenhang spielen, könnte Gegenstand weiterer Überlegungen sein. Sofern die nationalen Aufsichtsregelungen unterschiedliche Anlegerschutzniveaus zur Folge haben, die grenzübergreifende Geschäftstätigkeit behindern und Unternehmen von einer Finanzierung in anderen Mitgliedstaaten abhalten können, gibt es für die ESA möglicherweise durchaus noch weitere Betätigungsmöglichkeiten zwecks Stärkung der Konvergenz.

Daten und Meldewesen

Die Entwicklung EU-weit gleicher Daten- und Meldestandards könnte dazu beitragen, eine engere Kapitalmarktintegration zu fördern. So ist für die Aktienmärkte beispielsweise ein konsolidierter Datenticker ("cosolidated tape") unerlässlich, um die Qualität, Verfügbarkeit und Zeitnähe nachbörslicher Informationen zu gewährleisten. Sollten die marktgeführten Anstrengungen nicht ausreichen, um einen konsolidierten Datenticker hervorzubringen, der für die Marktteilnehmer zu vertretbaren Kosten leicht zugänglich und nutzbar ist, muss möglicherweise über andere Lösungen nachgedacht werden, beispielsweise darüber, einen gewerblichen Anbieter mit dem Betrieb eines konsolidierten Datentickers zu beauftragen. Die Kommission wird auch sicherzustellen versuchen, dass die Verbreitung konsolidierter Daten zu kommerziell angemessenen Konditionen ungehindert möglich ist.

Effizientere Ansätze für die Meldung von Aufsichts- und Marktdaten an die nationalen Behörden oder die ESMA, beispielsweise gemeinsame IT-Lösungen für bestimmte Meldepflichten, könnten den Marktteilnehmern ebenfalls weiterhelfen. Stellungnahmen dazu, ob und, wenn ja, welche weiteren Arbeiten zur Verbesserung des Daten- und Meldewesens in der EU notwendig sind, wären willkommen.

Marktinfrastruktur und Wertpapierrecht

Marktinfrastruktur und Wertpapierrecht, d.h. die "Kanäle", über die Investitionen geleitet, und die Gesetze, nach denen sie behandelt werden, sind maßgebliche Bestimmungsfaktoren der Effizienz und Leichtigkeit, mit der Investitionen getätigt werden können. Mit den EU-Rechtsvorschriften zur Gewährleistung robuster zentraler Gegenparteien (CCP) und Zentralverwahrer (CSD) und dem vom Eurosystem betriebenen Projekt Target2Securities (T2S) wird der Regulierungsrahmen für die Handels- und Nachhandelsinfrastruktur gegenwärtig eingeführt. Wie im Arbeitsprogramm der Kommission angekündigt, will die

Kommission einen Rechtsvorschlag vorlegen, mit dem ein europäischer Rahmen für die Sanierung und Abwicklung systemrelevanter Finanzinstitute, wie z.B. zentraler Gegenparteien, geschaffen werden soll. Bei einigen Aspekten der Marktinfrastruktur für den Handel besteht aber möglicherweise noch Verbesserungspotenzial.

Sicherheiten sind lebenswichtiger Bestandteil des Finanzsystems, da damit eine große Zahl von Marktgeschäften abgesichert und für den Fall, dass Probleme auftreten, ein Sicherheitsnetz bereitgestellt wird. Der freie Fluss von Sicherheiten innerhalb der EU ist gegenwärtig eingeschränkt, was die Effizienz der Märkte beeinträchtigt. Seit der Finanzkrise ist die Nachfrage nach Sicherheiten gewachsen, da der Markt stärker abgesicherte Finanzierungen verlangt und außerdem neue Regulierungsanforderungen eingeführt wurden, etwa mit der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen (EMIR)30 und der Eigenkapitalverordnung (CRR)31. Angesichts der steigenden Nachfrage nach Sicherheiten besteht die Gefahr, dass ein und dasselbe Papier - wie vor der Krise der Fall - für mehrere Transaktionen gleichzeitig als Sicherheit eingesetzt wird; mit dieser Problematik beschäftigt man sich derzeit auch auf internationaler Ebene. Stellungnahmen dazu, ob Arbeiten zur Erleichterung eines angemessen regulierten Sicherheitenflusses innerhalb der EU unternommen werden sollten, sind willkommen.

