Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Evaluierung der EU-Rückübernahmeabkommen KOM (2011) 76 endg.

Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 616/09 (PDF) = AE-Nr. 090467,
Drucksache 246/10 (PDF) = AE-Nr. 100286 und AE-Nr. 023370

Brüssel, den 23.2.2011
KOM (2011) 76 endgültig

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Evaluierung der EU-Rückübernahmeabkommen

SEK(2011) 209 endgültig
SEK(2011) 210 endgültig
SEK(2011) 211 endgültig
SEK(2011) 212 endgültig

1. Einführung

Im Stockholmer Programm hatte der Rat die Kommission aufgefordert, 2010 eine Evaluierung der EU-Rückübernahmeabkommen und der laufenden Verhandlungen vorzulegen und einen Mechanismus zur Überwachung ihrer Durchführung vorzuschlagen. 1 Zudem sollte "der Rat [ ...] eine erneuerte, kohärente Rückübernahmestrategie auf dieser Grundlage festlegen, die den Gesamtbeziehungen mit dem betreffenden Land Rechnung trägt, einschließlich eines gemeinsamen Ansatzes gegenüber Drittländern, die bei der Rückübernahme ihrer eigenen Staatsangehörigen nicht kooperieren".

Zweck dieser Mitteilung2 ist es, erstens die Durchführung der geltenden EU-Rückübernahmeabkommen zu evaluieren, zweitens die laufenden Rückübernahmeverhandlungen und "offenen" Verhandlungsrichtlinien zu bewerten sowie drittens Empfehlungen für eine künftige EU-Rückübernahmepolitik, darunter auch für Überwachungsmechanismen, auszusprechen.

Die EU-Rückübernahmeabkommen verpflichten die Vertragsparteien zur Rückübernahme ihrer Staatsangehörigen sowie unter bestimmten Bedingungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen. Sie enthalten auch genaue prozedurale und technische Kriterien für die Rückübernahme.

Unter strategischen Gesichtspunkten gelten die Rückübernahmeabkommen als notwendiges Instrument für eine wirksame Steuerung der Migrationsströme in die EU-Mitgliedstaaten (MS). Da sie die rasche Rückführung irregulärer Zuwanderer erleichtern sollen, werden sie als entscheidender Faktor bei der Bekämpfung der irregulären Zuwanderung betrachtet. Die Abkommen enthalten keinerlei Kriterien für die Feststellung der Legalität des Aufenthalts einer Person in der EU oder in einem Partnerland. Darüber haben die nationalen Behörden auf der Grundlage innerstaatlicher Bestimmungen und gegebenenfalls des EU-Rechts zu befinden.

Seit 1999, als der Europäischen Gemeinschaft die Zuständigkeit in diesem Bereich übertragen wurde, hat die Kommission vom Rat Richtlinien für Verhandlungen mit 18 Drittländern erhalten. Der Stand der Verhandlungen ist der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat "Evaluierung der EU-Rückübernahmeabkommen", Die EU-Rückübernahmeabkommen: Kurzer Überblick über den Sachstand im Februar 2011, zu entnehmen. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon gibt es eine klare Rechtsgrundlage für den Abschluss von Rückübernahmeabkommen Prioritäten für eine Erfolg versprechende Entwicklung einer gemeinsamen Rückübernahmepolitik vorgelegt, SEK(2004) 946 endg. vom 19.7.2004. (Artikel 79 Absatz 3 AEUV). Darüber hinaus ist es ein Grundsatz des Völker(gewohnheits)rechts, dass jedes Land seine eigenen Staatsangehörigen übernehmen sollte.

2. Evaluierung der geltenden EU-Rückübernahmeabkommen

Die 18 bisher vom Rat erteilten Verhandlungsrichtlinien haben zum Abschluss von 12 Abkommen geführt3 . Drei Rückübernahmeabkommen sehen eine Übergangsfrist für die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen vor (siehe 2.4 und 3.2).

Da die MS für die Durchführung der Rückübernahmeabkommen verantwortlich sind, hat die Kommission sie um ausführliche Daten und Rückmeldung zur Anwendung der Abkommen gebeten .4 Daneben wurden EUROSTAT-Daten herangezogen. 5

2.1. Datenqualität

Die Kommission hat von 21 MS (Frankreich, Schweden, Belgien, Estland, Portugal, Polen, Malta, Lettland, Rumänien, Finnland, Bulgarien, Griechenland, Tschechische Republik, Slowenien, Slowakei, Spanien, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Irland und Deutschland) Antworten erhalten. Da fünf MS, darunter Länder, die stark von irregulärer Migration betroffen sind, nicht geantwortet haben (Dänemark hat keine Rückübernahmeabkommen abgeschlossen), können nur bedingt Schlussfolgerungen gezogen werden.

Während manche MS genaue Zahlenangaben zu bestimmten Aspekten der Rückübernahme machten, konnten andere die Zahl der jährlichen Rückübernahmeanträge für jedes Drittland nur schätzen. Allgemein sind die Daten nicht einheitlich. Die MS fassten unterschiedliche Fälle unter die dieselben Rubriken6. Wenige MS haben ausführliche Daten für den Zeitraum vor 2008.

Daher sind die EUROSTAT-Daten die einzigen, die die Rückübernahmemaßnahmen sämtlicher EU-Staaten erfassen, doch auch diese sind nicht ganz vollständig. So geht aus ihnen hervor, wie viele Bürger eines bestimmten Drittstaats aus einem MS abgeschoben wurden, aber nicht, ob die Person in ihr Herkunftsland, in ein Transitland oder einen anderen MS gebracht wurde. Auch wird nicht zwischen freiwilliger Rückkehr und Rückführung unterschieden. Die EU-Rückübernahmeabkommen bilden sehr selten die Grundlage für die freiwillige Rückkehr. Aus diesem Grund stimmen die aggregierten Zahlenangaben, die die Kommission von den MS angefordert hat,7 für kein einziges Drittland auch nur annährend mit den EUROSTAT-Zahlen überein. So wurden nach den Angaben von EUROSTAT für 2009 über 4300 russische Staatsangehörige aus den MS von Russland übernommen, wohingegen die Zahl der Rückübernahmen auf der Grundlage des Rückübernahmeabkommens mit Russland nach Angaben der MS bei etwas über 500 lag.

