Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine EU-Agenda für die Rechte des Kindes KOM (2011) 60 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 533/06 (PDF) = AE-Nr. 061438,
Drucksache 113/10 (PDF) = AE-Nr. 100144 und
Drucksache 663/10 (PDF) = AE-Nr. 100827

Brüssel, den 15.2.2011
KOM (2011) 60 endgültig

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine EU-Agenda für die Rechte des Kindes

Einleitung

Das Bestreben der Europäischen Union, die Rechte des Kindes zu stärken und zu schützen, erhält durch den Vertrag von Lissabon einen noch höheren Stellenwert. In Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union wird die Europäische Union nunmehr ausdrücklich dazu aufgefordert, die Rechte des Kindes zu fördern. Des Weiteren sind die Rechte des Kindes auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert1. Artikel 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erkennt Kinder als unabhängige, eigenständige Rechtssubjekte an und stellt das Kindeswohl bei allen Maßnahmen öffentlicher und privater Stellen obenan.

Die Stärkung der Rechte des Kindes ist auch eine Folge internationaler Verpflichtungen. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention)2 wurde von allen Mitgliedstaaten ratifiziert. Die Normen und Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention müssen daher auch künftig für die EU-Politik, soweit sie Auswirkungen auf die Rechte des Kindes hat, richtungweisend sein. Mit ihrer Mitteilung aus dem Jahr 2006 im Hinblick auf eine EU-Kinderrechtsstrategie3 legte die Kommission den Grundstein für eine Politik im Inneren und nach außen, die die Rechte von Kindern stärkt und schützt. Es wurden Strukturen geschaffen 4, die es den EU-Organen ermöglichen sollen, den Aspekt der Kinderrechte besser zu berücksichtigen. Dabei wird auf eine faktengestützte Politik und eine stärkere Interaktion mit einschlägigen Akteuren gesetzt.

Da den Rechten des Kindes im Vertrag von Lissabon und in der Grundrechtecharta ein hoher Stellenwert eingeräumt wird, hält die Kommission den Zeitpunkt für gekommen, um eine schnellere Gangart einzuschlagen und politische Ziele in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Die Strategie Europa 20205 entwickelt für das 21. Jahrhundert die Vision eines Europa, in dem die Kinder von heute bessere Bildungschancen und einen besseren Zugang zu den Leistungen und Ressourcen erhalten, die sie benötigen, um erwachsen zu werden und Europa eines Tages ins 22. Jahrhundert zu führen. Deshalb plädiert die Kommission mit dieser Mitteilung für eine "EU-Agenda für die Rechte des Kindes". Mit der EU-Agenda soll erneut zum Ausdruck gebracht werden, dass sich die EU-Organe und Mitgliedstaaten in der Pflicht sehen, die Rechte der Kinder in allen relevanten Politikbereichen der EU zu stärken, zu schützen und in konkrete Ergebnisse umzumünzen. Künftig sollten Maßnahmen der EU, die Kinder mittelbar oder unmittelbar betreffen, in einer Weise konzipiert, umgesetzt und überwacht werden, die dem in der EU-Grundrechtecharta und der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Grundsatz des Kindeswohls Rechnung trägt.

Die vorliegende EU-Agenda für die Rechte des Kindes basiert auf den Ergebnissen einer breit angelegten öffentlichen Anhörung6 und trägt den Bedürfnissen und Sorgen Rechnung, die Kinder aus allen EU-Mitgliedstaaten bei einer gesonderten gezielten Befragung7 geäußert haben. Ebenfalls berücksichtigt sind die vorläufigen Ergebnisse einer Untersuchung der Folgen von EU-Rechtsinstrumenten, die die Rechte des Kindes berühren. Das Europäische Parlament 8, der Ausschuss der Regionen9, der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Europarat10 sowie weitere Akteure wie UNICEF, die Kinderbeauftragten der Mitgliedstaaten und die Zivilgesellschaft haben unter anderem durch ihre Arbeit im Europäischen Forum für die Rechte des Kindes11 ihren Beitrag zu dieser Mitteilung geleistet.

Die EU-Agenda für die Rechte des Kindes enthält allgemeine Grundsätze, mit denen sichergestellt werden soll, dass das Handeln der EU, wann immer es um die Einhaltung der Bestimmungen der EU-Grundrechtecharta zu den Rechten des Kindes und der UN-Kinderrechtskonvention geht, beispielhaft ist. Darüber hinaus werden aber auch einige konkrete Maßnahmen vorgestellt wie etwa eine kindgerechte Justiz. Diese Maßnahmen betreffen ausschließlich Bereiche, in denen ein Tätigwerden der Union einen echten Mehrwert darstellen kann, wie kindgerechte Justiz, Schutz von Kindern in prekären Situationen und Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder in der Europäischen Union und im Außenbereich.

1. Allgemeine Grundsätze

Das Eintreten der EU für die Rechte des Kindes erfordert einen kohärenten Ansatz, der für alle einschlägigen Maßnahmen der EU gelten muss. Als gemeinsame Basis für jedes Handeln der EU, das einen Bezug zu Kindern aufweist, können die Verträge, die Grundrechtecharta der Europäischen Union und die UN-Kinderrechtskonvention (UNKRK) herangezogen werden. Die "Kinderrechtsperspektive" ist bei allen Maßnahmen der EU zu berücksichtigen, die Auswirkungen auf Kinder haben.

