Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung

943. Sitzung des Bundesrates am 18. März 2016

A

Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi),

der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zum Gesetzentwurf allgemein

a) Eine sichere und effiziente Versorgung mit leitungsgebundener Energie gehört zu den Grundvoraussetzungen des Lebens in der modernen Gesellschaft und stellt auch einen unverzichtbaren Produktionsfaktor für die Wirtschaft dar. Dabei stellt insbesondere die wünschenswerte und notwendige Umstellung der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energiequellen neue Anforderungen an die örtlichen Verteilernetze. Denn sie müssen zunehmend Schwankungen in der Stromerzeugung einschließlich der damit verbundenen Netzbelastungen verkraften. Die herkömmlich betriebenen Energienetze müssen zukünftig "intelligent" betrieben, die einzelnen Energienetze spartenübergreifend kombiniert und die Umwandlung (z.B. "PowertoHeat" und "Powerto-Gas") und Speicherung von Energien ermöglicht werden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind neue Konzepte zu entwickeln und erhebliche Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung der Energieverteilnetze erforderlich. Diese Investitionsentscheidungen, die Rechtsklarheit und -sicherheit voraussetzen, sind jetzt - noch in dieser Dekade - zu treffen, zumal in sehr vielen Gemeinden die Konzessionen für die Energienetze abgelaufen und neu zu vergeben sind.

Vor diesem Hintergrund ist es auch für die Energiewende fatal, dass derzeit eine rechtssichere Vergabe von Konzessionen kaum möglich ist; vielmehr gibt es bei der Vergabe von Wegerechten durch die Gemeinden ("Konzessionsvergabe") erhebliche Rechtsunsicherheiten. Deshalb begrüßt der Bundesrat, dass die Bundesregierung insbesondere bei der Ermittlung des Netzkaufpreises und durch die Regelung von Rügeobliegenheiten Verbesserungen vorsieht.

Der Bundesrat bittet daher im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine verstärkte Berücksichtigung kommunaler Interessen bei der Auswahlentscheidung und - vor dem Hintergrund von kommunalen Rekommunalisierungsbestrebungen - auch die Ermöglichung einer Inhouse-Vergabe vorzusehen.*

* Bei Annahme ist Ziffer 6 im Beschluss redaktionell anzupassen.

Begründung:

Die kommunale Seite hat seit Langem Erfahrungen im Bereich der Bereitstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge. So stellen die Gemeinden seit vielen Jahrzehnten - auch im leitungsgebundenen Bereich - zum Wohle der Bevölkerung und in qualitativ hochwertiger Form sowie mit großer Zuverlässigkeit die für ein Gemeinwesen erforderlichen Grunddienstleistungen zur Verfügung (Wasser, Abwasser, Abfall, Öffentlicher Personennahverkehr und viele andere). Es erscheint daher angemessen, den Gemeinden im Bereich der Strom- und Gasnetze die Möglichkeit einer Inhouse-Vergabe zu eröffnen.

10. Zu Artikel 1 Nummer 2 ( § 46 EnWG)

Die Pflicht zur Übertragung des Eigentums am Netz betrifft derzeit unmittelbar nur den bisherigen Altkonzessionär. Zwar fallen üblicherweise "Konzession" und Netzeigentum zusammen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass Dritte Eigentümer von Anlagen sind, die Teil des Netzes der allgemeinen Versorgung sind. Dieses Eigentum kann dem Dritten sowohl durch den bisherigen Nutzungsberechtigten verschafft worden sein (beispielsweise auch durch konzerninterne Gestaltungen), es sind aber auch andere Konstellationen denkbar. Es könnte daran gedacht werden, die zivilrechtliche Verfügungsmöglichkeit des Konzessionärs zu beschränken, beispielsweise durch Zustimmungserfordernisse der Gemeinde mit dem Ziel, die Erfüllung der Pflichten aus § 46 Absatz 2 Satz 2 EnWG bei Änderung des Nutzungsberechtigten sicherzustellen. Es könnte aber auch daran gedacht werden, die Pflicht zur Eigentumsverschaffung vom bisherigen Nutzungsberechtigten auf sämtliche Eigentümer auszuweiten. Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie der neue Nutzungsberechtigte Eigentum an allen für den Netzbetrieb erforderlichen Anlagen erlangen kann, auch wenn nicht der bisherige Nutzungsberechtigte Eigentümer ist.

11. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 3 und Absatz 5 Satz 2 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Der Vorschlag hat zum Ziel, den Begriff der "Verlängerung" im Zusammenhang mit dem Neuabschluss von Konzessionsverträgen nicht zu verwenden.

In § 46 Absatz 2 Satz 2 EnWG ist geregelt, dass, wenn Verträge nach ihrem Ablauf nicht "verlängert" werden, der bisherige Nutzungsberechtigte zur Übereignung der Netze an das neue Energieversorgungsunternehmen verpflichtet ist. Die Sätze 1 bis 3 sind im Rahmen des Gesetzentwurfs nicht geändert worden und stellen den ursprünglichen Gesetzeswortlaut dar. Dennoch sollte eine andere Formulierung gewählt werden, da der Begriff der "Verlängerung" hier missverständlich ist. Es hat in jedem Fall nach Beendigung des Konzessionsvertrages ein neues Auswahlverfahren stattzufinden. Sowohl der Ablauf der Vertragslaufzeit des ursprünglichen Konzessionsvertrags als auch die vorzeitige Beendigung des Konzessionsvertrages (§ 46 Absatz 3 Satz 3) führen zur Beendigung. Auch wenn das vorherige Energieversorgungsunternehmen in dem Auswahlverfahren erneut ausgewählt wird und künftig weiterhin die Netze betreibt, wird ein neuer Konzessionsvertrag geschlossen und nicht ein Konzessionsvertrag "verlängert".

