Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts

Der Bundesrat hat in seiner 820. Sitzung am 10. März 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 ( § 10 SCEAG),

Artikel 3 Nr. 6 ( § 6 GenG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob im SCEAG auch von der Ermächtigung aus Artikel 6 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) Gebrauch gemacht werden, und ob § 6 GenG um eine § 4a Abs. 2 GmbHG entsprechende Regelung ergänzt werden sollte.

Begründung

Artikel 6 Satz 2 der vorgenannten Verordnung ermächtigt die Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung der Verordnung den in ihrem Hoheitsgebiet eingetragenen SCE vorzuschreiben, dass sie ihren (statuarischen) Sitz und ihre Hauptverwaltung am selben Ort haben müssen. Im Entwurf des SCEAG ist bisher von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht worden. Zur Begründung ist ausgeführt, dass nicht von dem GenG abgewichen werden solle, das eine solche Übereinstimmung zwischen statuarischem und tatsächlichem Sitz ebenfalls nicht ausdrücklich vorschreibe.

Für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist in § 5 Abs. 2 AktG bzw. § 4a Abs. 2 GmbHG vorgesehen, dass die Satzung in der Regel den Ort als Sitz zu bestimmen hat, wo sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Aber auch ohne gesetzliche Regelung wird für die Genossenschaft - ebenso wie bereits für die GmbH vor der ergänzenden Einfügung des § 4a GmbHG - vertreten, dass der statuarische Sitz einen realen Bezug zum Ort der Geschäftstätigkeit aufweisen müsse. Willkürlich gewählte Sitze werden als missbräuchlich angesehen (vgl. BayObLG, BB 1981, 870; Müller, Kommentar zum Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Band 1, § 6 Rnr. 7; Beuthien, Genossenschaftsgesetz mit Umwandlungsrecht, 13. Aufl., § 6 Rnr. 5).

Ob eine solche ergänzende Auslegung auch bei einer SCE möglich wäre, erscheint zweifelhaft. Wird von der Ermächtigung aus Artikel 6 Abs. 2 der Verordnung ausdrücklich kein Gebrauch gemacht, liegt der Umkehrschluss nahe, dass dann die SCE innerhalb des Mitgliedstaates, in welchem sie registriert ist, sich einen beliebigen Ort als Sitz wird wählen können.

Dieses Ergebnis wäre jedoch nicht wünschenswert. Der Geschäftsverkehr erwartet zu Recht, dass die Genossenschaft ihren Sitz und damit ihre Registereintragung und ihren allgemeinen Gerichtsstand dort hat, wo sie tatsächlich betrieblich tätig ist oder sich ihre Hauptverwaltung befindet. Dies dient auch der Verhinderung missbräuchlicher Fallgestaltungen, wie sie etwa bei den so genannten "Bestattungsfällen" insolventer GmbH in den letzten Jahren verstärkt aufgetreten sind. Um ein Abtauchen insolventer Gesellschaften zu erschweren und den Gläubigern eine Zustellmöglichkeit zu sichern, wird im Zuge der GmbH-Reform gar daran gedacht, zusätzlich zur Angabe des Sitzes auch eine genaue Geschäftsanschrift in das Handelsregister eintragen zu lassen.

Hier sollte das Genossenschaftsrecht zumindest den bei den übrigen Kapitalgesellschaften bereits vollzogenen Schritt nachvollziehen und eine Übereinstimmung des statuarischen mit dem tatsächlichen Sitz verbindlich vorschreiben.

Dabei bietet es sich an, neben der Umsetzung für die SCE gemäß Artikel 6 Satz 2 der Verordnung auch die anstehende Reform des Genossenschaftsgesetzes zu nutzen, um für Genossenschaften ebenfalls eine explizite Regelung analog § 4a Abs. 2 GmbHG aufzunehmen.

2. Zu Artikel 1 ( § 26 Satz 1 SCEAG)

In Artikel 1 § 26 Satz 1 ist nach dem Wort "Verwaltungsrats" das Wort "anzuzeigen" einzufügen.