1.1. Die Rechte des Kindes zu einem festen Bestandteil der EU-Grundrechtepolitik machen

Mit ihrer am 19. Oktober 2010 angenommenen Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte durch die Europäische Union 12 verpflichtet sich die Kommission, mittels eines "Grundrechtschecks" bereits von vornherein sicherzustellen, dass die von ihr eingebrachten Legislativvorschläge mit den durch die Charta garantierten Grundrechten voll und ganz im Einklang stehen. Wie in der Strategie vorgesehen, achtet die Kommission bei der Arbeit mit dem Europäischen Parlament und dem Rat darauf, dass im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eingebrachte Änderungen ebenfalls mit der Charta vereinbar sind. Sie wirkt auch in der Arbeit mit den Mitgliedstaaten darauf hin, dass diese die EU-Gesetzgebung im Einklang mit der Charta in nationales Recht umsetzen, wie es die Charta in Artikel 51 Absatz 1 von ihnen verlangt.

Die durch Artikel 24 der Charta garantierten Rechte des Kindes gehören zu den Grundrechten, die in der Kommissionsstrategie ausdrücklich erwähnt werden. Damit sind sie auch Bestandteil der "Grundrechts-Checkliste", die die Kommission auf entsprechende EU-Gesetzesvorhaben anwendet.

Wie in ihrer Mitteilung über eine Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta angekündigt, hat die Kommission Verfahren entwickelt, um die Konformität von Gesetzesentwürfen mit der Charta zu überprüfen. Um die Folgen ihrer Vorschläge für die Grundrechte einschließlich der Rechte des Kindes besser abschätzen zu können, hat die Kommission praktische Leitlinien erarbeitet, die es ihren Dienststellen ermöglichen sollen zu prüfen, inwieweit eine Initiative möglicherweise in die Grundrechte und damit auch in die Rechte der Kinder eingreift, und die Alternative zu wählen, die dem Kindeswohl am besten Rechnung trägt. Die Fragen der in der Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta angekündigten Grundrechts-Checkliste sind Bestandteil dieser praktischen Leitlinien. Die Kommission wird auch interne Fortbildungsmaßnahmen zu den Rechten des Kindes und anderen Grundrechten anbieten, um die Verbreitung einer ausgeprägten Grundrechtskultur weiter zu fördern. Sie wird außerdem auch künftig die Arbeit des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes und dessen Auslegung der Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention aufmerksam verfolgen. Bei der Vorlage eines Legislativvorschlags, der die Rechte des Kindes berührt, wird in der Begründung näher erläutert werden, wie dieser Aspekt im Text berücksichtig wurde.

1.2. Die Grundlagen für eine faktengestützte Politik schaffen

Bei der Umsetzung der Mitteilung von 2006 hat sich gezeigt, dass es an zuverlässigen, vergleichbaren amtlichen Daten fehlt. Dies ist ein echtes Hindernis für die Konzipierung und Umsetzung einer Politik, die auf klaren Fakten beruht.

Zu den größten Herausforderungen gehören daher die Verbesserung der vorhandenen Monitoring-Systeme, die Entwicklung politischer Zielsetzungen mit Blick auf Kinderrechte und die Beobachtung der Folgen dieser Politik. Deshalb sollte die Schließung der Wissenslücken bezüglich der Situation und Bedürfnisse der am stärksten benachteiligten Gruppen von Kindern Vorrang genießen. In diesem Zusammenhang bedarf es auch mehr Informationen darüber, wie sich Straftaten gegen Kinder verhindern lassen.

Die Kommission wird mit den einschlägigen Organisationen und Einrichtungen zusammenarbeiten, um für den Entscheidungsprozess hilfreiche Basisdaten und -informationen zu sammeln. Dabei wird eine Bestandsaufnahme des bereits vorhandenen Materials erfolgen, zu dem auch die Ergebnisse einer im Auftrag der Kommission erstellten Studie der EU-Grundrechteagentur über Indikatoren 13 gehören, die Aufschluss darüber geben sollen, wie die Rechte des Kindes in der EU umgesetzt, gefördert und geschützt und inwieweit sie eingehalten werden. Diese Indikatoren sollen der Agentur als Grundlage für ihre weitere Arbeit auf dem Gebiet der Datenerfassung und Forschung dienen und es ihr ermöglichen, faktengestützte Stellungnahmen zu erarbeiten, die den EU-Organen und den Mitgliedstaaten bei der Konzipierung und Umsetzung konkreter Maßnahmen behilflich sind.

1.3. Zusammenarbeit mit wichtigen Akteuren

Die Kommission wird ihre Zusammenarbeit und ihren Dialog mit den einschlägigen Akteuren über das Europäische Forum für die Rechte des Kindes, das regelmäßig tagt, fortsetzen.