§ 46 Absatz 3 Satz 3 entspricht ebenfalls im Wesentlichen dem ursprünglichen

Gesetzestext. Wie in § 46 Absatz 2 Satz 2 soll auch hier der Begriff der "Verlängerung von Verträgen" nicht mehr verwendet werden.

In § 46 Absatz 5 Satz 2 ist erneut der Begriff "Verlängerung von Verträgen" verwendet worden. Die Begriffe "oder Verlängerung" sollten gestrichen werden, da in jedem Fall ein neuer Konzessionsvertrag abzuschließen ist.

12. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 2 Satz 5 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 46 Absatz 2 der Satz 5 zu streichen.

Begründung:

Der Satz könnte dahin missverstanden werden, dass gerade kein Anspruch des Neukonzessionärs auf den objektivierten Ertragswert als Vergütung besteht. Für Ausnahmefälle ergibt sich die Möglichkeit, eine abweichende Vereinbarung zu treffen, ohnehin aus dem Grundsatz der allgemeinen Vertragsfreiheit.

13. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 1 EnWG)* In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 Absatz 4 Satz 1 wie folgt zu fassen:

"Die Gemeinde hat bei der Auswahl des Unternehmens die Ziele des § 1 Absatz 1 zu berücksichtigen."

Begründung:

Die Festschreibung der Berücksichtigung der Ziele des § 1 Absatz 1 EnWG entspricht der gefestigten Rechtsprechung. Die Beibehaltung nur der Verpflichtung auf diese Ziele stellt keinerlei Wertigkeit dar und könnte als Ablehnung der Rechtsprechung interpretiert werden und damit neue Rechtsunsicherheit hervorrufen. Zudem führt eine mit § 46 Absatz 4 Satz 2 EnWG einheitliche Formulierung dazu, dass jedenfalls nicht über das bisherige Maß hinaus, das die Rechtsprechung entwickelt hat, eine Rangfolge in die Vorschrift hineininterpretiert werden kann.

* Bei Annahme von Ziffer 14 redaktionell anzupassen.

14. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 1 EnWG)*

In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 46 Absatz 4 Satz 1 das Wort "Zielen" durch das Wort "Zwecken" zu ersetzen.

Begründung:

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung. In § 1 EnWG soll künftig ausdrücklich zwischen den Zwecken und den Zielen des EnWG differenziert werden. Der mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in § 46 Absatz 4 Satz 1 EnWG in Bezug genommene § 1 Absatz 1 EnWG spricht von "Zweck des Gesetzes" und nicht von dessen Zielen (vgl. auch Artikel 1 Nummer 30 des Entwurfs des Strommarktgesetzes, BT-Drucksache 18/7317).

15. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 2 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 Absatz 4 Satz 2 wie folgt zu fassen:

"Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft können als Kriterium berücksichtigt werden."

Begründung:

Die Bedeutung des Einschubs "insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz" im Regierungsentwurf führt zu neuen Rechtsunsicherheiten und sollte gestrichen werden. Die Versorgungssicherheit und die Effizienz sind ohnehin als Ziele des § 1 Absatz 1 EnWG zu beachten. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 17.12.2013, Az. KZR 66/12) muss nach der bisherigen Rechtslage lediglich die Versorgungssicherheit eine herausgehobene Stellung haben. Daher ist unklar, welche Bedeutung die neue Hervorhebung der beiden Ziele haben soll (zwingend höhere Gewichtung als andere Ziele? Welche Mindestgewichtung?).

Die Einfügung "als Kriterien" dient der Klarstellung. Bleibt es bei der bisherigen Formulierung, entstehen Rechtsunsicherheiten, ob weitere kommunale Belange neben den Zielen des § 1 Absatz 1 als echte Kriterien berücksichtigt werden dürfen. Der BGH hat in seinen Urteilen vom 17.12.2013 (KZR 65/12 und KZR 66/12) zahlreiche kommunale Belange als Kriterien zugelassen (Einflussmöglichkeiten, zulässige Leistungen nach der KAV, Abstimmung von Baumaßnahmen, usw.). Der Begriff einer Berücksichtigung kommunaler Belange ist unklar und könnte dahin verstanden werden, dass kommunale Belange lediglich nachrangig oder auf einer zweiten Stufe (bei einer Pattsituation) berücksichtigt werden dürfen. Dies wäre eine drastische Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung. Die Bundesregierung spricht in ihrer Mitteilung zum Gesetzentwurf selbst davon, dass "erstmals "Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" ein zulässiges Kriterium" seien. Dies findet sich so bisher nicht im Gesetzestext wieder.

* Regelung ist auch bei Annahme von Ziffer 13 möglich.

16. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 2 EnWG)*

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 Absatz 4 Satz 2 wie folgt zu fassen:

"Unter Wahrung dieser Zwecke können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden."

Begründung:

Die zurzeit im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung in § 46 Absatz 4 Satz 2 wirft durch die hervorgehobene Aufzählung zweier Ziele "Versorgungssicherheit" und "Kosteneffizienz" zulasten der durch die Rechtsprechung des BGH geschaffenen Rechtssicherheit zusätzliche, neue Rechtsfragen auf. Unklar ist u.a., ob und inwieweit das Ziel der "Kosteneffizienz" damit - vergleichbar dem vom Bundesgerichtshof hervorgehobenen "überragenden Ziel(s) der Netzsicherheit" - gegenüber den übrigen Zielen des § 1 EnWG in der Bedeutung für die Auswahlentscheidung einen besonderen Rang erhalten soll. Die Hervorhebung eines einzelnen Unteraspekts eines der fünf Ziele des EnWG ist rechtsdogmatisch mehrdeutig und wird in der Rechtspraxis die Aspekte, bei denen der Bundesgerichtshof mit seinen Entscheidungen für ein Mindestmaß an Rechtssicherheit gesorgt hat, neuem Rechtsstreit zugänglich machen.

