Unterrichtung durch die Bundesregierung
Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für ein rauchfreies Europa: Strategieoptionen auf EU-Ebene KOM (2007) 27 endg.; Ratsdok. 5899/07

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 5. Februar 2007 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Förderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 30. Januar 2007 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 31. Januar 2007 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 118/97 = AE-Nr. 970392,
Drucksache 637/02 = AE-Nr. 022329 und AE-Nr. 040104

I. Einleitung

Die Exposition gegenüber Tabakrauch in der Umwelt (ETS) - auch "Passivrauchen" genannt - ist immer noch eine weit verbreitete Krankheits- und Todesursache in der Europäischen Gemeinschaft und belastet die gesamte Gesellschaft mit hohen Kosten.

Koordinierte Bemühungen in Hinblick auf ein "rauchfreies Europa" gehören zu den Prioritäten der öffentlichen Gesundheits-, Umwelt-, Arbeits- und Forschungspolitik der Kommission. In ihrem Aktionsplan Umwelt- und Gesundheit 2004-2010 verpflichtet sich die Kommission dazu, "eine Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen herbeizuführen, insbesondere durch eine Förderung der Einschränkungen des Rauchens an allen Arbeitsplätzen durch Untersuchung rechtlicher Möglichkeiten und von Initiativen zur Gesundheitsförderung auf europäischer und nationaler Ebene".

Wesentliche Schritte sind bereits eingeleitet worden, um in der EU die Einrichtung von rauchfreien Zonen zu fördern. Zu Beginn der neunziger Jahre wurden durch diesbezügliche Gesundheits- und Sicherheitsrichtlinien bestimmte Einschränkungen des Tabakkonsums am Arbeitsplatz festgelegt. Diese sind durch die Entschließung des Rates von 19891 und die Empfehlung zur Prävention des Rauchens von 20022 ergänzt worden, in denen die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert wurden, Schutzmaßnahmen gegen die Exposition gegenüber Tabakrauch an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen, öffentlichen Verkehrsmitteln und geschlossenen öffentlichen Bereichen zu ergreifen. Parallel zu den Rechtsmaßnahmen haben in den Medien vor allem zwei Anti-Tabak-Kampagnen - "Fühl Dich frei, Nein zu sagen" (2001-2004) und "HELP: Für ein rauchfreies Leben" (2005-2008) - auf die Risiken des Passivrauchens hingewiesen, um den "tabakfreien Lifestyle" vor allem unter jungen Leuten zu fördern.

Hinsichtlich der nationalen Rechtsvorschriften lassen sich zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten deutliche Unterschiede feststellen. Die Kommission begrüßt das beispielhafte Vorgehen von Irland, Italien, Malta, Schweden und Teilen des VK und legt allen Mitgliedstaaten nahe, ohne Aufschub wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Bürger vor den gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Passivrauchens zu schützen.

Auf internationaler Ebene erkennt das von 168 Vertragsparteien unterzeichnete und von 141 Partnern3 - einschließlich EU - verabschiedete WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums (WHO FCTC) "die wissenschaftlich fundierten Beweise an, die eindeutig belegen, dass die Exposition gegenüber Tabakrauch Tod, Krankheit und Invalidität verursacht". Die Konvention verpflichtet die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten, die Exposition gegenüber Tabakrauch an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder an geschlossenen öffentlichen Orten einzuschränken.

Ziel des vorliegenden Grünbuchs ist es, einen umfassenden Konsultationsprozess und eine breit angelegte öffentliche Debatte über den besten Weg, das Passivrauchen in der EU einzudämmen, in den EU-Institutionen, in den Mitgliedstaaten und in der Zivilgesellschaft einzuleiten.

Die Kommission wird die zu diesem Grünbuch eingehenden Kommentare gründlich analysieren und auf dieser Grundlage möglicherweise weitere Aktionen beschließen. Der zusammenfassende Bericht über die Untersuchungsergebnisse wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2007 erscheinen. Parallel dazu werden im Rahmen des Aktionsplans Gesundheit und Umwelt breit angelegte Aktionen für eine bessere Luftqualität in geschlossenen Räumen fortgesetzt.

II. Begründung der Aktion

1. Gesundheitliche Aspekte

1.1. Gesundheitsbelastung bei ETS-Exposition

ETS enthält über 4 000 Chemikalien, darunter über 50 bekannte krebserregende Wirkstoffe und viele giftige Agenzien. Für die ETS-Exposition ist bisher kein für die Gesundheit unschädlicher Wert erstellt worden, und es ist nicht zu erwarten, dass die Forschung in Zukunft einen Grenzwert ermitteln wird.

ETS ist 1993 von der US-Umweltschutzbehörde, 2000 von dem US-Ministerium für Gesundheit und Sozialdienste und 2002 von dem Internationalen Krebsforschungszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO-IARC) als für den Menschen krebserregend eingestuft worden. Weiterhin ist ETS von der finnischen (2000) und von der deutschen Regierung (2001) als Krebserreger am Arbeitsplatz eingestuft worden. Kürzlich erklärte die kalifornische Umweltschutzagentur den Tabakrauch als "giftig und Luft kontaminierend".

Zahlreiche, kürzlich erstellte Studien haben bestätigt, dass Passivrauchen eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit und das Leben darstellt.4 Chronisches Passivrauchen ist als eine Ursache vieler Krankheiten erkannt worden, die auch durch aktives Rauchen verursacht werden; dazu gehören Lungenkrebs, Herz-Kreislauferkrankungen und eine Reihe von Erkrankungen bei Kindern.

Eine Untersuchung der WHO-IARC hat nachgewiesen, dass bei den mit Rauchern zusammenlebenden Nichtrauchern das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, 20-30 % höher ist. Die zusätzliche Gefährdung durch Passivrauchen am Arbeitsplatz wurde auf 12-19 % geschätzt.5 Der Bezug zwischen ETS-Exposition und anderen Krebsarten ist nicht so eindeutig.

Es ist nachgewiesen worden, dass bei mit Rauchern zusammenlebenden Nichtrauchern das Risiko einer koronaren Herzerkrankung um 25-30 %6 erhöht ist (in einer kürzlich durchgeführten Studie wird darauf hingewiesen, dass dieser Wert tatsächlich noch höher sein könnte)7. Außerdem gibt es immer mehr Beweise dafür, dass Passivrauchen bei Nichtrauchern das Risiko eines Schlaganfalls erhöht, obwohl die Forschung dieses Risiko erst noch genau abschätzen muss.8

Passivrauchen ist eng mit Atemwegserkrankungen9 verbunden und gilt als Hauptursache für gravierende Fälle von Asthma, Allergie und chronisch obstruktiver Bronchopneumopathie. Für den Patienten kann das soziale Ausgrenzung und Arbeitsplatzverlust bedeuten. Eine kürzlich unter Personen mit starken Asthmasymptomen durchgeführte gesamteuropäische Umfrage hat ergeben, dass die Befragten sich vor allem gesunde Atemluft wünschten.10

Passivrauchen ist besonders schädlich für Kinder und Kleinkinder und kann eine Mitursache von plötzlichem Kindstod, Lungenentzündung, Bronchitis, Asthma und anderen Atemwegserkrankungen sowie Mittelohrentzündung sein. Bei schwangeren Frauen kann Passivrauchen das Geburtsgewicht des Kindes verringern, eine Totgeburt oder eine Frühgeburt verursachen11.

Eine aktuelle Studie weist darauf hin, dass Passivrauchen das Risiko der Entstehung einer altersbedingten Makuladegeneration - in der EU die Hauptursache für das Erblinden - fast verdoppelt.12

Die meisten durch ETS verursachten Gesundheitsschäden weisen eine lineare Funktion zwischen Dosis und Reaktionsgrad auf - d. h. steigendes Risiko bei wachsender Exposition. Das individuelle Risiko ist im Vergleich zum Aktivrauchen niedriger (d. h. 1,2 bzw. 20 für Lungenkrebs). Die Tatsache jedoch, dass viele Menschen dem Passivrauchen ausgesetzt sind, hat für diese eine wesentliche Gesundheitsbelastung zur Folge.