Begründung

In das Genossenschaftsregister werden Mitglieder des Verwaltungsrats nur eingetragen, soweit sie geschäftsführende Direktoren sind (vgl. § 17 Abs. 3 SCEAG-E). Nicht geschäftsführende Mitglieder des Verwaltungsrats werden dagegen nicht in das Register eingetragen. Dem widerspricht die Entwurfsfassung des § 26 Satz 1 SCEAG-E, nach der " jede Änderung des Verwaltungsrats zur Eintragung in das Genossenschaftsregister anzumelden" ist.

Hier sollte daher unterschieden werden zwischen der "Anmeldung zur Eintragung", welche nur bei geschäftsführenden Direktoren zu erfolgen hat, und der bloßen Anzeige einer Änderung in der Zusammensetzung des Verwaltungsrats im Übrigen.

3. Zu Artikel 1 ( § 35 SCEAG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob Bescheinigungen nach Artikel 7 Abs. 8 und Artikel 29 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 neben den Gerichten zumindest auch von den Notaren ausgestellt werden können.

Begründung

§ 35 Satz 1 SCEAG-E weist die Ausstellung von Bescheinigungen nach Artikel 7 Abs. 8 (Verlegung des Sitzes) und Artikel 29 Abs. 2 der o.g. Verordnung (Bescheinigung über die Durchführung der der Verschmelzung vorangehenden Rechtshandlungen und Formalitäten) ausschließlich den Gerichten zu, während die Verordnung selbst auch die Möglichkeit eröffnet, dass ein Notar die Bescheinigungen ausstellt. Die Begründung zu § 35 SCEAG-E stellt lediglich fest dass es sich bei den genannten Bescheinigungen um eine Registersache handelt ohne die Möglichkeit der Zuweisung dieser Aufgabe an den Notar anzusprechen.

Die Bedeutung der Bescheinigungen ist jedoch nicht lediglich registerrechtlicher Natur, sondern hat unmittelbar Gläubiger schützende Funktion (vgl. §§ 9, 11 SCEAG-E). Eine Übertragung dieser Aufgaben zumindest auch auf den Notar erscheint - auch aus Gründen der Entlastung der Justiz - dringend geboten.

4. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 4 ( § 4 GenG), Nr. 83 (§ 80 Abs. 1 GenG)

In Artikel 3 Abs. 1 ist in Nummer 4 § 4 und in Nummer 83 § 80 Abs. 1 jeweils die Angabe "drei" durch die Angabe "fünf" zu ersetzen.

Begründung

Die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Herabsetzung der Mindestmitgliederzahl der Genossenschaft von - derzeit - sieben auf - künftig - drei ist zu weit gehend. Angemessener ist eine Herabsetzung der Mindestmitgliederzahl auf lediglich fünf.

Damit wäre vor allem eine Übereinstimmung der Regelung betreffend die Genossenschaft nach deutschem Recht mit der Regelung betreffend die Europäische Genossenschaft, die ebenfalls über mindestens fünf Mitglieder verfügen muss (vgl. Artikel 2 Abs. 1, 1. Tiret der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE)), hergestellt. Ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung der Europäischen Genossenschaft und der Genossenschaft nach deutschem Recht ist nicht erkennbar. Der Gleichlauf von europäischem und deutschem Recht wäre zudem ein Beitrag zur leichteren Durchschaubarkeit der betreffenden Rechtsregeln für den Bürger.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass zwar niemand verpflichtet ist, eine Kleinstgenossenschaft zu gründen, dass jedoch die Attraktivität der Genossenschaft als Rechtsform u.a. davon abhängt, ob die genossenschaftsrechtlichen Pflichten von der konkreten Genossenschaft mit angemessenem Aufwand erfüllt werden können. Da der Gesetzentwurf davon abgesehen hat, ein Genossenschaftsrecht "light" für Kleinstgenossenschaften zu schaffen, ist zu fragen, ob die genossenschaftlichen Pflichten von derart kleinen Genossenschaften zumindest im Regelfall wirtschaftlich sinnvoll erfüllt werden können. Dies erscheint u.a. im Hinblick auf die Gründungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Nr. 3, Alt. 2 GenG (Vorlage einer gutachtlichen Äußerung über die Verhältnisse der Genossenschaft) zweifelhaft, worauf die gerichtliche Praxis hinweist.

5. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe c ( § 7a Abs. 3 GenG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, in welcher Weise bei Sacheinlagen von Mitgliedern, die erst nach der Gründung beitreten, eine Prüfung der Werthaltigkeit sichergestellt werden kann.

Begründung

Die Einführung einer Sacheinlage im Genossenschaftsrecht erfordert zugleich Schutzmechanismen, die aus Gründen des Gläubigerschutzes eine Prüfung der Werthaltigkeit eingelegter Sachen sicherstellen. Während im Anmeldungsverfahren eine Begutachtung durch den Prüfungsverband vorgesehen ist (§ 11a Abs. 2 Satz 2 GenG-E), fehlt eine nachträgliche Prüfung, wenn nach der Gründung beitretende Mitglieder ihre Einzahlungen durch Sacheinlagen erbringen.

Zumindest ist eine solche im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Besonders in Zusammenschau mit der geplanten Möglichkeit der satzungsmäßigen Bestimmung eines Mindestkapitals kann diese Prüfungslücke praxisrelevant werden, wenn beispielsweise das anfänglich bar erbrachte Mindestkapital bei nachfolgenden Mitgliederwechseln durch Sacheinlagen ausgetauscht wird.

Daher sollte entweder eine Prüfung durch den Verband oder eine Bescheinigung des Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers etc. gefordert werden.

6. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 10 ( § 8a Abs. 2 GenG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in geeigneter Weise sicherzustellen, dass Interessierte über die mit dem Erwerb einer Mitgliedschaft verbundenen Risiken hinreichend informiert werden.

Begründung

§ 8a Abs. 2 GenG-E sieht zwingend vor, dass der Anspruch des ausscheidenden Mitglieds auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens ausgesetzt wird solange durch die Auszahlung das Mindestkapital unterschritten wird.

Das damit erst später ausscheidende Mitglied haftet ähnlich wie ein GmbH-Gesellschafter für die Kapitalerhaltung der Genossenschaft. Da der Beitritt zur Genossenschaft lediglich der Schriftform bedarf, sollte im Fall der Genossenschaft mit Mindestkapital - beispielsweise durch entsprechende Hinweispflichten - sichergestellt werden, dass der Interessierte über die mit dem Erwerb der Mitgliedschaft verbundenen Risiken angemessen informiert wird.

7. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 36 Buchstabe b (§ 31 Abs. 1 Satz 2 GenG)

Artikel 3 Abs. 1 Nr. 36 Buchstabe b ist wie folgt zu fassen:

Begründung

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, dass jedem Mitglied auf Verlangen eine vollständige Abschrift aus der Mitgliederliste erteilt werden muss, ist unverhältnismäßig und unpraktikabel. Es gibt keinen überzeugenden Grund, die geltende Regelung, nach der sich die Abschrift auf die den einzelnen Genossen betreffenden Eintragungen zu beschränken hat, aufzugeben. Speziell bei großen Genossenschaften mit entsprechend umfangreicher Mitgliederliste führt die beabsichtigte Erweiterung zu beträchtlichem Verwaltungsaufwand, ohne dass erkennbar würde, welches spezielle Interesse ein Mitglied an den Eintragungen betreffend die übrigen Mitglieder haben könnte. Schon im Interesse der Kostenminimierung ist es daher geboten, die derzeit geltende Regelung beizubehalten.

Danach beschränkt sich der Auszug der Mitgliederliste auf die Eintragungen, die den Auskunftsuchenden betreffen. Dem dient die vorgeschlagene Änderung.

8. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 45 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 43a Abs. 1 Satz 2 GenG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, wie die in § 43a Abs. 1 Satz 2 GenG-E vorgesehene Bestimmung, wonach auf Grund Satzung bestimmte Beschlüsse der Generalversammlung vorbehalten bleiben können, praktikabel gestaltet werden kann; ist dies nicht möglich, so sollte die Vorschrift gestrichen werden.

