Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung

Der Bundesrat hat in seiner 842. Sitzung am 14. März 2008 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 183 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO)

Artikel 1 Nr. 2 § 183 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Der Gesetzentwurf enthält in § 183 Abs. 1 ZPO-E eine Regelung zur Auslandszustellung per Post sowie unmittelbar durch Behörden eines fremden Staates, sofern diese Zustellungsarten in bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorgesehen sind. § 183 Abs. 2 ZPO-E regelt demgegenüber die konsularische und diplomatische Zustellung; die Entwurfsbegründung nennt insoweit den vertraglosen Rechtshilfeverkehr als Hauptanwendungsbereich (BR-Drs. 095/08 (PDF) , S. 26).

Mit der Formulierung "unmittelbar" in § 183 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO-E trägt der Entwurf jedoch zum einen den existierenden Übermittlungswegen nicht hinreichend Rechnung, indem der ministerielle Weg ausgeschlossen wird, zum anderen werden die Fälle nicht erfasst, in denen die Zustellung auf Vermittlung der konsularischen Vertretung des Bundes durch ausländische Behörden bewirkt wird.

Als Übermittlungswege stehen derzeit nicht nur der konsularische und der diplomatische Übermittlungsweg unter Einschaltung der Auslandsvertretungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 und 4 der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen - ZRHO) sowie der unmittelbare Verkehr zwischen den Stellen des ersuchenden und des ersuchten Staates ohne Beteiligung der Auslandsvertretungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 ZRHO) zur Verfügung, sondern überdies - ebenfalls ohne Einschaltung der Auslandsvertretungen - der ministerielle Weg. In diesem Fall werden die Ersuchen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 ZRHO über die Justizressorts der beteiligten Staaten geleitet. Dieser nach dem Länderabschnitt der ZRHO für verschiedene Staaten weiterhin vorgesehene Weg (vgl. § 6 Abs. 4 ZRHO) dürfte nach § 183 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO-E indes verstellt sein. Eine solche einseitige Änderung der in Abstimmung mit anderen Staaten verfolgten Zustellungspraxis ist zum einen bedenklich und zum anderen kaum gewollt.

Ausweislich der Entwurfsbegründung (a.a.O., S. 28) soll § 183 Abs. 2 ZPO-E auch die Fälle erfassen, in denen das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess von 1954 oder das Haager Abkommen über den Zivilprozess von 1905 Anwendung finden. Diese völkerrechtlichen Vereinbarungen sehen u. a. die Übermittlung von Zustellungsersuchen an Behörden eines fremden Staates auf dem konsularischen Weg vor. Die Zustellung wird in diesen in der Praxis relevanten Fällen - auf Vermittlung der zuständigen konsularischen Vertretung des Bundes - durch eine ausländische Behörde bewirkt.

Dem Wortlaut des § 183 Abs. 2 ZPO-E ist die Anwendbarkeit in Fällen, die sich nach diesen Abkommen richten, allerdings nicht zu entnehmen. Danach bezieht sich die Vorschrift nur auf die Zustellung "durch" diplomatische oder konsularische Vertretungen und damit auf die Zustellung durch die Auslandsvertretungen in eigener Zuständigkeit. In der Konstellation des vertraglich vorgeschriebenen konsularischen Weges greift auch § 183 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO-E nicht ein, da diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut sowie der Begründung nur den unmittelbaren Behördenverkehr betrifft.

Da gerade Fälle, in denen das Haager Übereinkommen über den Zivilprozess von 1954 zur Anwendung gelangt, in der Praxis häufig sind, sollte insoweit eine aus sich heraus verständliche und für die Gerichte handhabbare gesetzliche Regelung geschaffen werden. Dieses Ziel lässt sich durch die Streichung des Wortes "unmittelbar" in § 183 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO-E erreichen. Infolge dieser Änderung unterfallen der Vorschrift auch die Fälle des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess von 1954 oder des Haager Abkommens über den Zivilprozess von 1905, da auch hier die Zustellung - wenn auch auf Vermittlung der zuständigen konsularischen Vertretung des Bundes - durch die Behörden des fremden Staates erfolgt.

Auch systematisch sind diese Fälle in § 183 Abs. 1 ZPO-E anzusiedeln, der Regelungen zur Zustellung auf Grund bestehender völkerrechtlicher Vereinbarungen enthält.