Dagegen ist die Funktion Dosis-Reaktionsgrad bei Herzkrankheiten nicht linear. Bei einem Passivraucher ist das Risiko für Herzkrankheiten in etwa halb so groß wie bei einem Raucher, der 20 Zigaretten pro Tag konsumiert. Schon sehr kleine Mengen Tabakrauch können unmittelbar Blutgerinnung und Thrombosebildung auslösen sowie langfristig die Entwicklung von Arteriosklerose begünstigen - dies alles sind wesentliche Ursachen für Herzerkrankungen.13 Herzkrankheiten sind sowohl bei Rauchern als auch bei Nichtrauchern die vorwiegende Todesursache innerhalb der EU.

Nach jüngsten - konservativen - Schätzungen, die aus der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gesellschaft für Atemwegserkrankungen, der Gesellschaft für Krebsforschung des VK und dem staatlichen französischen Krebsforschungsinstitut (Institut National du Cancer) hervorgingen, sterben in den 25 EU-Staaten jährlich mehr als 79 000 Erwachsene an Passivrauchen. Es gibt Erkenntnisse, dass 2002 in der EU 7 000 Todesfälle auf Passivrauchen am Arbeitsplatz und 72 000 Todesfälle auf Passivrauchen in Privathaushalten zurückzuführen sind. Diese Schätzungen beziehen sich auf Tod durch Herzkrankheit, Schlaganfall, Lungenkrebs und einige Atemwegserkrankungen, die durch Passivrauchen verursacht werden. Dabei werden jedoch nicht solche Todesfälle berücksichtigt, die auf andere Erkrankungen im Zusammenhang mit ETS-Exposition zurückzuführen sind (z.B. Lungenentzündung), Kindstod und die hohe Anzahl der schweren, durch Passivrauchen hervorgerufenen akuten oder chronischen Erkrankungen.14

1.2. Expositionsgrad

Dauerhafte und intensive ETS-Exposition findet hauptsächlich zuhause und am Arbeitsplatz statt.15 Einem Bericht aus dem Jahr 1998 von Information System on Occupational Exposure to Carcinogen (CAREX = Informationssystem über berufsbedingte Exposition gegenüber Karzinogenen) zufolge lag Passivrauchen auf dem zweiten Platz (hinter Sonnenbestrahlung) auf der Liste der krebserregenden Ursachen in der EU-15. Ca. 7,5 Mio. europäische Arbeiternehmer waren 1990-93 während mindestens 75 % ihrer Arbeitszeit zum Passivrauchen verurteilt.16

Eine 2001-2002 in sieben europäischen Städten an öffentlichen Orten durchgeführte Studie zeigte, dass an den meisten der untersuchten Orte Tabakrauch vorhanden war, darunter in Freizeiteinrichtungen und Betrieben des Gastgewerbes, Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und pädagogischen Einrichtungen. Die Höchstwerte für ETS-Konzentrationen wurden in Bars/Kneipen und Diskotheken ermittelt: Ein vierstündiger Aufenthalt in einer Diskothek entsprach einem einmonatigem Zusammenleben mit einem Raucher.17 Die Feststellung, dass die Expositionswerte in Einrichtungen des Gastgewerbes außergewöhnlich hoch liegen, ist von anderen Untersuchungen bestätigt worden. Sie ergaben, dass die durchschnittliche Exposition von Kneipenpersonal drei- oder viermal höher ist als beim Zusammenleben mit einem Raucher.18

Die kürzlich eingeführten Vorschriften für rauchfreie Zonen bewirkten in manchen Mitgliedstaaten die nahezu völlige Beseitigung des Passivrauchens am Arbeitsplatz und in einigen Formen öffentlicher Einrichtungen, während in Ländern, in denen solche umfassenden Einschränkungen noch nicht existieren, der Expositionsgrad - vor allem im Gaststätten- und Vergnügungssektor - sehr hoch bleibt.19

Zur Ermittlung der EU-weiten Belastung durch Passivrauchen hat die EU-Sachverständigengruppe Human-Biomonitoring20 empfohlen, Cotinin (als relevanten Biomarker für die Passivrauchbelastung) auf die Vorschlagsliste für das zukünftige EU-Pilotprojekt Human-Biomonitoring zu setzen. Die Mitgliedstaaten haben dieser Empfehlung bei mehreren Anlässen zugestimmt.

1.3. Auswirkungen der Rauchfrei-Initiative

Aktionen zur Schaffung von rauchfreien Zonen würden die Bürger nicht nur vor der schädlichen ETS-Exposition schützen, sondern einen allgemeinen Rückgang des Tabakkonsums bewirken. Die positiven Auswirkungen der Einschränkung des passiven und aktiven Rauchens auf die Gesundheit hätten einen Rückgang von Erkrankungen und Todesfällen, die infolge ernsthafter Erkrankungen - insbesondere Lungenkrebs, koronare Herzerkrankungen, Atemwegserkrankung und Schlaganfall - eintreten, zur Folge, und würden zudem die Lebenserwartung erhöhen. Obwohl es sicherlich noch 30 Jahre dauern wird, bis der Nutzen für die Volksgesundheit zum Tragen kommt, können doch bereits in den nächsten 1-5 Jahren beträchtliche Fortschritte erzielt werden, insbesondere im Hinblick auf die Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen.

Das unter Federführung der WHO durchgeführte Projekt CHOICE kam zu dem Schluss, dass die Schaffung rauchfreier öffentlicher Orte die zweiteffektivste Handlungsstrategie (nach der Tabaksteuererhöhung) ist, um die durch den Tabakkonsum verursachte hohe Todes- und Krankheitsrate zu senken (siehe Anhang I).

2. Wirtschaftliche Aspekte

2.1. Wirtschaftliche Belastung

Ermittlungen aus Mitgliedstaaten (VK, Irland) und Nicht-Mitgliedstaaten der EU zeigen, dass die Folge des Passivrauchens im privaten und im sozialen Bereich ein hoher Kostenfaktor ist. Die Gesamtbelastung im Rahmen der EU-27 muss jedoch erst noch ermittelt werden. Zu der gesamtwirtschaftlichen Belastung zählen die Kosten, die in direkter Beziehung zu den steigenden Behandlungskosten tabakbedingter Erkrankungen stehen, aber auch indirekte Kosten im Zusammenhang mit Produktivitätsverlust, nicht eingenommenen Lohnsteuern und Sozialabgaben von Rauchern oder Passivrauchern, die sonst in einem bezahlten Arbeitsverhältnis stünden.21

Die wirtschaftliche Belastung ist besonders hoch für die Arbeitgeber, da durch Raucherpausen und zunehmenden krankheitsbedingten Arbeitsausfall die Produktivität der Arbeiternehmer beeinträchtigt wird. Außerdem müssen durch Rauchen verursachte Brandschäden sowie zusätzliche Reinigungs- und Renovierungskosten berücksichtigt werden.22 In Kanada wurden 1995 die jährlich durch einen rauchenden Angestellten im Vergleich zu einem vergleichbaren nicht rauchenden Angestellten verursachten Kosten auf 2 565 CAD geschätzt. Schottische Arbeitgeber verzeichneten 1997 einen Verlust zwischen 0,51 % und 0,77 % des schottischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufgrund abnehmender Produktivität, höherer Arbeitsausfallraten und durch Rauchen entstandener Brandschäden. In Irland ergab die entsprechende Schätzung für das Jahr 2000 einen Verlust von 1,1 bis 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts.23

2.2. Auswirkungen der Rauchfrei-Initiative

Langfristig kann sich die durch Strategien für rauchfreie Zonen herbeigeführte potenzielle Gesundheitsverbesserung sehr positiv auf die Wirtschaft auswirken. In der von der VK-Regierung durchgeführten Studie zu den Auswirkungen der diesbezüglichen Rechtsvorschriften wurden die langfristigen Nettogewinne einer umfassenden Gesetzgebung zur Schaffung rauchfreier Zonen auf £ 1 714-2 116 Billionen jährlich geschätzt.24 In Schottland, Wales und Nordirland wurden die durch Rauchverbote erzielten Nettogewinne für einen Zeitraum von 30 Jahren auf £ 4 387 und £ 2 096 Billionen und für einen Zeitraum von 20 Jahren auf £ 1 101 Billionen geschätzt.25

2.3. Unbeabsichtigte Folgen

Da die Strategien zur Schaffung rauchfreier Zonen einige Raucher dazu motivieren werden, das Rauchen aufzugeben oder ihren Konsum einzuschränken, könnte dadurch ein finanzieller Verlust der Tabakindustrie entstehen, und das würde wiederum einen Arbeitsplatzverlust in der Tabakbranche zur Folge haben. In der gesamten EU stellen die Arbeitsplätze der Tabakindustrie jedoch nur einen relativ geringen Anteil dar. Für das Jahr 2000 lag der Beschäftigungsanteil in dieser Branche (Tabakanbau, -verarbeitung und -herstellung) für die Arbeitsplätze aller EU-15-Staaten bei 0,13 %.26 Darüber hinaus kann das momentan für Tabak ausgegebene Geld für die Anschaffung anderer Waren und Dienstleistungen ausgegeben werden, was in anderen Wirtschaftszweigen die Schaffung neuer Arbeitsplätze begünstigt.

