Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Dezember 2008 über irreführende Werbung durch Adressbuchfirmen (Petitionen 0045/2006, 1476/2006, 0079/2003, 0819/2003, 1010/2005, 0052/2007, 0306/2007, 0444/2007, 0562/2007 u.a.) (2008/2126(INI))

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 0336 - vom 14. Januar 2009.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 16. Dezember 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in der Erwägung, dass von mehr als 400 kleinen Unternehmen Petitionen beim Parlament eingegangen sind (womit nur ein Bruchteil ihrer Gesamtanzahl widergespiegelt wird), in denen diese geltend machen, dass sie Opfer irreführender Werbung durch Adressbuchfirmen geworden sind und in der Folge mit psychischem Stress, Schuldgefühlen, Demütigungen, Frustration und finanziellen Einbußen konfrontiert waren,

B. in der Erwägung, dass diese Beschwerden Ausdruck eines weit verbreiteten und konzertierten Musters irreführender Geschäftspraktiken gewisser Adressbuchfirmen sind, die grenzüberschreitend organisiert sind und in zwei oder mehr Mitgliedstaaten agieren, wobei hiervon tausende von Unternehmen in der Europäischen Union betroffen sind und erhebliche finanzielle Auswirkungen erfahren und in der Erwägung, dass es kein administratives oder rechtliches Instrument gibt, das es den nationalen Strafverfolgungsbehörden ermöglichen würde, grenzüberschreitend effektiv und wirksam zusammen zu arbeiten;

C. in der Erwägung, dass der irreführende Charakter dieser Praktiken erst recht augenfällig wird, wenn diese auf elektronischem Wege verübt und über das Internet verbreitet werden (siehe Petition Nr. 0079/2003),

D. in der Erwägung, dass die beanstandeten Geschäftspraktiken in der Regel darin bestehen, dass sich eine Adressbuchfirma, zumeist per E-Mail, an Unternehmen wendet und sie auffordert, ihre Angaben über Geschäftsnamen und Kontaktmöglichkeiten zu vervollständigen oder zu aktualisieren, wobei der falsche Eindruck erweckt wird, dass sie gratis in einem Adressbuch verzeichnet werden, wogegen die Unterzeichner später feststellen müssen, dass sie unbeabsichtigt einen Vertrag unterzeichnet hatten, der sie in der Regel für mindestens drei Jahre bindet - und aufgrund dessen sie in einem Adressbuch zu einer jährlichen Gebühr von etwa €1.000 eingetragen sind,

E. in der Erwägung, dass die bei einem solchen Vorgehen verwendeten Formulare in der Regel unklar und schwer verständlich sind und zu der Fehleinschätzung veranlassen, dass damit ein Gratiseintrag in einem Adressbuch verbunden ist, in Wirklichkeit aber die Unternehmen zu ungewollten Verträgen zur Werbung in Adressbüchern verleitet werden,

F. in der Erwägung, dass es weder spezifische EU-Rechtsvorschriften noch relevante nationale Gesetze in den Mitgliedstaaten gibt, die auf Adressbuchfirmen und deren Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen anwendbar wären; ferner in der Erwägung, dass es den Mitgliedstaaten freigestellt ist, diesbezüglich weiterreichende und umfassendere Vorschriften zu erlassen;

G. in der Erwägung, dass Richtlinie 2006/114/EG auch auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen Anwendung findet und "irreführende Werbung" definiert als "jede Werbung, die in irgendeiner Weise - einschließlich ihrer Aufmachung - die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist und die infolge der ihr innewohnenden Täuschung ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflussen kann oder aus diesen Gründen einen Mitbewerber schädigt oder zu schädigen geeignet ist", jedoch in der Erwägung, dass unterschiedliche Interpretationen dessen, was als "irreführend" bezeichnet wird, ein Hauptproblem bei der Bekämpfung solcher Praktiken von Adressbuchfirmen im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen darzustellen scheint;

H. in der Erwägung, dass es gemäß Richtlinie 2005/29/EG verboten ist, "Werbematerialien eine Rechnung oder ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beizufügen, die dem Verbraucher den Eindruck vermitteln, dass er das beworbene Produkt bereits bestellt hat, obwohl dies nicht der Fall ist"; jedoch in der Erwägung, dass die Richtlinie nicht auf irreführende Praktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen Anwendung findet und dass sie in ihrer derzeitigen Form von den Petenten daher nicht geltend gemacht werden kann; jedoch in der Erwägung, dass die Richtlinie ein System von nationalen Rechtsvorschriften über unfaire Geschäftspraktiken nicht ausschließt, die gleichermaßen und unter allen Umständen sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen gelten würden;

I. in der Erwägung, dass Richtlinie 2005/29/EG nicht ausschließt, dass die Mitgliedsstaaten den Anwendungsbereich dieser Richtlinie im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung auch auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen ausdehnen; jedoch unter Hinweis darauf, dass dies zu unterschiedlichen Schutzniveaus für Unternehmen führt, die in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten Opfer irreführender Geschäftspraktiken von Adressbuchfirmen geworden sind,