Empfehlung 1:

Die Kommission wird die Möglichkeit einer Erfassung dieser Zahlen in den EUROSTAT-Rückübernahmestatistiken prüfen, so dass auf deren Grundlage die Durchführung der EU-Rückübernahmeabkommen leichter bewertet werden kann. Bis dahin sollte FRONTEX umfassende statistische Daten über Rückübernahmen erfassen (ohne personenbezogene Daten), um zuverlässigere Zahlen über die Rückübernahmen im Rahmen der Rückübernahmeabkommen zu erhalten.

2.2. Anwendung der EU-Rückübernahmeabkommen

Die meisten MS wenden für alle Rückübernahmemaßnahmen EU-Rückübernahmeabkommen an. Die anderen stützen sich allerdings noch auf bilaterale Vereinbarungen, die vor Inkrafttreten der EU-Abkommen geschlossen wurden. Ein MS erklärte, dass er keinen einzigen Rückübernahmeantrag auf der Grundlage von EU-Rückübernahmeabkommen gestellt habe. Der Verzicht auf die Anwendung von EU-Rückübernahmeabkommen wurde damit begründet, dass es kein bilaterales Protokoll zur Durchführung des Abkommens gäbe und/oder dass die Abkommen nur angewandt werden, wenn die Rückübernahme dadurch erleichtert wird.

Während in bestimmten Fällen die Übergangsfristen für Drittstaatsangehörige in einigen EU-Rückübernahmeabkommen und die erforderliche Anpassung der nationalen Verwaltungsverfahren ein Grund für die weitere Anwendung bilateraler Abkommen sein kann, ist das Nichtvorhandensein von Durchführungsprotokollen 8 kein triftiger Grund. Die Kommission hat (mit starker Unterstützung der MS) stets die Position vertreten, dass die EU-Rückübernahmeabkommen eigenständige, direkt anwendbare Instrumente sind, für die keine bilateralen Durchführungsprotokolle mit einem Drittland geschlossen werden müssen. Längerfristig gesehen sind Protokolle Durchführungshilfen, auch wenn sie in manchen Fällen verpflichtend sind, wie beim EU-Rückübernahmeabkommen mit Russland.

Die uneinheitliche Anwendung der Abkommen untergräbt die Glaubwürdigkeit der Rückübernahmepolitik der EU gegenüber Drittländern, von denen eine ordnungsgemäße Anwendung der EU-Rückübernahmeabkommen erwartet wird. Noch schlimmer ist jedoch, dass die Garantien in den Abkommen, was Menschenrechte und den internationalen Schutz anbelangt, unwirksam werden könnten, wenn MS irreguläre Zuwanderer nicht nach Maßgabe der EU-Rückübernahmeabkommen rückführen.

Empfehlung 2:

Die MS müssen für alle Rückführungsmaßnahmen EU-Rückübernahmeabkommen anwenden. Die Kommission wird die ordnungsgemäße Anwendung der Abkommen durch die MS genau kontrollieren und bei nicht ordnungsgemäßer Anwendung oder Nichtanwendung rechtliche Schritte in Erwägung ziehen.

2.3. Rückübernahme eigener Staatsangehöriger

Obgleich die Daten unvollständig sind, können einige Schlussfolgerungen zum Ausmaß der Rückübernahme im Rahmen der EU-Rückübernahmeabkommen gezogen werden. Die Rückübernahmeabkommen sind eindeutig ein wichtiges Instrument zur Kontrolle der irregulären Zuwanderung, wenn es um die Rückübernahme eigener Staatsangehöriger geht. Wie aus den Zahlenangaben der MS9 hervorgeht, wurden in großem Umfang Rückübernahmeanträge an fast alle einschlägigen Drittländer gestellt. Von diesen Anträgen wurden zwischen 50 % und 80-90 % und mehr (Ukraine, Republik Moldau, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien) bewilligt, was für die Verhinderung der irregulären Zuwanderung aus diesen Ländern von großer Bedeutung war. Diese Bewertung wird durch die Daten von EUROSTAT bestätigt. Daraus geht hervor, dass 2009 20,1 % der in der EU aufgegriffenen Drittstaatsangehörigen aus Ländern kamen, mit denen die EU ein Rückübernahmeabkommen geschlossen hatte. Dies ist eine spürbare Verbesserung gegenüber 2007, als dieser Anteil bei 26,9 % lag.

Leider lassen sich keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die tatsächliche Zahl der Rückführungen ziehen. Die Daten über die tatsächlichen Rückführungen divergieren erheblich. Die Zahl ist für manche Länder extrem hoch, für andere sehr niedrig. Doch bezüglich der tatsächlichen Rückführungen zeigen die EUROSTAT-Daten, dass 2009 40 % der aus der EU zurückgeführten Drittstaatsangehörigen aus Ländern kamen, mit denen EU-Rückübernahmeabkommen geschlossen worden waren, obwohl sie nur von 20 % der Rückführungsentscheidungen betroffen waren.

Empfehlung 3:

Die Kommission sollte die Dialoge (insbesondere in den Gemischten Rückübernahmeausschüssen) weiterführen, um das Verhältnis der genehmigten Rückübernahmeanträge zu den tatsächlichen Rückführungen weiter zu verbessern.