Außerdem wurden bei der Harmonisierung der für die Transparenz und Integrität der Wertpapiermärkte notwendigen Vorschriften zwar beträchtliche Fortschritte erzielt, doch sind die Anlegerrechte an Wertpapieren in den Gesetzen der Mitgliedstaaten nach wie vor unterschiedlich geregelt. Infolgedessen können Anleger schwer einschätzen, mit welchem Risiko ihre Investitionen in verschiedenen Mitgliedstaaten verbunden sind. Diese Problematik wird schon seit dem zweiten Giovannini-Bericht von 2003, d.h. schon seit über zehn Jahren diskutiert. Sie ist jedoch komplex, da sie nicht nur das Immobilien-, Vertrags-, Gesellschaftsund Insolvenzrecht, sondern darüber hinaus auch das Wertpapierrecht und die Kollisionsnormen berührt. Gegner halten eine Harmonisierung auf EU-Ebene und eine EU-einheitliche Wertpapierdefinition für überflüssig. Der für Mitte 2015 geplante Start von Target 2 Securities - so die Argumentation - werde dazu führen, dass die mit der rechtsraumübergreifenden Übertragung und Verwahrung von Wertpapieren verbundenen rechtlichen und operationellen Risiken entfallen, die Kosten sinken und die grenzübergreifenden Investitionen möglicherweise zunehmen. Angesichts dieser Sachlage wären Stellungnahmen dazu willkommen, ob gezielte Änderungen an den Vorschriften über Eigentumsrechte an Wertpapieren, die wesentlich zu integrierteren Kapitalmärkten in der EU beitragen könnten, durchführbar und wünschenswert wären.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Entwicklung eines EU-weiten Markts für Verbriefungen und Finanzsicherheiten sowie auch anderer Tätigkeiten wie Factoring ist die Schaffung größerer Rechtssicherheit bei der grenzübergreifenden Übertragung von Forderungen und der Rangfolge solcher Übertragungen, insbesondere in Fällen wie Insolvenz. Die Kommission wird 2015 einen Bericht veröffentlichen, in dem bestehende Probleme und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Die Banken spielen nicht nur bei der Kreditvergabe, sondern auch bei der Kapitalmarktintermediation eine zentrale Rolle, namentlich indem sie über das Market-Making Liquidität bereitstellen. Einige Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass die Liquidität in manchen Marktsegmenten abnimmt, Liquidität im Vorlauf zur Krise aber auch zu billig gewesen sein könnte. Der Liquiditätsrückgang wird von den einen auf eine notwendige Marktkorrektur und einen Vertrauensschwund an den Märkten infolge der Krise, von den anderen auf die nach der Krise ergriffenen Regulierungsmaßnahmen zurückgeführt. Die Kommission ist an Stellungnahmen dazu interessiert, wie sich besser bepreiste und robustere Liquiditätsbedingungen herstellen lassen, und insbesondere an Stellungnahmen dazu, ob Maßnahmen zur Stützung der Liquidität in anfälligen Segmenten ergriffen werden könnten und ob Marktneulinge, die bei der Zusammenführung von Angebot und Nachfrage eine Rolle spielen könnten, mit Eintrittsschranken konfrontiert sind.

Gesellschaftsrecht, Corporate Governance, Insolvenzrecht und Besteuerung

Obwohl im Bereich der Corporate Governance EU-Rechtsvorschriften erlassen wurden (z.B. zur Erklärung zur Unternehmensführung32 und zur grenzübergreifenden Ausübung von Aktionärsrechten33), bleibt diese doch oft von nationalen Gesetzen und Standards bestimmt. Im Gefolge der Finanzkrise wurde der Corporate-Governance-Rahmen der EU im Wege zweier Konsultationen überprüft.34 Mit der aktuellen Überarbeitung der Aktionärsrechterichtlinie soll erreicht werden, dass institutionelle Anleger und Vermögensverwalter den Unternehmen mehr langfristiges Kapital zur Verfügung stellen.