Begründung

Über den Referentenentwurf hinaus findet sich nun in § 43a Abs. 1 Satz 2 GenG-E eine Regelung, wonach die Satzung bestimmen kann, dass bestimmte Beschlüsse der Generalversammlung vorbehalten bleiben. Diese Bestimmung stellt die Genossenschaften vor gravierende organisatorische Herausforderungen.

Angesichts des Mitgliederwachstums der Genossenschaften in den letzten Jahrzehnten fehlen zunehmend ausreichend große Versammlungsräume.

Deshalb wurde die Vertreterversammlung eingeführt. Hinzu kommt, dass Versammlungen mehrerer tausend Mitglieder eine sachgerechte Willensbildung nicht mehr gewährleisten können. Hieran hat sich auch durch die Einführung moderner Kommunikationsmedien nichts geändert.

Die Problematik hat sich in den letzten Jahren durch zunehmende Mitgliederzahlen bei den Kreditgenossenschaften nochmals erheblich verschärft. Kreditgenossenschaften haben oftmals mehrere 10 000 Mitglieder. Bei derartigen Genossenschaften wären Generalversammlungen operativ nicht mehr handhabbar.

Dies sollte berücksichtigt werden.

9. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 45 Buchstabe b (§ 43a Abs. 2 Satz 2 GenG)

In Artikel 3 Abs. 1 Nr. 45 Buchstabe b § 43a Abs. 2 Satz 2 sind nach dem Wort "gesetzlicher" die Wörter "oder rechtsgeschäftlicher" einzufügen.

Begründung

Es besteht ein praktisches Bedürfnis, die Vorschrift auch auf rechtsgeschäftliche Vertreter des Mitglieds, z.B. Prokuristen, zu erstrecken. Eine entsprechende Regelung ist in § 9 Abs. 2 Satz 2 GenG-E für die Wählbarkeit in den Vorstand und Aufsichtsrat aufgenommen worden. Es erscheint nicht sachgerecht, an die Wählbarkeit von Vertretern höhere Anforderungen zu stellen als an die Wählbarkeit von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern.

10. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 45 Buchstabe f (§ 43a Abs. 7 Satz 1 GenG)

In Artikel 3 Abs. 1 Nr. 45 Buchstabe f § 43a Abs. 7 Satz 1 sind die Wörter "oder mindestens 500 Mitgliedern" zu streichen.

Begründung

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, dass bereits 500 Genossenschaftsmitgliedern die Möglichkeit zustehen soll, eine Generalversammlung mit dem Ziel der Abschaffung der Vertretersammlung einzuberufen, ist unverhältnismäßig und führt zu unvertretbaren Ergebnissen. Die Vorschrift käme speziell bei Genossenschaften mit hoher Mitgliederzahl zur Anwendung. Zahlreiche Kreditgenossenschaften haben so hohe Mitgliederzahlen, dass diese 500

Mitglieder eine Minderheit darstellen, deren Quote weit unter einem Zehntel liegt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, einer derart kleinen Minderheit die Möglichkeit zur Einberufung einer solchen Generalversammlung mit der Folge hoher Kosten für die Genossenschaft einzuräumen. Einer missbräuchlichen Nutzung der Einberufungsmöglichkeit würde damit Vorschub geleistet. Eine solche Regelung widerspricht auch dem für Genossenschaften geltenden demokratischen Prinzip. Daher ist es geboten, die Einberufungsmöglichkeit erst ab einer Quote von einem Zehntel vorzusehen. Dies wird mit der vorgeschlagenen Streichung erreicht. Abweichende diesbezügliche Satzungsregelungen bleiben unberührt.

11. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 45 Buchstabe f (§ 43a Abs. 7 Satz 3 - neu - GenG)

In Artikel 3 Abs. 1 Nr. 45 Buchstabe f ist § 43a Abs. 7 folgender Satz anzufügen:

Begründung

Die Regelung des Regierungsentwurfs hat die Zielsetzung, durch Einberufung einer Generalversammlung die Abschaffung der Vertreterversammlung zu Gunsten einer Generalversammlung zu ermöglichen.

