Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Gemeinsames Konsultationspapier der Kommission und der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik: Auf dem Weg zu einer neuen Europäischen Nachbarschaftspolitik;

JOIN(2015) 6 final

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis:
vgl. AE-Nr. . 031002, 110389, 140336

HOHE VERTRETERIN der Europäischen Union für Europäische AUSSEN- und Kommission SICHERHEITSPOLITIK

Brüssel, den 4.3.2015
JOIN(2015) 6 final
GEMEINSAMES KONSULTATIONSPAPIER

Auf dem Weg zu einer neuen Europäischen Nachbarschaftspolitik

I. Einführung: besondere Beziehungen

Wir brauchen ein stärkeres Europa im Bereich der Außenpolitik. Wir müssen unsere Zusammenarbeit, Assoziierung und Partnerschaft mit den Ländern in unserer Nachbarschaft intensivieren, um unsere wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu ihnen weiter zu stärken.

Gemäß Artikel 8 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) entwickelt die Union besondere Beziehungen zu den Ländern in ihrer Nachbarschaft, um einen Raum des Wohlstands und der guten Nachbarschaft zu schaffen, der auf den Werten der Union aufbaut und sich durch enge, friedliche Beziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit auszeichnet.

Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) wurde 2003 (Mitteilung "Größeres Europa"1) konzipiert, um engere Beziehungen zwischen der EU und ihren Nachbarländern zu entwickeln und dabei sowohl Möglichkeiten für eine engere wirtschaftliche Integration mit der EU zu schaffen als diesen Ländern auch die Aussicht auf einen verbesserten Zugang zum EU-Binnenmarkt zu bieten. Die Integration sollte schrittweise durch die Umsetzung anspruchsvoller politischer, wirtschaftlicher und institutioneller Reformen und durch Engagement für gemeinsame Werte erfolgen.

Die vergangenen zehn Jahre waren durch bedeutende politische Entwicklungen in der Nachbarschaft der EU gekennzeichnet. Die Nachbarschaft ist heute weniger stabil als noch vor zehn Jahren. So hat zum Beispiel im Osten die zunehmend selbstbewusste Außenpolitik Russland für wachsende Herausforderungen in einigen Ländern der Östlichen Partnerschaft gesorgt - von der Krise in Georgien im Jahr 2008 bis hin zum anhaltenden Konflikt in der Ukraine - und auch zur Verschärfung der Gegensätze zwischen Russland und der EU geführt. Im Süden leidet Syrien seit 2011 unter den Folgen eines Bürgerkriegs, der auch schwerwiegende Auswirkungen auf seine Nachbarn hat. Libyen ist derzeit ebenfalls ein Konfliktland. In den letzten drei Jahren hat Ägypten einen komplexen politischen Wandel durchlaufen. Trotz erheblicher Bemühungen ist der Friedensprozess im Nahen Osten nach wie vor blockiert, und es kam mehrfach zu bewaffneten Auseinandersetzungen, zuletzt 2014 in Gaza. Diese Geschehnisse haben die Herausforderungen, vor denen sowohl die EU als auch ihre Partner stehen, verschärft, den wirtschaftlichen und sozialen Druck erhöht, eine Zunahme der irregulären Migration und der Flüchtlingsströme bewirkt, die Sicherheitsbedrohungen verstärkt und eine wachsende Divergenz der Erwartungen begünstigt.

Die ENP hat sich in diesem Zeitraum weiterentwickelt: So wurde durch die Schaffung der Union für den Mittelmeerraum im Jahr 2008 im Rahmen des Barcelona-Prozesses und durch die Einrichtung der Östlichen Partnerschaft im Jahr 2009 die regionale Komponente gestärkt. Auch inhaltlich wurde die ENP erheblich ausgebaut. Benachbarte Länder haben nunmehr die Aussicht auf vertiefte und umfassende Freihandelszonen, Mobilitätspartnerschaften oder auf Regelungen für visumfreies Reisen. Einiges davon wurden bereits umgesetzt. Im Jahr 2011 wurden die ENP mit dem Ziel überprüft2, eine Antwort auf die Ereignisse des Arabischen Frühlings zu geben, bei dem eine Reihe von Volksaufständen und die darauffolgenden Ereignisse zwar einige Fortschritten, wie z.B. in Tunesien, brachten, jedoch auch zu Instabilität und politischen Spannungen führten. Die Übergang hat sich in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gestaltet

Die ENP konnte nicht immer eine angemessene Antwort auf die jüngsten Entwicklungen oder auf die sich verändernden Erwartungen unserer Partner gegeben. Damit wurden auch die eigenen Interessen der EU nicht immer im vollen Umfang bedient.