Auch hätte eine Einschränkung des Aktivrauchens für die Mitgliedstaaten einen Verlust an Einnahmen mittels der Zigarettensteuer (Verbrauchssteuer und Mehrwertsteuer) zur Folge. Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass in den meisten EU-Staaten die Zigarettensteuer, obwohl sie beträchtliche Einnahmen bringt, im gesamten Staatshaushalt sowie unter den Steuereinnahmen nur einen relativ geringen Anteil ausmacht (1-5 %). Ausnahmen bilden die Tschechische Republik, Polen und Griechenland, wo 1999 die Zigarettensteuer jeweils 6, 7 und 9 % der gesamten Steuereinnahmen ausmachte.27 Neben einer Senkung der mit dem Rauchen verbundenen gesellschaftlichen Kosten würde bei Einführung von Rauchverboten das verfügbare Einkommen in Raucherhaushalten steigen. Mehrwertsteuereinnahmen aus daraus resultierenden alternativen Investitionen und Ausgaben dieser Haushalte würden den Einnahmeverlust zum Teil kompensieren.

Einige Produktionsverluste können möglicherweise durch Raucher entstehen, die derzeit am Arbeitsplatz rauchen dürfen: Sie werden auch weiterhin rauchen, aber ihre Raucherpausen dann außerhalb des Gebäudes verbringen.

3. Soziale Aspekte

3.1. Öffentliche Akzeptanz der Rechtsvorschriften für rauchfreie Zonen

Fast 70 % der EU-Bürger sind Nichtraucher28 und Untersuchungen belegen, dass die Mehrheit aller Raucher den Wunsch äußert, mit dem Rauchen aufzuhören.29

Laut der jüngsten Eurobarometer-Umfrage über die "Einstellungen der Europäer zu Tabak"30 sind sich 75 % der Europäer bewusst, dass Tabakrauch ein Gesundheitsrisiko für Nichtraucher darstellt, während 95 % die Meinung teilen, dass das Rauchen in Gegenwart von schwangeren Frauen sich als gefährlich für das Baby erweisen kann.

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass Initiativen für rauchfreie Zonen bei den EU-Bürgern willkommen sind (siehe Anhang III). Mehr als vier von fünf Befragten sind für Rauchverbote am Arbeitsplatz (86 %) und anderen öffentlichen Orten (84 %). Die meisten Europäer sind für Rauchverbote in Bars/Kneipen (61 %) und Restaurants (77 %). In den vier Mitgliedstaaten, in denen bereits Rauchverbote in Betrieben des Gastgewerbes bestehen, ist die Akzeptanz rauchfreier Kneipen (über 80 %) und Restaurants (über 90 %) besonders hoch. Das ist ein weiterer Hinweis dafür, dass die Initiativen für rauchfreie Zonen in ihrer Einführungsphase und bei ihrer weiteren Durchführung immer mehr Akzeptanz von Seiten der Bevölkerung erfahren.31

3.2. Auswirkungen auf den Tabakkonsum

Ein wesentlicher Vorteil der Aktionen für rauchfreie Zonen besteht darin, dass sie das Bewusstsein der Menschen bezüglich der mit Aktiv- und Passivrauchen verbundenen Gefahren schärfen und somit zu einer "Entnormalisierung" des Rauchens innerhalb der Gesellschaft beitragen. Es ist zu erwarten, dass diese veränderte Wahrnehmung zu einer allgemeinen Änderung des Raucherverhaltens führt. Diesbezüglich sind folgende Aspekte hervorzuheben:

3.3. Auswirkungen auf die soziale Gerechtigkeit

Aktionen für rauchfreie Zonen können ebenfalls zu einem Abbau der sozioökonomischen Ungleichheiten hinsichtlich der Volksgesundheit beitragen. Da die Wahrscheinlichkeit, selbst zu rauchen und dem Passivrauchen ausgesetzt zu sein, für Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau und geringerem Einkommen aus einer niedrigeren Berufskategorie wesentlich größer ist, könnten Aktionen für rauchfreie öffentliche Bereiche möglicherweise den größten Nutzen für die benachteiligten Gesellschaftsgruppen bringen.

4. Aktionsimpulse

Als Vertragspartei des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) hat sich die Gemeinschaft vertraglich verpflichtet, Maßnahmen zur Schaffung rauchfreier Zonen zu ergreifen. Laut Artikel 8 der FCTC hat jede Vertragspartei "(...) wirksame gesetzgeberische, vollziehende, administrative und/oder sonstige Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder an geschlossenen öffentlichen Orten und ggf. an sonstigen öffentlichen Orten zu beschließen und einzuführen". Bei der ersten Konferenz der FCTC-Partner im Februar 2006 wurde beschlossen, Richtlinien für die Bekämpfung des Tabakkonsums in öffentlichen Bereichen zu erarbeiten und diese bei der zweiten für das erste Halbjahr 2007 geplanten Konferenz vorzulegen.

In der Empfehlung 2002 des Rates der Europäischen Union zur Prävention des Rauchens und für Aktionen zur gezielten Bekämpfung des Tabakkonsums forderte dieser die Kommission auf "zu prüfen, inwieweit die in dieser Empfehlung enthaltenen Maßnahmen wirksam sind, und ob es weiterer Maßnahmen bedarf, insbesondere, falls Binnenmarktdisparitäten in Bereichen festgestellt werden, die unter diese Empfehlung fallen." Weiterhin waren sich bei einer Tagung des Ausschusses für Einschränkung des Tabakkonsums (Tobacco Regulatory Committee)35 im September 2005 die Mitgliedstaaten darüber einig, dass eine Initiative der Kommission in Form eines Grünbuchs oder einer amtlichen Mitteilung dazu beitragen würde, die bewährten Verfahren zu verbreiten und die Bemühungen der einzelnen Mitgliedstaaten zur Schaffung rauchfreier Zonen zu unterstützen.

Das Europäische Parlament begrüßte "die Absicht der Kommission, sich um ein Verbot von Tabakrauch in geschlossenen Räumen zu bemühen" und ermunterte in seiner Entschließung über den Aktionsplan Umwelt und Gesundheit Februar 2005 die Kommission dazu, den "Tabakrauch in der Umwelt (...) als krebserzeugenden Stoff der Kategorie I" einzustufen.36

Der hohe Nutzen der EU-Aktion wurde ebenfalls in dem Bericht "Tabak oder Gesundheit in der Europäischen Union" gewürdigt, der von einem Konsortium von Experten für die Bekämpfung des Tabakkonsums erarbeitet wurde.37 Auch aus zwei EU-weiten Projekten über Luftverschmutzung in geschlossenen Räumen, die vom "Öffentlichen Gesundheitsprogramm der Gemeinschaft" unterstützt wurden, geht klar hervor, dass ein Eingreifen auf europäischer Ebene erwünscht ist. Der von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU (GFS) veröffentlichte INDEX-Bericht nennt fünf vorherrschende Schadstoffe (alles Bestandteile des Tabakrauchs), die aus geschlossenen Räumen fernzuhalten sind und empfahl daher, "Tabakrauch in allen geschlossenen öffentlichen Einrichtungen und in allen Arbeitsstätten zu verbieten".38 Die gleiche Empfehlung wurde in dem THADE-Bericht39 ausgesprochen. In diesem Bericht wurde festgestellt, dass ETS die wichtigste Ursache für Schadstoffkonzentrationen in der Innenraumluft von Gebäuden ist, in denen geraucht wird.