Die Einführung der Vertreterversammlung ist von erheblicher Bedeutung für Genossenschaften mit großen Mitgliederzahlen. Bei Genossenschaften mit mehreren Tausenden oder gar Zehntausenden von Mitgliedern ist eine ordnungsgemäße und effiziente Abwicklung der Generalversammlung sowie eine übersichtliche Diskussion und Beschlussfassung selten möglich. Es ist daher sicherzustellen dass nicht zufällige Mehrheiten in der einberufenen Generalversammlung einen Beschluss zur Abschaffung der Vertreterversammlung durchsetzen. Die Gefahr solcher den Willen der Mehrheit der Genossen nicht repräsentierender Zufallsmehrheiten besteht (vgl. Beutin, Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, 14. Auflage, § 43a Anm. 1: "Die mittelbare Demokratie der Vertreterversammlung" gibt "den Gesamtwillen der Mitglieder oft zuverlässiger wieder als die unmittelbare Demokratie einer Mitgliederversammlung, deren Zusammensetzung und Meinungsbildung vielfach von Zufällen und Stimmungen abhängt".).

Erforderlich ist daher die Festsetzung eines Quorums für die Beschlussfähigkeit einer Generalversammlung, die die Vertreterversammlung abschafft. Sachgerecht erscheint ein Quorum von mindestens drei Zehnteln der Mitglieder oder jedenfalls mindestens 1 500 Mitgliedern.

12. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 47 Buchstabe a (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GenG)

In Artikel 3 Abs. 1 Nr. 47 Buchstabe a § 45 Abs. 1 Satz 1 sind die Wörter "oder mindestens 150 Mitglieder" zu streichen.

Begründung

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, dass bereits 150 Genossenschaftsmitgliedern die Möglichkeit zustehen soll, eine Generalversammlung einberufen zu lassen, ist unverhältnismäßig und führt zu unvertretbaren Ergebnissen. Die Vorschrift hätte schon bei Genossenschaften mit mehr als 1 500 Mitgliedern praktische Bedeutung. Zahlreiche Kreditgenossenschaften haben so hohe Mitgliederzahlen, dass diese 150 Mitglieder eine Minderheit darstellen deren Quote weit unter einem Zehntel liegt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, einer derart kleinen Minderheit die Möglichkeit zur Einberufung einer Generalversammlung mit der Folge hoher Kosten für die Genossenschaft einzuräumen. Einer missbräuchlichen Nutzung der Einberufungsmöglichkeit würde damit Vorschub geleistet. Eine solche Regelung widerspricht auch dem für Genossenschaften geltenden demokratischen Prinzip. Daher ist es geboten, die Einberufungsmöglichkeit erst ab einer Quote von einem Zehntel vorzusehen.

Dies wird mit der vorgeschlagenen Streichung erreicht. Abweichende diesbezügliche Satzungsregelungen bleiben unberührt.

13. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 54 ( § 53 Abs. 3 GenG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen ob die Ausnahme von der Prüfung des Jahresabschlusses für Genossenschaften, deren Bilanzsumme zwei Millionen Euro nicht übersteigt, auch auf Genossenschaften mit relativ geringen Umsatzerlösen oder einer relativ kleinen Mitgliederzahl erweitert werden kann.

Begründung

Die Ausnahme von der Prüfung des Jahresabschlusses bei bestimmten kleinen Genossenschaften kann den Zugang für Kleinunternehmen zur Rechtsform der Genossenschaft erleichtern, ohne dabei jedoch den Schutz von Gläubigern und Mitgliedern unangemessen zu beeinträchtigen.

Das Abgrenzungskriterium der Bilanzsumme könnte sich jedoch gerade bei neu gegründeten Wohnungsgenossenschaften als zu eng darstellen, da die maßgebliche Bilanzsumme unter Umständen schnell überschritten ist, obwohl die Geschäftstätigkeit der Genossenschaften noch gering ist.

14. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 72 (§§ 65 ff. GenG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ein Kündigungsrecht seitens der Genossenschaft für den Fall vorzusehen, dass ein Mitglied die genossenschaftlichen Leistungen nicht mehr in Anspruch nimmt.

Begründung

Auf Grund EU-rechtlicher Vorgaben müssen etwa Erzeugerorganisationen vor allem im Bereich Obst und Gemüse ihren Gesellschafterkreis auf aktive Mitglieder beschränken. Auch für den Bereich der Kreditgenossenschaften besteht ein Bedürfnis für ein Kündigungsrecht seitens der Genossenschaft für den Fall, dass Mitglieder nicht mehr aktiv sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn Mitgliedschaften aus strategischen Überlegungen erfolgen, die nicht an den genossenschaftlichen Prinzipien der Subsidiarität, Solidarität und Selbsthilfe anknüpfen.

15. Zu Artikel 3 Abs. 1 Nr. 83 (§ 80 Abs. 1 Satz 2 - neu - GenG)

In Artikel 3 Abs. 1 Nr. 83 ist § 80 Abs. 1 folgender Satz anzufügen:

Begründung

§ 80 Abs. 1 GenG-E regelt die Auflösung der Genossenschaft durch das Gericht bei Unterschreiten der Mindestmitgliederanzahl von drei Mitgliedern.

Hier sollte klargestellt werden, dass bei der Berechnung der Mindestmitgliederanzahl die investierenden Mitglieder nicht mitgezählt werden. Zählten investierende Mitglieder nach ihrer Zulassung ebenfalls als Mitglieder im Sinne des § 80 GenG-E, so könnte dies dazu führen, dass Genossenschaften mit zwei investierenden und nur noch einem nutzenden Mitglied entstehen. Auf Grund der Stimmrechtsregelung für die nur investierenden Mitglieder würde damit eine faktische "Ein-Mann-Genossenschaft" entstehen können. Ebenso könnte durch Austritt aller nutzenden Mitglieder eine Genossenschaft entstehen, der nur noch investierende Mitglieder angehören. Dies entspräche nicht dem Bild und der Zwecksetzung der Genossenschaft.

16. Zu Artikel 12 (§ 340l i.V.m. § 325 HGB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen ob die Bilanzsumme, ab der der Jahresabschluss sowie der Lagebericht im Bundesanzeiger offen zu legen sind, deutlich angehoben werden kann.

Begründung

Kreditinstitute und damit auch Kreditgenossenschaften haben den Jahresabschluss sowie den Lagebericht im Bundesanzeiger offen zu legen. Der Informationswert dieser Offenlegung ist für Dritte begrenzt und steht in keinem Verhältnis zu den Offenlegungskosten von 6 000 Euro.

Ausgenommen von dieser Regelung sind Kreditinstitute mit einer Bilanzsumme von bis zu 200 Millionen Euro. Für diese Kreditgenossenschaften existiert entsprechend § 340l Abs. 4 HGB die Möglichkeit, die offen zu legenden Unterlagen zum Genossenschaftsregister einzureichen, damit sie dort eingesehen werden können (Registerpublizität).

Die durchschnittliche Kreditgenossenschaft im Genossenschaftsverband Bayern hat eine Bilanzsumme von 280 Millionen Euro. Insofern kann die Mehrheit dieser Banken die Regelung der Registerpublizität nicht in Anspruch nehmen.

Unter den Gesichtspunkten der Entbürokratisierung, Kostenreduktion und Stärkung der mittelständischen Kreditwirtschaft ist es geboten, die bestehende Regelung der Veröffentlichungspflicht für Banken mit einer Bilanzsumme von mehr als 200 Millionen Euro im Bundesanzeiger zu überprüfen. Ergebnis dieser Prüfung wird sein, dass die Grenze der Bundesanzeigerpublizität deutlich angehoben oder ersatzweise auf kapitalmarktorientierte Unternehmen begrenzt werden kann.