Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens

A. Problem und Ziel

Wie in anderen Rechtsgebieten auch hat die Justiz zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Aufgabe unter Beachtung der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und insbesondere des technischen Fortschrittes auch in Bußgeldverfahren immer vielfältigere Lebenssachverhalte rechtlich zu bewerten. Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts wird die Erfüllung dieser Aufgabe durch die absolute Anzahl an Bußgeldverfahren erschwert. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass rechtstaatliche Prinzipien eine zügige und gestraffte Durchführung von Bußgeldverfahren vor allem auch im Interesse der betroffenen Bürger erfordern. Demgegenüber bedingt das Rechtsstaatsprinzip jedoch auch einen entsprechenden Einsatz der Arbeitsressourcen der Justiz unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache. Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts besteht insoweit dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Gerade im Bereich von Geldbußen im unteren zweistelligen Eurobereich nehmen Bußgeldverfahren bisweilen einen Raum ein, der auch unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Prinzipien weder notwendig noch verständig ist. Praktisch bedeutsam sind hier insbesondere die Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), wobei dies in erheblichem Maße für solche wegen Geschwindigkeitsübertretungen, Abstandsunterschreitungen oder Rotlichtverstößen gilt. Bei den hessischen Staatsanwaltschaften wurden in der Vergangenheit rund 30 000 solcher Verfahren nach § 24 StVG pro Jahr anhängig. Obschon die deutliche Mehrzahl dieser Verfahren auf Messungen in sogenannten "standardisierten Verfahren", für die nicht zuletzt auf Grund ihrer Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt der Anschein der Richtigkeit streitet, beruhen, sind nach der bisherigen Rechtslage trotz oftmals gleichen Lebenssachverhalten - identische Messstellen, identische Messverfahren, identische Einwendungen der Betroffenen - Hauptverhandlungen durchzuführen, obwohl die Sach- und Rechtslage dies grundsätzlich nicht erfordert. Dies führt bisweilen dazu, dass sich trotz der bei Verkehrsordnungswidrigkeiten bestehenden kurzen Verjährungsfrist eine nicht unerhebliche Zeitspanne zwischen Tatzeit und rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens auftut. Gerade aber bei Verkehrsordnungswidrigkeiten liegt ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit vor, Verhalten von Betroffenen, das die Leichtigkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs - und damit auch die Unversehrtheit jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers - potentiell gefährdet, zeitnah zu ahnden und den Betroffenen durch entsprechende Rechtsfolgen zu einem verkehrsgerechten Verhalten anzuleiten. In der Praxis ist jedoch vermehrt zu beobachten, dass gerade Betroffene, denen eine Verkehrsordnungswidrigkeit vorgeworfen wird, die ihnen zustehenden Verfahrensrechte nicht deswegen ergreifen, um substantielle Einwendungen gegen den Bußgeldbescheid vorzubringen, sondern, um das Verfahren oftmals auch in voller Kenntnis der inhaltlichen Erfolglosigkeit ihres Vorgehens zu verzögern.

Im Bereich der Strafprozessordnung wurde eine Effektivierung und Straffung des Verfahrens in der Vergangenheit durch verschiedene Gesetzesänderungen vorgenommen - zuletzt mit dem "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens". Die Vorschriften der Strafprozessordnung finden nach den allgemeinen Verweisungsnormen der §§ 46 Absatz 1, 71 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zwar im Bußgeldverfahren entsprechende Anwendung. Gleichwohl zeichnet sich das Bußgeldverfahren durch prozessuale Besonderheiten aus, die eine eigene Betrachtung des Ordnungswidrigkeitenrechts erforderlich machen.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es, das Bußgeldverfahren unter Beibehaltung notwendiger hoher rechtsstaatlicher Standards effektiver zu gestalten und - unter Berücksichtigung der Bedeutung der jeweiligen Sache - einen zügigen Verfahrensabschluss zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang will der Gesetzentwurf auch einen sinnvollen Einsatz der justiziellen Arbeitsressourcen unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlicher Standards sichern. Dies gilt auch in Bezug auf jene Bußgeldverfahren, bei denen der Betroffene gewichtige Einwendungen gegen den Bußgeldbescheid vorbringt oder das Gericht unter Beachtung seiner ihm obliegenden Aufklärungspflicht von Amts wegen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung der Verwaltungsbehörde hegt. Durch den Gesetzentwurf erfahren auch diese individuell geprägten Verfahren eine Stärkung, da der verfahrensrechtliche Aufwand in jenen Prozessen, in denen durch die Gleichförmigkeit einer erheblichen Vielzahl von Verfahren lediglich eine standardisierte Bearbeitung im Einzelfall notwendig ist, auf ein verständiges Maß zurückgeführt wird.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf sieht insbesondere Änderungen im gerichtlichen Verfahren nach einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vor und gibt dem zuständigen Gericht rechtliche Instrumente an die Hand, um das jeweilige Verfahren unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache und unter gleichzeitiger Beachtung der Amtsaufklärungspflicht des Gerichtes beschleunigt und straff durchführen zu können. Hierzu zählen insbesondere die im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ausgeweiteten Möglichkeiten der Gerichte im Beschlusswege ohne Hauptverhandlung zu entscheiden. Weiter wird der Spielraum des Gerichtes erweitert, das Verfahren im Dezernatswege auch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft einzustellen. Die Begründungserfordernisse bei Beschlüssen und Urteilen werden ebenso unter Beachtung der Bedeutung der jeweiligen Sache angepasst. Das Rechtsmittelverfahren wird überarbeitet und durch Anhebung der bisherigen Wertgrenzen insbesondere für die Rechtsbeschwerde nach § 79 Absatz 1 OWiG dem Umstand Rechnung getragen, dass in der Vergangenheit die Regelsätze nach der Bußgeldkatalogverordnung stetig erhöht worden sind. Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf mit der Anhörungsrüge nach § 80a OWiG-E die Möglichkeit vor, dass sich der Betroffene gegen Entscheidungen des Instanzgerichtes wenden kann, auch wenn die Rechtsbeschwerde nicht statthaft ist. Hierdurch soll bei gleichzeitiger Straffung des Prozesses der rechtsstaatliche Standard des gerichtlichen Verfahrens gleichsam gestärkt werden. Durch die Einführung der Möglichkeit eines Teilerlasses der Geldbuße im Falle unverzüglicher Zahlung nach Rechtskraft wird zudem ein Anreiz geschaffen, auf wenig aussichtsreiche Einsprüche zu verzichten, die erhebliche gerichtliche Ressourcen binden.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

Davon Bürokratiekosten aus Informationspflichten:

Keine.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Weitere Kosten

Keine.

Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens

Der Bundesrat hat in seiner 992. Sitzung am 3. Juli 2020 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen

Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten

Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

2. § 18 wird wie folgt geändert:

3. § 46 wird wie folgt geändert:

4. In § 47 Absatz 2 Satz 2 wird das Wort "einhundert" durch das Wort "zweihundert" ersetzt.

5. Dem § 66 Absatz 2 Nummer 1 werden folgende Buchstaben c und d angefügt:

6. § 72 wird wie folgt geändert:

7. § 73 wird wie folgt geändert:

8. § 74 Absatz 4 wird wie folgt geändert:

9. In § 77 Absatz 2 Nummer 2 werden nach dem Wort "Beweiserhebung" die Wörter "zu einer nicht nur unerheblichen Unterbrechung oder" eingefügt.

10. § 77a wird wie folgt geändert:

11. § 77b wird wie folgt geändert:

12. Der Überschrift zum Zweiten Teil Fünfter Abschnitt III. Kapitel werden die Wörter "und Anhörungsrüge" angefügt.

13. § 79 wird wie folgt geändert:

14. § 80 wird wie folgt geändert:

15. § 80a wird wie folgt gefasst:

" § 80a Abhilfe bei Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör

(1) Auf Rüge des Betroffenen ist das Verfahren fortzuführen, wenn

Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt. Gleiches gilt für Entscheidungen nach den §§ 79 und 80.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses nach § 72 Absatz 1 Satz 1 zu erheben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Voraussetzungen darlegen. § 47 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.

(3) Ist die Rüge nach Absatz 2 Satz 1 verspätet eingelegt, nicht in schriftlicher Form nach Absatz 2 Satz 2 oder nicht mit dem Inhalt nach Absatz 2 Satz 3 angebracht, hat das Gericht, dessen Urteil oder Beschluss nach § 72 Absatz 1 Satz 1 angefochten wird, die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss ist kurz zu begründen. In den Fällen des Satzes 2 genügt die Feststellung, dass das Vorbringen des Betroffenen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurde.

(4) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Gericht stellt die Fortführung und die Aufhebung einer bereits ergangenen Entscheidung durch unanfechtbaren Beschluss fest. Das Verfahren wird in die Lage versetzt, in der es sich zu dem in § 69 Absatz 4 Satz 2 bezeichneten Zeitpunkt befand."

16. Der bisherige § 80a wird § 80b.

17. In § 109a Absatz 1 werden die Wörter "bis zu zehn" durch die Wörter "von weniger als sechzig" ersetzt.

Artikel 2
Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes

§ 41 Absatz 1 Satz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeines

I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs

Die in der Vergangenheit vorgenommenen Reformen zur Effektivierung des Strafverfahrens haben in erster Linie Auswirkungen auf umfangreiche erstinstanzliche Prozesse vor den Strafkammern der Landgerichte. Auch wenn die Regelungen der Strafprozessordnung (StPO) nach §§ 46 Absatz 1, 71 Absatz 1 OWiG im Bußgeldverfahren entsprechend gelten, haben die bisherigen Reformen - wie im Übrigen auch die zukünftig angestrebten - die Gestaltung des Strafverfahrens zur Anpassung an die sich wandelnden Rahmenbedingungen zum Ziel. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren zeichnet sich in Abgrenzung insbesondere zu den landgerichtlichen Strafverfahren jedoch in der Regel nicht durch eine Komplexität der jeweils einzelnen Sache aus. Vielmehr liegt die Schwierigkeit des Ordnungswidrigkeitenverfahrens für die beteiligten Behörden und Gerichte in der Bewältigung der massenhaften Gesamtzahl an oftmals rechtlich wie tatsächlich völlig gleichförmigen Verfahren, wobei insbesondere bei den Amtsgerichten bei gemischten Dezernaten Strafrichter- und Schöffensachen ebenso in hoher Zahl zu erledigen sind.

Zu berücksichtigen ist zudem der Umstand, dass die Amtsgerichte in Strafsachen auf Grund der nach § 312 StPO zulässigen Berufung gegen Urteile des Strafrichters und des Schöffengerichtes nicht die einzige Tatsacheninstanz darstellen und eine umfangreiche Ausnutzung von Verfahrensrechten dort in Strafsachen eher unbekannt ist. Im Gegensatz hierzu stellen sich jedoch Verfahren in Bußgeldsachen trotz ihrer oftmals geringeren Bedeutung auf der Rechtsfolgenseite und stereotyper Sach- und Rechtslage für die Amtsgerichte in nicht wenigen Fällen als zeitintensiv und konfliktbeladen dar und dies, obwohl auf Grund der hohen Gesamtzahl an Verfahren und der ständig wiederkehrenden und durch die Rechtsprechung entschiedenen Rechtsfragen in der einzelnen Hauptverhandlung nur wenig Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. In der Praxis ist insoweit zu beobachten, dass sich die Hauptverhandlungen, insbesondere, aber nicht nur, bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der bloßen Erfüllung von prozessualen Rahmenbedingungen erschöpfen:

Da gerade im Bereich von Verkehrsordnungswidrigkeiten für die Feststellung eines bußgeldbewehrten Verhaltens oftmals auf ein sogenanntes "standardisiertes Messverfahren" zurückgegriffen wird, bei dem in aller Regelmäßigkeit von der Richtigkeit des Messergebnisses ausgegangen werden kann und darf, müssen im Rahmen einer Hauptverhandlung bei unstreitiger Fahrereigenschaft des Betroffenen für gewöhnlich insbesondere nur der Eichschein, die Zulassung der Messanlage, der Schulungsnachweis des Messbeamten sowie das Ergebnis der Messung durch die Verlesung der in der Akte befindlichen Urkunden eingeführt werden. Insoweit ist kein Grund ersichtlich, warum dies im Rahmen einer Hauptverhandlung zu geschehen hat und nicht eine Entscheidung im Beschlusswege genügt. Dies gilt in besonderem Maße deswegen, da oftmals weder die Glaubwürdigkeit eines Zeugen einzuschätzen ist, noch Zweifel an der konkreten Messung im Einzelfall gegeben sind. In aller Regel beschränken sich die Einwendungen des Betroffenen abstrakt auf die Zuverlässigkeit des Messverfahrens an sich, was aber regelmäßig bereits auf Grund der erfolgten Zulassung des Messverfahrens in einem aufwändigen Verfahren durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt nicht durchdringt.

