Antrag des Landes Hessen
Entschließung des Bundesrates zum Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten im Zirkus

Der Hessische Ministerpräsident
Wiesbaden, den 5. Februar 2016

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die anliegende Entschließung des Bundesrates zum Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten im Zirkus mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 942. Plenarsitzung am 26. Februar 2016 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier

Entschließung des Bundesrates zum Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten im Zirkus

Der Bundesrat möge beschließen:

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zeitnah eine Rechtsverordnung vorzulegen, die das Halten von Tieren bestimmter wild lebender Arten in Betrieben die an wechselnden Orten diese Tiere zur Schau stellen, verbietet. Das Verbot soll insbesondere für Affen (nichtmenschliche Primaten), Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde gelten.

Für bereits vorhandene Tiere soll unter Berücksichtigung deren Lebensdauer eine Übergangsfrist vorgesehen werden, allerdings nur sofern sie keine offensichtlichen Verhaltensstörungen (wie beispielsweise Stereotypien, aggressives bzw. depressives Verhalten, Apathie, Trauern) zeigen.

Darüber hinaus bittet der Bundesrat die Bundesregierung in einer Rechtsverordnung gemäß § 2a Tierschutzgesetz für die Tierarten, die an wechselnden Orten noch zur Schau gestellt werden dürfen, die zum Schutz dieser Tierarten erforderlichen Anforderungen an deren Haltung zu regeln.

Weiterhin spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass Betriebe die an wechselnden Orten Tiere zur Schau stellen, über ein festes Quartier verfügen müssen, das nach seiner Größe, Ausstattung und seinem Gesamtzustand für alle gehaltenen Tiere eine den Anforderungen des § 2 des Tierschutzgesetzes entsprechende art- und bedürfnisangemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung ermöglicht.

Begründung:

Allgemeines :

Bereits in den Jahren 2003 und 2011 hat der Bundesrat jeweils einem Entschließungsantrag (BR-Drs. 595/03 (PDF) und 565/11 (PDF) ) zugestimmt, nach denen ein Haltungsverbot für bestimmte wild lebende Tierarten in Zirkusbetrieben ausgesprochen werden sollte.

Eine Rechtsverordnung, die diese Beschlüsse umsetzten könnte, ist bislang nicht erlassen worden.

Allerdings räumt die Bundesregierung in der Begründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (vgl. BT-Drucksache 17/10572) Folgendes ein:

"Es zeichnet sich jedoch bereits ab, dass für einige der genannten Tierarten ein Verbot oder eine Beschränkung des Zurschaustellens an wechselnden Orten aus Gründen des Tierschutzes erforderlich sein könnte. Fortgesetzte Verstöße gegen die Haltungsvorschriften für manche Tierarten sowie die Häufigkeit von Verhaltensauffälligkeiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betreffenden Tiere in vielen Zirkusbetrieben weisen darauf hin, dass die Bestimmungen für deren tierschutzgerechte Haltung unter den Bedingungen des Zurschaustellens an wechselnden Orten nicht realisierbar sind. Auch nehmen die Erkenntnisse über die Bedürfnisse mancher Tierarten hinsichtlich einer tierschutzgerechten Haltung zu und erfordern zumeist ein erhöhtes Platzangebot und mehr Bewegungsmöglichkeiten für die Tiere."

Es hat sich nicht zuletzt aufgrund von Vorkommnissen aus dem letzten Jahr um die Haltung eines Zirkuselefanten und Bären gezeigt, dass es beim Zurschaustellen von Elefanten, Bären und anderen großen Wildtieren an wechselnden Orten nicht nur gehäuft zu Verstößen kommt, sondern dass die aktuellen Erkenntnisse erneut deutlich gemacht haben, dass Tiere dieser Tierarten auch bei einer Haltung, wie sie etwa durch die Zirkusleitlinien vorgeschrieben ist, erhebliche Schäden entwickeln, die sich in chronischen (organischen) Erkrankungen z.B. des Skelettsystems zeigen und dass die Tiere darüber hinaus erhebliche Leiden aufweisen, die sich in gravierenden Verhaltensstörungen äußern. Im reisenden Gewerbe gibt es keine Alternativen, die geeignet sind, die festgestellten erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden der Tiere bei der Haltung und beim Transport wirksam zu beheben.