Die Änderung stellt darüber hinaus sicher, dass eine Kommune, die beispielsweise hohen Wert auf niedrige Netzentgelte für die Netzkunden im jeweiligen Konzessionsgebiet legt, diesem Ziel (Preisgünstigkeit) weiterhin eine entsprechend hohe Gewichtung zukommen lassen darf. Die aktuelle Formulierung im Entwurfstext verringert die Rechtssicherheit, engt den Spielraum der Kommunen bei der Festlegung, Gewichtung und Bewertung der Auswahlkriterien entsprechend den jeweiligen örtlichen Verhältnissen noch weitgehender als der Bundesgerichtshof ein und bewirkt insbesondere, dass die durch die örtlichen Netzkunden zu entrichtenden Netzentgelte bei der Auswahlentscheidung marginalisiert werden.

* Bei Ablehnung von Ziffer 14 redaktionell anzupassen.

17. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 2 EnWG)*

In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 46 Absatz 4 Satz 2 die Wörter "und der Kosteneffizienz" zu streichen.

Begründung:

§ 1 Absatz 1 EnWG definiert als Ziele des Gesetzes Sicherheit, Preisgünstigkeit, Verbraucherfreundlichkeit, Effizienz und Umweltverträglichkeit bei der leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit. Der Begriff Kosteneffizienz kommt dort nicht vor; im Übrigen ist umstritten, ob diese ein Bestandteil der Preisgünstigkeit oder der Effizienz ist. Die Rechtsprechung hat der Versorgungssicherheit ein hohes Gewicht beigemessen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb noch ein weiteres Kriterium besonders herausgehoben werden sollte. Der Gesetzgeber sollte sich zwischen den Alternativen entscheiden, entweder den Gemeinden mehr Freiheit bei der Auswahl, Gewichtung und Bewertung der Kriterien einzuräumen, oder es bei der bisherigen durch die Rechtsprechung entwickelten Rechtslage zu belassen. In beiden Fällen dürfte das - zudem noch unklare - Kriterium der Kosteneffizienz gestrichen werden.

18. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 3 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 46 Absatz 4 Satz 3 nach den Wörtern "Bei der" das Wort "Auswahl," und nach dem Wort "Gewichtung" die Wörter "und Bewertung" einzufügen.

Begründung:

Der Spielraum der Gemeinde besteht nicht nur bei der Gewichtung, sondern auch bei der Auswahl der Kriterien. So können zu einzelnen Kriterien je nach den Anforderungen des Konzessionsgebietes unterschiedliche konkrete Unterkriterien gewählt werden. Zudem sind die Kriterien zu kommunalen Belangen oder bestimmten konzessionsvertraglichen Regelungen nicht zwingend. Bei der Bewertung besteht ein Beurteilungsspielraum. Die unvollständige Nennung führt zu Rechtsunsicherheit.

* Hilfsempfehlung für den Deutschen Bundestag für den Fall, dass dieser dem Vorschlag unter Ziffer 15 nicht folgt.

19. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 5 - neu - EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 46 Absatz 4 folgender Satz anzufügen:

"Eines Auswahlverfahrens bedarf es nicht, wenn die Gemeinde entschieden hat, das Energienetz selbst zu betreiben, oder die Voraussetzungen des § 108 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 203) geändert worden ist, vorliegen."

Begründung:

Durch den neuen Satz 5 wird ermöglicht, dass sich eine Gemeinde entscheiden kann, die Netze selbst zu betreiben, statt die Wegerechte wettbewerblich an Dritte zu vergeben. Voraussetzung ist dabei entweder die kommunale Selbstwahrnehmung der Aufgabe oder aber die Einhaltung des § 108 GWB in der vom Bundestag am 17. Dezember 2015 und vom Bundesrat am 18. Dezember 2015 beschlossenen Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes. Es besteht kein Grund, die In-House-Vergabe anders als bei sonstigen Konzessions- oder Auftragsvergaben nicht zuzulassen. Der örtliche Strom- und Gasnetzbetrieb ist eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Kommunen müssen eine Systementscheidung zwischen der Eigenerfüllung durch ein eigenes Stadtwerk oder der Fremderfüllung durch private Dritte unter Wahrung der kommunalen Gewährleistungsverantwortung treffen können. Diese Option steht auch in Übereinstimmung mit den europäischen Wettbewerbsregeln. Dies erkennt auch die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf unter V. (Seite 10) an, wo es heißt: 'Dies bedeutet insbesondere, dass es eine autonome Entscheidung des deutschen Gesetzgebers ist, ob im Bereich der Wegenutzungsverträge für Strom und Gas sachliche Gründe bestehen, die eine privilegierte Berücksichtigung von kommunalen Interessen beim Rückerwerb des Netzbetriebes ("Rekommunalisierung") zulassen oder nicht.' Die Voraussetzungen des Kommunalwirtschaftsrechts (angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit) und des übrigen Energiewirtschaftsrechts (Genehmigungspflicht gemäß § 4 EnWG mit Prüfung der Leistungsfähigkeit) bleiben unberührt.

20. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4 Satz 5 - neu - EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 46 dem Absatz 4 folgender Satz anzufügen:

"Eines Auswahlverfahrens bedarf es nicht, wenn die Voraussetzungen des § 108 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch [Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts 2015] geändert worden ist, vorliegen."

Begründung:

Durch den neuen Satz 5 wird ermöglicht, dass sich eine Gemeinde entscheiden kann, die Netze selbst zu betreiben, statt die Wegerechte wettbewerblich an Dritte zu vergeben. Voraussetzung ist dabei die Einhaltung des § 108 GWB in der vom Bundestag am 17.12.2015 und vom Bundesrat am 18.12.2015 beschlossenen Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes. Es besteht kein Grund, die Inhouse-Vergabe anders als bei sonstigen Konzessions- oder Auftragsvergaben nicht zuzulassen. Der örtliche Strom- und Gasnetzbetrieb ist eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Kommunen müssen eine Systementscheidung zwischen der Eigenerfüllung durch ein eigenes Stadtwerk oder der Fremderfüllung durch private Dritte unter Wahrung der kommunalen Gewährleistungsverantwortung treffen können. Die Voraussetzungen des Kommunalwirtschaftsrechts (angemessenes Verhältnis zur Leistungsfähigkeit) und des übrigen Energiewirtschaftsrechts (Genehmigungspflicht gemäß § 4 EnWG mit Prüfung der Leistungsfähigkeit) bleiben unberührt.

21. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 4a - neu - EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 46 nach Absatz 4 folgender Absatz 4a einzufügen:

Begründung:

Eine solche Regelung ist erforderlich, um zu verhindern, dass fast abgeschlossene Verfahren mit Standards und Anforderungen belastet werden, die vor Beginn dieses Verfahrens und währenddessen noch nicht bekannt waren, deshalb noch nicht berücksichtigt werden konnten und wegen der Novellierung bereits angefangene Verfahren neu begonnen werden müssten. Dies hätte nicht unerhebliche zeitliche Verzögerungen zur Folge. Dies bezieht sich insbesondere auf die Rüge- und Präklusionsvorschriften.

Als geeigneter Zeitpunkt, die Neuregelung zur Anwendung kommen zu lassen, ohne in laufende Verfahren einzugreifen, ist der Zeitpunkt vor der Mitteilung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung nach Interessenbekundung an die Interessenten bzw. dem Versand des ersten Verfahrensbriefs, anzusetzen. Soweit eine solche Mitteilung nach § 46 Absatz 4 Satz 4 noch nicht erfolgt ist, ist die Anwendung der neuen Rechtslage auf das Verfahren ohne weiteres möglich. Eine Rüge gegen die Bekanntmachung, die nach § 47 Absatz 2 Satz 1 innerhalb von drei Monaten erhoben werden muss, ist dann eventuell sogar noch fristgemäß. Soweit die Frist bereits abgelaufen ist, kann der Rügende damit nicht präkludiert sein, da die Rügefrist für ihn noch gar nicht galt. Er kann dann die Rüge weiterhin wie bisher auch geltend machen. Da Rügen gegen die Bekanntmachung in der Praxis fast irrelevant sind, ist diese Folge für einen überschaubaren Zeitraum hinnehmbar.

Die Anwendung der bisherigen Rechtslage weiter nach hinten zu verlagern, mit anderen Worten diese auf alle Verfahren anzuwenden, die bereits bekannt gemacht sind, ist keine Option, da damit für die nächsten zwei Jahre die neue Rechtslage unanwendbar wäre. Die Intention der Novellierung, mehr Rechtssicherheit für das Verfahren zu gewinnen, könnte dann die nächsten zwei Jahre, in denen viele Gas- und Stromnetzkonzessionen auslaufen, nicht erreicht werden.

22. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46 Absatz 6 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 46 Absatz 6 wie folgt zu fassen:

(6) Die Absätze 2 bis 5 finden für Unternehmen der Gemeinden ohne eigene Rechtsfähigkeit entsprechende Anwendung."

Begründung:

Das Landgericht Berlin hat in seinem Urteil vom 9. Dezember 2014 - 16 O 224/14 - ausgeführt, ein Landesbetrieb nach einer Landeshaushaltsordnung sei nicht identisch mit einem Eigenbetrieb im Sinne des § 46 Absatz 4 (geltende Fassung) und könne daher nicht Bewerber in einem Konzessionierungsverfahren sein. Auch in der Kommentarliteratur finden sich insoweit eher zurückhaltende Äußerungen ("Nach dem Telos der Norm wird man eine Anwendung auch auf andere rechtlich unselbständige Unternehmensformen annehmen können." Hellermann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl., § 46, Anm. 87).

Daher ist eine Klarstellung, dass neben den Eigenbetrieben der Kommunen im engeren Sinne auch andere nichtrechtsfähige Organisationsformen der Gemeinden, z.B. Regiebetriebe oder bei den Stadtstaaten Betriebe nach Landeshaushaltsordnung, bieterfähig sind, erforderlich.

23. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 46a Satz 1 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 46a Satz 1 nach dem Wort "Nutzungsberechtigte" die Wörter "und der Eigentümer" einzufügen und ist das Wort "ist" durch das Wort "sind" zu ersetzen.

Begründung:

Wenn der Altkonzessionär nicht Eigentümer der zu übereignenden Verteilungsanlagen ist, sind ihm wahrscheinlich die aufgeführten Daten (Anschaffungs- und Herstellungskosten gemäß § 255 HGB, Jahr der Aktivierung, betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, kalkulatorische Restwerte laut Bescheiden der Regulierungsbehörden) nicht bekannt. Dann würr Auskunftsanspruch insoweit ins Leere laufen.

24. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 2 Satz 4 und Absatz 3 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 47 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Folgeänderung von Buchstabe b

Zu Buchstabe b:

Entscheidet sich der Gesetzgeber für die Anwendung des Zivilprozessrechts, sollte er konsequent bleiben. Entscheidet er sich für die Anwendung des bewährten Vergabenachprüfungsverfahrens, ist die Regelung entbehrlich. Die vorgesehene Möglichkeit zur Akteneinsicht ist nicht erforderlich, wenn für die Nachprüfung der Konzessionsvergaben das Verfahren nach §§ 155 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der vom Bundestag am 17.12.2015 und im Bundesrat am 18.12.2015 beschlossenen Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes Anwendung findet. Dort besteht nach § 165 ein Anspruch auf Akteneinsicht.

Das Zivilprozessrecht enthält bereits ein umfangreiches Beweisrecht einschließlich Vorlagepflichten, in dem die Rechte der Prozessbeteiligten und Dritter abgewogen werden.