Es gibt in den Mitgliedstaaten eine Vielzahl institutioneller und politischer Strukturen, die eigens dazu da sind, die Rechte des Kindes zu schützen und zu stärken. Zwar ist die Notwendigkeit der Politikgestaltung unter Berücksichtigung der Rechte des Kindes in allen EU-Mitgliedstaaten unumstritten, doch bestehen Unterschiede bei den institutionellen Mechanismen, mit denen diese Politik entwickelt und in die Praxis umgesetzt wird. Die Kommission wird unter strikter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips die Mitgliedstaaten weiterhin in ihren Bemühungen unterstützen, indem sie den Austausch bewährter Verfahren sowie die Zusammenarbeit und den Dialog mit und unter den für den Schutz und die Stärkung der Rechte des Kindes zuständigen Behörden fördert.

2. Konkrete Massnahmen der EU Zugunsten von Kindern

2.1. Eine kindgerechte Justiz

Ganz oben auf der EU-Agenda für die Rechte des Kindes steht die Entwicklung hin zu einer kindgerechteren Justiz in Europa. Dies ist ein sehr konkretes Vorhaben, für das die EU gemäß den EU-Verträgen insofern zuständig ist, als es zu ihren Aufgaben gehört, die Rechte des Kindes mit Hilfe der EU-Gesetzgebung in die Tat umzusetzen. Das Vorhaben ist daher ein wichtiger Aspekt des Aktionsplans der Kommission zur Umsetzung des Stockholmer Programms 14 für den Zeitraum 2010-2015.

Kinder können auf verschiedene Weise mit der Justiz in Berührung kommen, z.B. wenn sich ihre Eltern scheiden lassen und zwischen den Elternteilen ein Sorgerechtsstreit entbrennt, wenn sie straffällig oder Zeuge oder Opfer eines Verbrechens werden oder wenn sie Asyl suchen. Bekommen es die Kinder mit einem Justizwesen zu tun, das keine Rücksicht auf ihren Status als Kinder nimmt, können sie auf mannigfache Weise in ihren Rechten beschnitten oder verletzt werden.

So können sich für Kinder Probleme auftun, wenn es um ihre Vertretung oder Anhörung vor Gericht geht. Ebenso können die Informationen, die sie und ihre Vertreter benötigen, um ihre Rechte geltend zu machen und ihre Interessen in Gerichtsverfahren zu vertreten, unzureichend sein. Kinder können wie Erwachsene behandelt werden, ohne dass ihnen ein besonderer Schutz zuteil wird, der ihren Bedürfnissen und ihrer schwachen Position angemessen ist - eine Situation, mit der nicht jedes Kind zurechtkommt. Ein wirksamer Rechtsschutz und die Einbeziehung in die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sind Grundvoraussetzungen, um sicherzustellen, dass die rechtlichen Interessen von Kindern in größtmöglichem Maße gewahrt werden.

Familienrechtliche Streitigkeiten können sich nachteilig auf das Wohl der Kinder auswirken. Kinder, die von einem oder beiden Elternteilen getrennt werden, haben Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht ihrem Wohl entgegen15. Zivilverfahren, vor allem solche mit Auslandsbezug, die sich an eine Auflösung der Ehe oder eine Trennung anschließen, können zu einer Beschneidung dieses Rechtes führen. Besonders in langwierigen grenzüberschreitenden Sorgerechtsverfahren zwischen früheren Ehepartnern können Kinder die Leidtragenden sein. Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Sorgerechtsstreitigkeiten ist dank EU-weiter Regelungen 16 bereits leichter geworden. Die angemessene Unterrichtung von Kindern und Eltern über ihre Rechte aufgrund von EU- und innerstaatlichen Vorschriften ist eine Grundvoraussetzung, die erfüllt sein muss, damit sie ihre Rechte in Familienrechtsstreitigkeiten wahrnehmen können. Informationen hierzu sollten daher leicht zugänglich sein und verständliche Hinweise zu den einschlägigen Verfahren liefern. Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Informationsblätter über das EU-Recht und nationale Rechtsvorschriften zu den Themen Unterhalt, Mediation sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fällen, die die elterliche Verantwortung betreffen, erarbeiten und bei Bedarf aktualisieren. Bezüglich des Problems der Entführung eines Kindes durch einen Elternteil wird die Kommission besonders die Informationen berücksichtigen, die von der Mediatorin des Europäischen Parlaments für grenzüberschreitende elterliche Kindesentführungen bereitgestellt werden.

Die Registrierung und Anerkennung von Personenstandsurkunden ist wichtig für die Bestimmung der Rechte des Kindes. Wenn Eltern und ihre Kinder innerhalb der EU umziehen und derartige Urkunden in einem anderen Mitgliedstaat verlangt werden, müssen diese Urkunden häufig erst einmal in einem kostspieligen und langwierigen Verfahren (Übersetzung, Echtheitsnachweis) anerkannt werden, was den Zugang zu den Gerichten erschwert. Deshalb hat die Kommission eine öffentliche Anhörung über Möglichkeiten für die Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung der Rechtswirkungen von Personenstandsurkunden in der EU in die Wege geleitet17, auf deren Grundlage 2013 EU-Maßnahmen vorgeschlagen werden sollen.