2.4. Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen

Klauseln über die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen ermöglichen die Rückübernahme von Personen, die weder die Staatsangehörigkeit der einen noch die der anderen Vertragspartei haben (darunter Staatenlose) und die durch das Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien durchgereist sind. Eine solche Klausel ist in allen EU-Rückübernahmeabkommen enthalten, auch wenn sie nicht von Anfang an gültig war (für Albanien und die Ukraine zwei Jahre nach dem Abschluss, für die Russische Förderation drei Jahre).10

Die Drittstaatsangehörigen-Klausel im Abkommen mit der Ukraine hat eindeutig ihren Zweck erfüllt. 2009 wurden fast genauso viele Anträge zur Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen gestellt wie 2008, fast halb so viele wie für eigene Staatsangehörige. Diese Daten stammen ausschließlich von MS, die die existierenden bilateralen Abkommen angewandt haben, was nach den EU-Rückübernahmeabkommen in der Übergangszeit ausdrücklich erlaubt war (Slowakei, Ungarn und Polen). Es gibt jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass für die Ukraine seit 1. Januar 2010 eine Trendwende eingetreten ist.

Im krassen Gegensatz zur häufigen Inanspruchnahme der Drittstaatsangehörigen-Klausel für Rückübernahmen durch die Ukraine, stellten die MS im Rahmen aller anderen Rückübernahmeabkommen insgesamt nur 63 Anträge auf Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen. Die Klausel wurde auch von Partnerländern angewandt, um 32 Drittstaatsangehörige in die EU zurückzuschicken.

Die Drittstaatsangehörigen-Klausel in den EU-Rückübernahmeabkommen mit Ländern, die keine gemeinsame Grenze mit EU-Ländern haben (also Sri Lanka, Montenegro, Hongkong und Macau11) wurde nur in 28 Fällen in Anspruch genommen. Einige MS erklärten, dass sie Personen grundsätzlich nur in ihre Herkunftsländer zurückschicken.

Empfehlung 4:

Die Drittstaatsangehörigen-Klauseln sollten für jedes Land, mit dem die EU Rückübernahmeverhandlungen führt, gründlich auf ihre Notwendigkeit hin untersucht werden (siehe auch Abschnitt 3.2).

2.5. Durchbeförderung und beschleunigte Verfahren

Die MS verwenden nur extrem selten das Durchbeförderungsverfahren oder das beschleunigte Verfahren. Abgesehen von Serbien, das 2008 249 Anträge nach dem beschleunigten Verfahren und 2009 nur einen solchen Antrag gestellt hat, sowie Montenegro mit 88 Anträgen im Jahr 2008 und drei Anträgen 2009 lag die Zahl aller Anträge der MS im beschleunigten Verfahren nach EU-Rückübernahmeabkommen bei insgesamt 3 1. Die Zahl der Anträge aller MS auf Durchbeförderung im Rahmen von EU-Rückübernahmeabkommen lag bei 37.

Mehrere MS haben die entsprechenden Klauseln überhaupt nicht angewandt, auch wenn sie stets in den Verhandlungsrichtlinien an die Kommission vorgesehen sind und oft ernsthafte Hürden in den Verhandlungen darstellen.

Empfehlung 5:

In Fällen, in denen voraussichtlich keines der beiden Verfahren in der Praxis häufig angewandt wird, sollte erwogen wegen, die Verfahren von künftigen Verhandlungsrichtlinien auszunehmen, ihre Anwendung aber in bilateralen Durchführungsprotokollen zu ermöglichen.

3. Evaluierung der laufenden Verhandlungen der "offenen" Verhandlungsrichtlinien

Wenn man die letzten 18 Verhandlungsrichtlinien betrachtet 12 (also den Zeitraum zwischen der Erteilung der Verhandlungsrichtlinien an die Kommission und der ersten Verhandlungsrunde und/oder zwischen der ersten Verhandlungsrunde und der Unterzeichnung des Abkommens), wird deutlich, dass die Aushandlung der EU-Rückübernahmeabkommen mit den meisten Ländern (ausgenommen insbesondere die westlichen Balkanstaaten, Moldau und Georgien) sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Als Beispiel kann das Abkommen mit Marokko angeführt werden: Die Verhandlungsrichtlinien wurden 2000 erteilt, die erste Verhandlungsrunde fand 2003 statt, die Verhandlungen sind inzwischen in der 15. Runde, ohne dass sich in nächster Zukunft ein Abschluss abzeichnet. Darüber hinaus hat es die EU in zwei Fällen (China und Algerien) noch nicht einmal geschafft, offizielle Verhandlungen aufzunehmen.

Die Hauptgründe dafür, warum der Prozess so langwierig und es so schwierig ist, Partnerländer an den Verhandlungstisch zu bringen, sind:

3.1. Mangel an Anreizen

Anfangs lud die EU Drittstaaten zu Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen ein, ohne eine Gegenleistung anzubieten. Da diese Abkommen den betreffenden Drittländern nur wenige Vorteile bringen, möchten sie normalerweise eine Gegenleistung für den Abschluss eines Rückübernahmeabkommens mit der EU. Die Verhandlungen mit der Russischen Föderation und mit der Ukraine kamen beispielsweise erst dann richtig in Gang, als die EU auf deren Drängen einwilligte, parallel dazu Visaerleichterungsverhandlungen zu führen. Der Mangel an Anreizen ist auch der Grund, warum es der EU bisher nicht gelang, Verhandlungen mit Algerien 13 oder China aufzunehmen: Beide Länder haben wiederholt "Visamaßnahmen" gefordert, doch ist die EU aus unterschiedlichen Gründen nicht darauf eingegangen. Auch Marokko und die Türkei haben sich um Visamaßnahmen bemüht.

Bei der Evaluierung der Visaerleichterungsabkommen der EU 14 wurde deutlich, dass die Anwendung dieser Abkommen nicht zu einem Anstieg der irregulären Zuwanderung aus diesen Ländern in die EU führt. Die MS können immer noch bestimmen, wem sie ein Visum erteilen und wem nicht. In Verbindung mit den allgemeinen Verbesserungen bei den Visaerteilungsverfahren im Rahmen des Visakodexes ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass Visaerteilungsabkommen den nötigen Anreiz für Rückübernahmeverhandlungen geben können, ohne der irregulären Zuwanderung Vorschub zu leisten.