III. Die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen

1. Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene

In sämtlichen Mitgliedstaaten geht die Tendenz eindeutig zur Schaffung rauchfreier Zonen. Das ist - unter anderem - auf die Rechtsvorschriften in der EU und auf internationaler Ebene zurückzuführen. In allen Mitgliedstaaten existieren einschlägige Vorschriften, die darauf abzielen, die Tabakrauchbelastung der Umwelt und ihre gesundheitsschädlichen Auswirkungen einzuschränken. Diese Vorschriften sind auf unterschiedlich geartete Zielbereiche gerichtet.

Umfassende Beschränkungen des Rauchens in allen geschlossenen öffentlichen Einrichtungen und an allen Arbeitsplätzen, darunter auch in Bars/Kneipen und Restaurants, sind bereits in Irland (März 2004), und Schottland (März 2006) eingeführt worden. In Nordirland, England und Wales tritt das Gesetz über das generelle Rauchverbot im Sommer 2007 in Kraft.

Rauchverbote mit Ausnahmeregelungen wurden in Italien (Januar 2005), Malta (April 2005) und Schweden (Juni 2005) eingeführt; sie erlauben den Arbeitgebern, abgetrennte Raucherräume mit eigenen Lüftungssystemen einzurichten. Ähnliche Maßnahmen sind im Februar 2007 in Frankreich (Übergangsperiode für das Gastgewerbe bis Januar 2008) und im Juni 2007 in Finnland zu erwarten. Litauen soll im Januar 2007 rauchfrei werden (bis auf speziell eingerichtete "Clubs für Zigarren- und Pfeifenraucher").

Einige andere Mitgliedstaaten haben das Rauchen in allen geschlossenen öffentlichen Bereichen und an allen Arbeitsplätzen untersagt; eine Ausnahme bilden Betriebe des Gastgewerbes, in denen Teilbeschränkungen gelten. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise Belgien, Zypern, Estland, Finnland, die Niederlande, Slowenien und Spanien.

In den meisten Mitgliedstaaten bestehen Rechtsvorschriften zur Einschränkung des Rauchens oder sogar Rauchverbote in den größeren öffentlichen Einrichtungen wie Krankenanstalten, Schulen, Verwaltungsbehörden, Theatern, Kinos und öffentlichen Verkehrsmitteln. Einschränkungen des Rauchens am Arbeitsplatz sind weniger verbreitet. Bei den mehr oder weniger verbindlichen Vorschriften kann es sich um eine Entschließung, eine freiwillige Absprache oder um ein verpflichtendes Gesetz handeln, das Zuwiderhandlungen mit Strafen ahndet.

Infolge unvollständiger Bestimmungen oder deren mangelhafter Anwendung kam es bereits oft vor, dass Bürger ihre jeweilige Regierung oder ihren Arbeitgeber wegen Gesundheitsschäden, die sie aufgrund des Passivrauchens erlitten hatten, verklagten.40

In mehreren Mitgliedstaaten werden die gesetzlichen Bestimmungen durch strengere Verordnungen auf regionaler und/oder lokaler Ebene verstärkt. Die legislativen Maßnahmen werden weiterhin durch Eigeninitiativen ergänzt, so dass immer mehr Arbeitsplätze, Schulen, Krankenhäuser, Einrichtungen der öffentlichen Verkehrsbetriebe usw. ein freiwilliges Rauchverbot verhängen. Es wird immer mehr getan, um Mitarbeiter zu unterstützen, die das Rauchen aufgeben wollen, und die Einstellung zu fördern, dass das Recht auf gesunde Innenraumluft ein Grundrecht jedes Bürgers und Mitarbeiters ist.

2. Rechtsvorschriften auf EU-Ebene

Auf EU-Ebene wurde das Thema "rauchfreie Zonen" zunächst angegangen, indem die Gemeinschaft nicht bindende Entschließungen und Empfehlungen gab, was die Mitgliedstaaten dazu angeregt hat, ihrerseits geeignete Schutzmaßnahmen vor dem Passivrauchen (ETS) zu erarbeiten. Insbesondere die Entschließung 89/C 189/01 des EU-Rates41 über ein Rauchverbot in öffentlich zugänglichen und frequentierten Räumen forderte die Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zum Schutz vor Tabakrauch in öffentlichen Bereichen und in jeder Art von Einrichtungen der öffentlichen Verkehrsbetriebe zu ergreifen. Erst kürzlich rief die Empfehlung 2003/54/EG42 des EU-Rates zur Prävention des Rauchens und zur Ergreifung von Maßnahmen zur gezielteren Eindämmung des Tabakkonsums die Mitgliedstaaten auf, wirksame Schutzmaßnahmen vor der Exposition gegenüber umweltbelastendem Tabakrauch an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen, an geschlossenen öffentlichen Orten und in öffentlichen Verkehrsmitteln zu ergreifen.

Obwohl sich die Rahmenrichtlinie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz (89/391/EWG)43 nicht explizit auf Tabakrauch bezieht, spricht sie doch alle Gesundheits- und Sicherheitsrisiken von Arbeitnehmern an44. Darin wird der einzelne Arbeitgeber zur Einschätzung der Gefahren am Arbeitsplatz und zur Einführung von adäquaten Gefahrenverhütungs- und Schutzmaßnahmen aufgefordert.

Weiterhin enthalten einige berufsbezogene Richtlinien zu Gesundheits- und Sicherheitsfragen, in denen bei spezifischen Risiken "Mindestanforderungen" gestellt werden, bestimmte Vorschriften, die den Schutz der Arbeitnehmer vor ETS gewährleisten (siehe folgender Absatz). Diese Richtlinien sollen von den Mitgliedstaaten in ihre nationalen Gesetze übernommen und angemessen umgesetzt werden. Gemäß dem Vertrag sind die Mitgliedstaaten berechtigt, zwingendere Maßnahmen einzuführen.

Sowohl die Richtlinie über Mindestanforderungen für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (89/654/EWG)45 als auch die Richtlinien über die Mindestanforderungen auf zeitlich begrenzten oder ortsveränderlichen Baustellen (92/57/EWG)46, in der Mineralgewinnung durch Bohrungen (92/91/EWG)47 und in der Mineralgewinnung (92/104/EWG)48 fordern die Arbeitgeber dazu auf, in geschlossenen Arbeitsstätten für Belüftungsmöglichkeiten und ausreiche Frischluftzufuhr zu sorgen und die Nichtraucher in sanitären Anlagen und Ruhebereichen vor der Beeinträchtigung durch Tabakrauch zu schützen.

Die Richtlinie über Karzinogene und Mutagene (2004/37/EG)49 sowie die Asbest-Richtlinie (83/477/EWG)50 enthalten ein Rauchverbot für Bereiche, in denen mit Karzinogenen/Mutagenen und Asbest enthaltenden Stoffen gearbeitet wird. Die Richtlinie zum Schutz schwangerer Arbeitnehmerinnen (92/85/EWG) fordert von den Arbeitgebern Maßnahmen, die schwangere und stillende Frauen vor dem Einatmen von Kohlenmonoxid schützen.

Bestimmte Komponenten von ETS (wie Arsen, 1,3-Butadien, Benzol und Propylenoxid) sind in Anhang 1 der Schadstoffrichtlinie (67/548/EWG)51 als krebserregend eingestuft. Die EU-Rechtsvorschriften über chemische Gefahrstoffe erstrecken sich nicht auf den Tabakrauch als solchen, da sie sich nur auf chemische Stoffe und Zubereitungen beziehen, die in den Mitgliedstaaten auf den Markt kommen.52

IV. Anwendungsbereiche der Rauchfrei-Initiative

Das größte Problem bei der Erarbeitung einer europaweiten Initiative für eine rauchfreie Umwelt ist die Definition der Anwendungsbereiche. Da ETS-Exposition in sehr unterschiedlich gearteten Bereichen auftritt, sollte eine wirksame Aktion für rauchfreie Zonen breit angelegt sein und sich nicht nur auf bestimmte Sektoren oder Einrichtungen beziehen.