Die Änderung des § 183 Abs. 2 Satz 1 ZPO-E dient der Klarstellung, dass sich an den Zustellungsvoraussetzungen gegenüber der bisherigen Fassung nichts ändert indem sie die Formulierung des § 183 Abs. 1 Satz 2 ZPO-E übernimmt.

2. Zu Artikel 1 Nr. 2 ( § 183 ZPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob ergänzende Regelungen für Fälle erforderlich sind, in denen Zustellungen im Ausland nach dem Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15. November 1965 - HZÜ - (BGBl. 1977 II, S. 1452) vorzunehmen sind.

Begründung

Nachdem Deutschland bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 27. April 1979 hinsichtlich des Anwendungsbereiches des HZÜ erklärt hat, direkte postalische Zustellungen nach Artikel 10 Buchstabe a HZÜ für sein Hoheitsgebiet auszuschließen und lediglich die direkte Übermittlung an die inländische Zentrale Behörde zuzulassen (vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten des HZÜ vom 21. Juni 1979, BGBl. II S. 779), liegt es unter Anwendung des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips nahe und wird teilweise auch in der Literatur vertreten (vgl. Heidrich, in: EuZW 2005, 743 ff., wohl auch: Gsell, in: EWS 2002, 115, 119; für die Gegenansicht Geimer, in: Zöller/ Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 183 Rnr. 6), dass für ausgehende Ersuchen ebenfalls von einer postalischen Übersendung an den Zustellungsempfänger abgesehen werden müsse. Es sollte geprüft werden, ob diese Streitfrage im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens geklärt werden kann.

3. Zu Artikel 1 Nr. 2 ( § 183 ZPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob ergänzende Regelungen über die Behandlung ausgehender Zustellungsersuchen im vertraglosen Rechtshilfeverkehr für Fälle erforderlich sind, in denen diplomatische Stellen des Empfangsstaates Zustellungsersuchen unerledigt mit der Mitteilung zurückgeben, es könne dem Zustellungsempfänger direkt zugestellt werden.

Begründung

Im Zuge des gegenwärtig zu beobachtenden Rückzugs der deutschen Auslandsvertretungen aus der Weitergabe von Zustellungsersuchen an die ausländischen Empfangsstellen kommt es inzwischen vor, dass die mit auswärtigen Angelegenheiten befassten Stellen der Staaten, die lediglich vertraglose Rechtshilfe leisten, die deutschen Stellen per Brief davon in Kenntnis setzen, es könne direkt an den - nichtdeutschen - Empfänger zugestellt werden (z.B. Indonesien). In diesen Fällen erscheint klärungsbedürftig, ob und gegebenenfalls auf welcher Rechtsgrundlage solche nachgewiesenen Zustellungen (per Auslandseinschreiben mit Rückschein) als wirksam angesehen werden könnten.

Weder der geltende § 183 ZPO noch die von der Bundesregierung vorgeschlagene Neufassung dieser Vorschrift bieten eine Rechtsgrundlage dafür, die etwaige erfolgreiche tatsächliche Kenntnisgabe als wirksame Prozesshandlung gegenüber dem Zustellungsempfänger anzusehen.

Der Klärung bedarf weiter, ob einer solchen postalischen Übermittlung Übersetzungen beizufügen sind.

4. Zu Artikel 1 Nr. 2 ( § 183 Abs. 1 ZPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob der Vorrang der Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein vor der Zustellung durch die Rechtshilfebehörden gemäß den Artikeln 4 bis 11 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 (ABl. EU (Nr. ) L 324, S. 79) europarechtskonform erscheint.