Der zweite möglicherweise sehr wirksame Anreiz besteht in der finanziellen Unterstützung der Anwendung des Abkommens. Die Rückübernahme von eigenen Staatsangehörigen und Drittstaatsangehörigen ist mit einer erheblichen finanziellen Belastung der Aufnahmeländer verbunden. Für eigene Staatsangehörige sollten die Voraussetzungen für eine bessere Wiedereingliederung der Personen in die Gesellschaft geschaffen werden, auch um ihre illegale Rückwanderung in die EU zu verhindern. Für Drittstaatsangehörige, die auf ihre spätere Rückübernahme durch ihr Herkunftsland warten müssen, sollte die EU dem Partnerland Hilfe bei der Schaffung angemessener Aufnahmeeinrichtungen anbieten, die die EU-Anforderungen erfüllen. Die EU hat bereits mehrere Projekte zur Förderung der Wiedereingliederungsmaßnahmen und der Aufnahmekapazitäten bestimmter Drittländer finanziell unterstützt, mit denen sie ein Rückübernahmeabkommen geschlossen hat.

Die Partnerländer haben sehr oft eine finanzielle Unterstützung gefordert (insbesondere Marokko und die Türkei, doch auch die Ukraine und einige westliche Balkanländer). Eine solche Unterstützung könnte sehr wirksam sein, wenn die gebotene Summe hoch genug ist und zusätzlich zu Geldern gezahlt wird, die im Rahmen von EU-Programmen für bestimmte Regionen bereits geplant oder zugesagt wurden (z.B. Instrument für Heranführungshilfe, Europäisches Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument). Das einzige Instrument, über das Drittstaaten im Prinzip solche zusätzliche Mittel erhalten könnten, ist das thematische Programm der EU für die Zusammenarbeit in den Bereichen Migration und Asyl. Das für dieses Programm vorgesehene Budget ist jedoch sehr begrenzt (rund 54 Mio. EUR im Jahr) und für Maßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit weltweit bestimmt. Ein einzelnes Drittland könnte daher nur sehr geringe Mittel aus dem Programm erhalten. Darüber hinaus ist das thematische Programm nur für Entwicklungsländer und für Länder gedacht, die der Region des Europäischen Nachbarschaftsinstruments angehören, was die Beitrittsländer ausschließt. Aus diesem Grund konnte die EU bisher nur Mittel bereitstellen, die bereits im Rahmen geografischer Finanzierungsprogramme vorgesehen waren. Es verwundert nicht, dass diese Angebote von den Verhandlungspartnern oft als unzureichend eingestuft werden.

Umfassendere und effektivere Anreize im Bereich der Migration und in anderen Bereichen der Zusammenarbeit mit dem Partnerland (die Instrumente des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage) wurden bisher kaum verwendet. Nur wenige MS sind an Mobilitätspartnerschaften beteiligt, die außerdem noch in einem frühen Stadium sind. Obgleich sie auch Möglichkeiten für die legale Zuwanderung aus Drittländern bieten, gab es bisher darüber hinaus wegen des geringen Interesses in den MS nur begrenzte Angebote, die wohl kaum einen Anreiz für Fortschritte bei der Rückübernahme darstellen können.

Was wir brauchen, ist ein grundlegendes Umdenken bei den EU-Rückübernahmeabkommen, insbesondere was die Anreize anbelangt. Die EU sollte Rückübernahmeverpflichtungen zum festen Bestandteil ihrer Rahmenabkommen mit Drittländern machen. Dabei sollte die Rückübernahme eigener Staatsangehöriger grundsätzlich zur Pflicht gemacht und die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen mit weiteren Anreizen verbunden werden. Dies könnte konkret bedeuten, dass beispielsweise die Standard-Migrationsklausel, die in EU-Rahmenabkommen (Assoziierungs- oder Partnerschaftsabkommen) verwendet wird, zu ausgefeilteren und direkt anwendbaren Rückübernahmeklauseln entwickelt werden könnte, nachdem ihre Angemessenheit in Zusammenarbeit mit dem EAD überprüft wurde. Dadurch könnte man ein solches Abkommen mit einem Partnerland wirksamer nutzen. Eine weitere Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre die gleichzeitige Aushandlung von EU-Rückübernahmeabkommen und Partnerschaftsabkommen oder anderen Arten von Assoziierungs- oder Kooperationsabkommen.

Erfüllt ein Partnerland seine Rückübernahmepflicht nicht, zeigt es sich also bei den Bemühungen, die irreguläre Zuwanderung zu verhindern, nicht sehr kooperativ, dann sollten unbeschadet rechtlicher Verpflichtungen in den Rahmenabkommen zwischen der EU und Drittländern, insbesondere hinsichtlich der Kriterien für die Aussetzung der Zusammenarbeit, Sanktionen gegen das Land verhängt werden.

Empfehlung 6:

Die EU sollte die vier ihr zur Verfügung stehenden Anreize (verschiedene visapolitische Instrumente, finanzielle Unterstützung, Instrumente des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage und legale Zuwanderung) den Partnerländern gleich bei Verhandlungsaufnahme als Gesamtpaket anbieten. Es sollten keine unabhängigen Richtlinien für Rückübernahmeverhandlungen mehr erteilt werden. Soweit möglich, sollten die Rückübernahmeverhandlungen parallel zu Verhandlungen über Rahmenabkommen geführt werden. In den Richtlinien für Rückübernahmeverhandlungen sollten, besonders wenn die Richtlinien eine Drittstaatsangehörigen-Klausel vorsehen, künftig Anreize seitens der EU und gleichzeitig Sanktionen der EU für den Fall des ständigen und ungerechtfertigten Zuwiderhandelns des Partnerlandes vorgesehen werden.

3.2. Mangelnde Flexibilität

Viele Verhandlungen ziehen sich endlos in die Länge, weil es grundlegende Differenzen zwischen beiden Seiten wegen bestimmter technischer Aspekte gibt (darunter auch über die in Abschnitt 2.5 genannten Verfahren).

