Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

A. Zielsetzung

B. Lösungen

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

G. Gender Mainstreaming

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 1. Februar 2008
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Abs. 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 14.03.08

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

In § 13 Abs. 2 Satz 2 des Conterganstiftungsgesetzes vom 13.Oktober 2005 (BGBl. I. S. 2967), das durch Artikel 81 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I. S. 2407, 2007 I. S. 2149) geändert worden ist, werden die Angabe "121 Euro" durch die Angabe "127 Euro" und die Angabe "545 Euro" durch die Angabe "572 Euro" ersetzt.

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 2008 in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Ausgangslage

Am 1. Oktober 1957 kam das damalige Schlafmittel Contergan der Fa. Chemie Grünenthal GmbH in Stolberg auf den Markt. Es war rezeptfrei erhältlich. Kurze Zeit später wurden im In- und Ausland viele Kinder (rd. 10.000 Kinder) mit schwersten körperlichen Fehlbildungen geboren. Die Hälfte starb kurz nach der Geburt. Da die Mütter dieser Kinder in der Schwangerschaft das Schlafmittel Contergan eingenommen hatten, wurde eine sehr enge Verbindung zwischen dem in der Tablette enthaltenen Wirkstoff Thalidomid und den körperlichen Missbildungen gesehen. Über Jahre hinweg wurden langwierige und wenig befriedigende Prozesse zwischen Anwälten der geborenen Kinder, deren Familien und der Fa. Chemie Grünenthal geführt.

Sowohl die gerichtlichen Verfahren, noch mehr aber die Fehlbildungen bereiteten den Kindern und ihren Familien ein unvorstellbar schwieriges Lebensschicksal.

Im Dezember 1971 setzte die Bundesregierung mit der Errichtung der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" eine abschließende Regelung der finanziellen Aufarbeitung der Contergan-Katastrophe. Die Stiftung wurde per Gesetz als öffentlichrechtliche Stiftung errichtet und mit einem Stiftungskapital in Höhe 100 Mio. DM plus Zinsen der Fa. Chemie Grünenthal GmbH sowie 100 Mio. DM aus Bundesmitteln ausgestattet. Das Gesetz trat am 31. Oktober 1972 in Kraft. Mit dem ersten Änderungsgesetz 1976 wurden die Bundesmittel um 100 Mio. DM aufgestockt. Eine weitere Aufstockung erfolgte mit dem 2. Änderungsgesetz 1980 um weitere 120 Mio. DM. Insgesamt flossen 320 Mio. DM aus Bundesmitteln in das Vermögen der Stiftung.

Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1976, 1 BvL 019/75 , 1 BvL 020/75 , 1 BvR 148/75 (BVerfGE 42, 263), ist der Gesetzgeber verpflichtet, darüber zu wachen, dass die Leistungen der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" an Contergan-Geschädigte auch in Zukunft der vom Staat übernommenen Verantwortung gerecht werden. Dieser Auftrag besteht auch nach der Änderung des Namens des Gesetzes in "Conterganstiftungsgesetz für behinderte Menschen (Conterganstiftungsgesetz)" vom 13. Oktober 2005 (BGBl. I. S. 2967) fort.

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 193. Sitzung am 13. Dezember 1979 zu dem von ihm verabschiedeten Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" einen Entschließungsantrag angenommen, in welchem die Bundesregierung ersucht wird "in Abständen von zwei Jahren zu prüfen, ob eine weitere Anhebung der Renten wegen Contergan-Schadensfällen erforderlich ist."

Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens des 4. Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1984 zur Rentenerhöhung ist festgelegt worden, dass eine Rentenerhöhung erfolgen soll, wenn ein erheblicher Anstieg der Lebenshaltungskosten und Nettoeinkommen eingetreten ist.

Die letzte Rentenerhöhung erfolgte zum 1. Juli 2002 um linear 4 Prozent für den Zeitraum vom zweiten Halbjahr 1997 bis zum ersten Halbjahr 2001. Folglich stützt sich die Ermittlung der aktuellen Anpassung auf den Zeitraum vom zweiten Halbjahr 2001 bis zum ersten Halbjahr 2007.

II. Erforderlichkeit einer Rentenerhöhung

Unter Zugrundelegung der amtlichen Daten des Statistischen Bundesamtes und der Herbstprojektion der Bundesregierung ergibt sich eine Zunahme des Preisniveaus, gemessen am Verbraucherpreisindex (früher Index der Kosten für die Lebenshaltung), für den Zeitraum vom zweiten Halbjahr 2001 bis zum ersten Halbjahr 2007 in Höhe von 9,9 Prozent (siehe nachstehende Tabelle).