Die Partner legen ein zunehmend unterschiedliches Maß an Engagement gegenüber der EU insgesamt, aber auch gegenüber einzelnen Politikbereichen an den Tag. Die ENP hat den Einfluss der EU zwar in mancher Hinsicht gestärkt, doch in einer Reihe von Bereichen sind die Reformen zum Stillstand gekommen - teilweise aufgrund konkurrierender Interessen, teilweise, weil offenbar nicht alle Partner gleichermaßen an einer besonderen Partnerschaft mit der EU auf der Grundlage von Pluralismus und Integration interessiert sind. Die EU hat in den vergangenen Jahren eine tiefe Wirtschaftskrise erlebt, die sich zwangsläufig auch auf ihre Nachbarn ausgewirkt hat.

Wie die eigene Erfahrung der EU zeigt, haben politische und wirtschaftliche Reformen tiefgreifende gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Auswirkungen. Die Partner sehen die langfristigen Vorteile, aber auch die kurzfristigen Kosten ihrer Beziehungen zur Europäischen Union im Rahmen der ENP.

Die strategischen Ausrichtungen unserer Nachbarn bestimmen das von ihnen angestrebte Maß an Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren, darunter der EU. Einige Partner haben sich dafür entschieden, den Weg einer engeren Assoziierung mit der EU einzuschlagen, und die EU ist bereit, die Beziehungen zu ihnen zu vertiefen. Andere gehen lieber einen anderen Weg. Die EU respektiert diese souveränen Entscheidungen und ist bereit, nach anderen Formen des Engagements zu suchen.

Vor diesem Hintergrund besteht eindeutig die Notwendigkeit, die Annahmen, auf denen die ENP beruht, wie auch den Geltungsbereich der ENP zu überprüfen und Überlegungen darüber anzustellen, wie die verfügbaren Instrumente eingesetzt werden sollten und wie die verschiedenen Politikbereiche besser zur Zusammenarbeit beitragen können, wobei eine Verzahnung interner und externer Prioritäten gewährleistet werden muss. Mit einer solchen Überprüfung soll sichergestellt werden, dass die ENP künftig den Aufbau eines mit unseren Partnern geteilten Raums der Stabilität, der Sicherheit und des Wohlstands wirksamer unterstützen kann. Dabei soll ebenfalls geklärt werden, ob die "besonderen Beziehungen" ihr Potenzial voll auszuschöpfen und was getan werden kann, um sie im Interesse der EU und ihrer Partner zu stärken.

Eine genauere Analyse der Interessen sowohl der EU als auch ihrer Partnern ist notwendig, um sicherzustellen, dass die ENP ihren Zweck erfüllt. Dazu gilt es einerseits, die Partnerländer zu ihren Interessen und zu ihren Erwartungen an diese Partnerschaft zu konsultieren. Andererseits muss die EU ihre eigenen Ziele und Interessen klarer definieren und die Werte fördern, auf denen sie beruht.

Die Überprüfung muss eine Antwort auf die sehr unterschiedlichen Erwartungen und Forderungen der Partner liefern. Bei Partnern, die sich bereits uneingeschränkt für die Integration einsetzen und sich voll dazu bekennen, sollte im Rahmen der Überprüfung geklärt werden, wie unsere Partnerschaft vorangebracht und vertieft werden kann. Die EU will weiterhin dafür sorgen, dass jede Partnerschaft - aufbauend auf dem bisher Erreichten - ihr volles Potenzial entfaltet.

Bei Partnern, die weniger oder gar kein Engagement gezeigt haben, sollten im Rahmen der Überprüfung der ENP die Gründe dafür analysiert und nach Möglichkeiten gesucht werden, um den Erwartungen auf beiden Seiten besser gerecht zu werden. Einige Partner, die sich derzeit außerhalb der Nachbarschaft befinden, werden möglicherweise enger eingebunden werden müssen. Außerdem sollte geprüft werden, wie die EU am besten auf Krisen und Konfliktsituationen - auch langwierige - reagieren sollte, wobei es gilt, den Einfluss und den Druck zu berücksichtigen, die auf unsere Partner ausgeübt werden und die ihre politische Positionierung, auch gegenüber der EU, bestimmen.