Begründung

Nach dem Text des § 183 Abs. 1 Satz 2 ZPO-E ("soll" - "anderenfalls") und nach der Begründung des Gesetzentwurfs (BR-Drs. 095/08 (PDF) , S. 25: "klares Rangverhältnis der in § 183 ZPO genannten Zustellungswege", S. 27: "Vorrang der direkten Zustellung") kommt der postalischen Zustellung (Einschreiben mit Rückschein) eine Vorrangstellung zu. Ob eine solche Vorrangstellung europarechtskonform ist erscheint prüfungsbedürftig. Die neue EG-Zustellungsverordnung sieht in den Artikeln 4 bis 11 einerseits und Artikel 14 andererseits kein Rangverhältnis vor. Beide Zustellungsarten können sogar kumulativ durch das Prozessgericht angeordnet werden. Diese Rechtsansicht hat der EuGH mit seinem Urteil vom 9. Februar 2006 - C-473/04 - (NJW 2006, 975; EuZW 2006, 186; IP-Rax 2007, 320) bestätigt. Die Zulässigkeit einer restriktiven Auslegung durch den deutschen Gesetzgeber dürfte zweifelhaft sein.

Die Begründung des Gesetzentwurfs ist zudem nicht widerspruchsfrei. So heißt es in dem Entwurf an anderer Stelle (a.a.O., S. 24), die Zustellung durch Einschreiben mit Rückschein werde als gleichrangige Alternative zur Zustellung über die Übermittlungs- und Empfangsstellen allgemein verbindlich.

Eine Wahlmöglichkeit der Zustellungsarten erscheint grundsätzlich sachgerechter.

Die Entscheidung der Frage, welche Zustellungsart (mittelbare oder unmittelbare) vorzuziehen ist oder ob beide Alternativen genutzt werden, muss im Einzelfall dem Gericht überlassen bleiben. Die in der Entwurfsbegründung enthaltenen Beurteilungskriterien sind insofern jedenfalls nicht vollständig. So findet z.B. der aus empirischen Untersuchungen bekannte hohe Grad der Unzuverlässigkeit (bis zu 60 Prozent) postalischer Zustellungen, die verschiedene Ursachen haben kann und die auch nicht kurz- und mittelfristig behebbar erscheint, bei der Abwägung keine hinreichende Würdigung.

5. Zu Artikel 1 Nr. 10, 11 (§§ 1069, 1071 ZPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Gesetz klarzustellen dass bei eingehenden Ersuchen die "Verteilungsstellen für Gerichtsvollzieheraufträge" als Empfangsstellen benannt werden können.

Darüber hinaus bittet der Bundesrat, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die in § 1069 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelte Ermächtigungsgrundlage für die Möglichkeit einer Konzentration von Amtsgerichten als Empfangsstellen um die Möglichkeit einer Konzentration von "Verteilungsstellen für Gerichtsvollzieheraufträge" zu erweitern.

Begründung

Mit dem Wegfall der Vorbehaltsmöglichkeit zu Artikel 15 EG-ZVO und der Aufhebung des § 1071 ZPO in Artikel 1 Nr. 11 des Gesetzentwurfs wird eine weitere Zustellungsform, die der unmittelbaren Zustellung durch eine Amtsperson, zulässig sein. Aus der Aufhebung des § 1071 ZPO ist zu entnehmen, dass dies auf jeden Fall für eingehende Ersuchen gilt.

Bei eingehenden Ersuchen nach Artikel 15 EG-ZVO erscheint es aus Gründen der Praktikabilität sehr hilfreich, wenn die Verteilungsstellen für Gerichtsvollzieheraufträge bei den Amtsgerichten an Stelle der einzelnen Gerichtsvollzieher als Empfangsstellen benannt werden können. Eine entsprechende Normierung, z.B. in § 1069 ZPO, ist auch deshalb notwendig, um die Bundesrepublik Deutschland in die Lage zu versetzen, der Kommission rechtzeitig vor Inkrafttreten der neuen EG-Zustellungsverordnung die zuständigen Stellen bekannt zu geben. Mit dieser Klarstellung würde in Zukunft ein unnötiger Eingabe- und Pflegeaufwand für den europäischen Atlas, an dessen Fortschreibung das Bundesministerium der Justiz und die Landesjustizverwaltungen beteiligt sind, vermieden werden.

Eine normative Klarstellung erscheint, unabhängig von der Frage, ob die einzelnen Gerichtsvollzieher oder die Verteilungsstellen für Gerichtsvollzieheraufträge bei den Amtsgerichten Empfangsstellen sein können, auf jeden Fall erforderlich weil der Gerichtsvollzieher als "Empfangsstelle" ("Amtsperson") im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 EG-ZVO anzusehen ist und als solche der Kommission mitgeteilt werden muss, Artikel 23 Abs. 1 EG-ZVO.