Gerade bei einer Vielzahl von Verkehrsordnungswidrigkeiten wird derzeit eine Hauptverhandlung nur deswegen durchgeführt, weil sie nach bisheriger Rechtslage rein formal erforderlich ist und nicht, weil der dem Gericht obliegende Amtsaufklärungsgrundsatz dies gebieten würde. Die Durchführung einer Hauptverhandlung wird durch die Betroffenen regelmäßig lediglich dazu genutzt, unter Inanspruchnahme von Verfahrensrechten aus verfahrensfernen Gründen unter gleichzeitiger Kenntnis deren inhaltlicher Erfolglosigkeit den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinauszuzögern. Dies wird deutlich an Fallgestaltungen, die in der Praxis nicht selten vorkommen: Nach dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid beraumt das Amtsgericht einen Hauptverhandlungstermin an, zu dem weder der Betroffene, noch sein Verteidiger erscheinen. Das Gericht verwirft daher den Einspruch des Betroffenen durch Urteil nach § 74 Absatz 2 OWiG. Nach Zustellung des entsprechenden Urteils sucht der Betroffene ohne substantielle Begründung um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach und erhebt zudem gegen das Urteil die Rechtsbeschwerde bzw. beantragt die Zulassung der selbigen. Das Amtsgericht weist den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss zurück. Hiergegen erhebt der Betroffene eine nicht näher begründete sofortige Beschwerde zum Landgericht, welches diese zurückweist. Sodann hat das Oberlandesgericht im Wege des Rechtsbeschwerdeverfahrens über das Verwerfungsurteil zu befinden. So gelingt es dem Betroffenen durch Beteiligung von drei verschiedenen Gerichten das Verfahren um Wochen, vielleicht gar um Monate zu verzögern. Gerade bei Betroffenen, die in erheblicher Weise gegen Verkehrsregeln verstoßen haben, wird das Bußgeldverfahren insoweit nicht nur ad absurdum geführt, sondern auch eine zeitnahe, dem Betroffenen die Verfehlung vor Augen führende Ahndung im Sinne der Verkehrssicherheit hinausgezögert.

Eine zügige Erledigung eines Bußgeldverfahrens sollte dabei nicht nur im rechtsstaatlichen Interesse des betroffenen Bürgers ebenso liegen wie in jenem der beteiligten Behörden sowie Gerichten. Daher soll den Bußgeldbehörden die Möglichkeit eröffnet werden, dem Betroffenen bereits im Bußgeldbescheid nach pflichtgemäßem Ermessen einen finanziellen Anreiz im Interesse einer zügigen Erledigung des Bußgeldverfahrens einschließlich der Vollstreckung zu gewähren. Auch die Allgemeinheit hat ein solches Interesse am zeitnahen Abschluss von Bußgeldverfahren - insbesondere im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten: Gerade hier erfassen Ordnungswidrigkeitentatbestände nicht wenige Verhaltensmuster, deren Unrechtsgehalt in der Gefährdung von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer zu erblicken ist. Eine entsprechend zeitnahe Einwirkung und die möglichst kurzfristige Umsetzung von etwaigen Fahrverboten gegen den Betroffenen stellen ein wichtiges Instrument dar, um einen Verstoß gegen elementare Verkehrsregeln zu ahnden. Auch abseits des Verkehrsordnungswidrigkeitenrechts besteht aus rechtsstaatlicher Sicht die Notwendigkeit der effektiven Durchführung von Bußgeldverfahren. Es erscheint im Übrigen erstrebenswert, die dadurch gewonnenen zeitlichen Kapazitäten - ohne Nachteile für die Betroffenen in Ordnungswidrigkeitenverfahren - für die Durchführung von bedeutenderen Verfahren, insbesondere Strafrichter- und Schöffensachen, einsetzen zu können.

Rechtsstaatliche Grundsätze gebieten jedoch nicht nur die zügige Durchführung des Verfahrens, sondern auch die Möglichkeit des Betroffenen, sich unter Berücksichtigung der Bedeutung der Sache in ausreichendem Maße gegen einen gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheid zur Wehr zu setzen. Bereits unter der geltenden Rechtslage ist ein hohes Maß an qualitativ hochwertiger Ermittlungsarbeit gewährleistet: Nach dem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid, dessen Erlass ein Vorverfahren und die Abwägung der Verwaltungsbehörde, das Verfahren weder durch eine Verwarnung noch durch eine Einstellung zu beenden, vorausgegangen sind, haben sowohl die Verwaltungsbehörde als auch die Staatsanwaltschaft sowie das Gericht zu prüfen, ob der Bußgeldbescheid aufrecht erhalten werden soll bzw. ob das Verfahren eingestellt wird. Erst nach dieser mehrfachen Prüfung schließt sich das Hauptverfahren vor Gericht an.

An dem bewährten Verfahrensablauf soll unter Berücksichtigung der jeweils beteiligten Behörden und Gerichte festgehalten werden. In erster Linie soll den Gerichten jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, freilich unter strikter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes, das Verfahren flexibler zu gestalten. Dies gilt zum einen für die Ausweitung der Möglichkeit des Gerichtes, auch ohne Hauptverhandlung und ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren einzustellen. Weiter sollen die Möglichkeiten des Gerichtes - auch hier unter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und des Rechts des Betroffenen auf rechtliches Gehör - ausgeweitet werden, im Beschlusswege zu entscheiden. Diese Vorgehensweise bietet sich insbesondere in jenen Verfahren an, in denen aus tatsächlicher Sicht auf Grund der einfachen Sachlage kein durch die Hauptverhandlung hervorgebrachter zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist oder in denen die dem Sachverhalt innewohnenden Rechtsfragen bereits gerichtlich geklärt sind und die Besonderheiten des Einzelfalles auch im schriftlichen Wege Eingang in die Entscheidungsfindung erhalten können. In diesem Zusammenhang ist insbesondere entscheidend, ob der Betroffene die Durchführung einer Hauptverhandlung beantragt. In diesen Fällen wird das Gericht auch weiterhin gehalten sein, eine Hauptverhandlung anzuberaumen, jedoch mit der Folge, dass der Betroffene selbst nicht mehr von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden kann. Soweit der Betroffene einen solchen Antrag nicht gestellt hat, hat das Gericht die Möglichkeit im Beschlusswege zu entscheiden, soweit der Untersuchungsgrundsatz und die Rechte des Betroffenen auf ein faires Verfahren keine Durchführung einer Hauptverhandlung gebieten. Bei Geldbußen im Bagatellbereich hat das Gericht unter Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Verfahrensrechte des Betroffenen auch dann die Möglichkeit im Beschlusswege zu entscheiden, wenn der Betroffene die Durchführung einer Hauptverhandlung beantragt hat, sofern diesem ausreichend Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben worden ist.

Ferner sieht der Gesetzentwurf Ausschlussfristen für den Betroffenen vor, nach deren Ablauf die Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht mehr beantragt werden kann. In der Praxis ist vermehrt zu beobachten, dass solche Entbindungsanträge erst kurz vor dem bereits anberaumten Hauptverhandlungstermin gestellt werden, was zu erhöhtem Arbeitsaufkommen für das Gericht und dort insbesondere für die Serviceeinheit führt. Auch kann die Überschneidung von eingehenden Entbindungsanträgen und Urteilen nach § 74 Absatz 2 OWiG die Folge sein.

Insbesondere bei Urteilen nach § 74 Absatz 2 OWiG sieht der Gesetzentwurf eine Effektivierung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten vor: Während nach bisheriger Rechtslage bei gleichzeitigem Vorliegen eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Rechtsbeschwerde im äußersten Fall mit dem Instanz- und dem Beschwerdegericht sowie dem für die Rechtsbeschwerde zuständigen Gericht bis zu drei Gerichte mit dem Urteil nach § 74 Absatz 2 OWiG befasst sein können, sieht der Gesetzentwurf vor, dass in diesen Fällen allein das für die Rechtsbeschwerde zuständige Gericht in der Sache zu entscheiden und auch über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu befinden hat.

Für den Umfang der Beweisaufnahme und die Durchführung der Hauptverhandlung sieht der Gesetzentwurf ebenso Vereinfachungen vor: Zunächst eröffnet § 77 Absatz 2 Nummer 2 OWiG-E die Möglichkeit, einen Beweisantrag nicht nur wie unter der geltenden Rechtslage zurückzuweisen, wenn die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wird, dass die Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde, sondern auch dann, wenn eine Unterbrechung von nicht unerheblicher Dauer die Folge ist. Weiter werden die Möglichkeiten des Gerichtes mit § 77a Absatz 4 OWiG-E erweitert, insbesondere die Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen durch die Verlesung von Protokollen über eine frühere Vernehmung zu ersetzen. Mit § 77a Absatz 5 OWiG-E wird die obergerichtliche Rechtsprechung zu den erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen bei Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens in Gesetzesform gegossen.

Zudem sieht der Gesetzentwurf Vereinfachungen für das Gericht im Hinblick auf die Anforderungen an die Begründung des Urteils bzw. des Beschlusses nach § 72 OWiG vor. Insbesondere in den Fällen, in den ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung überhaupt nicht statthaft ist, sind vollständige Urteilsgründe im Sinne des § 267 StPO überflüssig. Auch ist nicht nachvollziehbar, dass das Gericht - wie unter der bisherigen Rechtslage - ein vollständiges Urteil abzufassen hat, wenn ein Fall des § 74 Absatz 1 Satz 1 OWiG vorliegt und der nicht von einem Verteidiger vertretene Betroffene von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist. Soweit sich der Betroffene durch seinen Entbindungsantrag der Möglichkeit entledigt, die mündliche Urteilsbegründung des Gerichtes wahrzunehmen, ist nicht verständig, dass die für den Betroffenen durch seine Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung eingetretene Verfahrensvereinfachung mit einem erhöhten Arbeitsaufwand für das Gericht einhergeht.

Weiter sieht der Gesetzentwurf die Anhebung der Wertgrenzen und der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde nach §§ 79, 80 OWiG vor. Um dem Betroffenen gleichwohl weiterhin die Möglichkeit einzuräumen, gegen ihn ergangene Entscheidungen überprüfen lassen zu können, wurde die Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde um zwei weitere Tatbestände erweitert. In den Fällen, in denen gleichwohl weder die Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG-E noch die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 OWiG-E statthaft ist, soll mit § 80a OWiG-E ein gänzlich neuer und § 321a ZPO nachgebildeter Rechtsbehelf Einzug in das Bußgeldverfahren finden.

Schließlich sieht der Gesetzentwurf eine Anpassung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) im Hinblick auf die dort für Ordnungswidrigkeitenverfahren getroffene Zuständigkeitsbestimmung zu Gunsten der Landgerichte vor. Diese ist systemfremd und sachlich nicht erforderlich, da im Übrigen in keinem anderen Rechtsgebiet eine tatrichterliche Zuständigkeit der Landgerichte für Bußgeldverfahren nach erfolgtem Einspruch existiert. Daher fehlen auch sämtliche prozessualen und gerichtsverfassungsrechtlichen Regelungen, beispielsweise zur Besetzung der Landgerichte in Bußgeldsachen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Amtsgerichte nach der allgemeinen Regel des § 68 OWiG - wie in den meisten anderen Rechtsgebieten auch - für die Durchführung sämtlicher Bußgeldverfahren im Bereich des BDSG zuständig sind.

II. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes.

III. Auswirkungen

Mehrkosten werden keine entstehen. Für Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen entsteht kein Erfüllungsaufwand.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Die Änderungen der Inhaltsübersicht ergeben sich durch die Änderung der Überschriften von § 77b OWiG-E und § 80a OWiG-E sowie der Änderungen von § 80a OWiG-E und § 80b OWiG-E.

Zu Nummer 2 (§ 18 OWiG-E)

Der Vorschlag greift eine in Spanien und Frankreich seit langem mit Erfolg praktizierte Regelung auf, nach der ein Bußgeld reduziert werden kann, wenn der Betroffene auf ein Rechtsmittel verzichtet und das Bußgeld sogleich bezahlt. Der Betroffene erhält damit einen Anreiz, auf wenig aussichtsreiche Einsprüche zu verzichten, die erhebliche gerichtliche Ressourcen binden. Die Intention, eine deutliche Straffung des Verfahrensablaufes zu erreichen, um so unter Beibehaltung hoher rechtsstaatlicher Standards eine zeitnahe rechtskräftige Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zu gewährleisten, wird dadurch zusätzlich unterstützt.

Ähnlich verfährt auch das Bundeskartellamt bei der Bußgeldbemessung im sogenannten Settlementverfahren (vergleiche Ziffer 18 der Leitlinien des Bundeskartellamtes für die Bußgeldbemessung in Kartellordnungswidrigkeitsverfahren).

Die Vorschrift ist als Ermessenregel ausgestaltet, damit mit dem Instrument Erfahrungen gesammelt werden können, ohne die bestehenden Bußgeldkataloge außer Kraft zu setzen. Zudem ist durch die systematische Einordnung als "Zahlungserleichterung" und die Klarstellung, dass nur die "Zahlung" des rechtskräftig verhängten Bußgeldes erlassen werden kann, sichergestellt, dass der Bußgeldbetrag selbst und die mit ihm etwa verbundenen Nebenfolgen von der Vergünstigung unberührt bleiben.

Zu Nummer 3 (§ 46 OWiG-E)

§ 46 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E sieht zunächst vor, dass die Entnahme einer Blutprobe nicht nur bei Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24a und 24c StVG, sondern bei sämtlichen Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Straßen-, Bahn-, Schifffahrts- oder Luftverkehr keiner richterlichen Anordnung bedarf, soweit der Verdacht besteht, dass die Ordnungswidrigkeit unter der berauschenden Wirkung von Alkohol, Medikamenten oder unter das Betäubungsmittelgesetz fallenden Substanzen begangen worden ist. Es ist kein Grund ersichtlich - wie nach bisheriger

Rechtslage - nur Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24a und 24c StVG zu erfassen, Verkehrsordnungswidrigkeiten, die auf spezialgesetzlichen Regelungen beruhen, jedoch nicht. Auch bei Letzteren bestehen dieselben Erwägungen zur Entbehrlichkeit des Richtervorbehaltes wie bei Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24a und 24c StVG - insbesondere die Beschleunigung der Beweissicherung und der effektive Schutz der Sicherheit des öffentlichen Verkehrsraumes vor ungeeigneten Fahrzeugführern. Auch der Rechtskreis des Betroffenen ist bei einer nicht durch den Richter angeordneten Blutentnahme im Zusammenhang mit auf Spezialregelungen beruhenden Verkehrsordnungswidrigkeiten in keiner anderen Weise betroffen als bei Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24a und 24c StVG.