In dieser Hinsicht muss eine wirksame ENP integraler Bestandteil einer allgemeinen EU-Außenpolitik sein, die auf einem umfassenden Ansatz beruht und bei der sämtliche Instrumente sowohl der EU als auch der Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen.

Vor diesem Hintergrund hat Präsident Juncker beschlossen, die ENP im ersten Jahr der Amtszeit der neuen Kommission einer Überprüfung zu unterziehen. Auch die EU-Mitgliedstaaten haben eine solche Überprüfung gefordert und bereits entsprechende Vorschläge unterbreitet. Die Partnerländer wie auch externe Interessenträger wie zivilgesellschaftliche Organisationen und Organisationen der Sozialpartner haben ebenfalls auf die Notwendigkeit zur Neubewertung der ENP hingewiesen.

Parallel hierzu arbeitet die Kommission an der Feinabstimmung der Erweiterungspolitik, die weiterhin von der ENP getrennt bleibt. In diesem Zusammenhang hat Präsident Juncker in seinen politischen Leitlinien erklärt, dass in den kommenden fünf Jahren keine weitere Erweiterung stattfinden wird.

Zweck des vorliegenden Dokuments ist es, den Rahmen für Diskussionen mit Blick auf eine gründliche Überprüfung der ENP abzustecken. In Abschnitt II werden einige vorläufige Erkenntnisse aus den bisherigen Erfahrungen mit der ENP dargelegt. In Abschnitt III werden einige erste Ansatzpunkte zur Stärkung der Partnerschaft herausgearbeitet und eine Reihe wichtiger Fragen aufgeworfen, die mit den wichtigsten Partnern und Interessenträgern erörtert werden sollen. In Abschnitt IV werden die nächsten Schritte im Hinblick auf die Strukturierung der öffentlichen Konsultation zusammengefasst, deren Ergebnisse in die Ausarbeitung einer weiteren für den Herbst 2015 geplanten Mitteilung mit konkreten Vorschlägen für die künftige Ausrichtung der ENP einfließen werden.

II. Erkenntnisse aus den bisherigen Erfahrungen und Fragen zur künftigen Ausrichtung der ENP

Dieser Abschnitt stützt sich auf die Erfahrungen mit der Umsetzung der ENP in den letzten zehn Jahren, so wie sie sich in den regelmäßigen und häufigen Kontakten mit EU-Mitgliedstaaten und ENP-Partnerstaaten und in der laufenden Phase der informellen Konsultationen, in der viele bereits Beiträge geleistet haben, herauskristallisiert haben.

Seit 2004 bildet die ENP einen Rahmen für die Beziehungen der EU zu ihren Nachbarländern, der es den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, Einvernehmen über eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Nachbarn der EU im Osten und im Süden zu erzielen. Die Beziehungen der EU zu den Nachbarländern wurden mittels der ENP bereits erheblich intensiviert und zwar auf der Grundlage klarer Verpflichtungen, die beide Seiten in den ENP-Aktionsplänen festgelegt haben. Die ENP hat es der EU ermöglicht, auf die Forderungen der Partner nach einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Union einzugehen. Nach 10 Jahren lässt sich feststellen, dass die Partnerschaften mit den Nachbarländen inzwischen einen höheren Stellenwert in EU-Angelegenheiten genießen, dass die EU zum wichtigsten Handelspartner der meisten Partnerländer geworden ist und dass die Passagier- und Migrationsströme zwischen den ENPPartnerländern und der EU kontinuierlich zugenommen haben. Die EU hat die ENP genutzt, um die Reformbemühungen der einzelnen Partnerländer - insbesondere im Bereich Governance - auf der Grundlage der mit den Partnern vereinbarten Aktionspläne zu fördern und jährlich zu bewerten.

Dabei wurden einige Defizite festgestellt.

Während einige Partner aktiv eine engere Integration mit der EU anstreben, stehen andere zumindest derzeit - dem eher ablehnend gegenüber und stellen sogar einige der Grundprämisse der ENP in Frage.

Auch wenn das Konzept der Differenzierung seit Beginn an angewendet wird, sind einzelne Länder nicht immer der Auffassung, dass ihren spezifischen Anliegen ausreichend Rechnung getragen wird. Ein mangelndes gemeinsames Verantwortungsgefühl verhindert, dass die ENP ihre volles Potenzial entfaltet.