Der umfassendste Ansatz würde darin bestehen, in allen geschlossenen oder vorwiegend geschlossenen Arbeitsstätten und öffentlichen Einrichtungen (sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln) ein absolutes Rauchverbot vorzuschlagen. Einschränkungen könnten sich auch auf im Freien befindliche Bereiche, z.B. Zugänge zu Gebäuden, und möglicherweise auf weitere öffentliche Einrichtungen im Freien erstrecken: Orte, wo die Menschen nah beieinander sitzen oder stehen, beispielsweise Sportstadien, Orte, die der Unterhaltung dienen sowie Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, Bahnsteige usw. Die Zulassung begrenzter Ausnahmen könnten erwogen werden für Orte, wo Menschen ganztätig zusammen leben (d. h. Langzeitunterkünfte wie z.B. Pflegeheime, Psychiatrien, Haftanstalten usw., wo für diesen Zweck spezielle Räume zur Verfügung gestellt werden müssten).

Ein weniger stringenter Ansatz würde darin bestehen, zwar ein absolutes Rauchverbot in allen geschlossenen oder überwiegend geschlossenen Arbeitsstätten und öffentlichen Einrichtungen vorzuschlagen, jedoch Ausnahmegenehmigungen für ausgewählte Kategorien zu gewähren. Mindestanforderungen wie geschlossene Raucherräume, inklusive Belüftungsvorgaben, könnten für die vom Verbot ausgenommenen Einrichtungen erarbeitet werden. Zu diesen Ausnahmefällen könnten gehören:

1. Rechtsvorschriften für rauchfreie Zonen

Vorteile Von allen Optionen würde diese den stärksten Rückgang des Passivrauchens und der damit verbundenen Beeinträchtigungen bedeuten und gewährleisten, dass alle Bürger Europas das gleiche Recht auf gesunde Innenraumluft haben, so wie es ihnen von der WHO zugestanden wird.53

Untersuchungen aus "rauchfreien" Ländern zeigen, dass die Qualität der Innenraumluft hier deutlich besser geworden ist, seitdem das Rauchverbot eingeführt wurde. Die Abnahme des Passivrauchens ist besonders auffällig in Gaststätten- und Vergnügungseinrichtungen.54 Die Konsequenz ist, dass die Beschäftigten des Gastgewerbes55 seit Einführung des Rauchverbots viel seltener an Atemwegserkrankungen leiden und seltener einem Herzschlag56 erliegen.

Umfassende Rechtsvorschriften würden mit größter Wahrscheinlichkeit auch dazu führen, dass Rauchen in Zukunft nicht mehr als normal bzw. als nicht "gesellschaftsfähig" gilt, denn sie schaffen ein Umfeld, das Raucher ermutigt, das Rauchen einzuschränken oder aufzugeben und verhindert, dass junge Menschen mit dem Rauchen anfangen.

Die Auswertung von 35 Untersuchungen über die Wirksamkeit von Maßnahmen für eine rauchfreie Umgebung ergab, dass durch umfassende Vorschriften für saubere Luft in öffentlichen Einrichtungen die Zahl der Raucher in der gesamten Bevölkerung um etwa 10 %57 zurückgehen kann. Auch machte die Auswertung von 26 Arbeitsplatz-Untersuchungen auf einen Zusammenhang zwischen absolut rauchfreien Arbeitsstätten und dem 3,8 %-igen Rückgang der Raucherzahl aufmerksam, wobei pro Tag von den weiterhin Rauchenden 3,1 weniger Zigaretten geraucht wurden.58

Dass zwischen einem umfassenden Rauchverbot und dem Rückgang des aktiven Rauchens ein Zusammenhang besteht, ist durch die Aussagen der "rauchfreien" Länder bestätigt worden: Hier wurde kurz nach der Einführung der neuen Rechtsvorschriften neben dem Rückgang der Tabakumsätze (d. h. 8 % in Italien und 14 % in Norwegen) festgestellt, dass vermehrt Versuche unternommen wurden, das Rauchen aufzugeben.59 In Irland gaben 80 % der ehemaligen Raucher an, dass sie wegen der neuen Rechtsvorschriften aufgehört haben zu rauchen, während 88 % erklärten, dass sie dank dieser Vorschriften nicht wieder mit dem Rauchen angefangen haben.60 Den anfänglichen Befürchtungen zum Trotz, scheint es, dass das Rauchverbot an allen öffentlichen Orten dazu geführt hat, dass auch zuhause weniger geraucht wird, besonders in Gegenwart kleiner Kinder.61 In Irland stieg die Anzahl der Nichtraucher-Haushalte nach Einführung des Rauchverbots um 8 %.62

Was die sozialen Auswirkungen betrifft, so würde diese Option hauptsächlich den Angehörigen der unteren sozioökonomischen Bevölkerungsgruppen Nutzen bringen, da diese eher zum Rauchen neigen und mehr im Gastgewerbe arbeiten.

Eine konsequente Umsetzung wäre für ein umfassendes Rauchverbot leichter durchzuführen als für Teilbeschränkungen. Die über 90 %-ige Erfüllungsquote in Italien und Irland zeigt, dass sich das absolute Rauchverbot fast von selbst durchsetzt, da dem Rauchen schon allein durch das starke Mittel des sozialen Drucks Einhalt geboten wird, so dass für die zuständigen Behörden kaum noch Handlungsbedarf besteht.

Nachteile Ein absolutes Rauchverbot an allen öffentlichen Orten und Arbeitsplätzen würde wahrscheinlich in einigen Mitgliedstaaten auf Widerstand stoßen, was die Akzeptanz und die Umsetzung erschweren würde. Auch in der Tabakindustrie und bei der Mehrheit der Betriebe des Gastgewerbes findet diese Option erklärtermaßen den wenigsten Zuspruch.

Es wurden Bedenken geäußert wegen einer möglichen Schädigung des Gastgewerbes durch das Rauchverbot in Pubs und Restaurants. Von den Ländern mit einer "rauchfreien" Regelung wurden jedoch keine insgesamt negativen Auswirkungen auf den Beschäftigungsgrad oder die Einnahmen in diesem Wirtschaftssektor gemeldet.63 In Irland stieg der Umsatz in Pubs und Bars im Jahr 2005 sogar leicht an (um 0,1 %), wodurch sich der vor Anwendung der Rechtsvorschriften für rauchfreie Zonen bestehende Abwärtstrend umgekehrt hat.64 Es erscheint sinnvoll, einige Untersuchungsdaten heranzuziehen, auch wenn sie aus Ländern stammen, die keine Mitglieder der EU sind. So wurde beispielsweise in Norwegen bei den Umsätzen in Einrichtungen wie Gaststätten und Pubs/Bars ein leichter Rückgang von 0,8 % verzeichnet, wobei andere Einflussfaktoren - wie das Wetter - jedoch nicht auszuschließen sind.65 In New York City und Kalifornien scheinen die meisten Betriebe des Gastgewerbes von den Vorschriften für rauchfreie Zonen profitiert zu haben.66 Das stimmt mit einer internationalen Auswertung von 97 Studien überein, die auf der Grundlage objektiver Daten wie Umsatzsteuer- und Arbeitsmarktzahlen absolut keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen feststellen konnte.67

2. Rechtsvorschriften für rauchfreie Zonen - Mit Ausnahmeregelungen

Vorteile Es ist zu erwarten, dass bei dieser Option der Rückgang des aktiven und passiven Rauchens und die "Entnormalisierung" des Tabakkonsums größer ist, als wenn diese Maßnahmen nicht eingeführt worden wären.

Möglicherweise werden Rechtsvorschriften, die Ausnahmen zulassen, in einigen Mitgliedstaaten - insbesondere von Seiten der Industrie - leichter akzeptiert, und daher könnte eine Kompromisslösung leichter durchführbar sein. Parallel dazu hätten einzelne Mitgliedstaaten, in denen keine Ausnahmen zugelassen sind, das Recht, strengere nationale Rechtsvorschriften zu erlassen oder weiterzuführen.

Ausnahmeregelungen könnten einhergehen mit Mindestanforderungen wie geschlossene Raucherräume, inklusive Belüftungsvorgaben.