Auch der Vollzug durch die Länder kann hier grundsätzlich keine Abhilfe schaffen, da die Probleme systemimmanent mit den Betrieben, die an wechselnden Orten diese Tiere zur Schau stellen, verbunden sind.

Zur Verfassungsmäßigkeit eines Verbotes bestimmter Wildtiere und im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit der EU:

Das Verbot der Haltung bestimmter Tiere stellt einen Eingriff in die Berufsfreiheit der betroffenen Personen dar, der aber als geringgradig zu beurteilen ist. Ein Verbot bestimmter Tierarten ist somit verhältnismäßig.

Sofern die Berufsausübungsregelung zulässig ist, dürfte grundsätzlich auch die Eigentumsbeschränkung zulässig sein und damit der Eingriff in Artikel 14 Absatz 1 GG ebenfalls verfassungsmäßig sein.

So sieht es mittlerweile auch die Bundesregierung (siehe BT-Drucksache 17/10572:

"Insoweit stellen Verbote oder die Einschränkung der Haltung bestimmter Arten wildlebender Tiere im Zirkus keinen Eingriff in die Berufswahlfreiheit dar. Es handelt sich nach den hier vorliegenden Erkenntnissen vielmehr um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, der durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls, hier den Schutz der von dem Verbot oder einer Beschränkung erfassten Tiere, gerechtfertigt sein kann."

Andere Länder sind diesen Schritt längst gegangen. Mittlerweile gibt es in 17 Ländern der EU ein vollständiges Verbot der Haltung von Wildtieren im Zirkus oder starke Einschränkungen. Die EU gesteht ihren Mitgliedstaaten ausdrücklich das Recht zu, den Bereich der Haltung von Wildtieren im Zirkus eigenständig zu regeln. Auch weltweit sind schon viele Staaten diesen Weg eines Verbotes gegangen.

Als zuletzt dazu gekommenes EU-Land verbieten die Niederlanden seit dem 15. September 2015 eine Vielzahl von Säugetieren im Zirkusbetrieb.

Auch bleibt der Zirkus als Kulturgut erhalten. Die Herausnahme einiger weniger exotischer Tierarten, die nicht mehr mitgeführt werden dürfen, ändert daran nichts.

Zur Frage der art- und verhaltensgerechten Haltung bestimmter Tierarten im Zirkus: Zurzeit können grundsätzlich alle Wildtierarten in Zirkussen gehalten werden.

Spezielle ausführende Rechtsvorschriften für die Tierhaltung im Zirkus gibt es nicht. Die einschlägigen Leitlinien entsprechen nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis und dienen zudem lediglich der Orientierung. Sie sind nicht rechtsverbindlich und gehen darüber hinaus von einer wissenschaftlich nicht belegten und inzwischen überkommenen Hypothese aus. Diese besagt, dass Wildtiere die Reduktion ihres Lebensraumes auf ein Minimum und das Nichterfüllen ganzer Verhaltenskreise dadurch kompensieren könnten, dass sie nicht selbstbestimmte Dressurleistungen in der Manege zeigen. Wie die aus 2009 stammenden "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten" u.a. auch belegen, ist nicht selbstbestimmte Arbeit nicht einmal ausreichend, um den Verhaltenskreis "Bewegung" angemessen zu erfüllen bzw. zu berücksichtigen. Im Bereich der Pferdehaltung gibt es überdies aktuelle Urteile, die feststellen, dass "das bloße Ausmaß an Verhaltensrestriktionen, denen ein Tier unterworfen wird, ausreichen, um erhebliche Leiden anzunehmen, ohne dass äußerlich wahrnehmbare Indizien in Form von Verletzungen oder Verhaltensauffälligkeiten vorliegen" (LG München II; Az: 9Ns 12Js 33703/12; 15.08.2014)

Es gibt in Deutschland etwa zehn größere Zirkusse, einige mittlere und in der Überzahl kleine und Kleinstzirkusse, die teilweise nur regional reisen sowie 250 Unternehmen, die den reisenden Zirkusbetrieben zugeordnet werden können.

