Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen

A. Problem und Ziel

Anpassung an die rechtlichen Voraussetzungen des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen.

Auf der Grundlage der Richtlinie 93/89/EWG, die durch die Richt - linie 1999/62/EG, diese novelliert durch die Richtlinie 2006/38/EG, ersetzt wurde, haben Deutschland, Dänemark und die Beneluxstaaten am 9. Februar 1994 das Übereinkommen über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen (BGBl. 1994 II S. 1765, 1768) unterzeichnet. Am 18. September 1997 unterzeichneten die Verbundstaaten ein Protokoll über den Beitritt Schwedens zum Übereinkommen (BGBl. 1998 II S. 1615, 1617). Die Vertragsstaaten vereinbarten ein gemeinsames Benutzungs - gebührensystem für schwere Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht ab 12 Tonnen ("Eurovignettensystem"). Zwecks Einführung der streckenbezogenen satellitengestützten Lkw-Maut hat sich Deutschland aus dem Eurovignettensystem zurückgezogen und von der vertraglich vorgesehenen Möglichkeit zur Einstellung der Erhebung der gemeinsamen Gebühr in Deutschland Gebrauch gemacht (sogenannte Ausopten). Hierzu hatte die Bundesregierung der Europäischen Kommission am 27. November 2002 mitgeteilt, dass die Gebühren - erhebung auf deutschem Hoheitsgebiet am 30. August 2003 eingestellt wird. Da nur die Gebührenerhebung nach dem Übereinkommen eingestellt wurde und keine Kündigung des Vertrages erfolgte, blieb Deutschland beobachtendes Mitglied des Übereinkommens.

Das Übereinkommen von 1994 wurde am 21. Oktober 2010 im Wege einer Protokollerklärung ergänzt. Die Ergänzung betrifft die Einführung der papierlosen Vignette sowie die Anpassung des Übereinkommens an die durch die Richtlinie 2006/38/EG geänderte Fahrzeugdefinition. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Protokoll infolge der fortbestehenden Mitgliedschaft mit unterzeichnet. Gebührenrechtliche Auswirkungen ergeben sich hieraus für Deutschland nicht, da sich an der Einstellung der Erhebung der gemeinsamen Gebühr in Deutschland nichts ändert.

B. Lösung

Zustimmung zu dem von der Bundesregierung am 21. Oktober 2010 in Brüssel unterzeichneten Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Be - nutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen.

Mit dem vorgelegten Vertragsgesetz sollen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifikation des Änderungsprotokolls geschaffen werden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Das Gesetz wird für den Bund keine finanziellen Auswirkungen haben.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Mit dem Gesetz entstehen keine Informationspflichten und kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger, da die Erhebung der gemeinsamen Gebühr nach dem Übereinkommen in Deutschland auch weiterhin eingestellt bleibt.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Mit dem Gesetz entstehen für die deutsche Wirtschaft und insbesondere für den deutschen Güterkraftverkehr keine Informationspflichten und kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Mit dem Gesetzentwurf entstehen keine Informationspflichten für die Verwaltung.

F. Weitere Kosten

Keine.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 17. Februar 2012
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates

Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 30.03.12

Entwurf
Gesetz zu dem Protokoll vom 21. Oktober 2010 zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Dem in Brüssel am 21. Oktober 2010 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen (BGBl. 1994 II S. 1765, 1768), das zuletzt durch das Protokoll vom 22. März 2000 geändert worden ist (BGBl. 2000 II S. 1530, 1532), wird zugestimmt. Das Protokoll wird nachstehend veröffentlicht.

Artikel 2

Begründung zum Vertragsgesetz

A. Allgemeiner Teil

Die Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (ABl. L 187 vom 20.7.1999, S. 42) wurde durch die Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 8) geändert.

Die Richtlinie 1999/62/EG ersetzte die Richtlinie 93/89/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten (ABl. L 279 vom 12.11.1993, S. 32).