Um den Ländern auch eine Konzentration der Empfangsstellen "Amtspersonen" zu ermöglichen, sollte die in § 1069 Abs. 2 Satz 2 ZPO bereits normierte Ermächtigungsgrundlage erweitert werden. Die Landesregierungen sollten demnach die Aufgaben der Empfangsstelle einem Amtsgericht bzw. einer Verteilungsstelle für Gerichtsvollzieheraufträge für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte bzw. mehrere Verteilungsstellen für Gerichtsvollzieheraufträge durch Rechtsverordnung zuweisen können. Entsprechende Zuständigkeitsregelungen würden insbesondere ausländischen Beteiligten die Übermittlung von Zustellungsanträgen beispielsweise in den Orten erleichtern, in denen mehrere Amtsgerichte bestehen.

6. Zu Artikel 1 Nr. 10, 11 (§§ 1069, 1071 ZPO)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Gesetz klarzustellen dass bei ausgehenden Ersuchen der deutsche Gerichtsvollzieher nunmehr für die Partei, soweit das deutsche Zivilverfahrensrecht es vorsieht, Zustellungsanträge an ausländische Stellen übermitteln und Postzustellungen bewirken kann.

Begründung

Mit dem Wegfall der Vorbehaltsmöglichkeit zu Artikel 15 EG-ZVO und der Aufhebung des § 1071 ZPO in Artikel 1 Nr. 11 des Gesetzentwurfs wird eine weitere Zustellungsform, die der unmittelbaren Zustellung durch eine Amtsperson, zulässig sein. Aus der Aufhebung des § 1071 ZPO ist zu entnehmen, dass dies auf jeden Fall für eingehende Ersuchen gilt.

Zur Klärung der bislang streitigen Frage (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Rnr. 2178d, Fn. 267 m.w.N.), ob der deutsche Gerichtsvollzieher für die Partei Zustellungsanträge, soweit dies nach der Zivilprozessordnung zulässig ist, an Stellen oder Personen im Ausland übermitteln kann, erscheint - erst recht mit dem Wegfall des Widerspruchs zu Artikel 15 EG-ZVO eine normative Klarstellung angezeigt. Grundsätzlich lässt der Wortlaut von Artikel 15 EG-ZVO ("Diese Verordnung schließt nicht aus, dass jeder an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligte ... zustellen lassen kann") eine innerstaatliche Regelung zu. Derzeit ist das die Zustellung betreibende Gericht gegenüber der Kommission als einzige Übermittlungsstelle benannt (vgl. http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/ds_transmitting_de_de.htm ).

Grundlage ist die Regelung gemäß § 191 i.V.m. § 183 Abs. 3 und § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Eine normative Klarstellung ist auch deshalb erforderlich, weil der Gerichtsvollzieher als "Übermittlungsstelle" ("Amtsperson") im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 EG-ZVO anzusehen ist und als solche der Kommission mitgeteilt werden muss, Artikel 23 Abs. 1 EG-ZVO.

7. Zu Artikel 1 Nr. 12 ( § 1089 Abs. 2 ZPO)

In Artikel 1 Nr. 12 § 1089 Abs. 2 sind die Wörter "für die Durchführung § 1068 Abs. 1" durch die Angabe "die §§ 167, 1068 Abs. 1" zu ersetzen.

Begründung

Um eine Benachteiligung der Gläubiger zu vermeiden, die um eine Zustellung auf der Grundlage des § 1089 Abs. 2 ZPO-E ersuchen müssen, ist § 1089 Abs. 2 ZPO-E zu ändern.

Die pauschale Behauptung der Einzelbegründung zu Artikel 6 - § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB-E (BR-Drs. 095/08 (PDF) , S. 49), eine "nicht vertretbare Belastung des Gläubigers mit den Risiken des Zustellungsverfahrens" werde "über § 167 ZPO ausgeschlossen", trifft nur für die Inlandszustellung nach § 1089 Abs. 1 ZPO-E, nicht aber für die Auslandszustellung nach § 1089 Abs. 2 ZPO-E zu. § 167 ZPO verlagert die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls auf den Eingang des Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls bei Gericht vor. Eine Entsprechung zu § 167 ZPO findet sich aber weder in der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/200, noch verweisen die nationalen Ergänzungsvorschriften der §§ 1067 ff. ZPO auf § 167 ZPO. Im Umkehrschluss aus § 1089 Abs. 1 ZPO-E folgt zudem, dass für Auslandszustellung "die Vorschriften über das Verfahren bei Zustellungen von Amts wegen" nicht gelten, zu denen § 167 ZPO gehört.