Zum Recht auf ein faires Verfahren für Kinder, gegen die ein Strafverfahren eingeleitet wurde, gehört, dass ihre Privatsphäre geschützt wird, dass sie in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise darüber informiert werden, was ihnen zur Last gelegt wird und wie das Verfahren abläuft, und dass sie rechtlichen Beistand erhalten. Dies gilt umso mehr, wenn die Sprache des Verfahrens nicht die Muttersprache des Kindes ist. Die EU beschloss 2010 eine Regelung über Dolmetschleistungen und Übersetzungen, die sicherstellen soll, dass alle Parteien in einem Verfahren einschließlich Kinder in einer für sie verständlichen Weise über ihre Rechte informiert werden 18. Die Kommission wird weiter ihren Fahrplan verfolgen, mit dem sie die Verfahrensrechte von Personen einschließlich Kindern stärken will, die einer Straftat verdächtigt werden oder Angeklagte in einem Strafverfahren sind. 2011 wird die Kommission einen Vorschlag vorlegen, der den Anspruch auf rechtlichen Beistand sicherstellen soll, sowie einen Vorschlag zum Recht von Inhaftierten auf Kontakt zu Familienmitgliedern, Vertrauenspersonen, Arbeitgebern und Konsularbehörden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei verdächtigen oder angeklagten Personen, die beispielsweise aufgrund ihres Alters oder ihrer geistigen oder körperlichen Verfassung nicht in der Lage sind, Inhalt oder Sinn des Verfahrens zu erfassen. 2012 wird die Kommission einen Legislativvorschlag über spezielle rechtliche Garantien für schutzwürdige Tatverdächtige oder Angeklagte vorlegen. Diese Maßnahme wird für eine kindgerechte Justiz von besonderer Bedeutung sein.

Zu Haftstrafen verurteilte Kinder, die in eine Strafvollzugsanstalt verbracht werden, sind besonders in Gefahr, Opfer von Gewalt und Misshandlungen zu werden19. Auf internationaler Ebene gibt es mehrere Leitprinzipien zum Umgang mit Kindern, die einer freiheitsentziehenden Maßregel unterworfen sind 20. Ein Freiheitsentzug bei Kindern sollte stets nur das letzte Mittel sein und zeitlich auf das notwendige Mindestmaß 21 beschränkt werden.

Kinder sind häufig schutzlose Zeugen oder Opfer in einem Strafprozess. Sie können für kriminelle Zwecke, beispielsweise als Drogendealer, missbraucht werden. Deshalb sollte in rechtlicher und praktischer Hinsicht Vorsorge getroffen werden, dass keine unnötigen Mehrfachbefragungen stattfinden und die Negativerfahrung als Partei in einem Strafverfahren sie nicht auf Dauer belastet. Kinder, die Opfer einer Straftat wurden, sollten Gelegenheit erhalten, eine aktive Rolle im Strafverfahren zu spielen, so dass ihre Aussage berücksichtigt werden kann. Der Einsatz von moderner Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), vor allem von Videokonferenzen, kann dabei helfen, jugendliche Opfer aktiv in den Prozess einzubinden, ohne dass sie in direkten Kontakt mit den Angeklagten kommen. Kinder, die Opfer einer Straftat wurden, sollten entsprechend betreut werden, damit sie das Erlebte verarbeiten können und eine Entschädigung für das ihnen zugefügte Leid erhalten.

Aktionen:

Entsprechend ihrer Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte möchte die Kommission im Rahmen ihrer Politik im Bereich Zivil- und Strafjustiz dazu beitragen, die Justizsysteme in der EU kindgerechter zu gestalten. Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen geplant:

2.2. Spezielle Aktionen der EU zum Schutz von schutzbedürftigen Kindern

Einige Gruppen von Kindern haben aufgrund der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sie leben, ein erhöhtes Risiko, Schaden an Leib und Seele zu nehmen. So haben Kinder, die am Rande der Gesellschaft in Armut aufwachsen 23 und damit in Verhältnissen, die häufig mit Drogenmissbrauch einhergehen, beispielsweise eine geringere Chance, die Schule erfolgreich zu absolvieren und körperlich und geistig gesund zu bleiben24. Sie laufen stärker Gefahr, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Die Kommission wird auf die Bedürfnisse von Kindern, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, in einer Empfehlung zur Kinderarmut eingehen, in der sie gemeinsame Grundsätze niederlegen und wirksame Überwachungsinstrumente zur Prävention und Bekämpfung der Kinderarmut im Rahmen der Plattform zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung aufzeigen wird.

Auch behinderte Kinder können in ihren Rechten leichter verletzt werden 25 und benötigen und verdienen einen besonderen Schutz.

Das Wohlergehen von Kindern ist nur in einer Gesellschaft gewährleistet, in der gegen Kinder keine Gewalt ausgeübt wird und Kinder nicht missbraucht und ausgebeutet werden. Im März 2010 nahm die Kommission zwei Vorschläge für Richtlinien an, mit denen die Rahmenbedingungen für den Schutz einiger der besonders schutzbedürftigen Kinder, die Opfer von sexueller Ausbeutung und Menschenhandel sind, gestärkt werden sollen. Mit Blick auf Menschenhandel ist es wichtig, dass besondere Bedürfnisse von Kindern bei der künftigen Weiterentwicklung der Politik gegen Menschenhandel umfassend berücksichtigt werden; dies soll insbesondere im Rahmen der integrierten Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels geschehen, die 2012 angenommen werden wird.