Gestützt auf die ursprüngliche Richtlinie 93/89/EWG unterzeichneten die Beneluxstaaten, Dänemark und Deutschland am 9. Februar 1994 in Brüssel das Übereinkommen über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen (Übereinkommen). Schweden ist dem Übereinkommen am 18. September 1997 beigetreten. In dem Übereinkommen wurden u.a. die Gebührensätze und Entrichtungszeiträume festgelegt. Ferner regelt es die Verteilung des Gebührenaufkommens auf die Vertragsstaaten.

In Deutschland wurde bereits Ende der 1990er Jahre eine frühzeitige Ablösung der Eurovignette durch eine fahrleistungsabhängige elektronische Gebühren - erhebung festgelegt.

Die Bundesregierung hatte der Europäischen Kommission am 27. November 2002 mitgeteilt, dass die Gebührenerhebung auf deutschem Hoheitsgebiet am 30. August 2003 eingestellt wird. Der sogenannte Ausopt-Vorgang nach Artikel 17 des Übereinkommens kann als Exekutiv-Akt angesehen werden. Deutschland ist jedoch weiterhin Mitglied des Verbundes.

Aufgrund der Änderungsrichtlinie 2006/38/EG ist zwischen den sechs Verbundstaaten am 21. Oktober 2010 ein Änderungsprotokoll aus gehandelt worden, das den Bestimmungen der Änderungsrichtlinie (Anpassung an die geänderte Fahrzeugdefinition) und zugleich der Vereinbarung zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Einführung eines papierlosen Vignettensystems Rechnung trägt. Das Änderungsprotokoll wurde am 21. Oktober 2010 in Brüssel unterzeichnet.

Mit dem vorliegenden Gesetz sollen die innerstaatlichen Voraussetzungen der Notifizierung nach Artikel 10 des Änderungsprotokolls erfüllt werden.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Auf das Protokoll ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden, da es sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.

Zu Artikel 2

Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.

Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem das Protokoll nach seinem Artikel 10 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.

Schlussbemerkung

Da die Erhebung der gemeinsamen Gebühr nach dem Übereinkommen in Deutschland auch weiterhin eingestellt bleibt, werden für die Unternehmen des deutschen Straßengüterkraftverkehrs keine Kosten entstehen.

Durch das Änderungsprotokoll vom 21. Oktober 2010 wird eine technische Weiterentwicklung - die papierlose Vignette - für die Gebührenerhebung eingeführt. Die papierlose Vignette ist nutzerfreundlich und bringt Erleichterungen im internationalen Güterverkehr.

Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen wurden geprüft. Es ergaben sich keine Hinweise auf eine unterschiedliche Betroffenheit von Männern und Frauen. Die Managementregeln und Indikatoren der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wurden geprüft. Der Gesetzentwurf berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.

Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen, um 1) die Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge anzuwenden und um 2) eine Vereinbarung zwischen den Regierungen des Königreichs Belgien, des Königreichs Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Schweden über die Einführung eines papier - losen Vignettensystems in ihr gemeinsames Benutzungsgebührensystem zu erreichen

Die Regierungen des Königreichs Belgien, des Königreichs Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Schweden, als Vertragsparteien des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen, geändert durch das Protokoll vom 18. September 1997 über den Beitritt des Königreichs Schweden zum genannten Übereinkommen und das Protokoll vom 22. März 2000 zur Anwendung der Richt - linie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahr - zeuge, im Folgenden als "das Übereinkommen" bezeichnet, aufgrund des Erlasses der Richtlinie 2006/38/EG des Europä - ischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, im Folgenden als "die Richtlinie" bezeichnet, aufgrund der Ratifizierungsmitteilungen, die der Europäischen Kommission gemäß diesem Übereinkommen von den Regierungen Belgiens, Dänemarks, Luxemburgs, der Niederlande und Schwedens am 10. März 2004, 25. August 2003, 14. November 2003, 28. April 2003 bzw. 12. November 2003 auf diploma - tischem Wege übermittelt wurden und die den Verteilungsschlüssel für die Einnahmen aus der Benutzungsgebühr betreffen, aufgrund der Vereinbarung zwischen den Regierungen Belgiens, Dänemarks, Luxemburgs, der Niederlande und Schwedens vom 31. Oktober 2007 zur Anpassung der Verwaltung ihres gemeinsamen Systems für die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge an ein papierloses Vignettensystem, sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1