Der Schutz der Rechte von Minderheitsaktionären verbessert die Corporate Governance und macht die betreffenden Gesellschaften für ausländische Investoren, die häufig Minderheitsaktionäre sind, attraktiver. Ein weiterer Aspekt einer soliden Corporate Governance ist die Effizienz des Aufsichtsrats bei der Kontrolle der Geschäftsführung eines Unternehmens. Da die Aufsichtsräte die Interessen der Investoren schützen, spielen effiziente und gut funktionierende Aufsichtsräte ebenfalls eine entscheidende Rolle für die Attraktivität eines Unternehmens als Investitionsobjekt.

Trotz zahlreicher Richtlinien zum Gesellschaftsrecht35 sehen sich Unternehmen im Hinblick auf grenzüberschreitende Mobilität und Restrukturierungen nach wie vor mit massiven Hürden konfrontiert. Allerdings könnten weitere Reformen des Gesellschaftsrechts helfen, Hemmnisse für die Niederlassung und Geschäftstätigkeit von Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten zu beseitigen.

Unterschiedliche einzelstaatliche Kollisionsnormen in Bezug auf die interne Funktionsweise eines Unternehmens können Rechtsunsicherheit schaffen, da sie zur Folge haben können, dass eine Gesellschaft den Gesetzen mehrerer Mitgliedstaaten gleichzeitig unterliegt, z.B. wenn sie in einem Mitgliedstaat eingetragen, aber vorrangig von einem anderen Mitgliedstaat aus tätig ist.

Auch wenn die Gespräche über eine Harmonisierung wesentlicher Insolvenzvorschriften in den letzten rund dreißig Jahren aufgrund deren Komplexität nur schleppend vorangekommen sind, hat es bei den Kollisionsnormen für grenzübergreifende Insolvenzverfahren doch beträchtliche Fortschritte gegeben.36 Die zugrundeliegenden Rahmenvorschriften des nationalen Insolvenzrechts weisen jedoch immer noch unterschiedliche Grundmerkmale auf und sind nicht gleichermaßen effektiv.37 Eine Angleichung könnte zur Entstehung europaweiter Aktien- und Schuldverschreibungsmärkte beitragen, da Unsicherheiten für Investoren, die Risiken in verschiedenen Mitgliedstaaten bewerten müssen, verringert würden. Darüber hinaus können in vielen Mitgliedstaaten fehlende oder unzureichende Vorschriften über frühzeitige Umschuldungen, das Fehlen von Regelungen für eine "zweite Chance" und die übermäßig langen und teuren förmlichen Insolvenzverfahren dazu führen, dass Gläubiger nur niedrige Beitreibungsquoten erzielen und Investoren abgeschreckt werden. Um in Sachen Insolvenz voranzukommen, hat die Kommission eine Empfehlung für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen38 angenommen, in der sie die Mitgliedstaaten aufruft, frühe Restrukturierungsverfahren und Bestimmungen über eine "zweite Chance" einzuführen. Des Weiteren fordert sie die Mitgliedstaaten darin auf, eine Anwendung dieser Prinzipien auf die Überschuldung von Verbrauchern und Verbraucherinsolvenzen in Erwägung zu ziehen. Eine Evaluierung der Empfehlung ist für 2015 geplant.

Unterschiedliche Steuerregelungen in den Mitgliedstaaten können der Entwicklung eines Kapitalbinnenmarkts im Wege stehen. Beispielsweise können sie Hindernisse für grenzüberschreitende Anlagen wie Renten- und Lebensversicherungen schaffen. Im Nachgang zum Weißbuch über Pensionen und Renten39 hat die Kommission eine Untersuchung über diskriminierende Regelungen in Bezug auf Renten- und Lebensversicherungskapital, Beiträge und Auszahlungen durchgeführt. Sollten diskriminierende Regelungen und in einem späteren Stadium diskriminierende

Steuervorschriften für grenzüberschreitende Immobilienanlagen von Lebensversicherungsgesellschaften und Pensionsfonds festgestellt werden, wird die Kommission erforderlichenfalls Maßnahmen ergreifen. Auch die Arbeiten zur Vereinfachung der Verfahren für Quellensteuererleichterungen im Nachhandel gehen weiter.