Der vorgeschlagenen Änderung steht Artikel 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 nicht entgegen. Der Zeitpunkt des Beginns der verjährungshemmenden Wirkung ist als materiellrechtliche Frage zu qualifizieren.

8. Zu Artikel 1 Nr. 13 (§ 1097 Abs. 3 - neu - ZPO)

In Artikel 1 Nr. 13 ist § 1097 folgender Absatz 3 anzufügen:

(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die Verfahren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte und, soweit die Landgerichte ausschließlich zuständig sind, einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte zuzuweisen.

Die Landesregierungen können die Ermächtigungen durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen."

Begründung

Der Gesetzentwurf sieht keine Konzentrationsmöglichkeit für die Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vor. Zwar ermöglicht auch jetzt schon § 13a GVG eine gerichtsbezirksübergreifende Zuständigkeitskonzentration.

Danach kann das Landesrecht einem Gericht für die Bezirke mehrerer Gerichte Sachen aller Art ganz oder teilweise zuweisen. Hierfür ist jedoch eine landesrechtliche Regelung per Gesetz erforderlich (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl., § 13a GVG Rnr. 1). Um eine entsprechende Regelung auch einfacher durch Rechtsverordnung treffen zu können, ist gemäß Artikel 80 Abs. 1 Satz 1 GG in § 1097 Abs. 3 Satz 1 ZPO-E eine Ermächtigung an die Landesregierungen vorzusehen. Diese Ermächtigung kann nach § 1097 Abs. 3 Satz 2 ZPO-E durch Rechtsverordnung an die Landesjustizverwaltungen übertragen werden (vgl. Artikel 80 Abs. 1 Satz 4 GG).

Eine Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit bezüglich der Verfahren für geringfügige Forderungen mit grenzüberschreitendem Bezug kann durchaus sinnvoll sein. In Deutschland gab es im Jahr 2004 etwa 3 700 Verfahren mit grenzüberschreitendem Bezug und einem Streitwert bis 2 000 Euro (vgl. Jahn, NJW 2007, 2890, 2892). Ein Anstieg der Verfahrenszahlen ist zu erwarten.

Insofern kann es sich anbieten, derartige Verfahren, die besonderen Verfahrensvorschriften unterliegen bei einem Gericht oder mehreren Gerichten zu konzentrieren. Dies gilt zum einen für die im Regelfall gegebene Zuständigkeit der Amtsgerichte. Zum anderen bleibt aber eine ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte - etwa für Klagen wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation im Sinne des § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG - für geringfügige Forderungen bestehen, sodass auch für diesen Bereich eine entsprechende Ermächtigung zu schaffen ist.

9. Zu Artikel 6 (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB)

In Artikel 6 § 204 Abs. 1 Nr. 3 sind die Wörter "nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU (Nr. ) L 339 S. 1)" zu streichen.

Begründung

Die Änderung dient der Klarstellung des Gewollten.

Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB-E soll die Verjährung mit der "Zustellung [...] des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU (Nr. ) L 399, S. 1)" gehemmt sein. Durch diese Wendung suggeriert § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB-E unzutreffend, maßgeblich für den Beginn der Hemmung seien allein die Vorgaben von Artikel 12 Abs. 5 und der Artikel 13 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006. Wie sich aus der Begründung zu Artikel 6 (BR-Drs. 095/08 (PDF) , S. 49) ergibt, ist Anknüpfungspunkt aber nicht die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 selbst, sondern § 1089 ZPO-E. Andernfalls käme man nämlich nicht zu dem in der Begründung ausdrücklich zitierten § 167 ZPO.

Deshalb ist eine nähere Erläuterung des Begriffs "Europäisches Mahnverfahren" nicht geboten. Auch der geltende § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB beschreibt die "Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren" nicht näher als eine solche "nach der Zivilprozessordnung".