Die Präambel des Übereinkommens wird wie folgt geändert:

Der erste Erwägungsgrund wird durch folgende Worte ergänzt:

"zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006,"

Artikel 2

Artikel 2 des Übereinkommens wird wie folgt geändert:

Artikel 3

Artikel 3 des Übereinkommens wird wie folgt geändert:

Artikel 4

Der fünfte Absatz von Artikel 8 des Übereinkommens wird aufgehoben.

Artikel 5

Artikel 9 des Übereinkommens wird durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"Artikel 9
Gebührenentrichtung

Artikel 6

Artikel 10 des Übereinkommens wird wie folgt geändert:

Artikel 7

Artikel 12 des Übereinkommens wird durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"Die Vertragsparteien stellen sicher, dass Verstöße gegen die Gebührenpflicht geahndet werden.".

Artikel 8

Artikel 13 Absatz 3 Unterabsatz 3 des Übereinkommens wird durch folgenden Wortlaut ersetzt:

"Das so festgestellte Gebührenaufkommen wird zwischen den Vertragsparteien wie folgt verteilt:

Artikel 9

Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wegen des Verzichts Deutschlands nach Artikel 17 des Übereinkommens keine Regelungen zur Gebührenerhebung.

Artikel 10

Das Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die jeweiligen Regierungen der Kommission der Europäischen Union auf diplomatischem Weg schriftlich mitgeteilt haben, dass die erforderlichen innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten in den jeweiligen Staaten erfüllt sind.

Der Verwahrer informiert die Vertragsparteien über die in Absatz 1 genannten Mitteilungen und teilt ihnen den Tag des Inkrafttretens des Protokolls mit.

Geschehen zu Brüssel am 21. Oktober 2010 in dänischer, deutscher, französischer, niederländischer und schwedischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der Europäischen Kommission hinterlegt und verwahrt wird; diese übermittelt jeder Vertragspartei eine beglaubigte Abschrift.

Für die Regierung des Königreichs Belgien
Diese Unterschrift bindet zugleich die Wallonische Region, die Flämische Region und die Region Brüssel-Hauptstadt.
De Ruyt
Für die Regierung des Königreichs Dänemark
Tranholm-Mikkelsen
Für die Regierung der Bundesrepublik Deutschland
Tempel
Für die Regierung des Großherzogtums Luxemburg
Braun
Für die Regierung des Königreichs der Niederlande
De Bruijn
Für die Regierung des Königreichs Schweden
Danielsson

Denkschrift zum Protokoll

I. Allgemeines

Entstehungsgeschichte der Wegekostenrichtlinie

Die Bemühungen um eine Abgabenharmonisierung reichen bis in die sechziger Jahre zurück. Das lange Ringen um einen Kompromiss war auf die Vielfalt verkehrs- und finanzpolitischer Interessen der Mitgliedstaaten zurückzuführen. Dabei ging es insbesondere um den Erhalt historisch gewachsener Gebührensysteme und eine angemessene Beteiligung ausländischer Verkehrsteilnehmer an den Wegekosten. In einigen Mitgliedstaaten spielten Rücksichten des internen Wettbewerbs zwischen Straße und Schiene eine Rolle.

Die Entscheidung des Rates vom 13. Mai 1965 über die Harmonisierung bestimmter Vorschriften, die den Wettbewerb im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr beeinflussen (ABl. L 65 vom 24.6.1966, S. 1500), war ein erster Schritt.