Was die aus administrativen Gründen angeordnete Ingewahrsamnahme von Asyl suchenden Kindern betrifft, hat die Kommission daran gearbeitet, ihre Vorschläge von 2008 und 2009 zur Änderung des EU-Asylrechts voranzubringen. Darin wird die Ingewahrsamnahme von Kindern untersagt, es sei denn, dies geschieht zu ihrem Wohl, nachdem alle sonstigen Möglichkeiten zuvor genau abgewogen wurden. Außerdem wurden einige erforderliche Schutzmaßnahmen und Verfahrensgarantien in Bezug auf die gerichtliche Nachprüfung und den rechtlichen Beistand eingeführt. Schließlich enthält der Vorschlag ein klares Verbot der Ingewahrsamnahme von unbegleiteten Asyl suchenden Minderjährigen.

Der Aktionsplan 2010 der Kommission für unbegleitete Minderjährige26 sieht ein einheitliches Vorgehen der EU gegenüber unbegleiteten oder von ihren Eltern getrennten Kindern aus Drittstaaten vor. Er beschreibt kindgerechte Aufnahmemaßnahmen und Verfahrensgarantien, die ab dem Augenblick gelten sollen, in dem das Kind angetroffen wird, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist. In dem Aktionsplan wird auch auf die Bedeutung einer angemessenen rechtlichen Vertretung des Kindes hingewiesen, und es finden sich Vorschläge dazu, wie die Unzulänglichkeiten in der Fürsorge für unbegleitete Asyl suchende Kinder in der EU beseitigt werden können 27 und dem Verschwinden von in der Obhut des Staates befindlichen unbegleiteten Minderjährigen vorgebeugt werden kann.

Erfahrene, gut ausgebildete Fachleute können zeitig Problemen entgegenwirken und den Kindern bei der Traumabewältigung helfen. Deshalb sollten diejenigen, die mit Kindern arbeiten und deren Interessen vertreten, in Fortbildungsmaßnahmen über die Rechte und Bedürfnisse von Kindern verschiedener Altersklassen und über kindgerechte Verfahrensabläufe aufgeklärt werden. Sie sollten darüber hinaus im Umgang mit Kindern aller Alters- und Entwicklungsstufen und solchen, die sich in einer besonders kritischen Situation befinden, geschult werden.

2009 haben mehr als sechs Millionen junge Menschen die allgemeine oder berufliche Bildung mit lediglich einem Abschluss der Sekundarstufe I oder weniger verlassen; 17,4 % davon haben nur die Grundschule abgeschlossen. Deshalb legte der Europäische Rat im Rahmen der Strategie Europa 2020 als ein vorrangiges Ziel die Verringerung der Zahl der Schulabbrecher und derjenigen, die nur einen niedrigen Bildungsabschluss schaffen, auf weniger als zehn Prozent fest. Allen Kindern sollte Zugang zur frühkindlichen Bildung und Fürsorge ermöglicht werden, denn dies sind die Grundvoraussetzungen für erfolgreiches lebenslanges Lernen, soziale Integration, persönliche Entfaltung und spätere Beschäftigungsfähigkeit. Die Kommission hat bereits besondere politische Maßnahmen und Empfehlungen ausgemacht, um dem Problem des Schulabbruchs28 zu begegnen. In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten wird sie Initiativen für eine hochwertige frühkindliche Erziehung und Fürsorge fördern, zu Initiativen gegen Segregation im Bildungswesen ermuntern und sich für den Austausch bewährter Praktiken einsetzen.

Die Situation von Roma-Kindern in der EU ist besonders besorgniserregend, weil gleich mehrere Faktoren ihre Lebensbedingungen so schwierig machen29, wie schlechte Gesundheitsversorgung, schlechte Wohnverhältnisse, schlechte Ernährung, Ausgrenzung, Diskriminierung und Bedrohung durch Gewalt 30. Die soziale Ausgrenzung von Roma Kindern beginnt häufig bereits mit der fehlenden Eintragung ins Geburtenregister und setzt sich dann infolge der geringen Teilnahme am Grundschul- und weiterführenden Unterricht und hoher Schulabbrecherquoten sowie aufgrund von Drogenkonsum und der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft fort. Segregation ist ein entscheidendes Hindernis beim Zugang zu einer höherwertigen Bildung für Roma-Kinder.

Kinder können unabhängig von Alter, Geschlecht und sozialer Stellung plötzlich verschwinden. Die Gründe, weshalb Kinder von zuhause oder aus Einrichtungen, in denen sie untergebracht sind, weglaufen, sind bisher noch wenig erforscht, aber erfahrungsgemäß ist die Gefahr groß, dass sie geistig, körperlich und seelisch Schaden nehmen. Vermisste Kinder können Gewalt erfahren und missbraucht werden, sie können Opfer von Menschenhändlern werden oder zur Bettelei oder Prostitution getrieben werden.