Es ist nicht ersichtlich, welcher Vorteil sich ergeben würde, durch das Zusammenwürfeln von Prinzipien des Verwaltungs- und des Zivilprozessrechtswegs ein eigenes "Wegenutzungsvertragsvergabeprozessrecht" zu schaffen, insbesondere, wenn es bereits ein die Prinzipien beider Prozessordnungen vereinigendes Vergabenachprüfungsverfahren gibt.

25. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 3 Satz 3 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 47 Absatz 3 Satz 3 nach den Wörtern "Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen" die Wörter "oder des Geheimwettbewerbs" einzufügen.

Begründung:

Die vorgeschlagene Ergänzung ermöglicht, die Akteneinsicht in die Angebote auch dann zu verweigern, wenn diese, wie etwa Angebote in Form von Konzepten, keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Hierdurch wird gewährleistet, dass das Verfahren zur Vergabe der Wegerechte erforderlichenfalls auf den Stand vor Abgabe der finalen Angebote zurückgesetzt werden kann. Eine Einsichtnahme in die Angebote der Mitbewerber würn Wettbewerb bei der Abgabe neuer finaler Angebote verfälschen. Ohne eine entsprechende Ergänzung müsste das wettbewerbliche Verfahren mithin immer mit der Abgabe neuer indikativer Angebote beginnen.

26. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 3 Satz 4 - neu - EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 47 Absatz 3 folgender Satz anzufügen:

" § 111 Absatz 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch Artikel 258 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, gilt in der jeweils geltenden Fassung entsprechend."

Begründung:

Hiermit wird erreicht, den bisher in der Begründung vorgesehenen Verweis auf § 111 Absatz 3 GWB, wonach jeder Beteiligte auf seine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hinzuweisen und diese kenntlich zu machen hat, als gesetzliche Regelung vorzusehen.

Die Ablehnung der Akteneinsicht zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist sehr weit gefasst und kann auch zu Konkurrenzen mit den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder führen. Nach § 6 des IFG des Bundes darf der Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, wenn der Betroffene einwilligt.

§ 8 des IFG NRW stellt die Ablehnung unter den Vorbehalt, dass bei der Offenbarung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein wirtschaftlicher Schaden entstehen könnte. Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist eher transparenzfreundlich, so dass möglicherweise die Zivilgerichte die Einsicht nach dem EnWG verweigern, die Verwaltungsgerichte dem Anspruch nach dem IFG jedoch stattgeben könnten. Auch der BGH hat in seinem Beschluss vom 14.07.2015 KVR 55/14 zugunsten des Antragstellers für einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung der Behörde entschieden.

Ein zusätzlicher Aufwand der Kommunen - die Unterlagen auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu durchsuchen, darüber zu entscheiden sowie die Unterlagen schwärzen zu müssen - sollte vermieden werden.

Darüber hinaus kann damit auch vermieden werden, dass die Kommunen bei ungerechtfertigter Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen infolge von Fehleinschätzungen schadensersatzpflichtig werden.

Deshalb wird - wie im Vergaberecht bereits vorgesehen - vorgeschlagen, die Bewerber vorher bestimmen zu lassen, welche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht herausgegeben werden dürfen (siehe auch § 111 Absatz 3 GWB). Dieser Verweis findet sich zwar in der Begründung, müsste jedoch im Gesetz geregelt werden, damit die Kommunen diesen Anspruch auch rechtssicher durchsetzen können.

27. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 4 Satz 2 - neu - EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 47 Absatz 4 folgender Satz anzufügen:

"Die Gemeinde darf die rügenden Unternehmen über die Nichtabhilfe der Rügen nach den Absätzen 1 und 2 auch nach Durchführung des Verfahrens nach § 46 Absatz 3 bis 5, spätestens jedoch mit der Information nach § 46 Absatz 5, informieren."

Begründung:

Mit der Nichtabhilfeentscheidung nach Satz 1 wird die Frist des Absatzes 5 Satz 1, einstweiligen Rechtsschutz zu suchen, ausgelöst. Um zu verhindern, dass das Verfahren laufend durch gerichtlichen Rechtsschutz durch alle Instanzen verzögert wird, kann die Gemeinde auch über alle Nichtabhilfeentscheidungen gebündelt nach Durchführung des Verfahrens informieren. Diese bereits nach jetziger Rechtslage bestehende Möglichkeit soll hiermit klargestellt werden.

Diese Information muss aber spätestens mit der Mitteilung über die Ablehnung der Angebote erfolgen.

28. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 5 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 47 Absatz 5 wie folgt zu fassen:

"Beteiligte Unternehmen können gerügte Rechtsverletzungen, denen die Gemeinde nicht abhilft, innerhalb von 15 Kalendertagen ab Zugang der Information nach § 46 Absatz 5 Satz 1 geltend machen. Für das Verfahren ist das zweite Kapitel des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), das zuletzt durch [Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts 2015] geändert worden ist, anzuwenden. Abweichend von § 182 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen richtet sich der Gegenstandswert nach dem jährlichen Konzessionsabgabenaufkommen, er beträgt jedoch höchstens 100 000 Euro."

Begründung:

Die Nachprüfung von Konzessionsvergaben durch die Vergabenachprüfungsinstanzen nach dem zweiten Kapitel des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der vom Bundesrat am 18.12.2015 beschlossenen Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes ist sachgerecht. Im einstweiligen Rechtsschutz nach der Zivilprozessordnung ist die Revision nicht statthaft ( § 542 Absatz 2 Zivilprozessordnung). Es droht damit eine Rechtszersplitterung auf der Ebene der Oberlandesgerichte. Nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfs ist ein Hauptsacheverfahren nicht vorgesehen.

Zudem wäre es interessengerecht, die vergabeverfahrensrechtliche Zuschlagssperre auch bei der Vergabe von Wegenutzungsverträgen anzuwenden. Anderenfalls wäre die Gemeinde berechtigt, nach einem Obsiegen in erster Instanz einen Konzessionsvertrag abzuschließen. Ein unterlegener Bewerber wäre dann auf nur eine Nachprüfungsinstanz beschränkt. Die Kartellgerichte sind mit den Grundsätzen des Vergaberechts oftmals nicht vertraut. Die "incamera"-Prüfung von vertraulichen Unterlagen (Angebotsinhalte konkurrierender Unternehmen) ist nach der Zivilprozessordnung nicht möglich.