Da die Haftdauer in der EU bisher nicht harmonisiert wurde, sieht sich die Kommission in Verhandlungen immer gezwungen, auf eine Höchstdauer zu drängen, die im besten Fall der kürzesten maximalen Dauer der Sicherungshaft in den MS entspricht. In Verbindung mit dem Grundsatz, der gleichzeitig auch einzuhalten ist und besagt, dass das Partnerland die Rückübernahme automatisch akzeptiert, wenn es sich nicht innerhalb der Frist äußert, sind viele Drittstaaten wegen ihrer unzureichenden Verwaltungskapazitäten nicht in der Lage, diese kürzeste maximale Haftdauer zu gewährleisten. Diese Frage könnte in (naher) Zukunft dank neuer Technologien weniger dringlich werden. Auch ziehen mehrere MS eine Verlängerung der Haftdauer in Erwägung. Bislang ist es jedoch eines der Haupthindernisse für den raschen Abschluss von Verhandlungen sowohl mit den Drittstaaten als auch mit den MS. Ein weiteres häufiges Problem ist, dass die Kommission oft auf Drängen einzelner MS, manchmal gar nur eines einzigen MS, weiter über einen Abkommensentwurf verhandeln muss, obgleich der Entwurf für die große Mehrheit der MS bereits akzeptabel ist. Zwar haben die am meisten betroffenen Länder in diesem Fall auch am meisten zu gewinnen oder zu verlieren, doch erfordert der Abschluss eines Abkommens nur eine qualifizierte Mehrheit im Rat.

Empfehlung 7:

Die Kommission sollte sich mit allen MS über eine realistische feste Haftdauer einigen, die sowohl die Drittstaaten als auch die MS einführen können. Wichtig ist, dass die Dauer der Sicherungshaft nicht zu lang sein darf, da die strengen Bedingungen des Artikels 15 der Rückführungsrichtlinie (Haft nur als letztes Mittel, möglichst Vermeidung von Zwangsmaßnahmen, systematische gerichtliche Kontrolle der Haftanordnung und Verpflichtung der MS zur Durchführung der Abschiebung mit der gebotenen Sorgfalt) uneingeschränkt erfüllt werden müssen. Die MS sollten die Anstrengungen der Kommission in den Rückübernahmeverhandlungen stärker unterstützen und dürfen das übergreifende Interesse von EU-Rückübernahmeabkommen für die gesamte EU nicht aus den Augen verlieren.

Sämtliche bisher geschlossenen EU-Rückübernahmeabkommen verpflichten die Vertragsparteien unter bestimmten Bedingungen auch zur Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen, die durch ihr Hoheitsgebiet durchgereist sind.

Alle Drittländer haben starke Vorbehalte gegen die Drittstaatsangehörigen-Klausel. Sie argumentieren, dass sie nicht die Verantwortung für Bürger aus Drittländern übernehmen können und daher nicht verpflichtet werden sollten, diese zurückzunehmen. Würde die EU eine Drittstaatsangehörigen-Klausel nicht verlangen oder nicht versuchen, eine solche Klausel mit Anreizen durchzusetzen, hätten bestimmte laufende Verhandlungen bereits abgeschlossen werden können (z.B. mit Marokko und der Türkei), andere hätten viel schneller zum Abschluss gebracht werden können. Es ist jedoch klar, dass ein EU-Rückübernahmeabkommen mit einem wichtigen Transitland für irreguläre Zuwanderer in die EU ohne eine Drittstaatsangehörigen-Klausel für die EU von geringem Interesse ist.

Nach Erfahrung der Kommission geht bereits viel Zeit verloren, bis das Drittland die Drittstaatsangehörigen-Klausel im Grundsatz akzeptiert. Um dann noch eine Einigung über den genauen Wortlaut und die Vorbedingungen für die Klausel zu erzielen, müssen weitere Zugeständnisse gemacht werden, was oft zu Lasten der Wirksamkeit des Abkommens geht. Zur Garantie der Wirksamkeit wäre in Fällen, in denen die Einbeziehung von Drittstaatsangehörigen-Klauseln für die EU besonders wichtig ist, ein geeignetes Lockmittel nützlich gewesen. Für die Rückübernahme eigener Staatsangehöriger sollten in der Regel keine maßgeblichen Anreize angeboten werden müssen. Interessant ist, dass die bilateralen Rückübernahmeabkommen der MS selten eine Drittstaatsangehörigen-Klausel enthalten (besonders, wenn eine gemeinsame Landgrenze vorhanden ist). Doch verlangen die MS stets eine solche Klausel in den Abkommen auf EU-Ebene. Dies wirft wichtige Fragen auf, da, wie die Daten der MS zeigen (siehe Abschnitt 2.4), die MS die Drittstaatsangehörigen-Klausel selten anwenden, selbst gegenüber Transitländern wie den westlichen Balkanländern, die gemeinsame Landgrenzen mit EU-Staaten haben.

Wenn diese Klausel nicht so häufig angewandt wird, sollte die EU daher ihre Rückübernahmepolitik stärker auf wichtige Herkunftsländer irregulärer Zuwanderer statt auf die Transitländer ausrichten, beispielsweise auf Afrika südlich der Sahara und Asien.

Empfehlung 8:

Die Rückübernahmepolitik sollte geändert werden. In künftigen Verhandlungsrichtlinien sollten grundsätzlich keine Drittstaatsangehörigen-Klauseln vorgesehen werden, so dass keine maßgeblichen Anreize notwendig wären. Nur in Fällen, in denen wegen der geografischen Lage des betreffenden Landes im Verhältnis zur EU (direkte Nachbarländer, bestimmte Mittelmeerländer) das potenzielle Risiko der irregulären Zuwanderung in die EU durch das Hoheitsgebiet des Landes groß ist, sollte eine solche Klausel vorgesehen werden, wenn gleichzeitig geeignete Anreize angeboten werden. In diesen Fällen sollte die EU jedoch grundsätzlich auch ausdrücklich erklären, dass sie immer versuchen wird, die Person zunächst in ihr Herkunftsland abzuschieben. Die EU sollte auch ihre Rückübernahmestrategie stärker auf wichtige Herkunftsländer konzentrieren.