Im Jahr 1990 versuchte Deutschland im nationalen Alleingang durch die Einführung einer Straßenbenutzungsgebühr die Harmonisierung voranzubringen. Aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs musste die Erhebung eingestellt werden. Deutschland hatte die Einführung der Gebühr mit einer Absenkung der Kfz-Steuer verbunden. Dies war EG-rechtlich unzulässig. Das deutsche Vorgehen führte jedoch dazu, die Verhandlungen zu einer Wegekostenrichtlinie wieder aufzunehmen.

Ende 1993 konnte im EG-Verkehrsministerrat eine Einigung erzielt werden. Am 25. Oktober 1993 wurde die Richtlinie 93/89/EWG des Rates über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten verabschiedet (ABl. L 279 vom 12.11.1993, S. 32).

Wegen eines Mangels bei der Anhörung des Euro - päischen Parlaments erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Richt linie 93/89/EWG am 5. Juli 1995 aus formellen Gründen für nichtig. Aus Gründen der Rechts - sicherheit wurde jedoch ausdrücklich festgestellt, dass die Wirkungen der Richt linie bis zum Erlass einer neuen Richtlinie fortgelten.

Letztlich wurde die Richtlinie 93/89/EWG durch die Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Ge - bühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge ersetzt (ABl. L 187 vom 20.7.1999, S. 42). Neben den Regelungen über Stra - ßenbenutzungsge bühren sind von der Richtlinie auch Regelungen über Kraftfahrzeugsteuern erfasst.

Im Lichte des Weißbuches "Die europäische Verkehrs - politik bis 2010" legte die Kommission am 23. Juli 2003 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG vor, der eine Erweiterung der Möglichkeiten der Gebührenerhebung, mehr Kontrolle und Harmonisierung der Gebührensysteme vorsah. Die neue Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 wurde im Frühjahr 2006 verabschiedet (ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 8). Sie gilt für das transeuropäische Netz, sieht eine Anlastung externer Kosten auf Bergregionen vor, macht Vorgaben für die Bestimmung und Differenzierung der Infrastrukturkosten und erweitert den Geltungsbereich auf Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen.

Übereinkommen vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen (Übereinkommen)

Gestützt auf die neue Wegekostenrichtlinie aus dem Jahre 1993 schlossen Deutschland, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Dänemark (Verbundstaaten) am 9. Februar 1994 das Übereinkommen über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen für schwere Nutzfahrzeuge. Das Übereinkommen legt die Grundsätze zur Entrichtung der Gebühren fest und regelt die Verteilung des Gebührenaufkommens. Mit der Verabschiedung des Gesetzes vom 30. August 1994 zu dem Übereinkommen vom 9. Februar 1994 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Straßen mit schweren Nutzfahrzeugen (BGBI. 1994 II S. 1765) wurde das Übereinkommen in nationales Recht umgesetzt.

Ab dem 1. Januar 1995 wurde auf den Autobahnen in den Verbundstaaten die sogenannte Eurovignette von Fahrzeugen und Fahrzeugkombinationen erhoben, die ausschließlich für den Güterverkehr bestimmt war und deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12 Tonnen betrug.

Am 18. September 1997 unterzeichneten die Verbundstaaten ein Protokoll über den Beitritt des Königreichs Schweden zum Übereinkommen. Schweden hat die Gebührenpflicht zum 1. Januar 1998 eingeführt. Das deutsche Gesetz vom 23. Juli 1998 zum Beitritt Schwedens wurde am 30. Juli 1998 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 1998 II S. 1615).

Am 22. März 2000 unterzeichneten die Verbundstaaten in Brüssel ein Protokoll zur Anwendung der Richt - linie 1999/62/EG, die am 20. Juli 1999 in Kraft trat. Unmittelbar im Anschluss wurden die erforderlichen Gesetz gebungsverfahren zur nationalen Umsetzung des Änderungsprotokolls eingeleitet. Ursprünglich war beabsichtigt, die neuen Gebührensätze im Verbund ab dem 1. Januar 2001 anzuwenden. Aufgrund innenpoli tischer Verzögerungen in Belgien und in Dänemark konnten die neuen Gebührensätze jedoch erst ab dem 1. April 2001 eingeführt werden. Das entsprechende deutsche Gesetz vom 19. Dezember 2000 wurde am 22. Dezember 2000 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2000 II S. 1530).