Weiter sieht der Gesetzentwurf einen neuen § 46 Absatz 6 OWiG vor: Verfügungen des Vorsitzenden nach § 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 213 Absatz 1 StPO sind bereits nach geltender Rechtslage mit der Beschwerde zwar grundsätzlich nicht anfechtbar, § 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 305 Satz 1 StPO. Eine Ausnahme sieht die Rechtsprechung jedoch für jene Fälle vor, in denen die Entscheidung des Vorsitzenden rechtswidrig ist (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt-Schmitt, § 213 StPO, Rn. 8). Soweit hier die Möglichkeit einer Beschwerde eröffnet ist, ist - eine entsprechende Nichtabhilfe durch das Gericht vorausgesetzt - von wenigen Ausnahmefällen abgesehen das Landgericht für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig, obwohl die Landgerichte ansonsten dem Bußgeldverfahren gänzlich entrückt sind. Durch § 46 Absatz 6 OWiG-E, der sich an der Vorschrift des § 28 Absatz 2 Satz 2 StPO orientiert, wird insoweit sichergestellt, dass das für die Rechtsbeschwerde zuständige Gericht auch über die Verfügung des Vorsitzenden nach § 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 213 Absatz 1 StPO zu entscheiden hat. Ist gegen die Entscheidung des Gerichtes kein Rechtsmittel gegeben, bleibt dem Betroffenen die Möglichkeit der Gehörsrüge nach § 80a OWiG-E und der Verfassungsbeschwerde. Soweit trotz § 46 Absatz 6 OWiG-E eine Beschwerde erhoben wird, hat das Gericht die Möglichkeit, gleichwohl die Hauptverhandlung durchzuführen, § 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 307 Absatz 1 StPO. Sollte sich die Verfügung nach § 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 213 Absatz 1 StPO sodann tatsächlich als rechtswidrig erweisen, stellt § 46 Absatz 6 OWiG-E sicher, dass die Entscheidung des Gerichtes, soweit diese auf der Rechtswidrigkeit der Verfügung beruht, gleichsam aufgehoben wird. Dies stellt im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eine Verbesserung der Rechtsstellung des Betroffenen dar, da nach bisheriger Rechtslage das Gericht trotz erhobener Beschwerde befugt wäre, zu verhandeln (§ 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 307 Absatz 1 StPO) und eine Entscheidung des Beschwerdegerichtes zu Gunsten des Betroffenen nicht automatisch mit der Aufhebung des Urteils durch das Rechtsbeschwerdegericht einhergeht.

Zu Nummer 4 (§ 47 OWiG-E)

Durch Verdopplung des Wertes der Geldbuße, bis zu dem das Gericht das Verfahren auch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft einstellen kann, trägt der Gesetzentwurf dem Umstand Rechnung, dass in vielen Bereichen der Bußgeldkatalogverordnung in der Vergangenheit die Regelgeldbußen erhöht wurden. Zudem wird die Flexibilität des Gerichtes erhöht, angemessen auf atypische Sachverhalte reagieren zu können.

Zu Nummer 5 (§ 66 OWiG-E)

Der Gesetzentwurf sieht unter Beachtung der weiterhin geltenden Amtsaufklärungspflicht eine Ausweitung der Möglichkeiten des Gerichtes vor, im Beschlusswege ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden zu können. Das Gericht soll nach dem Gesetzentwurf jedoch dann weiterhin grundsätzlich zu der Durchführung der Hauptverhandlung verpflichtet sein, wenn der Betroffene dies beantragt. Der Betroffene ist daher möglichst frühzeitig bereits bei Übersendung des Bußgeldbescheides darüber zu informieren, dass das Gericht bei einem Einspruch auch ohne Durchführung einer Hauptverhandlung in der Sache entscheiden kann, sofern der Betroffene die Durchführung einer solchen nicht beantragt. Zudem ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er nicht mehr nach § 73 Absatz 2 OWiG von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden kann, sobald er einen solchen Antrag gestellt hat.

Zu Nummer 6 (§ 72 OWiG-E)

Die Möglichkeiten des Gerichtes zu einer Entscheidung im Beschlusswege sollen eine deutlich effektivere Gestaltung des Verfahrens bei gleichzeitiger Wahrung der Verfahrensrechte des Betroffenen gewährleisten. Auch die Begründungsanforderungen an den Beschluss sollen nach dem Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedeutung der einzelnen Ordnungswidrigkeit abgesenkt werden. Hierzu im Einzelnen:

Nach § 72 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG-E kann das Gericht grundsätzlich von der Durchführung einer Hauptverhandlung absehen, wenn es unter Berücksichtigung seiner ihm weiterhin obliegenden Amtsaufklärungspflicht und der Verfahrensrechte des Betroffenen die Durchführung einer solchen für nicht erforderlich hält und das Urteil ohnehin nicht nach § 79 OWiG-E anfechtbar wäre. Ein solches Vorgehen kann sich insbesondere bei solchen Ordnungswidrigkeiten anbieten, die in großer Zahl von den Gerichten zu verhandeln und bei denen die entscheidenden Rechtsfragen durch die Rechtsprechung geklärt sind, weswegen von einer Hauptverhandlung kein über den bloßen Akteninhalt hinausgehender Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Hierdurch werden Hauptverhandlungen vermieden, die sich in der bloßen Abarbeitung verfahrensrechtlicher Schritte erschöpfen und im Ergebnis lediglich die Arbeitszeit des Gerichtes binden. Da § 72 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG-E - hypothetisch - darauf abstellt, ob die Entscheidung des Gerichtes nach einer Hauptverhandlung nach § 79 OWiG anfechtbar wäre, hat das Gericht vor der Wahl einer Entscheidung im Beschlusswege eine entsprechende Überlegung anzustellen, wie seine Entscheidung ausfallen wird. Beabsichtigt das Gericht beispielsweise, eine Geldbuße festzusetzen, die die Wertgrenze des § 79 OWiG-E übersteigt, oder eine Nebenfolge anzuordnen, die die Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG-E eröffnet, hat es im Rahmen einer Hauptverhandlung zu entscheiden. Darüber hinaus erscheint es jedoch nicht angemessen, das Gericht bei weniger bedeutenden Ordnungswidrigkeiten, bei denen noch nicht einmal der Weg zur Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG-E eröffnet ist, zur zeitintensiven Durchführung einer Hauptverhandlung zu zwingen, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz dies nicht als erforderlich erscheinen lässt. Zwar hat der Betroffene nach Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes einen Anspruch auf rechtliches Gehör, dieser umfasst jedoch grundsätzlich keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, in welcher Weise das rechtliche Gehör gewährt werden soll (vgl. BVerfG, NJW 2014, 2563). Der Anspruch des Betroffenen wird dadurch erfüllt, dass das Gericht ihm nach § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E eine im Vergleich zur bisherigen Rechtslage um eine Woche verlängerte dreiwöchige Frist zur Stellungnahme einzuräumen hat. Auch die Bestimmungen der grundsätzlich auf das Bußgeldverfahren anwendbaren Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) stehen einer Entscheidung im Beschlusswege - insbesondere in den Fällen des § 72 Absatz 1 Satz 5 OWiG-E - nicht entgegen. Zwar räumt Artikel 6 Absatz 1 EMRK dem Betroffenen grundsätzlich das Recht ein, dass über gegen ihn erhobene Vorwürfe im Rahmen einer öffentlichen Sitzung verhandelt wird. Jedoch wurden Einschränkungen dieses Rechts bei Verfahren außerhalb des Kernbereichs des Strafrechts - und damit insbesondere auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren - bereits mehrfach durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebilligt. Dies gilt insbesondere für jene Fälle, in denen die Überprüfung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen nicht erforderlich ist und das Gericht den Sachverhalt auf Grundlage der in der Akte befindlichen Unterlagen beurteilen kann (vgl. EGMR, Entscheidung vom 12. November 2002 - Nr. 28394/95, EGMR, Entscheidung vom 25. November 2003 - Nr. 57795/00).

Der EGMR hat ebenso anerkannt, dass auch Gesichtspunkte der Effizienz bei Beantwortung der Frage, ob eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, berücksichtigt werden können.

Artikel 6 Absatz 1 EMRK räume dem Betroffenen nämlich auch das Recht ein, dass in angemessener Zeit über die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen entschieden werde. Dem könne die Durchführung von an sich nicht erforderlichen öffentlichen Verhandlungen entgegenstehen (vgl. EGMR, Entscheidung vom 24. Juni 1993 - Nr. 14518/89). Weiter hat der Gerichtshof auch festgestellt, dass die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung nicht nur in seltenen Fällen gerechtfertigt sein könne, sondern das entscheidende Kriterium der in Artikel 6 verankerte Grundsatz des fairen Verfahrens sei (vgl. EGMR, Entscheidung vom 23. November 2006 - Nr. 73053/01). Schließlich hat er erklärt, dass die (wirtschaftliche) Bedeutung der Sache bei der Entscheidung, ob eine mündliche Verhandlung durchzuführen sei, Berücksichtigung finden könne; entscheidend sei hierbei, dass das erkennende Gericht in ausreichendem Maße abwäge, ob es eine mündliche Verhandlung aus Gründen des fairen Verfahren durchzuführen habe oder ob eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren genüge und der Betroffene hierbei ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme habe (vgl. EGMR, a.a. O.).

Diesen durch den EGMR aufgestellten Kriterien wird § 72 Absatz 1 OWiG-E gerecht. Der Betroffene hat es grundsätzlich in der Hand, durch einen entsprechenden Antrag bzw. Widerspruch die Durchführung der Hauptverhandlung zu erzwingen. Zudem hat das Gericht auch losgelöst von einem entsprechenden Antrag des Betroffenen auf Durchführung einer Hauptverhandlung stets von Amts wegen zu prüfen, ob tatsächlich eine Entscheidung im Beschlusswege tunlich erscheint oder ob der Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren und der Amtsaufklärungsgrundsatz die Durchführung einer Hauptverhandlung notwendig erscheinen lassen.

§ 72 Absatz 1 OWiG-E räumt dem Gericht lediglich die Möglichkeit ein, im Beschlusswege zu entscheiden. Das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren und der Amtsaufklärungsgrundsatz nehmen bei der Wahl der Verfahrensart eine entscheidende Stellung ein. Dies gilt in besonderem Maße für die Fälle des § 72 Absatz 1 Satz 5 OWiG-E, der vorsieht, dass im Bereich von eher unerheblichen Geldbußen der Betroffene auch nicht durch einen entsprechenden Antrag die Durchführung einer Hauptverhandlung erzwingen kann, sondern die entsprechende Entscheidung allein dem Gericht obliegt.

Beantragt der Betroffene innerhalb der Frist des § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E die Durchführung einer Hauptverhandlung, ist das Gericht nach § 72 Absatz 1 Satz 4 OWiG-E hierzu verpflichtet und eine Entscheidung im Beschlusswege ist versagt. Das Recht des Betroffenen, in der Hauptverhandlung von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch zu machen, bleibt von seinem Antrag nach § 72 Absatz 1 Satz 4 OWiG-E unberührt. Ein Fall des § 72 Absatz 1 Satz 4 OWiG-E ist auch dann gegeben, wenn der Betroffene bereits vor Beginn der Frist des § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E einen Antrag auf Durchführung der Hauptverhandlung gestellt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene einen solchen Antrag auf Grund des Hinweises nach § 66 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c OWiG-E bereits mit seinem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid stellt.

Versäumt es der Betroffene, innerhalb der Frist nach § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E einen Antrag auf Durchführung der Hauptverhandlung zu stellen, und geht der Antrag bei Gericht ein, nachdem dieses bereits im Beschlusswege entschieden hat, ist die Entscheidung des Gerichtes hinzunehmen und kann allein im Rahmen der Rechtsbeschwerde (vgl. auch § 80 Absatz 1 Nummer 4 OWiG-E) oder über die Gehörsrüge nach § 80a OWiG-E angegriffen werden. Eine Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist im Sinne des Bestandes der gerichtlichen Entscheidung nicht vorgesehen. Der Betroffene wird bereits nach § 66 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c OWiG-E zu dem frühen Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheides darauf hingewiesen, dass das Gericht auch ohne Durchführung einer Hauptverhandlung entscheiden kann, sollte der Betroffene keinen entsprechenden Antrag stellen. Bleibt der Betroffene trotz des Hinweises nach § 66 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c OWiG-E untätig, scheinen Fälle, in denen das Versäumnis der Frist nach § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E - wie für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand notwendig - nicht auf ein Verschulden des Betroffenen zurückzuführen ist, ohnehin kaum praktisch denkbar. Dem Betroffenen bleibt es nämlich unbenommen, bereits mit Einspruchseinlegung einen Antrag auf Durchführung der Hauptverhandlung zu stellen. Den zumindest theoretisch denkbaren Fällen, in denen ein solcher Antrag durch den Betroffenen tatsächlich unentschuldigt nicht angebracht worden ist, lässt sich mit den Möglichkeiten der Rechtsbeschwerde und der Anhörungsrüge nach § 80a OWiG-E begegnen, sodass der Betroffene insoweit keinen Nachteil zu besorgen hat, sofern in entscheidungserheblicher Weise im Beschlussverfahren sein Vorbringen keine Berücksichtigung finden konnte.