4. Überwachung der Durchführung der EU-Rückübernahmeabkommen Verbesserung der Menschenrechtsgarantien

4.1. Überwachungsmechanismus

Das bisher wichtigste Instrument zur Überwachung der Durchführung der EU-Rückübernahmeabkommen waren die Gemischten Rückübernahmeausschüsse. Sie wurden bisher für jedes der elf Rückübernahmeabkommen mit Ausnahme des Abkommens mit Sri Lanka offiziell eingesetzt. Die politische Lage in diesem Land und technische Fragen haben bisher die Organisation einer Sitzung verhindert. Ausschusssitzungen werden bei Bedarf auf Antrag einer Vertragspartei einberufen. Die Ausschüsse treten mindestens einmal im Jahr, für manche Länder zweimal im Jahr zusammen. Ausnahmen sind Hongkong und Macau. Die Ausschüsse sind insbesondere mit der Überwachung der Anwendung des jeweiligen EU-Rückübernahmeabkommens betraut und können Beschlüsse fassen, die für die Vertragsparteien verbindlich sind. Nach Maßgabe der geltenden Rückübernahmeabkommen führen die Kommission (im Namen der EU, aber in manchen Fällen mit Unterstützung von Experten aus den MS) und der jeweilige Drittstaat gemeinsam den Vorsitz.

Die MS bewerten die Arbeit der Ausschüsse insgesamt durchaus positiv. Die Kommission teilt die Meinung mancher MS, dass die systematische Einbeziehung von Experten der MS sehr nützlich sein könnte.

Angesichts der wachsenden Bedeutung der Rückübernahmeabkommen im Rückübernahmeprozess und ihrer potenziellen Bedeutung für den Schutz von Menschenrechten und den internationalen Schutz sollte in Erwägung gezogen werden, einschlägig befasste NRO und internationale Organisationen zu den Sitzungen der Gemischten Rückübernahmeausschüsse einzuladen. Natürlich müssten beide Vorsitzende dem zustimmen.15 Damit die bestehenden und künftigen Rückübernahmeausschüsse die Durchführung von EU-Rückübernahmeabkommen besser überwachen können, sollten sie stärker Informationen von NRO und internationalen Organisationen, Botschaften der MS und EU-Delegationen heranziehen, um sich ein Bild von der Situation "vor Ort" machen zu können.

Empfehlung 9:

Die systematische Teilnahme von Experten der MS in allen Gemischten Rückübernahmeausschüssen sollte in Erwägung gezogen werden. Zudem sollte von Fall zu Fall geprüft werden, ob die Teilnahme von NRO und internationaler Organisationen an den Ausschusssitzungen nützlich wäre. Die Ausschüsse sollten - auch bei der Überwachung der Behandlung von Drittstaatsangehörigen sehr viel enger mit in den Drittländern tätigen, einschlägig befassten Akteuren zusammenarbeiten. Um Informationen über die Durchführung der Abkommen zu erhalten, sollte verstärkt auf Quellen wie EU-Delegationen, Botschaften von EU-MS, internationale Organisationen und NR O zurückgegriffen werden.

4.2. Die aktuelle Politik in Sachen Menschenrechtsgarantien in EU-Rückübernahmeabkommen

Die EU sieht die Rückübernahmeabkommen als technisches Instrument, mit dem die Verfahren der Kooperation zwischen den Behörden verbessert werden. Die Lage der Person, die von einer Rücknahmemaßnahme betroffen ist, wird darin nicht geregelt. Dafür gelten die einschlägigen völkerrechtlichen und nationalen Bestimmungen oder das EU-Recht.

Das Rechtskonstrukt der bisherigen Rückübernahmeabkommen (und der bisher angenommenen Verhandlungsrichtlinien) beruht auf der Tatsache, dass das Rückübernahmeverfahren nur für Personen gilt, die sich illegal im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien aufhalten. Ob sich eine Person illegal aufhält, wird in einer Rückführungsentscheidung festgestellt, die nach im Hoheitsgebiet jeder Vertragspartei geltendem (Verwaltungs-)Recht und unter Beachtung der darin verankerten Verfahrensgarantien (Rechtsbeistand, Überprüfung der Rechtmäßigkeit, Beachtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung usw.) ergeht. Einige Verfahrensgarantien für rückkehrpflichtige Drittstaatsangehörige (darunter der Grundsatz der Nichtzurückweisung) wurden vor kurzem in der Rückführungsrichtlinie16 festgeschrieben, die die MS bis zum 24. Dezember 2010 umzusetzen hatten und unter Beachtung der Grundrechte, insbesondere der EU-Grundrechtecharta, anzuwenden haben.

Hat eine Person internationalen Schutz beantragt, so ist sie nach den einschlägigen asylrechtlichen EU-Bestimmungen berechtigt, im Hoheitsgebiet eines MS zu bleiben, bis über den Antrag entschieden ist. Erst nach Ablehnung des Antrags kann eine Rückführungsentscheidung getroffen oder ausgeführt werden, so dass eine Person, die Anspruch auf internationalen Schutz hat, niemals von einer Rückübernahmemaßnahme betroffen sein kann, da ihr Aufenthalt nicht als unrechtmäßig gelten kann.