Die deutschen Bruttoeinnahmen aus der Eurovignette deckten nur zu einem geringen Teil die von den schweren Nutzfahrzeugen verursachten Kosten. Im Einklang mit den europäischen Vorgaben wurde daher die Einführung eines satellitengestützten Lkw-Mautsystems für schwere Nutzfahrzeuge ab 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht in Deutschland vorbereitet.

Das Übereinkommen sieht zwei Möglichkeiten zur Beendigung der Gebührenerhebung vor: Kündigung des Übereinkommens oder Einstellung der Gebührenerhebung (Ausopten). Um einen nahtlosen Übergang von der Eurovignette zur Lkw-Maut zu gewährleisten, kam nur die Möglichkeit des Ausoptens nach Artikel 17 des Über - einkommens in Betracht. Die Bundesregierung hatte der Europäischen Kommission am 27. November 2002 mitgeteilt, dass die Gebührenerhebung auf deutschem Hoheitsgebiet am 30. August 2003 eingestellt wird.

Das Außerkrafttreten des Autobahnbenutzungsgebührengesetzes für schwere Nutzfahrzeuge (ABBG), das die Gebührenregelung im Verbund national regelte, ist am 8. August 2003 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden (BGBl. I S. 1584). In der 22. Sitzung des Koordinierungsausschusses des Eurovignettenverbundes am 29. April 2004 wurde einvernehmlich beschlossen, die Geschäftsordnung des Koordinierungsausschusses an den veränderten Status Deutschlands anzupassen.

Nach dem Ausopten besteht für Deutschland folgender Rechtsstatus:

Bei Entscheidungen, die mit der Gebührenerhebung zusammenhängen, stimmen nur diejenigen Vertrags - parteien ab, in deren Hoheitsgebiet die Eurovignette erhoben wird. Deutschland unterzeichnet die Änderungen der Vertragstexte nur soweit die Gebührenerhebung nicht betroffen ist; im Übrigen nimmt Deutschland Kenntnis.

Da Deutschland die Erhebung der Eurovignette am 31. August 2003 einstellte, legten die übrigen Vertragsparteien am 28. April 2004 formal und einstimmig den anzupassenden Verteilungsschlüssel fest. Die Vertragsparteien übermittelten per diplomatischem Brief ihr Einverständnis an die Europäische Kommission, welche das Einverständnis der beteiligten Vertragspar teien festgestellt hat.

Aufgrund der Änderungsrichtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 ist zwischen den sechs Verbundstaaten am 21. Oktober 2010 ein Änderungsprotokoll ausgehandelt worden, das den Bestimmungen der Änderungsrichtlinie und zugleich der Vereinbarung zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Einführung eines papierlosen Vignettensystems Rechnung trägt.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Artikel 1 ergänzt die Erwägungsgründe des Übereinkommens vom 9. Februar 1994 durch einen Bezug zur Änderungsrichtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006.

Zu Artikel 2

Durch Artikel 2 wird Artikel 2 des Übereinkommens geändert. Es gelten nunmehr die Begriffsbestimmungen des Artikels 2 Buchstabe a, c, e und f der Richt - linie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, geändert durch die Richt - linie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006.

Im Sinne des Übereinkommens gelten das jeweilige europäische Hoheitsgebiet des Königreichs Belgien, des Königreichs Dänemark, des Großherzogtums Luxemburg, des Königreichs der Niederlande und des Königreichs Schweden nunmehr als Hoheitsgebiet der Vertragspar - teien.

Die Gebührenpflicht gilt für Kraftfahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen, die ausschließlich für den Güterverkehr bestimmt sind oder auch eingesetzt werden und deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens zwölf Tonnen beträgt.