Nachteile Hinsichtlich der Gesundheit und des sozialen Nutzens wäre eine solche Maßnahme weniger wirksam als umfassende Rechtsvorschriften für rauchfreie Zonen.

Angehörige der am meisten gefährden Bevölkerungsgruppen wären weiterhin dem Passivrauchen ausgesetzt. Durch unvollständige Rechtsvorschriften könnte das Risiko bestehen, dass die Mitgliedstaaten und/oder die Arbeitgeber von einzelnen Bürgern wegen Belastung ihrer Gesundheit durch Passivrauchen verklagt werden.

Ausnahmegenehmigungen würden den Effekt der "Entnormalisierung" des Rauchens, der durch ein absolutes Rauchverbot erreicht würde, mindern. Internationale Vergleiche legen nahe, dass Rechtsvorschriften, die das Rauchen in einigen Bereichen zulassen, sich nur halb so positiv auf das Rauchverhalten auswirken wie ein absolutes Rauchverbot.68

Unterschiedliche Bestimmungen für unterschiedliche Einrichtungen sind auch in der Umsetzung schwieriger und teurer als ein einschlägiges Verbot, weil mehr Anweisungen und Kontrollen erforderlich sind.

2.1. Ausnahmeregelungen für Lizenzbetriebe des Gastgewerbes

Aufgrund schwerwiegender ETS-Exposition besteht bei den Arbeitnehmern des Gastgewerbes eine besonders hohe Gefährdung durch Passivrauchen, und die Wahrscheinlichkeit, Lungenkrebs zu bekommen, ist um 50 % größer.69 Diese Berufsgruppe wäre auch weiterhin dem Passivrauchen ausgesetzt. Dasselbe Gesundheitsrisiko bestünde für Gäste der Gaststätten und Bars/Kneipen.

Aus den Arbeitsmarktziffern für 2004 geht hervor, dass in 15 Mitgliedstaaten der EU ca. 4,3 Mio. Personen in Kneipen/Bars, Restaurants und im Katering-Bereich (HORECA) beschäftigt waren, was in diesen Ländern 3 % der gesamten Beschäftigtenzahl ausmachte (für die übrigen 10 MS lagen keine Angaben vor). Eine große Anzahl junger Männer und Frauen ist im Gastgewerbe beschäftigt.70

In der von der schottischen Exekutive geleiteten Studie zu den Auswirkungen der Rechtsvorschriften wurde geschätzt, dass der Rückgang der Todesfälle bei der Option "Einschränkung des aktiven und passiven Rauchens" 50 %, d. h. ein Viertel von dem Rückgang der Todesfälle bei der Option " absolutes Rauchverbot" ausmachte.71

2.2. Ausnahmeregelungen für Pubs und Bars/Kneipen ohne Restauration

Mit Wahl dieser Option wird den am meisten gefährdeten Berufsgruppen der Schutz vor ETS-Exposition versagt. Auch würden die Gäste in Pubs und Bars/Kneipen nicht vor dem Passivrauchen geschützt werden. Das könnte weiterhin dazu führen, dass Pubs kein Essen mehr anbieten, um das Rauchverbot zu umgehen.

Weiterhin bestünde die Gefahr, dass sich die vorhandenen Ungleichheiten hinsichtlich der Volksgesundheit noch stärker ausgeprägten: Kürzlich im VK durchgeführte Untersuchungen zeigen, dass die Passivrauchbelastung in den Pubs abgelegener Gemeinden wesentlich höher ist als in den Pubs stärker frequentierter Gegenden.72 Dazu kommt, dass sich die meisten Lizenzbetriebe ohne Essensausgabe in abgelegenen Bezirken befinden, und dass die Pubs in solchen Gegenden stärker motiviert sein werden, zum bloßen Alkoholausschank überzugehen. 73

In der Studie zu den Auswirkungen der Rechtsvorschriften, die unter der Federführung der Regierung des Vereinigten Königreichs erstellt wurde, wird der gesundheitliche Nutzen dieser Option im Vergleich zu dem Nutzen, den ein absolutes Rauchverbot bringen würde (ausgehend von der Annahme, dass 10-30 % der Pubs normalerweise kein Essen anbieten), auf 40 % geschätzt.74

2.3. Geschlossene, separat belüftete Raucherräume

Es ist bewiesen, dass die üblicherweise angewandte Technik (basierend auf Mischen und "Verlängern") nur eine begrenzte Wirkung auf den Grad der Luftverschmutzung in Gaststättenbetrieben und anderen geschlossenen Bereichen hat.75 Weiterhin führten Untersuchungen, die in kontrollierten Bereichen wie der "EU-Umweltkammer" INDOORTRON durchgeführt wurden, zu der Erkenntnis, dass durch eine höhere Austauschrate der Luft keine wesentlich bessere Qualität der Innenraumluft erzielt wird.76 Während berichtet wird, dass eine Belüftung mit Ventilation in einigen kürzlich von der Tabakindustrie77 gesponserten Fallstudien wirksamer ist, ist eine vollständige Eliminierung des Tabakrauchs durch Ventilation nicht möglich.78

In der ersten Konferenz der Partner des Rahmenübereinkommens für die Eindämmung von Tabakkonsum war man (einstimmig) der Meinung, dass es "keinen schlüssigen Beweis gibt, demzufolge technologische Ansätze nicht vor der Exposition gegenüber Tabakrauch schützen".79 Ebenso hat der amerikanische Verband Klimatechnik ASHRAE - der auf dem Gebiet der Innenraumluftqualität und -belüftung internationale Standards setzt - im Jahr 2005 eine schriftliche Stellungnahme über Lösungsansätze zur Eindämmung des Passivrauchens abgegeben. Darin wurde gefolgert, dass der einzige effiziente Weg, die Gesundheitsgefährdung durch ETS-Exposition auszuschließen darin besteht, das Rauchen in geschlossenen Räumen zu untersagen.80

Eine räumliche Trennung von Rauchern und Nichtrauchern durch Schaffung geschlossener Raucherräume kann die Effizienz der Belüftungssysteme in der Nichtraucherzone der jeweiligen Einrichtungen erhöhen.81 Dieses Vorgehen schützt jedoch weder die Gäste in den Raucherräumen noch die Beschäftigten (z.B. Bedienungs- und Reinigungspersonal), die diese Räume in Ausübung ihrer Tätigkeit betreten müssen.

Gegen separate Raucherräume spricht auch, dass sie beträchtliche Kosten verursachen, wodurch die kleineren Betriebe wahrscheinlich eine ungünstigere Ausgangsbasis hätten.82 Dazu kommt noch, dass Betrieb und Wartung der Belüftungsanlagen von Raucherräumen umfassende Inspektions- und Überwachungsarbeiten erfordern. Die Erfahrung zeigt, dass dort, wo Belüftungssysteme eingesetzt werden, diese oft nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.83

Wenn gut belüftete Raucherräume für Betriebe mit Ausnahmegenehmigung eine brauchbare Alternative sein sollen, dann müssten sie folgende Anforderungen erfüllen:

In Malta, Italien und Schweden, wo die Einrichtung separat belüfteter Raucherräume erlaubt ist, haben die meisten Betriebe beschlossen, keinen Gebrauch von dieser Option zu machen.

V. Strategieoptionen

Mehrere unterschiedliche Strategieoptionen liegen vor, um die Schaffung rauchfreier Zonen zu erreichen. Es sollte angestrebt werden, eine Option zu finden, die zur Erreichung dieses Ziels optimal geeignet ist und die es erlaubt, Kosten und Belastungen gering zu halten. Die nachstehend beschriebenen Strategieoptionen sind so aufgelistet, dass der Einsatzgrad möglicher EU-Aktionen zunimmt (beginnend mit der Beibehaltung des gegenwärtigen Umfangs bis zur Erarbeitung eines neuen verpflichtenden, auf dem EU-Recht basierenden Regelwerks).

Diese Strategieoptionen schließen sich nicht gegenseitig aus sondern könnten sich gegenseitig ergänzen. Beispielsweise könnten Empfehlungen der Kommission die Projektbeteiligten ("Stakeholders") und die Mitgliedstaaten zu selbstregulierenden Initiativen anregen. Andererseits könnten selbstregulierende Maßnahmen als Fundament dienen und/oder zusätzlich zu den verpflichtenden Rechtsvorschriften eingesetzt werden (d. h. in Einrichtungen, wo die Gesetzgebung noch nicht greift oder in solchen, die nicht unter das Rauchverbot fallen).