Die Kommission hat verschiedene Hilfsmittel ausgemacht, die im Falle von vermissten Kindern hilfreich sein können. Schon seit mehreren Jahren gibt es in einigen Mitgliedstaaten 31 Mechanismen, um in Fällen von Kindesentführung oder bei plötzlichem Verschwinden von Kindern unter Umständen, die eine ernsthafte Gefährdung der Sicherheit und des Wohlergehens des betreffenden Kindes befürchten lassen, die Öffentlichkeit zu alarmieren. Die Kommission wird weiterhin die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten mittels Alarmsystemen in Fällen von Kindesentführung fördern. Im Interesse einer intensiveren Zusammenarbeit auf diesem Gebiet vereinbarten die Mitgliedstaaten im Juni 2009, das Schengener Informationssystem und die in den einzelnen Mitgliedstaaten befindlichen Sirene-Büros bei der Suche nach vermissten Kindern wirkungsvoller zu nutzen. Die Kommission wird dazu mit einer neuen Fassung des Sirene-Handbuchs beitragen, das sie als Teil eines Kommissionsbeschlusses bis Mai 2011 annehmen wird. Das Handbuch wird eine Reihe von Regeln und Verfahren für diesbezügliche Fälle enthalten.

Die Hotline 116 000 bietet vermissten Kindern und deren Eltern Hilfe und Unterstützung an und stellt den potenziell lebensrettenden Kontakt dar. Da die Hotline in einem Großteil der EU-Mitgliedstaaten noch immer nicht eingerichtet ist, gab die Kommission 2010 eine Mitteilung32 heraus mit dem Ziel, die Mitgliedstaaten möglichst schnell zur Freischaltung der Hotline zu veranlassen und dafür zu sorgen, dass der Dienst überall in der EU dieselbe hohe Qualität bietet. Die Kommission wird die weitere Entwicklung in Bezug auf die Einrichtung der Hotline für vermisste Kinder in allen Mitgliedstaaten aufmerksam verfolgen. Zeichnen sich innerhalb einer vertretbaren Zeitspanne keine Fortschritte ab, erwägt die Kommission die Vorlage eines Legislativvorschlags, um sicherzustellen, dass die Hotline 116 000 in allen Mitgliedstaaten betriebsbereit ist.

Auch von den neuen Technologien geht eine besondere Gefahr für Kinder aus. Das Internet eröffnet Kindern und Jugendlichen ungeahnte Möglichkeiten, um sich Wissen anzueignen, online zu lernen und an öffentlichen Debatten teilzunehmen. Gefährlich wird es dann, wenn die Kinder in audiovisuellen Medien und im Internet mit schädlichen Inhalten und mit Verhaltensweisen wie Cyber-Bullying und Cyber-Grooming konfrontiert werden. Überall in Europa berichten Kinder, dass körperliche und seelische Einschüchterungsversuche inzwischen zu ihrem Schulalltag gehören 33. Cyber-Bullying ist eine neue Form des Psychoterrors, gegen den unter Einbindung aller Beteiligten wie Betreibern von Internetportalen, die soziale Netzwerke beherbergen, Internet-Providern und Polizei dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die Kommission will einen hohen Schutz für Kinder und deren personenbezogene Daten 34 im virtuellen Raum erreichen, ohne ihr Recht auf Zugang zum Internet, soweit es ihrer sozialen und kulturellen Weiterentwicklung dient, in irgendeiner Form zu beschneiden. Durch das Programm für ein sichereres Internet 35 koordiniert und unterstützt die Kommission Anstrengungen, um die Kinder zu einem eigenverantwortlichen Verhalten im Internet zu erziehen und sie zu schützen. Verschiedene Sektoren der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche haben sich zu selbstregulierenden Maßnahmen, verpflichtet, um insbesondere Kinder, die Mobiltelefone36 benutzen oder sich an sozialen Netzwerken beteiligen 37, besser zu schützen; zu den Maßnahmen gehört auch das Alterseinstufungssystem PEGI (Pan European Game Information) für Video- und Online-Spiele 38. Die Kommission wird nunmehr verstärkt an die Verantwortung von Herstellern von mobilen Geräten und Spielkonsolen, Internet Diensteanbietern, Anbietern von mobilen Anwendungen und Inhalteanbietern, Verbraucherschutzvereinigungen, Forschern und Kinderschutzverbänden appellieren.

Die Kommission verfolgt aufmerksam die Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste 39 in innerstaatliches Recht, die bis zum 19. Dezember 2009 erfolgt sein musste. Mit der Richtlinie werden die Vorschriften zum Schutz von Kindern, die bisher für herkömmliche TV-Programme galten, auf die schnell wachsenden, vor allem über das Internet abrufbaren audiovisuellen Mediendienste ausgedehnt.