Der auf dem Leistungsprinzip beruhende Ansatz des "mehr für mehr" unterstreicht zwar das Bekenntnis der EU zu ihren Grundwerten, hat jedoch nicht immer zu einem Klima der Partnerschaft unter Gleichen beigetragen oder erfolgreich Anreize für weitere Reformen in den Partnerländern geschaffen.

Bei den in dieser Mitteilung aufgeworfenen Fragen geht es darum auszuloten, wie die ENP zu einem wirksameren Instrument zur Förderung der Interessen der EU und ihrer Partner sowie zu einem förderlicheren Rahmen für den Aufbau umfassenderer Partnerschaften werden kann, die den Erwartungen beider Seiten besser Rechnung tragen.

Sollte die ENP beibehalten werden? Sollte es weiterhin einen einheitlichen Rahmen für den Osten und den Süden geben?

Sollte der bestehende Geltungsbereich beibehalten werden? Sollte die ENP flexiblere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit den Nachbarn der Nachbarn bieten? Wie kann die EU mittels des ENP-Rahmens ihre Nachbarn in ihren Beziehungen zu ihren eigenen Nachbarn unterstützen? Was könnte verbessert werden, um die Kohärenz zwischen der ENP einerseits und den Beziehungen der EU zu Russland, zu Partnern in Zentralasien und in Afrika, insbesondere in der Sahelzone und am Horn von Afrika, sowie zu den Golfstaaten andererseits zu stärken?

Wie könnte ein umfassenderer Ansatz unter verstärkter Beteiligung der Mitgliedstaaten der ENP größeres Gewicht verleihen? Würden die Partner eine verstärkte gemeinsame Verantwortung für die ENP bevorzugen?

Ist der Abschluss von Assoziierungsabkommen und DCFTA das richtige Ziel für alle Partner oder sollten daneben auch stärker maßgeschneiderte Alternativen entwickelt werden, um den unterschiedlichen Interessen und Bestrebungen einiger Partner Rechnung zu tragen?

Sind die ENP-Aktionspläne das richtige Instrument zur Vertiefung unserer Partnerschaft? Sind sie für einige Partner zu breit angelegt? Hätte die EU, hätten die Partner mehr von einer stärkeren Fokussierung und einer größeren Priorisierung?

Eignet sich dieser Ansatz für alle Partner? Hat er einen Mehrwert für die Beziehungen der EU zu jedem der Partner? Sind die Interessen der EU und/oder der Partner besser bedient mit einem weniger aufwendigen Berichterstattungsverfahren? Sollte die Intensität der Berichterstattung vom Grad des Engagements des jeweiligen Partners abhängen? Wie können wir die wesentlichen Elemente der ENP besser vermitteln?

Können die Partnerschaften gezielter auf gemeinsame Interessen fokussiert werden, um die Eigenverantwortung auf beiden Seiten zu stärken? Wie sollte die ENP die Differenzierung ermöglichen, die ein solcher Ansatz erfordern würde? Sind neue Elemente erforderlich, um die Zusammenarbeit in diesen und anderen Bereichen vertiefen zu können?

Was muss in diesem Bereich, den alle ENP-Partner für besonders wichtig halten, noch getan werden? Wie kann die ENP die Migrationssteuerung stärker unterstützen und den Partnerländern dabei helfen, Nutzen aus der Mobilität zu ziehen?

Wie kann die EU mehr tun, um die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den ENP-Partnerländern zu unterstützen? Wie kann die wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Rolle junger Menschen gestärkt werden? Wie lässt sich die nachhaltige Beschäftigung wirksamer fördern? Und wie können diese Ziele besser mit unerlässlichen Reformen in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, Justizreform, Governance und Sicherheit verknüpft werden, die Voraussetzung für ausländische Direktinvestitionen sind?

Wie sollte die ENP Krisen und Konflikten in der Nachbarschaft begegnen? Sollten GASP- und GSVP-Maßnahmen besser in den ENP-Rahmen integriert werden? Sollte die ENP eine größere Rolle bei der Entwicklung von vertrauensbildenden und Post-KonfliktMaßnahmen sowie von damit verbundenen Maßnahmen zum Staats- und Institutionenaufbau spielen?

Sollte die ENP stärker auf die Zusammenarbeit mit den Partnern bei der Prävention von Radikalisierung und der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität ausgerichtet werden?