Im Übrigen ist § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E keine unabdingbare Ausschlussfrist. Hat der Betroffene nach Ablauf der drei Wochen einen Antrag auf Durchführung der Hauptverhandlung gestellt und hat das Gericht noch nicht im Beschlusswege entschieden, ist dem Anliegen des Betroffenen Vorrang einzuräumen und trotz Fristversäumung eine Hauptverhandlung anzuberaumen.

Von dem Grundsatz des § 72 Absatz 1 Satz 4 OWiG-E macht § 72 Absatz 1 Satz 5 OWiG eine Ausnahme, sofern gegen den Betroffenen im Bußgeldbescheid lediglich eine Geldbuße von weniger als sechzig Euro verhängt worden ist und das Gericht hiervon auch nicht zum Nachteil des Betroffenen abweicht. Die Wertgrenze orientiert sich mit Blick auf die in der Praxis überwiegenden Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 24, 24a und 24c StVG an § 28 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb StVG, der insoweit bestimmt, dass im Fahreignungsregister Daten zu rechtskräftigen Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit der vorgenannten Vorschriften gespeichert werden können, soweit eine Geldbuße von mindestens sechzig Euro festgesetzt worden ist.

§ 72 Absatz 1 Satz 5 OWiG-E stellt jedoch insoweit klar, dass eine solche Entscheidung im Beschlusswege nur dann zulässig ist, wenn dem Betroffenen ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, sich schriftlich zu äußern. Das Gericht hat insoweit je nach Einzelfall zu prüfen, ob der Betroffene im Rahmen des Einspruches und unter Berücksichtigung der Frist des § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E hierzu ausreichend Gelegenheit hatte, sodass im Beschlusswege entschieden werden kann. In aller Regel ist hiervon jedoch auszugehen.

§ 72 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 OWiG-E gibt die bisherige Rechtslage wieder. Soweit die übrigen Beteiligten nicht widersprechen, kann das Gericht in jedem Falle - also auch in den Fällen, in denen die Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG statthaft wäre - im Beschlusswege entscheiden. Auch die Hinweispflicht nach § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E entspricht grundsätzlich der bisherigen Rechtslage, wobei sich diese auch auf die neu geschaffenen Möglichkeiten zur Entscheidung im Beschlusswege erstreckt und die Stellungnahmefrist von zwei Wochen nach der bisherigen Rechtslage auf drei Wochen erweitert wird, um insbesondere dem Betroffenen eine umfangreiche Möglichkeit zur Äußerung einzuräumen.

§ 72 Absatz 1 Satz 3 OWiG-E entspricht ebenfalls der bisherigen Rechtslage.

Soweit die Staatsanwaltschaft erklärt hat, dass sie nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen wird, kann das Gericht auch gegen ihren Widerspruch im Beschlusswege entscheiden, § 72 Absatz 1 Satz 6 OWiG-E. Es ist nicht verständig, warum das Gericht, das selbst eine Hauptverhandlung zur Aufklärung der Sache nicht für erforderlich erachtet, auf Grund des Widerspruchs der nicht an der Sitzung teilnehmenden Staatsanwaltschaft gezwungen wird, eine Hauptverhandlung durchzuführen.

§ 72 Absatz 2 Satz 1 OWiG-E wird lediglich redaktionell überarbeitet und im Hinblick auf die neue Struktur des § 72 Absatz 1 OWiG-E angepasst.

§ 72 Absatz 2 Satz 1 OWiG-E gilt ausweislich seines klaren Wortlautes allein für das Verfahren nach § 72 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 OWiG-E.

Eine Neuerung zur Effektivierung des Verfahrensablaufes stellt § 72 Absatz 2 Satz 3 OWiG-E dar, indem die Vorschrift das weiterhin mögliche Nebeneinander von Wiedereinsetzungsantrag und Rechtsbeschwerde verfahrensrechtlich vereinfacht: Macht der Betroffene von dieser Möglichkeit der gleichzeitigen Einlegung Gebrauch, hat das für die Rechtsbeschwerde zuständige Gericht auch über den Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen zu befinden. Insoweit wird eine Zuständigkeitskonzentration geschaffen, die im Sinne eines zügigen rechtskräftigen Verfahrensabschlusses das Auseinanderfallen der Zuständigkeiten und die mögliche Befassung von drei verschiedenen Gerichten mit dem Anliegen des Betroffenen verhindert.

§ 72 Absatz 2 Satz 3 OWiG-E stellt damit eine von § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 46 Absatz 1 StPO abweichende Sondervorschrift für das Ordnungswidrigkeitenverfahren dar. Soweit das für die Rechtsbeschwerde zuständige Gericht auch über den Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen zu befinden hat, ist die diesbezügliche Entscheidung des Gerichtes in Abkehr von § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 46 Absatz 3 StPO unanfechtbar, um so sicherzustellen, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren zeitgleich mit dem Verfahren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beendet ist. Will der Betroffene weiterhin die Möglichkeit haben, die ablehnende Entscheidung des Gerichtes seinen Wiedereinsetzungsantrag betreffend mit der sofortigen Beschwerde angreifen zu können, steht ihm dies zu, indem er von einer Einlegung der Rechtsbeschwerde neben dem Wiedereinsetzungsantrag absieht.

Weiter sieht der Gesetzentwurf eine Streichung des § 72 Absatz 3 Satz 2 OWiG vor. Dem Gericht wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, auch bei einer Entscheidung im Beschlusswege zum Nachteil des Betroffenen von der im Bußgeldbescheid festgesetzten Rechtsfolge abzuweichen. Das bisher in § 72 Absatz 3 Satz 2 OWiG vorgesehene Verschlechterungsverbot ist keine zwingende Folge des Rechtsstaatsprinzips, sondern eine seitens des Gesetzgebers gewährte Rechtswohltat (vgl. BGH, NJW 1983, 174). Der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör bleibt in diesem Zusammenhang gewahrt: Nach § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 256 StPO hat das Gericht den Betroffenen auf die beabsichtigte Verfahrensweise hinzuweisen und ihm ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Andernfalls besteht neben der Rechtsbeschwerde die Möglichkeit der Beantragung ihrer Zulassung nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 OWiG-E bzw. der Erhebung der Gehörsrüge nach § 80a OWiG-E. Zudem wird ein für den Betroffenen nachteiliges Abweichen von der im Bußgeldbescheid festgesetzten Rechtsfolge auch ein wichtiges Kriterium für das Gericht bei der Frage sein, ob es unter Beachtung der Amtsaufklärungspflicht im Beschlusswege entscheidet oder eine Hauptverhandlung anberaumt, wenngleich eine Entscheidung durch Beschluss auch in diesen Fällen nicht zwingend ausgeschlossen ist. Gerade in den Fällen, in denen die Verschlechterung auf eine gesicherte Rechtsprechung zurückzuführen ist oder die Verwaltungsbehörde im Bußgeldbescheid versehentlich eine zu geringe Rechtsfolge festgesetzt hat, steht einer Entscheidung im Beschlusswege grundsätzlich nichts entgegen. Das Gericht wird sich immer von der Frage leiten lassen müssen, ob dem Betroffenen auch im schriftlichen Wege genügend Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden kann, um auf eine vom Gericht beabsichtigte Verschärfung der Rechtsfolgen zu reagieren. Im Übrigen hat ein entsprechender Hinweis an den Betroffenen auf die Möglichkeit der Verschlechterung so frühzeitig wie möglich zu erfolgen. Da sich die Umstände einer Verschlechterung in aller Regel aus der dem Gericht vorliegenden Akte und nicht erst im Rahmen der Stellungnahme des Betroffenen innerhalb der Frist des § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E ergeben dürften, ist das Gericht insoweit regelmäßig gehalten, dem Betroffenen den Hinweis nach § 46 Absatz 1,

§ 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 256 StPO zeitgleich mit jenem nach § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E zu erteilen, weswegen es dem Betroffenen in diesen Fällen freisteht, die Durchführung einer Hauptverhandlung zu beantragen, soweit das Gericht eine solche nicht ohnehin von Amts wegen durchzuführen beabsichtigt. Sofern das Gericht wegen einer Nachlässigkeit dem Betroffenen erst nach Ablauf der Frist des § 72 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E den Hinweis nach § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 256 StPO erteilt, wird es zu prüfen haben, ob unter dem Gesichtspunkt eines fairen Verfahrens sein ihm bei der Wahl der Verfahrensart zustehendes Ermessen auf null reduziert und die Durchführung einer Hauptverhandlung alternativlos ist.

§ 72 Absatz 6 Satz 1 OWiG-E sieht eine Ausweitung der Konstellationen vor, in denen das Gericht von einer vollständigen Begründung des Beschlusses absehen kann. Während nach bisheriger Rechtslage eine vollständige Beschlussbegründung nur dann nicht erforderlich ist, wenn die Beteiligten hierauf verzichten, kann nunmehr nach § 72 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 OWiG-E auch dann von einer solchen abgesehen werden, wenn die Rechtsbeschwerde nach § 79 bzw. § 80 OWiG nicht statthaft ist. Damit bedarf es keiner vollständigen Begründung des Beschlusses, wenn gegen den Betroffenen lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist. Ist gegen den Betroffenen zusätzlich noch eine Nebenfolge angeordnet worden, findet die Vorschrift nur dann Anwendung, wenn es sich dabei um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert einhundert Euro nicht übersteigt. Es lässt sich nicht rechtfertigen, dass das die Entscheidung im Bußgeldbescheid bestätigende Gericht bei weniger bedeutenden Geldbußen eine umfängliche Begründung zu verfassen hat, wenn die Entscheidung ohnehin nicht mit der Rechtsbeschwerde überprüfbar ist und der Betroffene die wesentlichen Umstände der Tat dem Bußgeldbescheid entnehmen kann (§ 66 Absatz 1 OWiG). Insoweit genügt eine Bezugnahme des Gerichtes auf den Bußgeldbescheid. Im Übrigen kann das Gericht nach freiem Ermessen den Umfang der Beschlussgründe bestimmen. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedarf eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbare, letztinstanzliche Entscheidung grundsätzlich keiner vollständigen Begründung (vgl. statt aller BVerfGE 118, 212 <238>). Da der Beschlussentscheidung anders als bei einer Hauptverhandlung keine mündliche Begründung der Entscheidung des Gerichtes vorausgeht, welcher der Betroffene die tragenden Erwägungen der Entscheidung entnehmen könnte, hat das Gericht bei nicht anfechtbaren Beschlüssen eine kurze Begründung niederzulegen, wenn und warum es zum Nachteil des Betroffenen von der im Bußgeldbescheid getroffenen Entscheidung abgewichen ist, § 72 Absatz 6 Satz 3 OWiG-E.

§ 72 Absatz 6 Satz 4 OWiG-E entspricht der bisherigen Rechtslage und wird lediglich redaktionell angepasst.

Wird gegen den Betroffenen durch das Gericht lediglich eine Geldbuße von mehr als einhundert aber nicht mehr als zweihundert Euro festgesetzt, kommt gegen die Entscheidung des Gerichtes nur die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Absatz 2 Nummer 1 OWiG-E in Betracht. Danach wird die Rechtsbeschwerde wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von anderen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts zugelassen. In der Gesamtschau mit § 80 Absatz 1 OWiG-E kommt die Zulassung bei diesen Sachverhalten nur bei Versagung des rechtlichen Gehörs, zur Fortbildung des Rechts oder in den Fällen des § 80 Absatz 1 Nummer 3 und 4 OWiG-E in Betracht.

§ 72 Absatz 7 OWiG-E stellt insoweit sicher, dass die Begründung des Beschlusses auf jenen Umfang beschränkt ist, der im Rahmen der Rechtsbeschwerde überhaupt überprüfbar ist. Es ist in diesem Zusammenhang überflüssig, dem Gericht wie nach geltender Rechtslage Begründungserfordernisse aufzubürden, deren Umfang durch die Rechtsmittelkontrolle gar nicht gerechtfertigt ist. Die Gründe des Beschlusses dienen nämlich nicht dazu, den gesamten Verfahrensablauf wiederzugeben; sie sollen das Rechtsmittelgericht - ebenso wie den Betroffenen - in die Lage versetzen, die getroffene Entscheidung im Rahmen der zulässigen Anfechtung zu überprüfen.

§ 72 Absatz 7 OWiG-E stellt insoweit einen Gleichlauf zwischen dem Umfang der erforderlichen Begründung des Beschlusses und dem Umfang seiner möglichen Überprüfbarkeit her.

Zu Nummer 7 (§ 73 OWiG-E)

In der Praxis ist vermehrt zu beobachten, dass Entbindungsanträge nach § 73 Absatz 2 OWiG oftmals sehr kurzfristig, bisweilen auch noch am Tag der Hauptverhandlung, gestellt werden. Dies zieht nicht selten einen erhöhten Arbeitsaufwand nach sich, da das Gericht kurzfristig über die Entbindung zu entscheiden hat, was insbesondere an Sitzungstagen mit gewissen Schwierigkeiten behaftet sein kann. Auch für die Serviceeinheiten bedeuten kurzfristig gestellte Entbindungsanträge oftmals zusätzlichen und vermeidbaren Arbeitsaufwand. Dies gilt insbesondere bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, wenn die Fahrereigenschaft durch den Betroffenen doch noch schriftsätzlich eingeräumt und die Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung beantragt wird. Dann sind in vielen Fällen Zeugen zur Identifizierung des Fahrzeugführers oder auch gar anthropologische Sachverständige zur Vermeidung weiterer Kosten kurzfristig - oftmals gar telefonisch - abzuladen. Gerade für polizeiliche Zeugen bedeutet dies bisweilen ein Ärgernis, wenn Dienstpläne auf die Hauptverhandlung abgestimmt worden sind und dies dann kurzfristig obsolet wird.