Aktionen:

Die Kommission wird dazu beitragen, schutzbedürftige Kinder insbesondere durch Folgendes zu Eigenverantwortung zu erziehen und sie zu schützen:

2.3. Kinder und die Politik der EU im Außenbereich

Die EU ist entschlossen, der Förderung und dem Schutz der Rechte des Kindes auch in ihrem auswärtigen Handeln Vorrang einzuräumen . Dies gilt auch bei Fragen der40 justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in Bereichen, die in die Zuständigkeit der EU fallen. Dabei ist es wichtig, dass die EU gegenüber Drittstaaten in Belangen, die die Rechte des Kindes betreffen, mit einer einzigen Stimme spricht, um gegebenenfalls rasch und wirksam handeln zu können. Die EU wird ihre auswärtige Politik im Bereich des Schutzes der Rechte des Kindes an der Mitteilung "Außenmaßnahmen der EU: Ein besonderer Platz für Kinder" aus dem Jahre 2008 und dem dazugehörigen Aktionsplan ausrichten.

Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, jede Form von Gewalt gegen Kinder zu unterbinden. Weltweit werden schätzungsweise 200 Millionen Kinder jährlich Zeugen häuslicher Gewalt, über 200 Millionen Kinder jährlich werden Opfer sexueller Gewalt, über 50 000 Kinder jährlich werden Opfer eines Tötungsdelikts, und annähernd 2 Millionen Kinder kommen wegen Verletzungen, die ihnen durch Gewalttaten zugefügt wurden, ins Krankenhaus. Die EU wird die Umsetzung der EU-Leitlinien zu den Rechten des Kindes fortsetzen, die gegenwärtig die Bekämpfung sämtlicher Formen von Gewalt gegen Kinder zum Schwerpunkt haben. Bis Ende 2011 wird die EU bewerten, wie die Leitlinien seit 2007 umgesetzt worden sind. Im Rahmen des thematischen Programms "In die Menschen investieren" ist die Finanzierung von Projekten, die die Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder zum Gegenstand haben, im Zeitraum 2011-2013 vorgesehen.

Immer noch gibt es weltweit über 200 Millionen Kinderarbeiter, und mindestens 115 Millionen davon schuften unter schlimmsten Bedingungen. Die EU wird ihre Anstrengungen zur Bekämpfung von Kinderarbeit gemäß dem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen und den Schlussfolgerungen des Rates zur Kinderarbeit fortsetzen. Sie wird bis Ende 2011 einen Bericht zu den Themen Handel und schlimmste Formen der Kinderarbeit erstellen und dabei den internationalen Erfahrungen und Positionen einschlägig tätiger internationaler Organisationen Rechnung tragen. 2011 wird die EU im Rahmen des thematischen Programms "In die Menschen investieren" Projekte zur Problematik der Kinderarbeit in Drittstaaten auswählen.

Kinder in bewaffneten Konflikten 41 sind besonders schutzbedürftig, vor allem, wenn sie ihre Eltern oder Betreuer verloren haben oder von ihnen getrennt wurden. Besonders Kinder laufen Gefahr, von bewaffneten Gruppen rekrutiert, sexuell missbraucht und ausgebeutet oder von Menschenhändlern verschleppt zu werden. Kinder sind überdurchschnittlich von Unterernährung und Krankheit betroffen, da ihnen der Zugang zu grundlegenden sozialen Dienstleistungen, Gesundheitsversorgung und Bildung verwehrt ist. Schätzungsweise 300 000 Kinder stehen ständig unter Waffen, davon sind 40 % Mädchen. Auf der Grundlage der konkreten Aktionen, die in der 2010 angenommenen Strategie zur Umsetzung der EU-Leitlinien zu Kindern in bewaffneten Konflikten niedergelegt sind, wird sich die EU weiterhin für den Schutz der Rechte von Kindern einsetzen, die auf die eine oder andere Weise Leidtragende bewaffneter Konflikte sind.

Sextourismus mit Kindesmissbrauch muss ausgerottet werden. Es handelt sich dabei um einen Teil einer organisierten Sexindustrie, die Prostitution, Menschenhandel, die Produktion und den Vertrieb von Kinderpornographie und die Ausbeutung von Kindern durch Touristen umfasst, die an ihnen Sexualstraftaten begehen. Da nur wenige dieser Sexualstraftäter in ihren jeweiligen Heimatländern in der EU zur Rechenschaft gezogen werden, sollten Maßnahmen getroffen werden, um im Fall von Straftaten, die in Drittländern begangen wurden, in der EU vermehrt Ermittlungen anstellen und diese Taten verfolgen zu können.

Die EU wird den politischen Dialog mit Drittstaaten und internationalen Organisationen fortsetzen, um zu erreichen, dass die Rechte des Kindes besser gewahrt werden bzw. gewahrt bleiben. Im Zusammenhang mit ihrer Erweiterungsstrategie wird sie weiter für die Reform des Kinderschutzes eintreten und die Fortschritte im Hinblick auf die Rechte des Kindes während des gesamten Beitrittsprozesses in den Kandidatenländern und in beitrittswilligen Ländern genau beobachten; ihr Interesse gilt vornehmlich Kindern von ethnischen Minderheiten und ausgegrenzten Gruppen wie den Roma, die als besonders schutzbedürftig erkannt wurden.