1. Preisniveauentwicklung vom Jahr 2001 bis zum 1. Halbjahr 2007

Zeit Verbraucherpreisindex
2000 = 100 Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum Veränderung gegenüber 1. Halbjahr 2001
1. Halbjahr 2001101,672,1
2. Halbjahr 2001102,281,90,6
1. Halbjahr 2002103,271,61,6
2. Halbjahr 2002103,481,21,8
1. Halbjahr 2003104,321,02,6
2. Halbjahr 2003104,601,12,9
1. Halbjahr 2004105,781,44,0
2. Halbjahr 2004106,621,94,9
1. Halbjahr 2005107,601,75,8
2. Halbjahr 2005108,952,27,2
1. Halbjahr 2006109,732,07,9
2. Halbjahr 2006110,521,48,7
1. Halbjahr 2007111,721,89,9

2. Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter vom Jahr 2001 bis zum 1. Halbjahr 2007

Die Zunahme der Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer betrug kumuliert vom 1. Halbjahr 2001 bis zum 1. Halbjahr 2007 6,4 Prozent (siehe nachstehende Tabelle). Hieraus ergibt sich ein jahresdurchschnittlicher Zuwachs der Nettolöhne und -gehälter von 1,0 Prozent.

ZeitNettolöhne und -gehälter Arbeitnehmer Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer
Mrd. Euro Tsd. Personen Euro je Monat Veränderung gegenüber Vorjahreszeitraum Veränderung gegenüber dem Jahr 2001
1. Halbjahr 2001276,623513113123,4
2. Halbjahr 2001313,403553214703,3
1. Halbjahr 2002277,543502213210,60,6
2. Halbjahr 2002314,383516014901,41,4
1. Halbjahr 2003275,623448413320,91,5
2. Halbjahr 2003313,333482315000,62,0
1. Halbjahr 2004284,143443613753,24,8
2. Halbjahr 2004319,393488715261,73,8
1. Halbjahr 2005284,73421713870,85,7
2. Halbjahr 2005318,06347641525-0,13,7
1. Halbjahr 2006284,05343111380-0,55,1
2. Halbjahr 2006321,393507815270,13,9
1. Halbjahr 2007292,893495013971,26,4

Nach der auf Grundlage des 4. Änderungsgesetzes 1984 mit dem Statistischen Bundesamt abgestimmten Formel zur Berechnung der Erforderlichkeit der Rentenerhöhung:

Die Conterganrenten werden in Höhe von 5,0 Prozent linear angehoben.

Zum Vergleich: Die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung (West) sind von 2002 bis 2007 um rd. 3,8 Prozent gestiegen.

III. Änderung der Höhe der jährlichen Verzinsung für nach § 10 Abs. 2b der Satzung der Stiftung gewährte Kapitalabfindungen

Im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen wird das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Anpassung des derzeitigen Zinssatzes in Höhe von 6,5 Prozent für kapitalisierte Renten vornehmen lassen. Der neue Zinssatz soll sich für Neuanträge an der Höhe der Rendite börsennotierter Bundeswertpapiere am 30. September des jeweils laufenden Jahres orientieren. Durch die Senkung des derzeitigen Zinssatzes kann eine berechtigte Person mit einer Monatsrente von 572 Euro, für einen Kapitalisierungszeitraum von max. 15 Jahren eine Kapitalabfindung erhalten, die rd. 10.500 Euro höher ist als derzeit.

Für diese Änderung stellt die Bundesregierung im Jahr 2008 zusätzlich rd. 422.000 Euro Bundesmittel zur Verfügung.

Zur Senkung des Zinssatzes bedarf es keiner Gesetzesänderung. Zu ändern ist lediglich die Satzung der Stiftung. Eine solche Änderung kann der Stiftungsrat nach § 8 des Conterganstiftungsgesetzes mit Zustimmung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen vornehmen.

Die Zustimmung beider Ministerien liegt vor.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 Erhöhung der monatlichen Renten

Die Erhöhung der Renten entspricht dem Auftrag des Deutschen Bundestages, die Renten an die Entwicklung der Löhne und Gehälter sowie der Entwicklung des Verbraucherindex anzupassen. Die Höhe von 5 Prozent orientiert sich an dieser Entwicklung (vergleiche die Begründung zur Rentenerhöhung).

Die im Gesetz genannten Beträge bilden die Unter- und Obergrenze der Renten, deren Höhe sich nach dem Grad der festgestellten Schädigung bemisst. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlicht die vollständige Rententabelle (Anlage 3 der Richtlinien für die Gewährung von Leistungen wegen Contergan-Schadensfällen) im Bundesanzeiger.

Zu Artikel 2 Inkrafttreten

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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Anlage
Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKR-Gesetz:
NKR-Nr. 364:
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes

Der Nationale Normenkontrollrat hat den o.g. Entwurf auf Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten begründet werden, geprüft.

Der Regelungsentwurf enthält keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger sowie für die Verwaltung.

Der Nationale Normenkontrollrat hat daher im Rahmen seines gesetzlichen Prüfauftrags keine Bedenken gegen das Regelungsvorhaben.

Dr. Ludewig Dr. Barbier
Vorsitzender Berichterstatter