Es wird darauf hingewiesen, dass die verschiedenen strategischen Instrumente unterschiedliche Anwendungsbereiche hätten. Während die EU-Arbeitnehmerschutzvorschriften - innerhalb der vertraglich festgesetzten Grenzen - auf öffentliche Orte anwendbar sind - sofern diese Arbeitsstätten sind -, könnte ein umfassendes Rauchverbot in sämtlichen öffentlichen Bereichen gefördert werden durch nicht verpflichtende Maßnahmen (wie Empfehlungen der Kommission oder des Rates), legislative Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten beschlossen werden, und/oder freiwillige Maßnahmen, die von den Projektbeteiligten ("Stakeholders") beschlossen werden.

Im Hinblick auf ihre Effizienz sollte jede Rechtsvorschrift auch mit den adäquaten Mitteln zur Umsetzung und einem transparenten Monitoring-System ausgestattet werden. Die Einführung von Rechtsvorschriften auf EU-Ebene oder auf nationaler/subnationaler Ebene, sollte mit vorherigen öffentlichen Konsultationen und Informationskampagnen einhergehen; auch eine Einschätzung der Auswirkungen sollte durchgeführt werden.

1. Beibehalten des Status Quo

Diese Option würde keine neuen Initiativen von Seiten der EU beinhalten; das bedeutet Weiterführung der momentan laufenden Arbeiten zum Thema Passivrauchen im Rahmen der verschiedenen Gemeinschaftsprogramme (Gesundheitswesen, Forschung, Arbeitmarkt). Die Ausarbeitung von Rechtsvorschriften würde den Mitgliedstaaten und der FCTC überlassen werden.

Finanzmittel, die bei der Erarbeitung und Einführung neuer Strategien eingespart werden, könnten der Sicherung einer adäquaten Umsetzung der bestehenden EU-Empfehlungen sowie der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften für Arbeitnehmer zugute kommen. Insbesondere könnte Informationsmaterial für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erarbeitet werden, um die richtige Anwendung der Rahmenrichtlinie 89/391/EWG zu gewährleisten, die - obwohl sie sich nicht explizit auf ETS bezieht - bereits alle Gesundheits- und Sicherheitsrisiken der Arbeitnehmer, darunter auch die Gefährdung durch Tabakrauch - anspricht.

Es könnten auch Initiativen zur Schaffung rauchfreier Zonen durch andere als gesetzliche Maßnahmen gefördert werden, beispielsweise durch Informations- und Aufklärungskampagnen, Netzwerk-Initiativen usw. Die augenblicklich laufende Anti-Tabak-Kampagne "HELP" wird noch bis 2008 durchgeführt und könnte von einer weiteren Sensibilisierungskampagne abgelöst werden.

Darüber hinaus werden die Projektarbeiten zur Innenraumqualität und ETS als Weiterverfolgung der Aktion 12 des Aktionsplans Umwelt und Gesundheit fortgesetzt. Die erforderlichen Finanzmittel für die verschiedenen Vorhaben in diesem Bereich kommen aus dem mehrjährigen Life+ Strategieprogramm für die Jahre 2007-1085, dem 7. Rahmenprogramm der Europäischen Forschungsgesellschaft86 und dem Öffentlichen Gesundheitsprogramm.87

Die Mitgliedstaaten hätten weiterhin das Recht zu entscheiden, ob und wie sie die Maßnahmen für rauchfreie Zonen einführen wollen. Die nationalen und kulturellen Unterschiede würden hier eine Rolle spielen. Die Tendenz zur Schaffung von rauchfreien Zonen wird höchstwahrscheinlich anhalten bzw. durch die Erarbeitung und Veröffentlichung des FCTC-Informationsmaterials noch verstärkt werden. Einige nationale Regierungen, darunter die von Dänemark, Deutschland, Litauen, Portugal und Slowenien, haben bereits die Absicht angekündigt, ihre Rechtsvorschriften für rauchfreie Zonen kurzfristig zu verschärfen.

Von allen Optionen hätte diese jedoch die geringste Wirkung auf die Eindämmung der ETS-Exposition und die damit verbundene Belastung. Die unterschiedlichen Fortschritte in den verschiedenen Mitgliedstaaten würden wahrscheinlich Stückwerk ergeben. Aufgrund unzureichender Vorschriften wären zahlreiche gefährdete Bevölkerungsgruppen weiterhin in geschlossenen öffentlichen Einrichtungen dem Passivrauchen ausgesetzt. Die Gefahr würde bestehen, dass Bürger wegen Gesundheitsschäden, die sie durch Passivrauchen erleiden, vor Gericht gehen.

Aufgrund der umfassenden Erwartungen an die Rauchfrei-Initiative der EU bestünde die Gefahr, die Öffentlichkeit zu enttäuschen. Den Status quo beizubehalten wäre eine verpasste Gelegenheit, den aktuellen politischen Aktionsimpuls für rauchfreie Zonen in der EU auszubauen.

2. Freiwillige Maßnahmen

Diese Option bestünde darin, die Projektbeteiligten zu ermuntern, gemeinsame freiwillige Verhaltensrichtlinien auf EU-Ebene zu erlassen, damit noch mehr Arbeitsplätze "rauchfrei" werden. Branchenbezogene Ansätze (z.B. in der Freizeit- und Katering-Industrie) könnten gefördert werden. Das soziale Verantwortungsbewusstsein der Betriebe könnte als Ausgangspunkt für die Entwicklung in diesem Bereich genutzt werden.

Um Diskussionen in Gang zu bringen, könnte ein breites Forum geschaffen werden, auf dem Vertreter der Zivilgesellschaft und Wirtschaftsakteure mit Repräsentanten der EU-Institutionen, Mitgliedstaaten und internationalen Organisationen zusammentreffen. Ein solches Forum wurde im vergangenen Jahr für den Bereich Diät und körperlichen Aktivitäten geschaffen. Ähnliches wurde kürzlich im Zuge der Konzeption einer EU-weiten Anti-Alkohol-Kampagne vorgeschlagen.

Eine weitere Option bestünde darin, den europäischen Sozialpartnern (Arbeitgebern und Gewerkschaftsvertretern) nahe zu legen, auf Basis von Artikel 138 des Vertrages ein autonomes Abkommen über Rauchen am Arbeitsplatz auszuhandeln. Die Strategie der Selbstregulierung durch Gespräche zwischen europäischen Sozialpartnern hat bereits zu einer Reihe von Erfolgen geführt: So sind beispielsweise über 300 gemeinsame Texte der europäischen Sozialpartner genehmigt worden.

Im Idealfall kann man durch Selbstregulierung u. U. schneller und flexibler zum Ziel gelangen als über die herkömmlichen Gesetzesverfahren, da so die betroffenen Bereiche und Gewerbe die Gelegenheit erhielten, unmittelbar einen beträchtlichen Einfluss auf die anzuwendenden Strategien auszuüben. Darüber hinaus bestünde die Chance, bei den Projektbeteiligten das Verantwortungsbewusstsein und den Sinn für Eigentum zu wecken.

Allerdings hängt der Erfolg von der Bereitschaft der Beteiligten ab, die vereinbarten Verpflichtungen zu erfüllen, und von der Wirksamkeit der Umsetzungsmaßnahmen.

Erkenntnisse aus den Mitgliedstaaten zeigen bedauerlicherweise, dass freiwillige Abkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums nicht wirksam waren. Insbesondere im Freizeit- und Gaststättengewerbe haben die freiwilligen Maßnahmen ihr Hauptziel, das Passivrauchen wesentlich zu reduzieren, nicht erreicht.

