Antrag des Landes Niedersachsen
Entschließung des Bundesrates: "Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern; Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche ausweiten"

Niedersächsischer Ministerpräsident Hannover, 26. Februar 2019

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Niedersächsische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates: "Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern; Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche ausweiten" zuzuleiten.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 975. Sitzung des Bundesrates am 15. März 2019 aufzunehmen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil

Entschließung des Bundesrates
"Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und Paketboten sichern; Nachunternehmerhaftung für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge auf die Unternehmen der Zustellbranche ausweiten"

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, umgehend die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Nachunternehmerhaftung in der Zustellbranche zu schaffen. Zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte sind dabei insbesondere die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu sichern und die Dokumentationspflichten zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit zu erweitern.

Begründung:

Die Arbeitsbedingungen in der Zustellbranche werden bereits seit Jahren thematisiert. Dabei geht es insbesondere auch um die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Als Ursachen werden der hohe Preisdruck bei der Vergabe der Aufträge durch Versandhandelsunternehmen (Bestellerin bzw. Besteller) gegenüber den Unternehmen der Zustellbranche sowie die Auslagerung der Zustellleistung durch diese an Subunternehmen benannt. Dadurch können Nachunternehmerketten entstehen, die vielfach mehrere Glieder haben, so dass die ursprüngliche Auftraggeberin bzw. der ursprüngliche Auftraggeber keine Kenntnis mehr hat, wer als letztes Glied der Kette letztlich die Ware ausliefert.

Dieses Geschäftsmodell mit der Einbindung von Subunternehmen in die Lieferkette ist grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Problematisch wird es, wenn die Subunternehmen gegen geltendes Recht verstoßen, z.B. durch eine Nichtentrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung.

Namhafte Unternehmen am Beginn der Lieferkette versuchen dabei durch die Vertragsgestaltung und die Abforderung von Rechtstreueerklärungen der Subunternehmen Verstöße zu verhindern, delegieren die Verantwortung damit aber letztlich nur an das nächste Glied in der Kette. Während sich diese Spitzenunternehmen nicht zuletzt aus Imagegründen "eine weiße Weste" bewahren, wird die Grauzone zum Ende der Kette hin immer schwerer zu fassen und zu durchschauen.

Die von den Versandhandelsunternehmen direkt beauftragten Logistik-Unternehmen ziehen sich beim Bekanntwerden von solchen Rechtsverstößen durch Kündigung des Subunternehmens aus der Verantwortung.

Diesem Verhalten kann analog der Maßnahmen beim Missbrauch von Werkverträgen in der Fleischwirtschaft begegnet werden.

Vorbild ist hierfür das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) vom 17.07.2017, das eine Nachunternehmerhaftung in § 3 vorsieht (Haftung für Sozialversicherungsbeiträge).

Danach haftet das erste Logistik-Unternehmen, das ein anderes Unternehmen mit der Erbringung von Logistik-Dienstleistungen beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht zur Sozialversicherung dieses Unternehmens oder eines von diesem Unternehmen beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.

Von dieser Haftung kann sich das Unternehmen allerdings exkulpieren:

Lässt sich das erste Logistik-Unternehmen vom Subunternehmen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der zuständigen Einzugsstelle vorlegen, greift die Nachunternehmerhaftung nicht. Mit der Unbedenklichkeitsbescheinigung wird nachgewiesen, wie viele versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Subunternehmen beschäftigt und ob es der Pflicht zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für die gemeldeten Beschäftigten nachgekommen ist. Damit ist das erste Logistik-Unternehmen von jeglicher Haftung entbunden, auch wenn das Subunternehmen neben den gemeldeten weitere nicht gemeldete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.

Daher sollte sichergestellt werden, dass der Haftungsausschluss lediglich auf die bei der Einzugsstelle gemeldeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt wird.

Die für die Paketzustellbranche beschriebenen Zustände sind in ganz Deutschland anzutreffen, insbesondere in Ballungsgebieten und Großstädten. Der Handlungsbedarf besteht damit auf Bundesebene und dort liegt auch die rechtliche Zuständigkeit für eine Änderung der Nachunternehmerhaftung analog zur Lösung in der Fleischwirtschaft. Die Logistik-Unternehmen müssen die Verantwortung für die von ihnen eingesetzten Subunternehmen bei der Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge tragen.

Zur Stärkung der Arbeitnehmerschutzrechte trägt im Übrigen eine Erweiterung der Dokumentationspflichten bei. Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber - auch im Bereich der Paketbranche - zur Aufzeichnung von Arbeitsaufnahme, Arbeitsende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dient letztlich der Rechtssicherheit.

Ferner wird gebeten, die Ausdehnung der Nachunternehmerhaftung auf die Bestellerin oder den Besteller zu prüfen.