Die Erfahrung zeigt, dass die bestehenden Regelungen zum Schutz von Tieren bei einigen Wildtierarten nicht greifen, weil eine art- und verhaltensgerechte Unterbringung unter den besonderen Bedingungen eines reisenden Zirkusunternehmens praktisch nicht möglich ist.

Bei einigen Tierarten, insbesondere bei Affen (nicht menschliche Primaten), Bären, Elefanten, Giraffen, Nilpferden und Nashörnern, können die Verhaltensansprüche der Arten in einem reisenden Zirkus schon im Grundsatz nicht erfüllt werden.

Für all diese gilt: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass die vorgenannten Tierarten - selbst wenn keine schwerwiegenden Verhaltens- oder Gesundheitsstörungen sichtbar sind - erheblich leiden.

Diese Einschätzung basiert auf folgenden Sachverhalten:

Als eingeschränkte Verhaltenskreise sind zumindest anzusehen:

Schließlich sind für alle genannten Arten die Verhaltenskreise Fortpflanzungs- bzw. Mutter-Kind-Verhalten im reisenden Betrieb nicht erfüllbar.

Durch erzwungenes Stehen im Transportbehältnis mit erheblich eingeschränkter Bewegungsmöglichkeit sind sie (in diesem Fall Elefanten) genötigt, "die ganze Zeit stehen zu bleiben oder sich auf ihre Knie abzulegen. Sie können mit ihren Artgenossen nur unzureichend Kontakt aufnehmen und sind während dieser Zeit einfach zum Nichtstun verdammt. Wie bei allen Säugetieren führt dieses erzwungene Stehen zu einer Überbeanspruchung der Gelenke und der Muskulatur der Tiere." Weitergehend kommt das Gericht zu dem Schluss, dass "erzwungenes, durch den Transport bedingtes artwidriges Verhalten, an welches sich die Tiere gewöhnt haben, nicht als Maßstab für das Tierschutzgesetz herangezogen werden kann."

Auf der Vollzugsebene ist die Problematik nicht lösbar. Die Verweigerung einer Erlaubnis nach § 11 Tierschutzgesetz ist nur im Einzelfall anwendbar, aber zur generellen Regelung von Missständen nicht geeignet. Ebenso wenig lassen sich bei bestimmten Tierarten grundlegende Verbesserungen der Tierhaltung über Verfügungen nach § 16 Tierschutzgesetz praktisch durchsetzen. Und auch die Wegnahme und anderweitige Unterbringung von Tieren ist oft problematisch. Geeignete Auffangstationen übernehmen die Tiere zu Recht oft nur dann, wenn gleichzeitig ein Wiederauffüllen der Plätze verhindert wird. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich weggenommene und anderweitig untergebrachte Tiere, anders als oft angenommen, in sachkundig geleiteten Haltungen fast immer resozialisieren lassen. Hierzu gibt es insbesondere aus den letzten Jahren aktuelle und belegbare Beispiele.

Um der Problematik wirkungsvoll begegnen zu können, muss daher verhindert werden, dass die Tierarten, die absehbar gefährdet sind, weiter in Zirkussen gehalten werden.

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Zirkusregister haben gezeigt, dass es systemimmanent bedingt trotz der zentralen Erfassung aller Wanderzirkusse nicht zu spürbaren Verbesserungen in den Tierhaltungen der genannten Arten gekommen ist.

Bei der Ausgestaltung eines festen Quartiers sollen sich Größe, Ausstattung und Gesamtzustand nach den Anforderungen des § 2 des Tierschutzgesetzes richten und eine art- und bedürfnisangemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung ermöglichen. Die Tiere sollen sich tatsächlich mindestens 4 Monate im Jahr dort aufhalten.