Derzeit gibt es keine einheitliche Praxis bei der Bemessung des Gegenstandswerts von einstweiligen Verfügungsverfahren gegen Konzessionsvergaben. Einige Gerichte orientieren sich am Netzwert, womit Streitwerte in Millionenhöhe möglich sind. Für die Gemeinden sind derartige Streitwertrisiken nicht zumutbar, insbesondere solange die rechtlichen Anforderungen an Konzessionsvergaben nicht hinreichend geklärt sind. In manchen Gemeinden haben die drohenden Gerichtskosten bereits eine prohibitive Wirkung auf den Wettbewerb. Eine Orientierung an dem zuletzt festgestellten Konzessionsabgabenaufkommen mit einer Deckelung bei 100.000 Euro wird sowohl kleineren als auch größeren Gemeinden gerecht und ist lex specialis gegenüber der Kostenregelung in § 182 Absatz 2 GWB in der Fassung der Vergaberechtsnovelle.

29. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 5 Satz 1 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 47 Absatz 5 Satz 1 die Wörter "nach Absatz 4" durch die Wörter "nach § 46 Absatz 5 Satz 1" zu ersetzen.

Begründung:

Hier ist eine Präzisierung des gerichtlichen Rechtsschutzes notwendig, um tatsächlich einen Beschleunigungseffekt für das Verfahren zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zu erzielen. Im jetzigen Entwurf sind bei diversen Verfahrensschritten (Bekanntmachung, Auswertungskriterien und deren Gewichtung etc.) Rügepflichten gegenüber den Kommunen vorgesehen, die bei Nichtabhilfe der Gemeinde durch einstweiligen Rechtsschutz vor den Zivilgerichten fortgesetzt werden können. Dies führt unter Umständen dazu, dass sich jeder Verfahrensschritt hinauszögert, bis die jeweilige Rüge durch alle Instanzen gegangen ist. Um dies zu verhindern und gleichzeitig dem Rechtsschutzgedanken des Artikel 19 Absatz 4 GG hinreichend Rechnung zu tragen, sollte sich der gerichtliche Rechtsschutz auf das Ens Verfahrens konzentrieren. Auf diese Weise können alle Rügen eines unterlegenen Bewerbers in einem gerichtlichen Verfahren gebündelt werden, ohne dass das Verfahren über die Neuvergabe der Wegenutzungsrechte selbst laufend verzögert wird. Auf diese Weise ist auch dem Konzentrationsgedanken Rechnung getragen, indem der gerichtliche Rechtsschutz gegen nichtabgeholfene Rügen auf den Zeitraum nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Neukonzessionierung verlagert wird.

Davon unberührt bleibt die Rügepflicht gegen die einzelnen Verfahrenshandlungen. Diese müssen innerhalb der vorgesehenen Fristen gegenüber der Kommune erhoben werden, sonst ist der Beschwerdeführer damit nach Ens Verfahrens präkludiert.

30. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 5 Satz 1 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 47 Absatz 5 Satz 1 die Wörter "den ordentlichen Gerichten" durch die Wörter "dem jeweils zuständigen Gericht" zu ersetzen.

Folgeänderung:

In Artikel 1 Nummer 2 ist § 47 Absatz 5 Satz 2 wie folgt zu fassen:

"Es gelten jeweils die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder der Verwaltungsgerichtsordnung über das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung."

Begründung:

Der Gesetzentwurf geht ausweislich der Begründung, in der auf § 102 EnWG verwiesen wird, davon aus, dass es sich in jedem Fall um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten handelt. Dies ist aber nicht zwingend. Jedenfalls in Hamburg und Berlin werden die Rechte zur Wegenutzung für Strom- und Gasleitungen durch den Abschluss öffentlichrechtlicher Verträge eingeräumt (s. BerlKommEnR/ Wegener, Berlin 2014, 3. Aufl., Rz. 45 (Fußn. 71) zu § 46). Daher sind auch die dem Vertragsschluss vorausgehenden Verfahren öffentlichrechtlicher Natur. Streitigkeiten über angebliche Verfahrensfehler sollten daher wie die Streitigkeiten über die entsprechenden Verträge vor der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgetragen werden können. Hierdurch wird auch vermieden, dass in einem Land verschiedene Gerichtszweige mit einer vergleichbaren Thematik befasst werden.

Als Folge der Erweiterung in Absatz 5 Satz 1 wird in Satz 2 auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit genannt.

31. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 6 EnWG)

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Regelung zur Vertragssperre in § 47 Absatz 6 EnWG-E zu präzisieren: Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten sollte klargestellt werden, ob ein Vertrag nach § 46 Absatz 2 EnWG-E bereits nach bloßem Ablauf der Fristen nach § 47 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 5 Satz 1 EnWG-E geschlossen werden darf oder ob im Fall eines fristgemäß eingeleiteten Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten ein Vertragsschluss erst nach Abschluss dieses gerichtlichen Verfahrens zulässig ist.

Begründung:

Nach § 47 Absatz 6 EnWG-E darf ein Konzessionsvertrag erst nach Ablauf der Fristen aus § 47 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 5 Satz 1 EnWG-E geschlossen werden.

Nach dieser Formulierung wäre ein Vertragsschluss indes auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Fristen zwar verstrichen sind, jedoch ein an der Konzession interessiertes Unternehmen fristgemäß ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten eingeleitet hat. Wie sich aus der Einzelbegründung zu § 47 Absatz 5 EnWG-E ergibt (Seite 22), soll die Vertragssperre in § 47 Absatz 6 EnWG-E jedoch einen Vertragsschluss verhindern, "solange von den am Verfahren Beteiligten noch Rügen erhoben werden können bzw. nicht allen erhobenen Rügen abgeholfen wurde". Zudem soll das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten ein Mittel sein, um "einen bereits drohenden Vertragsschluss nach § 46 Absatz 2 EnWG zu verhindern".