§ 73 Absatz 3 OWiG-E sieht daher vor, dass der Betroffene innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Ladung zur Hauptverhandlung einen Entbindungsantrag zu stellen hat; später bei Gericht eingehende Anträge sind unzulässig. Da zwischen Zustellung des Bußgeldbescheides bei dem Betroffen und dessen Ladung zur Hauptverhandlung durch das Gericht in der Praxis in der Regel mehrere Wochen vergehen, sind die Verteidigungsrechte des Betroffenen auch ausreichend gewahrt, sofern er sich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Ladung zur Hauptverhandlung entscheiden muss, ob er einen Entbindungsantrag stellen möchte. Ihm ist zuzumuten, diese Entscheidung spätestens in der vorgenannten Frist zu treffen.

Soweit ein Entbindungsantrag nach § 73 Absatz 2 OWiG durch das Gericht - auch auf Grund der Versäumnis der Frist des § 73 Absatz 3 Satz 2 OWiG-E - zurückgewiesen wird, ist eine Beschwerdemöglichkeit nach § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 304 Absatz 1 StPO nicht gegeben. Vielmehr ist die den Entbindungsantrag verwerfende Entscheidung nur zusammen mit dem Urteil des Gerichtes anfechtbar, § 73 Absatz 5 Satz 1 OWiG-E. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Verfahrensablauf durch streitige Rechtsansichten über die Zulässigkeit und Begründetheit des Entbindungsantrages nicht unnötig verzögert wird. Hinzu kommt, dass - eine entsprechende Nichtabhilfe durch das Gericht vorausgesetzt - in der Regel das Landgericht nach bisheriger Rechtslage für die Entscheidung über die Beschwerde des Betroffenen zuständig ist, obwohl dieses ansonsten für die spruchrichterliche Entscheidung in Ordnungswidrigkeitenverfahren überhaupt nicht berufen ist. Vielmehr sollte es dem in Bußgeldsachen erfahrenen Rechtsbeschwerdegericht obliegen, zu entscheiden, ob die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung erforderlich im Sinne des § 73 Absatz 2 OWiG ist.

Lediglich in jenen Fällen, in denen eine Zurückweisung des Antrages nach § 73 Absatz 2 OWiG-E auf Grund der Versäumung der Frist nach § 73 Absatz 3 OWiG-E erfolgt, hat der Betroffene die Möglichkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachzusuchen.

§ 73 Absatz 5 Satz 2 OWiG-E sieht insoweit vor, dass - ebenso im Sinne eines zügigen Abschlusses des Verfahrens - die den Wiedereinsetzungsantrag zurückweisende Entscheidung des Gerichtes erneut nur zusammen mit dem Urteil anfechtbar ist. Insoweit ist eine Sondervorschrift zu § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG, § 46 Absatz 3 StPO gegeben.

§ 73 Absatz 4 OWiG-E sieht vor, dass in jenen Fällen, in denen der Betroffene nach § 72 Absatz 1 Satz 4 OWiG-E einen Antrag auf Durchführung der Hauptverhandlung stellt und das Gericht deswegen eine solche anberaumt, eine Entbindung des Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht mehr möglich ist. Der Betroffene ist insoweit an seinen Antrag gebunden. Wird ihm durch das Gericht über das verfassungsrechtlich Notwendige hinaus die Möglichkeit eingeräumt, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen einer Hauptverhandlung wahrzunehmen, hat der Betroffene auch zu erscheinen. Andernfalls sähe sich das Gericht, das womöglich ohne entsprechenden Antrag des Betroffenen im Beschlusswege nach § 72 Absatz 1 Satz 1 OWiG-E entschieden hätte, dem Umstand ausgesetzt, umsonst eine Hauptverhandlung angesetzt zu haben. Dem Betroffenen ist es auch zuzumuten, dass er im Hinblick auf die bloße Teilnahme an der Hauptverhandlung an seinen entsprechenden Antrag gebunden ist, zumal es ihm unbenommen bleibt, in der Hauptverhandlung von seinem Recht zu Schweigen Gebrauch zu machen. Stellt der Betroffene gleichwohl einen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung und weist das Gericht diesen zurück, ist eine Anfechtung im Sinne des zügigen Abschlusses des Verfahrens erneut nur zusammen mit dem Urteil selbst möglich, sei es im Rahmen der Rechtsbeschwerde oder - mangels deren Statthaftigkeit - im Rahmen der Anhörungsrüge nach § 80a OWiG-E.

§ 73 Absatz 4 OWiG-E greift insbesondere auch dann, wenn der Betroffene auf den Hinweis nach § 66 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe c OWiG-E bereits mit dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einen Antrag auf die Durchführung einer Hauptverhandlung stellt. Auch für einen nicht juristisch vorgebildeten Betroffenen dürfte es sich insoweit zwangsläufig ergeben, dass er an einer Hauptverhandlung teilzunehmen hat, sofern er deren Durchführung beantragt hat.

§ 73 Absatz 6 OWiG-E entspricht dem bisherigen § 73 Absatz 3 OWiG-E.

Zu Nummer 8 (§ 74 OWiG-E)

§ 74 Absatz 4 Satz 2 und 3 OWiG-E sieht - entsprechend wie § 72 Absatz 2 Satz 3 OWiG-E - im Sinne eines zeitnahen rechtskräftigen Abschlusses des Verfahrens eine Effektivierung des Rechtsbehelfsweges vor: Nach derzeitiger Rechtslage kann gegen ein Verwerfungsurteil nach § 74 Absatz 2 OWiG sowohl die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 74 Absatz 4 OWiG als auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 79 Absatz 1 Satz 1 OWiG die Rechtsbeschwerde erhoben werden. Dies führt in der Praxis mitunter dazu, dass drei unterschiedliche Gerichte mit der Sache befasst werden, obwohl dies unter Berücksichtigung der Bedeutung der überwiegenden Zahl an Ordnungswidrigkeitenverfahren verfassungsrechtlich nicht erforderlich ist. Im Ergebnis führt dies bisweilen zu einer deutlichen Verzögerung der Rechtskraft einer Entscheidung, obwohl insbesondere auch die Allgemeinheit gerade bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, in deren Zusammenhang gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt wurde, ein Interesse an einer zeitnahen Vollstreckung hat.

Nach § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E wird insoweit eine Zuständigkeitskonzentration bei dem Rechtsbeschwerdegericht geschaffen, sofern neben einem Wiedereinsetzungsantrag die Rechtsbeschwerde erhoben wird. Dies führt zu der Möglichkeit einer beschleunigten und umfassenden Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Eine abschließende Entscheidung unter Beachtung sowohl des Wiedereinsetzungsantrages als auch der Rechtsbeschwerde durch ein- und dasselbe Gericht ist nicht nur im Sinne der Verfahrensbeschleunigung zu befürworten, sondern liegt auch im Interesse des Betroffenen, da eine unnötige Aufspaltung des Sachverhaltes unter Beachtung der unterschiedlichen Rechtsbehelfszüge wie nach der bisherigen Rechtslage vermieden wird.

§ 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E sieht die Zuständigkeitskonzentration für jene Fälle vor, in denen der Wiedereinsetzungsantrag "neben" der Rechtsbeschwerde gestellt wird. Unter Beachtung der auch nach dem vorliegenden Gesetzentwurf über die Verweisungsnormen § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG weiterhin geltende Vorschrift des § 342 Absatz 1 StPO ist ein Wiedereinsetzungsantrag neben der Rechtsbeschwerde gestellt, wenn er innerhalb der einwöchigen Einlegungsfrist für die Rechtsbeschwerde nach § 79 Absatz 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 341 Absatz 1 StPO erhoben wird. Sollte der Betroffene tatsächlich eine kumulative Einlegung von Wiedereinsetzungsantrag und Rechtsbeschwerde erwägen, dürfte in der Praxis insoweit eine gleichzeitige Einlegung die Regel sein, da die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag nach § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 45 Absatz 1 Satz 1 StPO ebenfalls eine Woche beträgt. Unter Beachtung des Regelungsgehaltes des § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E ist es aus praktischer Sicht jedoch zu empfehlen, dass das den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Absatz 2 OWiG verwerfende Gericht in jedem Falle den Ablauf der oben genannten Fristen bis zu einer Entscheidung abwartet, sollte der Betroffene zu Beginn der Fristen isoliert nur die Rechtsbeschwerde eingelegt oder einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt haben. Allein bei kumulativer Einlegung greift die Regelung des § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E. Denn nur wenn der Betroffene neben seinem Wiedereinsetzungsantrag auch die Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise einlegt, besteht Bedarf, das Rechtsbeschwerdegericht mit der Sache zu befassen. In diesem Fall bildet § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E eine Sonderregel zu § 46 Absatz 1 StPO. Aber nicht nur § 46 Absatz 1 StPO wird von § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E verdrängt, sondern auch § 346 StPO.

§ 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E hat zum Ziel, dass in jedem Falle - also auch bei Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages oder der Rechtsbeschwerde - das Rechtsbeschwerdegericht in der Sache zu entscheiden hat. Die Zuständigkeitskonzentration bei dem Rechtsbeschwerdegericht ist deswegen sinnvoll, da auch nach bisheriger Rechtslage das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Verfahrensrüge darüber zu befinden hat, ob die Voraussetzungen zur Verwerfung des Einspruches nach § 74 Absatz 2 OWiG gegeben waren. Darüber hinaus kann im Rahmen der Rechtsbeschwerde zwar auch die Frage relevant werden, ob das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses einer Entscheidung nach § 74 Absatz 2 OWiG entgegengestanden hat. Gleichwohl ist auch im Rahmen der Rechtsbeschwerde zentrale Frage, ob der Betroffene tatsächlich unentschuldigt der Hauptverhandlung ferngeblieben ist, weswegen insoweit Deckungsgleichheit mit dem Prüfungskanon im Rahmen des Wiedereinsetzungsverfahrens besteht. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, dass nach bisheriger Rechtslage bis zu drei unterschiedliche Gerichte mit denselben Verfahrensfragen befasst sein sollen.

Sind Wiedereinsetzungsantrag und Rechtsbeschwerde nebeneinander eingelegt, hat das den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Absatz 2 OWiG verwerfende Gericht die Akten im ordentlichen Geschäftsgang dem Rechtsbeschwerdegericht vorzulegen.

Zu einer Entscheidung in der Sache ist es in keinem Falle berufen. Die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes ist nach § 74 Absatz 4 Satz 3 OWiG-E unanfechtbar. Gegen die auf die Rechtsbeschwerde ergehende Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes hat der Betroffene nach bisheriger Rechtslage ebenfalls kein ordentliches Rechtsmittel. Hieran wird gemäß § 74 Absatz 4 Satz 3 OWiG-E festgehalten. Die von § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E beabsichtigte Verfahrensvereinfachung würde jedoch im Ergebnis nicht erreicht und die bisher bestehende Aufspaltung des Rechtsbehelfsweges lediglich um eine Instanz weitergeschoben, wenn die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichtes in Bezug auf den Wiedereinsetzungsantrag des Betroffenen anfechtbar wäre, jene im Hinblick auf die erhobene Rechtsbeschwerde jedoch nicht.

Entscheidet das Instanzgericht in Verkennung des § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E in der Sache über den durch den Betroffenen gestellten Wiedereinsetzungsantrag, hat das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde die Entscheidung des Instanzgerichtes aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

Sucht der Betroffene lediglich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach, verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage und der damit verbundenen Anwendung der Vorschriften der §§ 44 ff. StPO. Begehrt der Betroffene lediglich eine Überprüfung, ob er die Hauptverhandlung tatsächlich schuldhaft versäumt hat, besteht keine Notwendigkeit der Befassung des Rechtsbeschwerdegerichtes mit dem Sachverhalt. Dem Betroffenen bleibt die Möglichkeit der Überprüfung durch das Instanzgericht und - im Falle der Einlegung der sofortigen Beschwerde - durch das Beschwerdegericht. Ebenfalls verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage, sofern der Betroffene gegen das Verwerfungsurteil lediglich die Rechtsbeschwerde erhebt.

Legt auch die Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde gegen das Verwerfungsurteil ein, verbleibt es ebenfalls bei der bisherigen Rechtslage. Ein Fall des § 74 Absatz 4 Satz 2 OWiG-E liegt insoweit nicht vor, da diese Rechtsbeschwerde nicht neben einem Wiedereinsetzungsantrag eingelegt wird, sondern von einem anderen Verfahrensbeteiligten zusätzlich.

Zu Nummer 9 (§ 77 OWiG-E)

Nach bisheriger Rechtslage kann ein Beweisantrag nach § 77 Absatz 2 Nummer 2 OWiG insbesondere dann abgelehnt werden, wenn nach freier Würdigung des Gerichtes das Beweismittel oder die zu beweisende Tatsache ohne verständigen Grund so spät vorgebracht wird, dass die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

Mit der Vorschrift soll der Prozessverschleppung und dem Missbrauch prozessualer Rechte in Gestalt bewussten Zurückhaltens von Beweismitteln begegnet werden. Die praktische Bedeutsamkeit der Vorschrift ist zweifelhaft. Insbesondere wird eine Aussetzung der Hauptverhandlung unter Beachtung der Unterbrechungsfrist von § 71 Absatz 1 OWiG, § 229 Absatz 1 StPO in vielen Fällen nicht erforderlich sein. Eine Ablehnung eines Beweisantrages nach § 77 Absatz 2 Nummer 2 OWiG kommt nur dann in Betracht, wenn auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit von mehreren Fortsetzungsterminen eine Beweiserhebung nicht möglich ist. Dies ist in aller Regel nicht der Fall, da das Gericht durch geschickte Anberaumung von kurzen Fortsetzungsterminen auch unter Berücksichtigung des Terminvorlaufes insbesondere bei den Amtsgerichten eine Aussetzung der Hauptverhandlung verhindern kann.