Zu Artikel 3

Durch Artikel 3 wird Artikel 3 des Übereinkommens geändert:

Nach Nummer 1 erheben die Vertragsparteien nunmehr für die Benutzung des transeuropäischen Straßennetzes eine gemeinsame Gebühr.

Nach Nummer 2 erfolgt in Artikel 3 Absatz 2 des Übereinkommens eine redaktionelle Änderung durch eine Anpassung des Bezugs zur Richtlinie.

Nach Nummer 3 wird Artikel 3 Absatz 3 des Übereinkommens ersatzlos auf gehoben, da die Entscheidung einer Vertragspartei, die Gebühr für in ihrem Hoheits gebiet zugelassene Kraftfahrzeuge in ihrem gesamten Straßennetz zu erheben, nicht zum Regelungsbereich des Übereinkommens zählt.

Zu Artikel 4

Durch Artikel 4 wird Artikel 8 Absatz 5 des Übereinkommens aufgehoben. Die in Absatz 5 des Übereinkommens jeweils bestimmten Übergangszeiten für Griechenland, Irland und Portugal sind inzwischen überflüssig.

Zu Artikel 5

Durch Artikel 5 wird der Wortlaut des Artikels 9 des Übereinkommens ersetzt. Artikel 9 des Übereinkommens bestimmt demnach, dass für die Erhebung von Benutzungsgebühren für bestimmte Straßen ein elektronisches System mit einer zentralen Datenbank zu errichten und zu betreiben ist. Alle für die Entrichtung der Benutzungsgebühr relevanten Daten sind bei jeder Gebührenentrichtung nunmehr in der zentralen Datenbank einzutragen. Gespeichert werden die Kfz-Kenn zeichen, Ort, Datum und Zeit der Buchung sowie die Geltungsdauer, die Fahrzeugdaten, die Zahl der Achsen und die Euroklasse des Motorfahrzeugs, die zusammen die Höhe der Gebühr bestimmen (in Euro oder in dänischen oder schwedischen Kronen). Zeitgleich wird ein Zahlungsbeleg/eine Bescheinigung der Gebühren entrichtung mit für die Berechnung verwendeten Daten erstellt.

Zu Artikel 6

Durch Artikel 6 wird Artikel 10 des Übereinkommens geändert.

Nach Nummer 1 gilt nunmehr, dass die Vertragsparteien die Gebühr erstatten, wenn der Erstattungsantrag noch vor Ablauf des jeweiligen Entrichtungszeitraums gestellt wurde. Nach Nummer 2 werden die Fest legungen zur Berechnung des Erstattungsbeitrages in Artikel 10 Absatz 2 Satz 1 des Übereinkommens ersatzlos aufgehoben.

Zu Artikel 7

Artikel 7 ersetzt den Wortlaut des Artikels 12 des Übereinkommens. Da die Kontrolle gegen die zentral gespeicherten Nutzungsrechte erfolgt, müssen die Vertragsparteien nicht mehr sicherstellen, dass Verstöße gegen die Pflicht zur Mitführung der Bescheinigung geahndet werden. Artikel 12 des Übereinkommens verpflichtet die Vertragsparteien nunmehr sicherzustellen, dass Verstöße gegen die Gebührenpflicht geahndet werden.

Zu Artikel 8

Artikel 8 ersetzt Artikel 13 Absatz 3 Unterabsatz 3 des Übereinkommens und bestimmt die Modalitäten zur Verteilung des festgestellten Gebührenaufkommens zwischen den Vertragsparteien.

Zu Artikel 9

Artikel 9 beruht auf Artikel 17 Absatz 1 des Überein - kommens und regelt den Rechtsstatus Deutschlands. Wegen der Einstellung der gemeinsamen Benutzungsgebühr in deutschem Hoheitsgebiet unterzeichnet Deutschland keine Regelungen zur Gebührenerhebung.

Zu Artikel 10

Artikel 10 legt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Protokolls fest und regelt die Pflichten des Verwahrers zur Information der Vertragsparteien.