Die Gesetzesbegründung legt demzufolge den Schluss nahe, dass ein Vertragsschluss im Fall eines gerichtlichen Verfahrens erst nach Abschluss dieses Verfahrens zulässig sein soll. Da sich dieses Verständnis im Wortlaut des § 47 Absatz 6 EnWG-E nur unzureichend wiederfindet, sollte insoweit zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten eine Klarstellung im Gesetzeswortlaut erfolgen.

32. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 47 Absatz 7 - neu - EnWG)

In Artikel 1 Nummer 2 ist dem § 47 folgender Absatz 7 anzufügen:

(7) Die Absätze 1 bis 6 finden entsprechende Anwendung auf bisherige Nutzungsberechtigte oder Eigentümer. Absatz 2 Satz 2 und 3 ist entsprechend anwendbar, wenn dem bisherigen Nutzungsberechtigten oder Eigentümer die entsprechende Mitteilung zuging. Der Nutzungsberechtigte oder Eigentümer kann die Übereignung nach § 46 Absatz 2 Satz 2 mit Verweis auf Mängel des Konzessionsverfahrens nur verweigern, wenn er sie rechtzeitig gerügt hat."

Begründung:

Es fehlt eine Rügeobliegenheit des bisherigen Eigentümers des Netzes, der nicht selbst als Bewerber am Konzessionsverfahren beteiligt ist. Es sind oft die mit den Altkonzessionären und einem Bewerber gesellschaftsrechtlich verbundenen oder am Konzessionsverfahren auch indirekt nicht beteiligten Netzeigentümer, die die Übertragung der Netze an den Neukonzessionär mit Verweis auf die vermeintliche Nichtigkeit der Konzessionsverträge verweigern. Gegenüber diesen läuft die Einführung einer Rügeobliegenheit der Bewerber ins Leere. Mit diesen Eigentümern müsste der Neukonzessionär unter Umständen langjährige und kostenintensive Prozesse über das Bestehen des Übereignungsanspruchs aus § 46 Absatz 2 Satz 2 EnWG führen. In dem hierdurch verursachten Schwebezustand ist ein geordneter Netzbetrieb unter klaren und sicheren Investitionsbedingungen unmöglich.

33. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 48 Absatz 4 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 3 ist § 48 Absatz 4 wie folgt zu fassen:

"Wenn die Gemeinde eine Verzögerung der Übertragung der Verteilungsanlagen überwiegend zu vertreten hat, endet die Pflicht des Energieversorgungsunternehmens zur Erbringung der im Wegenutzungsvertrag vereinbarten Gegenleistungen ein Jahr nach Ablauf des Wegenutzungsvertrages, es sei denn, dass die Gemeinde und das Energieversorgungsunternehmen eine anderweitige Regelung treffen."

Begründung:

Der Gesetzeswortlaut sieht die Beendigung der Fortzahlung der Konzessionsabgabe an die Kommune vor, wenn diese es unterlassen hat, ein Verfahren zur Vergabe von Wegenutzungsrechten durchzuführen. Hierbei bleibt unklar, was unter "Durchführung eines Verfahrens" zu verstehen ist. Die Regelung ist zu unbestimmt und nur schwer bestimmbar.

Den Kommunen wäre es nach Beginn eines Verfahrens jederzeit möglich, das Verfahren hinauszuzögern, z.B. durch ein zusätzliches Markterkundungsverfahren zu unterbrechen oder andere Unterbrechungsgründe vorzutragen. Sie könnten sich jedoch weiterhin darauf berufen, das Verfahren "durchzuführen". Der Wettbewerbsgedanke, dem mit der 20jährigen Höchstlaufzeit der Wegenutzungsverträge Rechnung getragen wird, würde damit konterkariert.

Die derzeit geltende Rechtslage berücksichtigt jedoch die kommunalen Interessen ebenfalls nicht hinreichend. Diese stellt, da die Gemeinden ohne eigenes Verschulden in eine Situation kommen können, in der die Erbringung der vertraglich vereinbarten Gegenleistungen streitig ist, obwohl der Netzbetreiber weiter uneingeschränkt die Wegerechte nutzen kann, ebenfalls keinen angemessenen Interessenausgleich dar.

Deshalb wird eine Neuregelung des § 48 Absatz 4 vorgeschlagen, die Klarheit hinsichtlich der Verpflichtung zur Erbringung der im Wegenutzungsvertrag vereinbarten Gegenleistungen für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen nach Ablauf des Wegenutzungsvertrages schafft. Vielfach kommen Gemeinden bedingt durch zeitliche Verzögerungen bei einer Netzübernahme nach dem Abschluss eines neuen Wegenutzungsvertrages in die Situation, dass die bisher geltende Frist zur Fortzahlung der Konzessionsabgabe von einem Jahr nach Ablauf des Wegenutzungsvertrages überschritten wird. Nach Ablauf dieser Frist besteht eine Rechtsunsicherheit über die Frage nach der Verpflichtung des abgebenden Netzbetreibers zur Fortzahlung sowie zur Höhe der ggf. fortzuzahlenden Konzessionsabgabe. Hinzu kommt, dass in diesen Fällen die sonstigen im Sinne von § 3 Absatz 1 der Konzessionsabgabenverordnung zulässigen und vertraglich vereinbarten Nebenleistungen (Gemeinderabatt, Folgekosten und Verwaltungskostenbeiträge) für die Gemeinde wegfallen.