So wurde beispielsweise im Vereinigten Königreich fünf Jahre nach dem Abschluss eines freiwilligen Abkommens zwischen der Gesundheitsbehörde und den wichtigsten Gaststättenverbänden festgestellt, dass weniger als 1 % der Bars/Kneipen "rauchfrei" waren.88 In Spanien überließ die Rechtsvorschrift des Jahres 2006 den Bars/Kneipen und Restaurants unter 100 m² die Entscheidung, ob sie "rauchfrei" werden wollten. Eine frühe Umfrage besagt, dass sich nur ca. 10 % der einschlägigen Betriebe dafür entschieden haben.89 In Paris ist die freiwillige Verpflichtungsaktion, die die 12.452 Cafés, Bistros und Brasserien der Stadt anregen wollte, sich selbst zur "rauchfreien Zone" zu erklären, von gerade mal 30 Betrieben befolgt worden.90

3. Methode der offenen Koordinierung

Diese Option zielt darauf ab, die Bemühungen der Mitgliedstaaten um eine rauchfreie Umgebung zu koordinieren, und dabei die so genannte "Methode der offenen Koordinierung" anzuwenden: Den Mitgliedstaaten würde nahe gelegt, ihre Gesetze für die Schaffung rauchfreier Zonen übereinstimmender zu gestalten, ohne dass eine direkte Harmonisierung erforderlich wäre (obwohl auch das noch eine Möglichkeit wäre).

Das könnte Folgendes bedeuten:

Manche Länder haben bereits Gesetze zur Schaffung rauchfreier Zonen erlassen und einige andere haben ihre Absicht erklärt, sich anzuschließen. Die Mitgliedstaaten stehen auch gemeinsamen Herausforderungen gegenüber, z.B. Opposition der Industrie, Skepsis in der Öffentlichkeit und Unvereinbarkeit mit bereits existierenden Anforderungen. Die EU-Koordinierung könnte einen Prozess des Erfahrungsaustauschs unter den Mitgliedstaaten in Gang bringen, bei dem jeder vom anderen lernt und erprobte Vorgehensweisen weitergibt.

Das Engagement für die Schaffung rauchfreier Zonen würde jedoch weiterhin auf freiwilliger Basis beruhen, und bei Nichterfüllung der vereinbarten Ziele würden keine Strafen drohen. Die Effizienz dieses Modells würde davon abhängen, wie straff die multilaterale Überwachung und wie stark der Druck der anderen Partner ist.

4. Empfehlungen der Kommission oder des Rates

Diese Option bestünde darin, die Mitgliedstaaten zu ermuntern, inländische Rechtsvorschriften für die Schaffung rauchfreier Zonen zu erlassen, die sich an den umfassenden Empfehlungen der Kommission oder des Rates für rauchfreie Zonen auf der Grundlage des Artikels 152 EG orientieren, und die zu den empfohlenen Aktionen führen würden. Die Option könnte separat oder als Teil eines selbstregulierenden Modells zwischen den Mitgliedstaaten (Option 3) und/oder der Industrie (Option 2) zur Anwendung kommen.

Obwohl sie nicht verpflichtend wäre, käme eine solche Empfehlung einer deutlichen Willensbekundung der Kommission oder des Rates gleich, wonach Aktionen zur Unterbindung des Passivrauchens in Europa durchgeführt werden sollen. Dadurch würde das Thema in allen EU-Mitgliedstaaten auf der Prioritätenliste der politischen Agenda ganz oben stehen und damit die Aktionen der Mitgliedstaaten unterstützen.

Die Wirksamkeit dieser Option würde in großem Maße von der Prägnanz der EU-Anweisungen und den Anforderungen an das Berichtswesen abhängen. Klare Zielvorgaben mit spezifischen Terminvorgaben und Richtwerten (z.B. ein bestimmter Prozentsatz der Arbeitsstätten soll in einer gegebenen Jahresfrist bzw. in einem bestimmten Wirtschaftszweig "rauchfrei" werden) wären dabei sicherlich effizienter als Empfehlungen allgemeiner Art. Beispielsweise würde die Auflage, ein Monitoring-System einzuführen und die Ergebnisse öffentlich zugänglich zu machen, Druck von Seiten der Öffentlichkeit schaffen, der zu einer strafferen Umsetzung und zur Erarbeitung durchgreifender Strategien führen würde.

Obwohl die Mitgliedstaaten bei dieser Option mehr Flexibilität hätten, bestünde hier vor allem die Gefahr, dass von Seiten einiger Mitgliedstaaten überhaupt keine Aktionen erfolgen würden.

5. Verpflichtende Vorschriften

Eine diesbezügliche Maßnahme der Gemeinschaft könnte in der Verabschiedung verpflichtender Rechtsvorschriften bestehen. Ein verpflichtendes Gesetz würde allen Mitgliedstaaten eine vergleichbare, transparente und umsetzbare Basisregelung zum Schutz vor dem Passivrauchen auferlegen.

Einerseits bedeutet ein einschlägiges Gesetz bei allen Vertragsparteien formale Konsultationen und gründliche Verhandlungen, was den daraus resultierenden Aktionen mehr Nachdruck verleihen würde. Auf der anderen Seite könnte sich der Weg über eine Gesetzgebung möglicherweise relativ lang hinziehen und das Endergebnis wäre schwerlich vorauszusagen.

Die exakte gesetzliche Grundlage der Rechtsvorschriften kann erst dann bestimmt werden, wenn Art und Zielbereich der Maßnahmen genau definiert sind, und bei diesem Entscheidungsprozess sollen die Ergebnisse dieser öffentlichen Konsultation berücksichtigt werden.

Einige Optionen können bereits zu diesem Zeitpunkt erwähnt werden, ohne dass dadurch das Ergebnis der öffentlichen Konsultation beeinträchtigt würde.

Der Anwendungsbereich der ersten beiden Optionen wäre auf das Arbeitsumfeld begrenzt. Sie könnten sich entweder auf alle Arbeitsstätten oder auf bestimmte Kategorien von Arbeitsstätten beziehen; dadurch müsste gewährleistet sein, dass alle Arbeitnehmer, die hochgradig ETS ausgesetzt sind, wirksam geschützt werden.

Letztlich würde der Erlass einer gesetzlichen Regelung zur Durchführung der vertraglichen Ziele die Gemeinschaft nicht daran hindern, flankierende Maßnahmen zu ergreifen, die ihrer Art nach nicht verpflichtend wären und die dazu beitragen könnten, das vorrangige Ziel des Schutzes vor dem Passivrauchen in allen Wirtschaftsbereichen zu gewährleisten.

VI. Schlussbemerkungen

Mit Hinblick auf die unzweideutige wissenschaftliche Feststellung, dass Passivrauchen zu gesundheitlichen Schäden führt, und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Maßnahmen für saubere Innenraumluft insgesamt zu einem Rückgang des Tabakkonsums geführt haben, ist die Kommission der Ansicht, dass die Strategie mit dem breitesten Anwendungsbereich den größten Nutzen für die Volksgesundheit bringt. Auch würde dadurch eine vergleichbare Ausgangsbasis für alle Beteiligten geschaffen. Eine Reihe erfolgreicher Beispiele von umfassenden Strategien zur Schaffung rauchfreier Zonen, die bereits weltweit umgesetzt werden, ist der Beweis dafür, dass diese Option lebensfähig und anwendbar ist.

Es ist die Frage, wie weitgehend sich die EU durch die Förderung von einschlägigen Rechtsvorschriften engagieren sollte. Das hängt auch von den tendenziellen Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten ab, von denen einige kürzlich Rauchverbote in öffentlichen Bereichen erlassen haben.

Die Kommission ruft alle EU-Institutionen, Mitgliedstaaten und alle interessierten Bürger, Parteien und Verbände auf, ihre Kommentare zu den in diesem Grünbuch angesprochenen Punkten einzureichen. Die Kommission interessiert sich besonders für die Ansichten der Projektbeteiligten zu folgenden Fragen:

Fragen

Die Antworten auf diese Fragen sollten bis zum 1. Mai 2007 an folgende Anschrift gesandt werden (am besten per E-Mail):


Europäische Kommission
Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz
Referat C6 - Gesundheitspolitische Maßnahmen
E-Mail: sancosmokefreeconsultation@ec.europa.eu
Postanschrift: B-1040 Brüssel
Fax: (+32) 2 298 42 04

Alle Kommentare zu dem Grünbuch werden auf der Website der Kommission veröffentlicht, sofern die Absender nicht ausdrücklich das Gegenteil wünschen.