Sollte der Reform des Sicherheitssektors größere Bedeutung im Rahmen der ENP beigemessen werden?

Kann die multilaterale Dimension einen weiteren Mehrwert erzeugen? Sind diese Formate für ihren eigentlichen Zweck geeignet? Wie kann ihre Wirksamkeit gestärkt werden? Wären andere, flexiblere Rahmen wirksamer? Kann die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren in der Region (Europarat, OSZE, Liga der Arabischen Staaten, Organisation der Islamischen Konferenz, Afrikanische Union) verbessert werden?

Wie sollte die Zivilgesellschaft im weitesten Sinne stärker in die ENP einbezogen werden? Kann mehr getan werden, um bestimmte Bevölkerungsteile in den Partnerländern zu vernetzen?

Was kann noch getan werden, um Wirtschaftskreise stärker miteinander zu verbinden? Wie können die Verbindungen mit und zwischen den Sozialpartnern (Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen) gestärkt und der Sozialdialog unterstützt werden? Wie können die Verbindungen zwischen Wissenschaftlern, Hochschulen, Kommunalbehörden, Frauen, jungen Menschen und den Medien gefördert werden?

Wie kann die ENP mehr tun, um den religiösen Dialog und die Achtung kultureller Vielfalt zu fördern und Vorurteilen entgegenzuwirken? Sollte die Förderung des gegenseitigen kulturellen Verständnisses ein spezifisches Ziel der ENP bilden, und wenn ja, wie sollte es verwirklicht werden? Wie kann die ENP zur Bewältigung der Diskriminierung benachteiligter Gruppen beitragen?

III. Auf dem Weg zu einer Partnerschaft mit klarerer Fokussierung und gezielterer Zusammenarbeit

Die bisherigen Erfahrungen und die ersten Stellungnahmen im Rahmen dieser Überprüfung aus einigen EU-Mitgliedstaaten und ENP-Partnerländern weisen auf vier Schwerpunktbereiche hin, in denen weitere Konsultationen und Überlegungen notwendig sind:

1. Die Herausforderungen der Differenzierung

Einige Partnerländer im Osten arbeiten bereits an der Errichtung einer umfassenden und vertieften Freihandelszone und streben möglichst enge Beziehungen zur EU an. Obwohl auch in diesen Fällen das große Potenzial der Beziehungen bei weitem nicht ausgeschöpft ist, streben diese Länder eine Perspektive an, die über ihre Assoziierungsabkommen/DCFTA hinausreicht.

Im Süden gehen die Bestrebungen der Partnerländer immer weiter auseinander und die Instabilität infolge bewaffneter Konflikte nimmt zu. Die Ereignisse in der arabischen Welt im Jahr 2011 und in der Zeit danach haben die Region grundlegend verändert. Für einige Partner im Süden hat dies zu einem positiven politischen Wandel geführt. Andere dagegen befinden sich in einem komplexen Übergang, sind nach wie vor den Nebeneffekten der Syrienkrise in starkem Maße ausgesetzt oder leiden weiterhin unter den Folgen langwieriger Konflikte.

Sollte die EU mit der Zeit die Möglichkeiten zur Schaffung neuer Formate für die Beziehungen zu ihren Partnern ausloten, um die Erwartungen und Aspirationen der Länder zu befriedigen, die den Abschluss von Assoziierungsabkommen nicht als Schlusspunkt der politischen Assoziierung und der wirtschaftlichen Integration betrachten?

Wie sollte die EU den beim Gipfeltreffen der Östlichen Partnerschaft im Jahr 2013 in Vilnius erteilten Auftrag zur langfristigen Schaffung eines größeren gemeinsamen Raums des wirtschaftlichen Wohlstands auf der Grundlage der WTO-Regeln und von souveränen Entscheidungen von Staaten in ganz Europa und darüber hinaus weiter umsetzen?

Besteht im Rahmen der ENP Spielraum für eine Art variabler Geometrie mit unterschiedlich gestalteten Beziehungen für die Partner, die eine unterschiedlichen Grad an Zusammenarbeit anstreben?

2. Fokussierung

Unsere Zusammenarbeit mit den ENP-Partnern auf der Grundlage der Aktionspläne ist derzeit sehr weit gefasst. Die Erfahrung zeigt, dass die ENP dann am wirksamsten ist, wenn die EU und ihre Partner wirklich eine gemeinsame Agenda verfolgen. Im Rahmen der Überprüfung müssen die Interessen der EU und der einzelnen Partner geklärt und die Bereiche ermittelt werden, in denen die gemeinsamen Interessen am stärksten sind. Dies wird zur Stärkung der Partnerschaft zwischen der EU und ihren Nachbarländern in den kommenden Jahren beitragen.