Auch unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes ist es jedoch nicht hinzunehmen, dass das Gericht dem bewussten Zurückhalten von Beweismitteln durch den Betroffenen durch umfangreiche Terminierungen begegnen muss, um die Aussetzung der Hauptverhandlung zu verhindern, und es dem Betroffenen insoweit freisteht, durch prozessverschleppende Maßnahmen das Gericht in terminliche Schwierigkeiten zu bringen.

§ 77 Absatz 2 Nummer 2 OWiG-E sieht daher die Möglichkeit der Zurückweisung eines Beweisantrages auch dann vor, wenn bei Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen eine Unterbrechung von nicht nur unerheblicher Dauer die Folge einer Beweiserhebung wäre. Dem Betroffenen bleibt es weiterhin unbenommen, zu dem Tatvorwurf gänzlich zu schweigen.

Zu einer aktiven Teilnahme an der Hauptverhandlung ist er weiterhin nicht verpflichtet. Er muss jedoch damit rechnen, dass ein verspätet gestellter Beweisantrag zurückgewiesen werden kann, wenn ansonsten die effektive Durchführung der Hauptverhandlung leiden würde.

Unter Berücksichtigung einer bedeutungsabhängigen Aufklärungsintensität ist das Gericht nur verpflichtet, seine Beweisaufnahme auf jene Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die sich nach der Aktenlage und dem Verfahrensablauf aufdrängen. Den Betroffenen trifft insoweit lediglich die Obliegenheit, Beweismittel und entscheidungserhebliche Tatsachen, die sich dem Gericht nach bisherigem Verfahrensablauf nicht aufdrängen, nicht bewusst zurückzuhalten. Die in der Regel eher geringe Bedeutung von Ordnungswidrigkeiten lässt es auch unter Beachtung der Amtsaufklärungspflicht des Gerichtes unbedenklich sein, dass eine Zurückweisung "verspätet" gestellter Beweisanträge unter einfacheren Voraussetzungen als nach § 244 Absatz 3 Satz 2 StPO möglich ist. Dies ist jedoch nur dann praktisch umsetzbar, wenn nicht nur die Aussetzung der Hauptverhandlung Folge der Beweiserhebung wäre, sondern auch bereits ihre nicht nur unerhebliche Unterbrechung. Praktisch wird eine Aussetzung der Hauptverhandlung in aller Regel durch geschickte Anberaumung von (mehreren) Fortsetzungsterminen zu verhindern sein. Der Betroffene hat es insoweit nach bisheriger Rechtslage immer noch in Hand, durch bewusstes Zurückhalten von Beweismitteln das Gericht vor organisatorische Herausforderungen zu stellen und so das Verfahren zu verzögern.

Wann eine Unterbrechung nicht nur unerheblich ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Kriterien sind neben der Bedeutung der Sache (§ 77 Absatz 1 Satz 2 OWiG), insbesondere das Maß der tatsächlichen Entscheidungserheblichkeit der zu beweisenden Tatsache, der Grad des bewussten Zurückhaltens des Beweismittels durch den Betroffenen, der Umfang der nach dem Beweisantrag erforderlichen Beweiserhebung sowie die Frage, ob sich die Beweiserhebung dem Gericht hätte aufdrängen müssen. Sobald Letzteres der Fall ist, kommt eine Zurückweisung nach § 77 Absatz 2 Nummer 2 OWiG-E in der Regel nicht mehr in Betracht, da insoweit nicht von einer dem Betroffenen zuzurechnenden Verfahrensverzögerung auszugehen ist. Das Gericht hat nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt einer beschleunigten Durchführung der Hauptverhandlung diese so umfassend vorzubereiten, dass eine zeitnahe Erledigung grundsätzlich möglich ist. Zumindest dann, wenn diese umfassende Vorbereitung des Gerichtes durch ein bewusstes Verhalten des Betroffenen unterlaufen wird, kommt eine Zurückweisung eines Beweisantrages nach § 77 Absatz 2 Nummer 2 OWiG-E in Betracht. Eine Zurückweisung nach § 77 Absatz 2 Nummer 2 OWiG-E wird dagegen in der Regel dann nicht in Erwägung zu ziehen sein, wenn die Hauptverhandlung nur kurz unterbrochen werden muss, um beispielsweise eine aktuelle Auskunft aus dem Fahreignungsregister einzuholen oder eine Akte eines anderen Verfahrens beizuziehen, sodass die Hauptverhandlung noch am selben Tage fortgesetzt werden kann.

Zu Nummer 10 (§ 77a OWiG-E)

§ 77a Absatz 4 OWiG-E sieht eine praktische Ausweitung der Möglichkeit der Durchführung einer vereinfachten Beweisaufnahme nach § 77a Absatz 1 bis 3 OWiG vor. Bisher steht diese Möglichkeit nach § 77a Absatz 4 OWiG unter der Bedingung, dass die in der Hauptverhandlung anwesenden Verfahrensbeteiligten diesem Vorgehen zustimmen. Dem Gericht ist es auf Grund dessen in der Praxis daher oftmals verwehrt, nach Maßgabe der § 77a Absatz 1 bis 3 OWiG zu verfahren, obwohl auf Grund der Gleichförmigkeit insbesondere von immer wiederkehrenden Verkehrsordnungswidrigkeiten von einer vollumfänglichen Beweisaufnahme kein tatsächlicher Mehrwert zu erwarten ist und insbesondere der Betroffene schlicht aus verfahrensfernen Gründen seine Zustimmung zu einer Verfahrensweise nach § 77a Absatz 1 bis 3 OWiG verwehrt.

§ 77a Absatz 4 OWiG-E sieht daher vor, dass die Zustimmung der Verfahrensbeteiligten zu einer nach § 77a Absatz 1 bis 3 OWiG möglichen Vorgehensweise nur bei erheblichen Geldbußen notwendig ist. Bei eher unbedeutenden Ordnungswidrigkeiten ist es unter Beachtung prozessökonomischer Gesichtspunkte nicht gerechtfertigt, dass das Gericht eine einem Strafprozess nahezu entsprechende Beweisaufnahme durchzuführen hat. Soweit § 77a Absatz 1 bis 3 OWiG eine Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 250 StPO) vorsieht, die - zumindest bei weniger bedeutenden Ordnungswidrigkeiten - auch nicht durch die Verweigerung der Zustimmung durch einen der Verfahrensbeteiligten verhindert werden kann, ist dies unter Beachtung des weiterhin geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes unschädlich. Diesem kommt bei der Wahl der Art der Beweisaufnahme eine die Anwendung der § 77a Absatz 1 bis 3 OWiG begrenzende Funktion zu: Je entscheidender aus Sicht des Gerichtes die Beweisaufnahme ist, umso mehr dürfte sich eine unmittelbare Beweisaufnahme aufdrängen.

§ 77a Absatz 5 OWiG-E normiert eine weitere Beweiserleichterung für die Gerichte: Soweit bei Verkehrsordnungswidrigkeiten eine Messung nach einem sogenannten "standardisierten Messverfahren" vorliegt (beispielsweise Geschwindigkeitsoder Abstandsmessung), darf das Gericht auch unbeschadet seiner Amtsaufklärungspflicht von der Richtigkeit der Messung ausgehen. Weitere Beweiserhebungen zur Richtigkeit der Messung sind in der Regel nur dann veranlasst, sofern konkrete Anhaltspunkte tatsächlich Zweifel an der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung begründen.

§ 77a Absatz 5 OWiG-E bringt die Rechtsprechung zum sogenannten "standardisierten Messverfahren" in Gesetzesform.

Zu Nummer 11 (§ 77b OWiG-E)

§ 77b Absatz 1 Satz 3 bis 5 OWiG-E weitet die Möglichkeiten des Gerichtes, zunächst von der Abfassung schriftlicher Urteilsgründe abzusehen, wenn Verfahrensbeteiligte nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen haben bzw. von der Pflicht zum Erscheinen entbunden worden sind, aus. Da die Staatsanwaltschaft in aller Regel nicht an der Hauptverhandlung teilnimmt (§ 75 Absatz 1 Satz 1 OWiG), wird die Vorschrift in der Praxis in aller Regel für jene Fälle bedeutsam, in denen der Betroffene von seiner Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Absatz 2 OWiG entbunden worden ist und das Gericht daher ohne Anwesenheit eines sonstigen Verfahrensbeteiligten oder lediglich in Anwesenheit des Verteidigers die Hauptverhandlung durchzuführen hat. Auch nach bisheriger Rechtslage kann das Gericht in diesen Verfahrenskonstellationen von einer schriftlichen Begründung des Urteils zunächst absehen. Diese Möglichkeiten sind jedoch auf jene Fälle beschränkt, in denen der Betroffene in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten worden und in denen im Urteil lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist. In den vergangenen Jahren sind die Regelgeldbußen nach der Bußgeldkatalogverordnung in vielen Bereichen angehoben worden, ohne, dass eine entsprechende Anpassung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten damit einhergegangen wäre.

§ 77b Absatz 1 Satz 3 OWiG-E sieht daher durch Erhöhung des genannten Betrages vor, dass bis zu einer im Urteil festgesetzten Geldbuße von fünfhundert Euro zunächst von einer schriftlichen Begründung des Urteils abgesehen werden kann. Soweit in dem Urteil gegen den Betroffenen eine Nebenfolge festgesetzt worden ist, gilt dies nach § 77b Absatz 1 Satz 4 OWiG-E auch dann, sofern es sich um ein Fahrverbot von nicht mehr als einem Monat Dauer oder um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert fünfhundert Euro nicht übersteigt.

§ 77b Absatz 1 Satz 5 OWiG-E dehnt den Anwendungsbereich von § 77b Absatz 1 Satz 3 und 4 OWiG-E auch auf jene Fälle aus, in denen der Bertoffene nicht in der Hauptverhandlung von einem Verteidiger vertreten worden ist. Neben den Voraussetzungen von § 77b Absatz 1 Satz 3 und 4 OWiG-E ist hier jedoch für ein Absehen von den schriftlichen Urteilsgründen erforderlich, dass das Gericht in seinem Urteil nicht von der im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße bzw. Nebenfolge abweicht. Es ist in diesen Fällen nicht nachvollziehbar, warum für das Gericht durch prozessuale Erleichterungen für den Betroffenen - nämlich die Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Absatz 2 OWiG - ein zusätzlicher Arbeitsaufwand durch die Pflicht zur Abfassung von schriftlichen Urteilsgründen einhergehen soll, obwohl der Betroffene bereits mit dem Bußgeldbescheid ein schriftliches Dokument in Händen hält, aus dem sich der konkrete Tatvorwurf ebenso ergibt wie die gesetzliche Rechtsfolge. Auch im Übrigen ist die Ausweitung der Fälle, in denen das Gericht zunächst von der Abfassung schriftlicher Urteilsgründe absehen kann, deswegen angebracht, da sich der Betroffene durch seinen Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung selbst und bewusst der Möglichkeit begibt, an der Hauptverhandlung teilzunehmen und der mündlichen Urteilsbegründung des Gerichtes zu folgen. Durch sein Verhalten zeigt der Betroffene in den Fällen des § 73 Absatz 2 OWiG ein eher geringes Interesse am Ausgang der Hauptverhandlung, weswegen es unter keinem Blickwinkel erforderlich erscheint, dass ihm durch die Übersendung schriftlicher Urteilsgründe der Inhalt der Hauptverhandlung präsentiert wird. Im Übrigen hat der Betroffene weiterhin die Möglichkeit, durch Einlegung eines Rechtsmittels eine Begründungspflicht des Gerichtes auszulösen, § 77b Absatz 3 OWiG-E.

§ 77b Absatz 2 OWiG-E sieht die Möglichkeit des Absehens von schriftlichen Urteilsgründen nicht nur - wie nach bisheriger Rechtslage - für Fälle vor, in denen das Urteil nicht mit der Rechtsbeschwerde angegriffen wird (§ 77b Absatz 1 Satz 1 OWiG), sondern auch dann, wenn das Urteil überhaupt nicht nach § 79 OWiG-E bzw. § 80 OWiG-E mit der Rechtsbeschwerde angegriffen werden kann.

§ 77b Absatz 2 OWiG-E greift also für jene Fälle, in denen im Urteil gegen den Betroffenen lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist. Ist gegen den Betroffenen zusätzlich noch eine Nebenfolge angeordnet worden, findet § 77b Absatz 2 OWiG-E nur dann Anwendung, wenn es sich dabei um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert einhundert Euro nicht übersteigt (vgl. § 80 Absatz 1 OWiG-E). In den Fällen des § 77b Absatz 2 OWiG-E genügt es, wenn das Gericht in den Gründen des Urteils auf den Bußgeldbescheid Bezug nimmt. Im Übrigen obliegt es dem Gericht, nach seinem Ermessen zusätzliche Ausführungen zu machen.