J. in der Erwägung, dass die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 den Begriff "innergemeinschaftlicher Verstoß" definiert als "jede Handlung oder Unterlassung, die gegen Gesetze zum Schutz der Verbraucherinteressen verstößt und die Kollektivinteressen von Verbrauchern schädigt oder zu schädigen geeignet ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die Handlung oder die Unterlassung ihren Ursprung hatte oder stattfand, oder in dem der verantwortliche Verkäufer oder Dienstleistungserbringer niedergelassen ist, oder in dem Beweismittel oder Vermögensgegenstände betreffend die Handlung oder die Unterlassung vorhanden sind"; jedoch in der Erwägung, dass die Richtlinie nicht auf irreführende Praktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen Anwendung findet und dass sie in ihrer derzeitigen Form also von den Petenten nicht geltend gemacht werden kann,

K. in der Erwägung, dass die meisten Petenten die als "European City Guide" bekannte Adressbuchfirma nennen (deren Tätigkeit bereits Gegenstand von Gerichts- und Verwaltungsverfahren geworden ist), aber noch weitere Adressbuchfirmen wie "Construct Data Verlag", "Deutscher Adressdienst GmbH" und "NovaChannel" erwähnt werden; jedoch in der Erwägung, dass andere Adressbuchfirmen durchaus lautere Geschäftspraktiken in diesem Bereich betreiben ,

L. in der Erwägung, dass diese irreführenden Geschäftspraktiken hauptsächlich auf kleine Unternehmen abzielen, aber auch Angehörige der freien Berufe und sogar gemeinnützige Organisationen , wie z.B. Schulen und Bibliotheken sowie örtliche soziale Vereine, wie z.B. Musikvereine, verfolgen,

M. in der Erwägung, dass die Adressbuchfirmen häufig in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Opfers ansässig sind, so dass es für die Opfer aufgrund der unterschiedlichen Interpretationen dessen, was in den verschiedenen Mitgliedstaaten als irreführende Geschäftspraktik gilt, schwierig ist, Unterstützung bei den nationalen Behörden zu erlangen; in der Erwägung, dass die Opfer häufig von Seiten nationaler Rechtsordnungen und Verbraucherschutzbehörden keine Abhilfe erfahren, mit der Begründung, das geltende Recht ziele auf den Schutz von Verbrauchern und nicht von Unternehmen ab; in der Erwägung, dass es den meisten Opfern, da sie Kleinunternehmen sind, häufig an den erforderlichen Finanzmitteln zur Anstrengung eines wirksamen Rechtsbehelfs im Rahmen eines Gerichtsverfahrens fehlt, und dass Selbstregulierungsmechanismen für Adressbuchdienste kaum relevant sind, da sie von jenen, die irreführende Geschäftspraktiken betreiben, ohnedies außer Acht gelassen werden,

N. in der Erwägung, dass die Opfer dieser Praktiken von den Adressbuchfirmen selbst oder sogar durch von ihnen beauftragte Inkassounternehmen rigoros zur Zahlung gedrängt werden; in der Erwägung, dass die Opfer sich darüber beschweren, dass sie sich durch diese Handlungen bedrängt und bedroht fühlen, und viele von ihnen schließlich widerstrebend bezahlen, um weitere Belästigungen zu vermeiden,

O. in der Erwägung, dass Zahlungsverweigerungen von Seiten der Opfer - von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen - nur selten gerichtlich verfolgt wurden,

P. in der Erwägung, dass in einer Reihe von Mitgliedstaaten unter potentiell betroffenen Unternehmen Initiativen - insbesondere in Form einer Sensibilisierung - eingeleitet wurden, die den Austausch von Informationen und Ratschlägen, die Benachrichtigung nationaler Strafvollzugsbehörden und in einigen Fällen die Erstellung von Beschwerderegistern umfassten, um diesem Problem beizukommen,

Q. in der Erwägung, dass Österreich seit 2000 sein Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb abgeändert hat und dass Paragraph 28a dieses Gesetzes nun wie folgt lautet: "Es ist verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Eintragungen in Verzeichnisse, wie etwa Branchen-, Telefon- oder ähnliche Register, mit Zahlscheinen, Erlagscheinen, Rechnungen, Korrekturangeboten oder ähnlichem zu werben oder diese Eintragungen auf solche Art unmittelbar anzubieten, ohne entsprechend unmissverständlich und auch graphisch deutlich darauf hinzuweisen, dass es sich lediglich um ein Vertragsangebot handelt",

R. in der Erwägung, dass solche Praktiken seit einer Reihe von Jahren angewandt werden, was zu einer großen Zahl von Opfern geführt hat sowie zu einer beträchtlichen Schädigung und Verzerrung des Binnenmarktes,