Zusätzlich zur steuerlichen Behandlung der verschiedenen Marktteilnehmer in den einzelnen Mitgliedstaaten gibt es auch Unterschiede bei der steuerlichen Behandlung der verschiedenen Finanzierungsarten, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen können. So können Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von Kredit- und Beteiligungsfinanzierung dazu führen, dass sich Gesellschaften vermehrt über Schuldverschreibungen und Bankkredite finanzieren. Werden darüber hinaus Fremd- und Eigenkapital in den Mitgliedstaaten, auch im Hinblick auf Instrumente des regulatorischen Eigenkapitals, unterschiedlich definiert und besteuert, kann dies gleiche Wettbewerbsbedingungen verhindern, eine Zersplitterung der Märkte bewirken und einer Gewinnverschiebung Vorschub leisten.

Besonders schwierig ist die Finanzierungsbeschaffung schließlich für Startup-Unternehmen, da es ihnen an Sicherheiten und Erfolgsnachweisen, die den Finanzierungsanbietern Gewissheit geben könnten, fehlt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Innovationen hervorgebracht werden, die die Marktstellung großer etablierter Unternehmen anfechten, ist jedoch bei Startup-Unternehmen größer. Eine kürzlich von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie40 kam zu dem Schluss, dass sich mit der gezielten Ausrichtung steuerlicher Anreize für FuE-Ausgaben auf junge innovative Unternehmen durchaus Wirkung erzielen lässt.

Technologie

Ein wichtiger Treiber der Kapitalmarktintegration ist die rasche Entwicklung neuer Technologien, die beispielsweise zur Entwicklung elektronischer Handelsplattformen, des Hochfrequenzhandels und der so genannten "Finanztechnologie-Unternehmen" ("FinTechUnternehmen") beigetragen hat. "Finanztechnologie" kann definiert werden als innovative Finanzdienstleistungen in Kombination mit der Verfügbarkeit von Kapital durch Einsatz neuer digitaler Technologien, wie z.B. Crowdfunding. Nach einem aktuellen Bericht haben sich die weltweiten Investitionen in FinTech-Unternehmen seit 2008 auf fast 3 Mrd. USD im Jahr 2013 verdreifacht; dieser Trend dürfte sich fortsetzen, so dass die weltweiten Investitionen bis 2018 auf bis zu 8 Mrd. USD anwachsen dürften.41

Das europäische und nationale Gesellschaftsrecht hat mit der technologischen Entwicklung nicht Schritt gehalten und beispielsweise die Vorteile der Digitalisierung nicht hinreichend integriert. Der Informationsaustausch zwischen Unternehmen, Aktionären und Behörden findet oft noch in Papierform statt. Bei vielen Gesellschaften können Aktionäre ihr Stimmrecht beispielsweise immer noch nicht elektronisch ausüben, und es gibt keine europaweite Online-Plattform für die Eintragung von Aktiengesellschaften. Der Einsatz moderner Technologien in diesen Bereichen könnte nicht nur Kosten und Belastungen verringern helfen, sondern auch für eine effizientere Kommunikation, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext, sorgen.

Fragen:

Abschnitt 5
die nächsten Schritte

Ausgehend von den Ergebnissen dieser Konsultation wird die Kommission prüfen, welche Maßnahmen vorrangig erforderlich sind, um bis 2019 die Grundsteine für eine integrierte, gut regulierte, transparente und liquide Kapitalmarktunion aller 28 Mitgliedstaaten zu legen. Zusätzlich zur Unterstützung marktgeführter Initiativen, wo immer dies möglich ist, könnte die EU mittels nichtlegislativer Maßnahmen, Rechtsvorschriften, Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und Vertragsverletzungsverfahren sowie der länderspezifischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters tätig werden. Die Mitgliedstaaten sind aufgerufen, zu prüfen, ob aufgrund nationaler Rechtsvorschriften und Praktiken Hindernisse und Hemmnisse bestehen, und wie diese am besten ausgeräumt werden können.

Bitte senden Sie Ihre Antworten auf die in diesem Grünbuch enthaltenen Fragen bis zum 13. Mai 2015 unter Nutzung des folgenden Online-Fragebogens ein: http://ec.europa.eu/finance/consultations/2015/capitalmarketsunion/index_de.htm Während der Konsultation wird die Europäische Kommission

Zum Abschluss der Konsultation wird die Kommission im Sommer 2015 eine Konferenz veranstalten. In der zweiten Jahreshälfte 2015 wird ein Aktionsplan zur Kapitalmarktunion veröffentlicht.