§ 77b Absatz 2 OWiG-E entspricht dabei der Regelung des § 72 Absatz 6 Satz 2 OWiG-E. Schriftliche Urteilsgründe dienen nämlich nicht der Dokumentation aller Vorgänge in der Hauptverhandlung, sondern sollen die anfechtungsberechtigten Verfahrensbeteiligten in die Lage versetzen, die Entscheidung des Gerichtes inhaltlich zu prüfen und über ihr weiteres Vorgehen, insbesondere im Hinblick auf etwaige eingelegte Rechtsmittel, zu beraten. Außerdem soll dem Rechtsmittelgericht ebenfalls die Prüfung der Entscheidung ermöglicht werden. Vorgenannte Zwecke der Notwendigkeit von schriftlichen Urteilsgründen entfallen jedoch dann, wenn das Urteil überhaupt nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar ist. Die Sachlage entspricht jener, in denen die Anfechtungsberechtigten kein Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. In diesem Falle bedarf es bereits nach bisheriger Rechtslage keiner schriftlichen Urteilsgründe.

§ 77b Absatz 2 OWiG-E dehnt dies konsequenterweise auch auf jene Fälle aus, in denen ein ordentliches Rechtsmittel gegen das Urteil nicht gegeben ist. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist in diesen Fällen eine vollständige schriftliche Urteilsbegründung nicht notwendig (vgl. BVerfG, NJW 2014, 2563, 2564).

Praktisch relevant sind im Hinblick auf den Arbeitsaufwand des Gerichtes in Bezug auf die Abfassung schriftlicher Urteilsgründe insbesondere jene Entscheidungen, die bereits nach geltender Rechtslage auf Grund ihrer geringen Bedeutung allein durch die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 79 Absatz 1 Satz 2, § 80 OWiG angreifbar wären. Nach Erfahrungen der Praxis kommt eine tatsächliche Zulassung der Rechtsbeschwerde in diesen Konstellationen nur in einer äußerst geringen Zahl an Verfahren überhaupt in Betracht. Da trotz der oftmals gegebenen offenkundigen Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels ein solches gegen das Urteil des Instanzgerichtes aus Erfahrungen der Praxis gleichwohl überproportional oft - und nicht selten aus verfahrensfremden Zwecken - eingelegt wird, wird nach geltender Rechtslage gleichwohl für das Gericht die volle Pflicht zur schriftlichen Begründung des Urteils ausgelöst und dies, obwohl bereits vorab in aller Regel absehbar ist, dass das Rechtsmittel erfolglos sein wird. Für die Praxis stellt dieser - im Ergebnis oftmals überflüssige - Arbeitsaufwand insbesondere bei weniger bedeutenden Ordnungswidrigkeiten eine nicht unerhebliche Belastung dar. Entsprechend zu § 72 Absatz 7 OWiG-E sieht § 77b Absatz 3 OWiG-E daher vor, dass sich der Umfang der schriftlichen Urteilsgründe spiegelbildlich am Prüfungsumfang durch das Rechtsbeschwerdegericht orientiert. Die schriftlichen Gründe des Urteils dienen nämlich nicht dazu, den gesamten Verfahrensablauf wiederzugeben, sondern insbesondere das Rechtsmittelgericht - ebenso wie den Betroffenen - in die Lage zu versetzen, das Rechtsmittelverfahren zu betreiben.

§ 77b Absatz 3 OWiG-E stellt insoweit einen Gleichlauf zwischen dem Umfang der erforderlichen schriftlichen Begründung des Urteils und dem Umfang seiner möglichen Überprüfbarkeit her.

§ 77b Absatz 4 OWiG-E erschöpft sich in einer redaktionellen Anpassung des bisherigen § 77b Absatz 2 OWiG. Prozessuale Änderungen gehen damit nicht einher.

Zu Nummer 12 (Überschrift zum Zweiten Teil Fünfter Abschnitt III. Kapitel OWiG-E)

Die Änderung der Überschrift ergibt sich durch die Einführung der Anhörungsrüge nach § 80a OWiG-E.

Zu Nummer 13 (§ 79 OWiG-E)

Der Gesetzentwurf sieht durch eine Anhebung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde eine Verengung der Rechtsmittelmöglichkeiten des Betroffenen vor. Unter Beachtung der eher geringen Bedeutung der Vielzahl der Ordnungswidrigkeitenverfahren ist dies jedoch gerechtfertigt.

Es ist insbesondere auch unter verfassungsrechtlichen Gründen unter keinem Blickwinkel erforderlich, dass jede Entscheidung eines Gerichtes durch ein Gericht höherer Instanz überprüft werden kann. Die Rechtsweggarantie des Artikels 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes gewährt Schutz durch, nicht gegen den Richter (vgl. BVerfGE 15, 275, 280). Dem Erlass eines Bußgeldbescheides gehen Ermittlungen durch die Verwaltungsbehörde voraus, nach erfolgtem Einspruch prüft diese nach § 69 Absatz 2 Satz 1 OWiG (erneut), ob sie die Entscheidung, das Verfahren mit einem Bußgeldbescheid zu beenden, aufrechterhält. Ist dies der Fall, wird die Akte an die Staatsanwaltschaft übersandt, die ihrerseits den Bußgeldbescheid ebenfalls überprüft (vgl. § 69 Absatz 4 Satz 2 OWiG). Stellt diese das Verfahren nicht ein oder nimmt keine weiteren Ermittlungen vor, werden die Akten dem Gericht vorgelegt. Dieses hat nach § 69 Absatz 5 OWiG die Sache zunächst ebenfalls zu prüfen, bevor es im Rahmen einer Hauptverhandlung über die Sache zu befinden hat. Dieses engmaschige Kontrollsystem lässt es entbehrlich sein, dass die Entscheidungen des Instanzgerichtes im bisherigen Umfang mit Rechtsmitteln angegriffen werden können. Ein Mehrwert der zusätzlichen Beteiligung der Generalstaatsanwaltschaft und des Rechtsbeschwerdegerichtes - in aller Regel das Oberlandesgericht - zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung im Rahmen der Rechtsbeschwerde ist oftmals unter keinem Blick ersichtlich. Durch die Anhebung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde nach § 79 Absatz 1 OWiG-E ist ein rechtsstaatlich nicht zu vertretender Nachteil für den Betroffenen nicht zu befürchten. Im Gegenzug werden jedoch die Gerichte und Behörden durch den Gesetzentwurf entlastet.

§ 79 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG-E trägt durch Anhebung der Wertgrenze auch an dieser Stelle dem Umstand Rechnung, dass die Regelgeldbußen nach der Bußgeldkatalogverordnung in der Vergangenheit in vielen Bereichen stetig angehoben worden sind. Im Übrigen besteht auch bei eher geringen Geldbußen von nicht mehr als fünfhundert Euro kein rechtsstaatliches Bedürfnis für die Überprüfbarkeit der gerichtlichen Entscheidung. Im Bereich des Zivilprozessrechts sind Entscheidungen des Gerichtes sogar bei einem Beschwerdewert bis zu sechshundert Euro nicht anfechtbar (vgl. § 511 Absatz 2 Nummer 1 ZPO). Bei geringen Geldbußen, die keinen erheblichen Nachteil für den Betroffenen bedeuten, genügen die oben geschilderten Kontrollmechanismen, um rechtsstaatlichen Anforderungen an den Rechtsweg gerecht zu werden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach der allgemeinen Vorschrift des § 17 Absatz 1 OWiG bereits Geldbußen bis zu eintausend Euro verhängt werden können, eine Vielzahl an Spezialvorschriften jedoch auch die Verhängung von weitaus höheren Geldbußen - bisweilen im Millionenbereich - zulässt und durch § 79 Absatz 1 Nummer 1 OWiG-E aus wirtschaftlicher Sicht nur ein geringer Teilbereich von Ordnungswidrigkeiten von der Rechtsbeschwerde ausgenommen wird.

§ 79 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 OWiG-E sieht vor, dass die Rechtsbeschwerde bei verhängten Nebenfolgen nur dann zulässig ist, wenn ein Fahrverbot von mehr als einem Monat Dauer von dem Gericht erster Instanz verhängt worden ist. Zwar kann auch ein einmonatiges Fahrverbot für den Betroffenen nicht unerhebliche Folgen haben. Jedoch ist dieser Umstand sowohl von der Verwaltungsbehörde als auch der Staatsanwaltschaft sowie dem Gericht der ersten Instanz zu beachten und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Die Einlegung von Rechtsbeschwerden erfolgt oftmals aus verfahrensfremden Zwecken, insbesondere zur Herauszögerung der Rechtskraft der Entscheidung und ihrer Vollstreckbarkeit (§ 89 OWiG). Im Übrigen steht der Betroffene nicht rechtlos. Ihm verbleibt insbesondere die Anhörungsrüge nach § 80a OWiG-E. Durch die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz - bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG mithin das Amtsgericht - wurde der Rechtsweggarantie des Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes in ausreichendem Maße Rechnung getragen, da eine Kontrolle hoheitlichen Handelns der Exekutive durch sachlich sowie persönlich unabhängige Richter gewährleistet ist. Im Übrigen handelt es sich bei Ordnungswidrigkeiten, bei denen ein Fahrverbot verhängt wird, um Verkehrsverstöße einigen Gewichtes, bei denen auch die Allgemeinheit ein gesteigertes Interesse an einer zeitnahen Vollstreckung hat. Insoweit fließt aus der Rechtsstaatgarantie auch die Verpflichtung des Staates, einen zeitnahen Verfahrensabschluss zu gewährleisten. Soweit in § 79 Absatz 1 Nummer 2 OWiG-E die Wertgrenze bei Nebenfolgen vermögensrechtlicher Art angehoben wird, soll ein Gleichlauf zu § 79 Absatz 1 Nummer 1 OWiG-E gewährleistet werden.

§ 79 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 OWiG-E sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft auch unter Geltung der mit dem Gesetzentwurf intendierten Rechtslage und insbesondere unter Berücksichtigung der Anhebung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde nach § 79 OWiG weiterhin die Möglichkeit hat, Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Gerichtes erster Instanz nicht nur dann einlegen zu können, wenn das Gericht gänzlich, sondern auch entgegen des Antrages der Staatsanwaltschaft lediglich teilweise von der Verhängung eines Fahrverbotes absieht. Dies liegt im Ergebnis auch im Interesse der Betroffenen, da insoweit die Möglichkeit der Herbeiführung obergerichtlicher Rechtsprechung zum Absehen von Fahrverboten vollumfänglich gewährleistet ist.

§ 79 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 OWiG-E sieht eine redaktionelle Anpassung im Hinblick auf die neue Struktur des § 72 Absatz 1 OWiG-E vor, ohne, dass inhaltliche Änderungen damit verbunden wären.

§ 79 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E hat eine Ausweitung des Anwendungsbereiches der Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Gegenstand: Bisher ist diese nur bei Urteilen des erstinstanzlichen Gerichtes möglich, nicht jedoch bei Entscheidungen im Beschlusswege nach § 72 OWiG. Der Gesetzentwurf sieht insoweit eine Erstreckung der Zulassung der Rechtsbeschwerde auch auf Beschlüsse nach § 72 OWiG-E vor. Diese Regelung ist erforderlich, da der Gesetzentwurf die Möglichkeiten des Gerichtes, im Beschlusswege zu entscheiden, deutlich ausweitet und es in diesem Zusammenhang sachgerecht ist, dementsprechend auch die Rechtsmittelmöglichkeiten des Betroffenen anzugleichen.

Die Änderung von § 79 Absatz 4 OWiG erschöpft sich in einer bloßen redaktionellen Anpassung.

Zu Nummer 14 (§ 80 OWiG-E)

Da § 79 Absatz 1 Satz 2 OWiG-E die Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde auch auf Beschlüsse nach § 72 OWiG-E erstreckt, sehen § 80 Absatz 1 Nummer 1 und 2 OWiG-E entsprechende redaktionelle Anpassungen vor.

§ 46 Absatz 6 OWiG-E sieht vor, dass Verfügungen nach § 213 Absatz 1 der Strafprozessordnung nur zusammen mit der Entscheidung des Gerichtes angefochten werden können.

§ 80 Absatz 1 Nummer 3 OWiG-E stellt in diesem Zusammenhang sicher, dass der Betroffene auch abseits der Grenzen des § 79 Absatz 1 OWiG-E die gerichtliche Entscheidung in der Sache angreifen kann, soweit er durch eine ermessensfehlerhafte Verfügung nach § 213 Absatz 1 StPO in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt unzulässig in seiner Verteidigung beschränkt worden ist. Zwar kann in diesen Fällen auch die Versagung des rechtlichen Gehörs nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 OWiG-E die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigen. Jedoch ist nicht in jeder ermessensfehlerhaften Anwendung des § 213 Absatz 1 StPO zwangsläufig eine Versagung des rechtlichen Gehörs zu erblicken, weswegen § 80 Absatz 1 Nummer 3 OWiG-E in ähnlicher Weise wie § 338 Nummer 3 StPO eine Auffangfunktion zukommt.

Bei der Wahl, ob das Gericht nach § 72 Absatz 1 Satz 1 OWiG-E im Beschlusswege entscheidet, kommt insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz entscheidende Bedeutung zu (siehe oben). Wird unter seiner Berücksichtigung die Durchführung einer Hauptverhandlung erforderlich, entscheidet das Gericht dennoch im Beschlusswege, sieht § 80 Absatz 1 Nummer 4 OWiG-E die Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde dann vor, wenn die Vorschriften über den Untersuchungsgrundsatz hierdurch verletzt sind.