Für die Gemeinden, die an den Verhandlungen zu Netzübernahmen regelmäßig nicht beteiligt sind, ist vorgesehen, dass die Verpflichtung zur Erbringung der im Wegenutzungsvertrag vereinbarten Gegenleistungen für die Einräumung des Rechts zur Benutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen solange fortbesteht, bis das neue Energieversorgungsunternehmen die Verteilungsanlagen und damit den Netzbetrieb übernommen hat.

Ein Anreiz für die Gemeinde, die Höchstlaufzeit eines Wegenutzungsvertrages gemäß § 46 Absatz 2 Satz 1 von 20 Jahren zu überschreiten, besteht ebenfalls nicht, da die Verpflichtung des bisher Nutzungsberechtigten dann nicht besteht, wenn die Verzögerung überwiegend von der Gemeinde zu vertreten ist. In diesem Fall gilt die bereits bisher in § 48 Absatz 4 vorgesehene Frist von einem Jahr. Auf diese Weise wird dem Wettbewerbsgedanken hinreichend Rechnung getragen. Das Verschulden der Kommune lässt sich anhand der ihr auferlegten und nunmehr klargestellten Pflichten in der Gesetzesnovelle leicht identifizieren, ohne neue gerichtliche Auseinandersetzungen zu produzieren.

Darüber hinaus sind die Gemeinde und der bisherige Netzbetreiber dadurch nicht gehindert, für den Fall, dass die Frist von einem Jahr überschritten wird, eine abweichende Regelung zu treffen.

34. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 48 Absatz 4 Satz 2 EnWG)

In Artikel 1 Nummer 3 ist in § 48 Absatz 4 Satz 2 das Wort "durchzuführen" durch das Wort "einzuleiten" zu ersetzen.

Begründung:

Die gewählte Formulierung ermöglicht eine Interpretation, nach der für den Fall, dass die Gemeinde ein Verfahren nach § 46 Absatz 3 bis 5 EnWG eingeleitet hat, das sich aber später als fehlerhaft herausstellt, ihren Anspruch auf Fortzahlung der bislang vereinbarten Konzessionsabgaben verliert; denn in diesem Fall ist das Verfahren gerade unter Verletzung einer Vorschrift des § 46 Absatz 3 bis 5 EnWG durchgeführt worden. Gemeint ist aber, dass nur in dem Fall, in dem die Gemeinde überhaupt kein Verfahren für die Vergabe von Wegenutzungsrechten eingeleitet hat, der Anspruch entfallen soll. Deshalb ist eine sprachliche Klarstellung erforderlich.

35. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 48 Absatz 4 Satz 3 - neu - EnWG)* In Artikel 1 Nummer 3 ist dem § 48 Absatz 4 folgender Satz anzufügen:

"Der Übertragung der Verteilungsanlagen nach Satz 1 steht das Wirksamwerden eines Wegenutzungsvertrages mit dem bisher Nutzungsberechtigten gleich."

Begründung:

Wenn der Altkonzessionär als Sieger aus dem Verfahren hervorgeht, findet keine Übertragung der Verteilungsanlagen statt. Gleichwohl kann zwischen Auslaufen des alten und Abschluss des neuen Wegenutzungsvertrages eine längere Zeitspanne liegen. Zur Klarstellung, dass auch in dieser Konstellation ein gesetzlicher Anspruch der Kommunen auf Weiterzahlung der Konzessionsabgaben besteht, sollte die Vorschrift insoweit ergänzt werden.

36. Zu Artikel 1 Nummer 4 - neu - (§ 118 Absatz 18 - neu - EnWG) Dem Artikel 1 ist folgende Nummer 4 anzufügen:

'4. Dem § 118 wird folgender Absatz 18 angefügt:

(18) § 47 ist auf Verfahren anwendbar, in denen am ... [einsetzen: Datum des Tages des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung] die Auswahlkriterien und deren Gewichtung bereits im Sinne des § 46 Absatz 4 Satz 4 bekannt gegeben wurden. Die Rügefristen beginnen entsprechend zu laufen, wenn die Gemeinde die Unternehmen, Nutzungsberechtigte oder Netzeigentümer nach Inkrafttreten dieses Gesetzes schriftlich auffordert, mögliche Rechtsverletzungen fristgerecht zu rügen. Fristbeginn ist der Zugang des Aufforderungsschreibens der Gemeinde mit Fristsetzung für Rügen." '

* Regelung ist auch bei Annahme von Ziffer 33 möglich. Bei Annahme von Ziffer 33 ist Ziffer 35 redaktionell anzupassen.

Begründung:

Dem Regierungsentwurf fehlt eine Übergangsregelung für bereits laufende Konzessionsverfahren. Eine Vielzahl von Konzessionsverfahren - unter anderem im Land Berlin - sind bei Inkrafttreten noch nicht beendet oder auf Grund von schwebenden Gerichtsverfahren noch nicht rechtswirksam zum Abschluss gekommen. Auch bei diesen laufenden Konzessionsverfahren besteht ein erhebliches Interesse aller Beteiligten, dass Bewerber, aber auch Netzeigentümer bei vermeintlichen Rechtsverletzungen diese zeitnah rügen und nach Mitteilung der Auswahlentscheidung zeitnah eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Nach dem Gesetzentwurf gäbe es eine solche Rügeobliegenheit in laufenden Konzessionsverfahren nicht. Denn im Gesetzentwurf besteht die Rügeobliegenheit innerhalb einer Frist, die jeweils mit Versendung bzw. Eingang von Mitteilungen über Vergabebedingungen bzw. Zuschlagskriterien zu laufen beginnt. Diese Fristen sind bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung schon verstrichen. Die Gesetzesänderung kann insofern nicht rückwirkend Rügeobliegenheiten in der Vergangenheit begründen. Es bedarf daher einer Übergangsregelung. Diese stellt keine unzulässige Rückwirkung dar, da Rügeobliegenheiten erst nach Inkrafttreten des Gesetzes und erst nach Aufforderung durch die Gemeinde begründet werden und erst in Zukunft Präklusionen nach sich ziehen.

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