Der bilateralen Zusammenarbeit mit Drittstaaten sollen verschiedene Maßnahmen als Ausgangspunkt dienen: der Ausbau von Entwicklungsprogrammen, in deren Mittelpunkt die Rechte des Kindes stehen, um beispielsweise stärkere nationale Strukturen und Institutionen und die Einrichtung unabhängiger Kinderrechtsorganisationen zu unterstützen, Gesetzesreformen, die den internationalen Normen entsprechen, zu fördern und den Rechten des Kindes im Wege von handelspolitischen Instrumenten und internationalen Verhandlungen zu mehr Gewicht zu verhelfen.

Im Rahmen der multilateralen Zusammenarbeit wird die EU auch künftig internationale Initiativen unterstützen und Resolutionen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen und im UN-Menschenrechtsrat einbringen. Die Koordinierung mit international operierenden Akteuren soll ebenfalls intensiviert werden.

Im Bereich der humanitären Hilfe wird die EU gemäß dem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen von 2008 über Kinder in Not- und Krisensituationen 42 stärker solche Projekte und Maßnahmen unterstützen, die speziell auf die Bedürfnisse von Kindern in Notsituationen zugeschnitten sind.

Aktion:

3. Partizipation - Sensibilisierungen der Kinder

Zwei Eurobarometer-Umfragen von 2008 und 2009 ergaben, dass sich 76 % der befragten

Kinder 45 nicht darüber im Klaren waren, dass sie Träger besonderer Rechte sind, und dass tun könne, um die Rechte des Kindes zu fördern und zu schützen, antworteten 88 %, dass sie die Kinder besser und in einer für sie verständlichen Weise über deren Rechte informieren solle.

Uneingeschränkte Anerkennung der Rechte des Kindes bedeutet, dass die Kinder Gelegenheit erhalten müssen, ihre Meinung zu äußern und an den sie betreffenden Entscheidungsprozessen teilzuhaben. Artikel 24 Absatz 1 der Grundrechtecharta verlangt von der EU, dass sie die Meinung der Kinder in den sie betreffenden Angelegenheiten in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.

Die bisher von der Kommission ergriffenen Maßnahmen zur Anhörung von Kindern 46 sind ein erster Schritt auf dem Weg zu einer stärkeren Teilhabe von Kindern an der Gestaltung und praktischen Durchführung einer Politik in sie betreffenden Bereichen wie beispielsweise Bildung, Gesundheit und Umwelt. Die Kommission wird diesbezüglich auf die Erfahrung des Europäischen Forums für die Rechte des Kindes zurückgreifen und daher auch künftig mit dem Forum und den Kinderbeauftragten und anderen einschlägigen Akteuren zusammenarbeiten.

Um die Kinder besser und verständlicher über ihre Rechte und sie betreffende EU-Politiken zu informieren, müssen die vorhandenen Informationswerkzeuge besser genutzt und modernisiert werden. Gegenwärtig sind Informationen für Kinder auf dem EU-Webportal Europa unter den Rubriken "Interessante Links für Kinder" 47 und "Die EU für Lehrer/innen "48 zu finden. Diese Links führen zu Material, das für Kinder interessant ist und von den EU-Organen bereitgestellt wurde. Vieles von dem Material, das über diese Seiten abgerufen werden kann, ist auch auf den Internetportalen verschiedener Generaldirektionen der Kommission oder anderer EU-Organe zu finden. Woran es allerdings derzeit noch fehlt, sind kompakte und leicht zugängliche Informationen über die Rechte des Kindes und Maßnahmen der EU, die für Kinder von Belang sind.

Aktion:

Schlussbemerkungen

Mit dieser EU-Agenda für die Rechte des Kindes fordert die Kommission EU-Organe und Mitgliedstaaten auf, ihr Engagement für raschere Fortschritte beim Schutz und bei der Förderung der Rechte von Kindern zu erneuern. Das Handeln der EU sollte hinsichtlich der Einhaltung der die Rechte von Kindern betreffenden Bestimmungen der EU-Verträge und der 79 % nicht wussten, an wen sie sich im Notfall wenden können. Auf die Frage, was die EU-Grundrechtecharta der Europäischen Union sowie der UN-Kinderrechtskonvention beispielhaft sein. Die Kommission wird in ihrem Jahresbericht über die Anwendung der Charta regelmäßig eine Bestandsaufnahme der Fortschritte bei der Umsetzung der EU-Agenda für die Rechte des Kindes vornehmen.

Wie in der Strategie Europa 2020 bereits dargelegt wurde, kann es für unsere Gesellschaft langfristig tiefgreifende Folgen haben, wenn wir nicht ausreichend in Politikbereiche investieren, die für unsere Kinder von Belang sind. In vielen dieser Bereiche sind die Mitgliedstaaten gefordert, wobei die Kommission zu jeder Form der Unterstützung und Zusammenarbeit bereit ist. Die Kommission wird weiterhin ihren Teil zu den gemeinsamen Bemühungen beitragen, mit denen das Wohlergehen und die Sicherheit aller Kinder gewährleistet werden soll. Alle Akteure müssen ihr Engagement erneuern, wenn die Vision von einer Welt Wirklichkeit werden soll, in der Kinder Kinder sein dürfen und in Sicherheit leben, spielen, lernen, ihr ganzes Potenzial entfalten und das Beste aus den sich bietenden Möglichkeiten machen können.