§ 80 Absatz 1 OWiG-E bestimmt zudem, dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde dann in keinem Falle möglich ist, wenn gegen den Betroffenen lediglich eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro verhängt worden ist. Es besteht keine rechtsstaatliche Notwendigkeit, bei wirtschaftlich so unerheblichen Geldbußen nach der Befassung der Verwaltungsbehörde, der Staatsanwaltschaft und des Gerichtes der ersten Instanz auch noch die Generalstaatanwaltschaft sowie das Rechtsbeschwerdegericht mit dem Sachverhalt zu befassen, zumal dem Betroffenen die Möglichkeit der Anhörungsrüge nach § 80a OWiG-E sowie die Verfassungsbeschwerde zu dem Bundesverfassungsgericht verbleibt.

Die Anpassungen in § 80 Absatz 2 Nummer 1 und 2 OWiG-E sowie § 80 Absatz 5 OWiG-E sind der Erstreckung der Zulassung der Rechtsbeschwerde auf Beschlüsse nach § 72 Absatz 1 OWiG-E und des gestiegenen Niveaus der Höhe von Geldbußen geschuldet.

Zu Nummer 15 (§ 80a OWiG-E)

Der Gesetzentwurf sieht mit § 80a OWiG-E eine § 321a ZPO nachgebildete Anhörungsrüge vor.

§ 80a OWiG-E stellt eine Sonderregel zu der nur bei Beschlüssen gegebenen Möglichkeit auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Nichtgewährung rechtlichen Gehörs nach § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 33a StPO dar.

§ 80a OWiG-E ist dabei alleine auf die das Verfahren abschließende Entscheidungen des Gerichtes - Urteil und Beschluss nach § 72 OWiG-E - anwendbar, sofern diese weder nach § 79 OWiG-E noch nach § 80 OWiG-E anfechtbar sind.

§ 80a OWiG-E kommt daher dann zur Anwendung, wenn gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert Euro festgesetzt worden ist. Ist gegen den Betroffenen zusätzlich noch eine Nebenfolge angeordnet worden, findet die Vorschrift nur dann Anwendung, wenn es sich dabei um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert einhundert Euro nicht übersteigt.

Gegen Entscheidungen im laufenden Verfahren ist die Anhörungsrüge nicht möglich, § 80a Absatz 1 Satz 2 OWiG-E. Gleiches gilt wegen § 47 Absatz 2 Satz 3 OWiG auch für Verfahrenseinstellungen durch das Gericht. Für das Verfahren nicht abschließende Entscheidungen des Gerichtes verbleibt weiterhin die Möglichkeit eines Antrages nach § 46 Absatz 1, § 77 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 33a StPO.

§ 80a OWiG-E dient in erster Linie dazu, für die äußerst seltenen Fälle, in denen der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör bei einer ansonsten nicht anfechtbaren Entscheidung verletzt worden ist, eine Möglichkeit vorzusehen, ohne Einschaltung des Bundesverfassungsgerichtes eine Heilung herbeizuführen.

Bei der Anhörungsrüge handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf zum iudex a quo. Dieser hat nach § 80a Absatz 2 Satz 4 OWiG-E i.V.m. § 47 Absatz 1 StPO zwar keine vollzugshemmende Wirkung. Im Sinne der Rechtsklarheit hat der Betroffene die Anhörungsrüge jedoch innerhalb einer Woche nach Zustellung der Entscheidung des Gerichtes zu erheben, § 80a Absatz 2 Satz 1 OWiG-E. Der Betroffene hat schriftlich zu begründen, warum sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein soll. Da insbesondere nach §§ 79, 80 OWiG-E nicht anfechtbare Urteile gemäß § 77b Absatz 2 OWiG-E keine vollständigen Gründe aufweisen müssen, sind an die Begründungsanfordernisse für den Betroffenen nach § 80a Absatz 2 Satz 3 OWiG-E keine übersteigerten Anforderungen zu stellen. Im Ergebnis dürfte es genügen, dass der Betroffene den Umstand bezeichnet, der aus seiner Sicht bei entsprechender Beachtung und Würdigung durch das Gericht zu einer anderen Entscheidung geführt hätte. Gleiches gilt bei entsprechender unanfechtbarer Entscheidung im Beschlusswege. Bei Versäumung der Frist nach § 80a Absatz 2 Satz 1 OWiG-E durch den Betroffenen ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 44 StPO grundsätzlich möglich.

Ist die Rüge durch den Betroffenen verspätet oder formwidrig eingelegt, hat das Gericht sie als unzulässig zu verwerfen, wobei die Entscheidung des Gerichtes unanfechtbar ist. Gleiches gilt, sofern das Gericht die Rüge als unbegründet zurückweist. Der Beschluss des Gerichtes muss nur kurz begründet werden. Der Sinn des § 80a OWiG-E liegt nicht darin, dass das Gericht auf diesem Wege die nach den Bestimmungen des OWiG-E zunächst nicht erforderliche schriftliche Begründung seiner Entscheidung nachholt.

§ 80a OWiG-E soll das Gericht allein zum Überdenken seiner Entscheidung anhalten. Die Begründung des Beschlusses kann daher nach § 80a Absatz 3 Satz 4 OWiG-E kurz ausfallen. Gerade bei Rügen, die aus verfahrensfremden Zwecken erhoben werden, genügt nach § 80a Absatz 3 Satz 5 OWiG-E die pauschale Feststellung, dass das Vorbringen des Betroffenen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden ist.

Sofern die Rüge des Betroffenen begründet ist, hat das Gericht durch Beschluss die Fortführung des Verfahrens sowie die Aufhebung der bereits ergangenen Entscheidung festzustellen. Die bereits ergangene Entscheidung wird gegenstandslos. Der Beschluss des Gerichtes ist nicht anfechtbar.

§ 80a Absatz 4 Satz 1 OWiG-E stellt klar, dass der Prüfungsumfang des Gerichtes allein auf das Vorbringen der Rüge beschränkt ist. Die Anhörungsrüge nach § 80a OWiG-E dient nicht dazu, dass das Gericht seine einmal getroffene rechtskräftige Entscheidung von Amts wegen vollumfänglich überprüfen kann. Bei begründeter Rüge wird das Verfahren in die Lage versetzt, in der es sich zum Zeitpunkt der Zuleitung durch die Staatsanwaltschaft an das Gericht befand. Eine durchgeführte Beweisaufnahme ist zu wiederholen. Soweit das Gericht Beweiserhebungen vorgenommen hat, dürfen die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse, soweit sie aktenkundig sind, bei der erneuten Beweisaufnahme verwertet werden. Es ist nicht notwendig, dass das Gericht auch die Beweisbeschaffung wiederholt. Hat das Gericht beispielsweise in Vorbereitung der Hauptverhandlung von der zuständigen Behörde einen Schaltplan einer Lichtzeichenanlage angefordert, muss es diesen nicht erneut beiziehen.

Zu Nummer 16 (§ 80b OWiG-E)

§ 80b OWiG-E entspricht dem bisherigen § 80a OWiG. Inhaltliche Änderungen sind nicht gegeben.

Zu Nummer 17 (§ 109a OWiG-E)

Soweit § 109a Absatz 1 OWiG bereits in seiner geltenden Fassung von dem Gedanken geleitet wird, dass es dem Betroffenen bei niedrigen Geldbußen zuzumuten ist, seine Einwendungen selbst und ohne Zuhilfenahme eines Rechtsanwaltes vorzubringen, bleibt dieser Grundsatz weiterhin Leitgedanke des § 109a Absatz 1 OWiG-E. Jedoch sieht der Gesetzentwurf die Anhebung der Wertgrenze von zehn auf weniger als sechzig Euro vor. Geldbußen von nicht mehr als zehn Euro sind nach den Erfahrungen der Praxis äußerst selten, nicht zuletzt auf Grund der Anhebung der Regelgeldbußen in der Vergangenheit in vielen Bereichen des Ordnungswidrigkeitenrechts. Auch bei einem Betrag von weniger als sechzig Euro ist eine solche wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit der Geldbuße gegeben, dass die kostenneutrale Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich ist. Im Übrigen hat § 109a Absatz 1 OWiG-E - wie nach bisheriger Rechtslage auch - allein kostenrechtliche Folgen. Die Mandatierung eines Rechtsanwaltes durch den Betroffenen bleibt verfahrensrechtlich gleichwohl zulässig.

Zu Artikel 2 (Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes)

§ 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG bestimmt für das Bußgeldverfahren die Anwendung des § 68 OWiG mit der Maßgabe, dass das Landgericht entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße den Betrag von einhunderttausend Euro überschreitet. Ungeachtet des Umstandes, dass die Amtsgerichte in anderen Rechtsgebieten befugt sind, Geldbußen in Millionenhöhe festzusetzen (§§ 30, 130 Absatz 3 OWiG), sind bisher keine verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Besetzung der Kammern der Landgerichte in Bußgeldsachen gegeben. Zwar verweisen § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG für das Bußgeldverfahren unter anderem auf die Vorschriften der StPO und des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Nähme man diese Verweisung jedoch für die Fälle des § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG auf, müsste man wohl von einer Besetzung der Kammern der Landgerichte mit zwei Richtern und zwei Schöffen ausgehen, § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG, § 76 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 4 GVG. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine solche Besetzung der Kammern tatsächlich intendiert gewesen ist. Da bisher keine entsprechenden verfahrensrechtlichen Vorschriften existieren, dürfte dies wohl nicht nur bei der entsprechenden Geschäftsverteilung der Landgerichte im Hinblick auf die Fälle des § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG zu Problemen führen können, sondern es dürfte zusätzlich nahezu ausgeschlossen sein, das gerichtliche Verfahren ohne entsprechende Vorschriften ordnungsgemäß vollziehen zu können.

So stellt sich unter Beachtung der Verweisungsnormen von § 46 Absatz 1, § 71 Absatz 1 OWiG auf unter anderem die Vorschriften der StPO im Zusammenhang mit der Zuständigkeit der Landgerichte gemäß § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG auch ein weiteres verfahrensrechtliches Problem: Im Falle des § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG wäre dem jeweils Betroffenen ein notwendiger Verteidiger zu bestellen. Anders als § 83 Absatz 1 GWB und § 62 Absatz 1 WpÜG, die die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im gerichtlichen Bußgeldverfahren in Kartell- bzw. in Wertpapiersachen bestimmen und die Anwendbarkeit des § 140 Absatz 1 Nummer 1 StPO ausdrücklich ausschließen, sieht § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG einen solchen Ausschluss nicht vor. Dies führt nach jetziger Gesetzeslage zu dem Ergebnis, dass selbst in Bußgeldverfahren vor den Oberlandesgerichten kein Regelfall notwendiger Verteidigung gegeben ist, in Bußgeldsachen aus dem Bereich des Bundesdatenschutzgesetzes bei einer Geldbuße von mehr als einhunderttausend Euro vor den Landgerichten jedoch schon, während in den übrigen Rechtsgebieten die Zuständigkeit der Amtsgerichte unabhängig von der Höhe der Geldbuße nach § 68 Absatz 1 OWiG fortgilt und ebenso kein Regelfall der notwendigen Verteidigung gegeben ist.

Im Zusammenhang mit § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG bietet auch eine Anlehnung an § 23 Nummer 1 GVG keinen Ausweg. Danach sind in Zivilstreitigkeiten die Amtsgerichte - vorbehaltlich etwaiger Sonderregeln wie beispielsweise bei Wohnraummietstreitigkeiten - nur bis zu einem Streitwert von fünftausend Euro zuständig. Eine Übertragung dieses Grundsatzes auf das Ordnungswidrigkeitenrecht ist nicht möglich.

§ 23 Nummer 1 GVG bemisst die Wertgrenze nicht etwa deswegen auf fünftausend Euro, weil Rechtsstreitigkeiten oberhalb dieser Grenze als zu schwierig für nur mit einem Richter besetzte Gerichte sein könnten - denn auch die Kammern der Landgerichte sind mittlerweile in allgemeinen Zivilsachen nur mit einem Richter besetzt, §§ 348, 348a ZPO. Vorrangig hat § 23 Nummer 1 GVG die finanzielle Belastung des rechtssuchenden Bürgers im Blick: Anders als vor den Landgerichten herrscht vor den Amtsgerichten kein Anwaltszwang, § 78 Absatz 1 Satz 1 ZPO. Dass die Amtsgerichte nur für Rechtsstreitigkeiten mit einem Streitwert von bis zu fünftausend Euro zuständig sind, stellt sicher, dass Rechtsuchenden bei eher geringfügigen Streitwerten ein in der Nähe befindliches und vor allem wegen des grundsätzlich fehlenden Anwaltszwangs kostengünstiges Gericht zur Verfügung gestellt wird (vgl. MüKo-Zimmermann, § 23 GVG, Rn. 1). Dieser Kostengedanke wird sich nur schwerlich auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren übertragen lassen, zumal es außerhalb des Datenschutzrechts ohnehin bei der Grundregel des § 68 Absatz 1 Satz 1 OWiG und der damit verbundenen Zuständigkeit der Amtsgerichte losgelöst von der Höhe der Geldbuße verbleibt.

Die vorgenannten Wertungswidersprüche löst der Gesetzentwurf durch Streichung des § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG. Hierdurch wird in sämtlichen Fällen von Bußgeldverfahren im Bereich des BDSG die Zuständigkeit der Amtsgerichte nach § 68 Absatz 1 OWiG begründet. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Amtsgerichte im Bereich des Datenschutzes - und nur dort - abhängig von der Höhe des Bußgeldes zuständig sein sollen.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.