Die rechtsverbindlichen internationalen Instrumente, die von allen MS17 ratifiziert wurden, gelten unabhängig von den genannten EU-Rückführungs- und Asylvorschriften allgemein für alle Personen, die einem Verfahren zur Rückübernahme unterworfen sind. Diese Instrumente garantieren, dass niemand aus einem MS abgeschoben werden darf, wenn dies gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung verstößt oder wenn der Betroffene im Aufnahmeland Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt wäre. In diesen Fällen darf kein Rückübernahmeverfahren eingeleitet werden. Dies wird in der sogenannten "Unberührtheitsklausel" in den EU-Rückübernahmeabkommen anerkannt, mit der die Anwendbarkeit und die Beachtung der Menschenrechtsinstrumente bestätigt wird. Daher muss sich eine Rückführung/Rückübernahme auf eine Rückführungsentscheidung stützen, die nur unter Wahrung der genannten Garantien ergehen kann. Darüber hinaus müssen die MS bei der Durchführung der EU-Rückübernahmeabkommen die EU-Grundrechtecharta beachten.

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 und Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und das entsprechende Protokoll von New York von 1967.

4.3. Maßnahmenoptionen zur Verbesserung der Menschenrechtsgarantien in EU-Rückübernahmeabkommen und Überwachung von deren Durchführung

Demnach stellt der Rechtsrahmen der Rückübernahmeabkommen bereits eindeutig sicher, dass diese Abkommen nicht auf eine Person angewandt werden dürfen, die im Rückübernahmeland der Verfolgung, Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte.

Jedoch ist die tatsächliche administrative und gerichtliche Praxis hier von Belang. Angesichts der zahlreichen EU-Rückübernahmeabkommen und ihres Stellenwertes in der EU-Politik gegen die irreguläre Zuwanderung sollten wir flankierende Maßnahmen, Kontrollmechanismen und/oder Garantien in künftigen Rückübernahmeabkommen in Betracht ziehen, um zu garantieren, dass die Menschenrechte der Rückkehrer stets uneingeschränkt Beachtung finden. Die bestehenden Rückübernahmeausschüsse sollten hierbei nach Möglichkeit eine wichtige Rolle spielen. Bei der Prüfung möglicher Maßnahmen sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden:

(ii) Die EU-Rückübernahmeabkommen (bzw. generell alle Rückübernahmeabkommen) zielen in erster Linie darauf ab, mit der Regierung des Partnerlandes ein schnelles und effizientes Rückübernahmeverfahren zu vereinbaren. Dieser Grundsatz darf nicht durch Maßnahmen angetastet werden, die zur Änderung früherer endgültiger Rückführungsentscheidungen oder der endgültigen Ablehnung von Asylanträgen führen könnten, es sei denn, dies ist nach den einschlägigen EU-Bestimmungen zulässig.

(iii) Wurde mit einem bestimmten Drittland kein EU-Rückübernahmeabkommen geschlossen, heißt das nicht, dass ein MS dieses Drittland nicht auf bilateraler Basis zur Rückübernahme von Personen auffordern kann. Auch wenn auf EU-Ebene Verbesserungen eingeführt werden sollten, wird sich daher im Prinzip nichts an der bilateralen Rückübernahmepraxis der MS ändern.

(iv) Bestimmte Maßnahmenvorschläge, insbesondere die in Abschnitt V aufgeführten Maßnahmen, verlangen von der Kommission und möglicherweise den EU-Delegationen nicht nur einen höheren Mittel- und Personaleinsatz, sondern setzen auch die vorbehaltlose Kooperation der MS und der betreffenden Drittländer voraus. Besonders Letztere sind möglicherweise in diesem Punkt nicht immer offen für Zusammenarbeit.

I. Verbesserter Zugang von Drittstaatsangehörigen zu internationalem Schutz und Rechtsmitteln in der Praxis

Empfehlung 10:

Dieser Aspekt könnte im Leitfaden für Grenzschutzbeamte behandelt werden, in dem auch allgemein herausgestellt werden könnte, wie wichtig es ist, dass8 Grenzschutzbeamte feststellen, ob Personen internationalen Schutz beantragen wollen. 1 Zudem könnte in die Abkommen eine Klausel aufgenommen werden, die die Anwendung des beschleunigten Verfahrens davon abhängig macht, ob diese Information vorliegt. 19

Empfehlung 11:

In den EU-Rückübernahmeabkommen sollte ausdrücklich niedergelegt werden, dass sie nur für Personen gelten, deren Rückkehr oder Abschiebung nicht ausgesetzt wurde.20

II. Aussetzungsklauseln in jedem künftigen Rückübernahmeabkommen

Es wurden viele Bedenken gegen den Abschluss von EU-Rückübernahmeabkommen mit Ländern geäußert, in denen es wiederholt zu Menschenrechtsverletzungen und zur Missachtung des Rechts auf internationalen Schutz gekommen ist. Eine Abhilfemöglichkeit wäre eine Aussetzungsklausel für den Fall, dass es in dem betreffenden Drittland weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen kommt.

Empfehlung 12:

Die Mitgliedstaaten müssen bei der Durchführung von EU-Rückübernahmeabkommen stets die Grundrechte beachten und somit deren Anwendung aussetzen, wenn andernfalls Grundrechte verletzt würden.

Dieser Leitgrundsatz kann durch die Aufnahme einer Aussetzungsklausel mit gegenseitiger

Wirkung in das Abkommen untermauert werden. Diese Klausel würde vorsehen, das Abkommen vorübergehend auszusetzen, wenn ein hohes Risiko einer Verletzung der Menschenrechte bei übernommenen Personen weiterbesteht. Die EU könnte in diesem Fall die Anwendung des Abkommens durch Inkenntnissetzung der anderen Vertragspartei einseitig beenden (wenn nötig nach Konsultation des Gemischten Rückübernahmeausschusses).

III. Besondere Klauseln in jedem künftigen Rückübernahmeabkommen für die freiwillige Ausreise

Die freiwillige Ausreise, die in der Rückführungsrichtlinie eindeutig die bevorzugte Lösung ist, könnte in der Praxis an administrativen Hürden scheitern, da möglicherweise für die Rückreise kein Passierschein ausgestellt wird oder der Rückreisewillige bei seiner Ankunft im Heimatland administrative oder strafrechtliche Sanktionen fürchten muss (wegen Verletzung der Migrationsbestimmungen).