Auf der Grundlage der bisherigen informellen Konsultationen lässt sich vorläufig feststellen, dass die gemeinsamen Interessen der EU und ihrer Partner in den folgenden Bereichen am stärksten sind:

Die Überprüfung bietet eine Gelegenheit zur Schaffung eines soliden Verständnisses zwischen der EU und unseren Partnern im Hinblick auf die Bereiche, in denen die gemeinsamen Interessen am stärksten sind. Dies wird die Grundlage für eine stärkere vorwärts gerichtete Partnerschaft bilden.

In dieser Hinsicht schlagen wir vor, den Schwerpunkt der Konsultation auf die folgenden Fragen zu legen:

3. Flexibilität - auf dem Weg zu einem flexibleren Instrumentarium

In den letzten zehn Jahren hat die EU die Instrumente der ENP weiterentwickelt und ausgebaut. Die ENP stützt sich derzeit auf folgende Kernelemente:

4. Eigenverantwortung und Sichtbarkeit

Zu den am häufigsten geäußerten Kritikpunkten in Bezug auf die ENP zählen einerseits das mangelnde Bewusstsein der Eigenverantwortung seitens der Partnerländer und ihrer Gesellschaften insgesamt und andererseits die unzureichende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Ziele und Auswirkungen der ENP. Zweifellos sind erhebliche Anstrengungen erforderlich, um die Eigenverantwortung der Partnerländer für die ENP zu stärken und sowohl in der EU als auch in den Partnerländern die Ziele und Ergebnisse der ENP besser zu vermitteln.

Was erwarten die Partner von der ENP? Wie kann die ENP deren Erwartungen und Interessen am besten Rechnung tragen?

Können Arbeitsweisen entwickelt werden, die von den Partnern als respektvoller empfunden werden und Ausdruck einer gleichberechtigten Partnerschaft sind? Wie sollten sie sich auf die jährliche Berichterstattung auswirken?

Können die Strukturen der ENP kooperativer gestaltet werden, um die eigene Entscheidungsfähigkeit der Partner stärker herauszustellen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in allen Partnerländern Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten?

Kann die ENP noch rascher Ergebnisse liefern, damit die Öffentlichkeit die Vorteile dieser Politik leichter erkennen kann? Was würde dies von der EU erfordern? Und von den Partnerländern?

Wie kann bei der finanziellen Unterstützung durch die EU die Geber-Nehmer-Dynamik überwunden und durch ein Investitionsverhältnis ersetzt werden, bei dem die aktive Rolle der Partnerländer stärker herausgestellt wird?

Wie können die Mitgliedstaaten wirksamer in die Konzeption und Umsetzung der ENP, auch in Bezug auf außenpolitische und sicherheitsbezogene Aktivitäten, einbezogen werden? Wie können die Aktivitäten in den Mitgliedstaaten der EU besser mit der ENP abgestimmt werden?

Diese Phase der öffentlichen Konsultation wird entscheidend dazu beitragen, die Eigenverantwortung zu stärken und die Voraussetzungen für eine wirksamere Kommunikation über die Zukunft der ENP zu schaffen.

IV. Nächste Schritte

Zweck dieses Dokuments ist es, den Rahmen für eine politische Debatte über die künftige Ausrichtung der ENP abzustecken. Ziel ist es, eine möglichst breit angelegte Konsultation mit Partnern in den Nachbarländern und Interessenträgern in der gesamten EU durchzuführen. Die Zielgruppe bilden nicht nur die Mitgliedstaaten und die Partner, sondern auch eine ganze Reihe von Akteuren aus den Parlamenten, einschließlich des Europäischen Parlaments, der Zivilgesellschaft und der Forschung sowie Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft.

Zu den weiteren Adressaten zählen wichtige in der Nachbarschaft tätige internationale Organisationen, darunter insbesondere der Europarat, die OSZE und die wichtigsten internationalen Finanzinstitutionen. Auch die interessierte Öffentlichkeit wird Gelegenheit haben, schriftliche Beiträge einzureichen. Die Konsultation zu diesem Dokument soll bis Ende Juni dauern.