Empfehlung 13:

Aufnahme einer Klausel in jedes EU-Rückübernahmeabkommen, die die Parteien verpflichtet, die freiwillige Ausreise zu favorisieren, die dafür nötigen Dokumente auszustellen und gegen freiwillige Rückkehrer keine Sanktionen wegen Verletzung der Migrationsbestimmungen zu verhängen.

IV. Einforderung der Beachtung der Menschenrechte von Rückkehrern

Drittstaatsangehörige, die in ein Transitland zurückgebracht werden, könnten sich in einer besonders schwierigen Lage wiederfinden, vor allem wenn die Menschenrechte, darunter auch das Recht auf internationalen Schutz, in dem Land nicht konsequent beachtet werden. Beispielsweise besteht das Risiko, dass unangemessene Verwaltungsmaßnahmen ergriffen werden, die nicht mit den allgemeinen Menschenrechtsstandards zu vereinbaren sind (z.B. lange oder unbefristete Haftdauer bis zur Abschiebung in das Herkunftsland), oder dass der Betroffene trotz berechtigter Befürchtungen, dass er verfolgt werden könnte, in sein Herkunftsland zurückgebracht wird. Drittstaatsangehörige, die nicht in Gewahrsam genommen wurden, könnten es während ihres Aufenthalts in dem Rückübernahmeland schwer haben, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.

Empfehlung 14:

Wenn EU-Rückübernahmeabkommen eine Drittstaatsangehörigen-Klausel enthalten, sollte grundsätzlich auch eine Klausel vorgesehen werden, die die Vertragsparteien verpflichtet, Drittstaatsangehörige gemäß den wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen, die sie unterzeichnet haben, zu behandeln. Hat das Rückübernahmeland diese internationalen Menschenrechtskonventionen nicht ratifiziert, sollte im EU-Rückübernahmeabkommen ausdrücklich festgelegt werden, dass das Land dennoch an die Menschenrechtsstandards dieser Konventionen gebunden ist.

V. Einführung eines Follow-up-Mechanismus für Rückkehrer im Rückübernahmeland und für die Beachtung der Menschenrechte

Bisher gibt es keinen Mechanismus, mit dem festgestellt werden könnte, was mit Personen (insbesondere Drittstaatsangehörigen) nach ihrer Rückübernahme geschieht. Es wäre wichtig zu wissen, ob das Drittland nach der Rückübernahme die Menschenrechte der übernommenen Personen eingehalten hat. Hierbei sind die praktische Durchführbarkeit sowie die Souveränität der Drittländer zu bedenken. Auch sollte erkundet werden, wie man Rückkehrer zur aktiven Zusammenarbeit bei einem solchen Follow-up bewegen kann.

Empfehlung 15:

Die Kommission sollte ein Pilotprojekt in Erwägung ziehen, das sie mit Unterstützung des Europäischen Auswärtigen Dienstes durchführen könnte und in dessen Rahmen sie eine wichtige, im Bereich der Migration tätige internationale Organisation in dem betreffenden Drittstaat, mit dem ein EU-Rückübernahmeabkommen geschlossen wurde (z.B. Pakistan oder Ukraine), beauftragt, die Situation der nach dem Abkommen rückübernommenen Personen zu verfolgen und dem jeweiligen Rückübernahmeausschuss Bericht zu erstatten. Auf der Grundlage der Auswertung dieses Pilotprojekts könnte die Kommission unter Berücksichtigung der verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen entscheiden, ob ein solches Projekt auf alle Drittländer ausgedehnt werden sollte, mit denen ein Rückübernahmeabkommen geschlossen wurde. Auch könnte näher analysiert werden, inwieweit ein System für die Überwachung von Rückführungen, wie es in der Rückführungsrichtlinie vorgesehen ist, einen Beitrag zu einem Mechanismus für das Follow-up von Rückkehrern nach deren Rückkehr leisten kann.

5. Fazit

Insgesamt ergibt die Evaluierung ein gemischtes Bild. Einerseits zeigt sich deutlich, dass EU-Rückübernahmeabkommen bei ordnungsgemäßer Anwendung einen Mehrwert hinsichtlich der Rückübernahme von eigenen Staatsangehörigen bieten, vor allem in Nachbarländern der EU. Somit sind sie ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der irregulären Zuwanderung aus Drittländern. Andererseits lassen die Verhandlungsrichtlinien in manchen (technischen) Aspekten zu wenig Freiraum und bieten keine ausreichenden Anreize, was den Abschluss der Verhandlungen verzögert und/oder zusätzliche Zugeständnisse erforderlich macht. Was die Überwachung der Durchführung der Rückübernahmeabkommen und Menschenrechtsaspekte anbelangt, sind Verbesserungen eindeutig möglich, vor allem indem die Rolle der Rückübernahmeausschüsse aufgewertet wird.

Die Kommission schlägt dem Rat und dem Europäischen Parlament vor, die EU-Rückübernahmepolitik, wie in dieser Mitteilung empfohlen, zu ändern. Insbesondere empfiehlt sie, dass die Anreize, die der EU zur Verfügung stehen, zu einem Gesamtmobilitätspaket geschnürt werden, das dem betreffenden Drittland gleich bei Verhandlungsaufnahme angeboten wird. Eigenständige Verhandlungsrichtlinien sollten nicht mehr vorgeschlagen werden. Verhandlungsrichtlinien sollten künftig, besonders wenn sie eine Drittstaatsangehörigen-Klausel vorsehen, Anreize seitens der EU und gleichzeitig mögliche Sanktionen der EU für den Fall des ständigen Zuwiderhandelns des Verhandlungspartners enthalten. Darüber hinaus sollte die EU-Rückübernahmepolitik weitaus stärker in die allgemeinen auswärtigen Beziehungen der EU integriert werden, indem u.a. mögliche Synergien mit der Aushandlung von Rahmenabkommen mit Drittländern genutzt werden.