Antrag der Länder Bremen, Berlin
Entschließung des Bundesrates - Zivilgesellschaft stärken: Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren und erweitern


Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen Bremen, 3. März 2020

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Dietmar Woidke

Sehr geehrter Herr Präsident,
im Namen der Länder Bremen und Berlin übersende ich hiermit den Antrag

Entschließung des Bundesrates - Zivilgesellschaft stärken: Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren und erweitern

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 13. März 2020 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Andreas Bovenschulte
Bürgermeister

Entschließung des Bundesrates - Zivilgesellschaft stärken: Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren und erweitern

Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:

Begründung:

Zu 1:

Der Bundesfinanzhof hat im sogenannten Attac-Urteil vom 10.01.2019 (V R 60/17) über Fragen der Steuerbegünstigung im Zusammenhang mit politischem Engagement entschieden. Der Bundesfinanzhof führte in seiner Entscheidung die bereits bestehende BFH-Rechtsprechung zur politischen Betätigung steuerbegünstigter Organisationen fort und stellte fest, dass die Verfolgung politischer Zwecke durch Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung nicht steuerbegünstigt im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung sei. Steuerbegünstigte Körperschaften hätten kein allgemeinpolitisches Mandat. Eine steuerbegünstigte Körperschaft dürfe sich in der Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ausdrücklich genannten Zwecken diene. Allerdings dürfe die Tagespolitik nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit stehen, sondern müsse der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele dienen. In der Folge der BFH-Entscheidung wurde neben Attac auch weiteren Vereinen die Steuerbegünstigung entzogen.

Innerhalb der Zivilgesellschaft führt die o.g. Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu großen Verunsicherungen. Es wird befürchtet, dass das zivilgesellschaftliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern in Vereinen beeinträchtigt, eingeschränkt und das Engagement der Zivilgesellschaft dadurch beschädigt wird.

Zu 2:

Elementare Bestandteile einer lebendigen Demokratie sind eine kritische Zivilgesellschaft und starke Organisationen, die politische Entscheidungsprozesse aktiv begleiten, sich einmischen und Stellung beziehen. Die selbstlose Beteiligung an der öffentlichen Meinungsbildung sowie der politischen Willensbildung sind Kennzeichen des zivilgesellschaftlichen Engagements und ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Gemeinwesens. Zivilgesellschaftliche Organisationen leisten aufgrund gewandelter gesellschaftlicher Strukturen einen immer größeren Beitrag zur gesellschaftlichdemokratischen Debatte. Das politische Engagement der Zivilgesellschaft nimmt kontinuierlich zu, politische Willensbildung erfolgt nicht mehr nur ausschließlich durch Parteien.

Vor diesem Hintergrund muss der Staat zeitgemäße Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Körperschaften, die sich im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegen und die Demokratie durch die Beteiligung an zivilgesellschaftlichen Debatten fördern, steuerlich gefördert werden und dass ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement auf diesem Weg unterstützt wird. Ein modernes Steuerbegünstigungsrecht sollte die Beteiligung am politischen Diskurs auch für spezifische Anliegen in frei gewählten Politikfeldern im demokratischen Prozess öffnen, um dem Interesse an einem breiten demokratischen Diskurs gerecht zu werden.

Zu 3 und 4:

Dem Wandel in der Zivilgesellschaft sollte im Rahmen der steuerbegünstigten Zwecke der §§ 51 ff. AO unter Beachtung des Artikel 21 Grundgesetz Rechnung getragen werden.

Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz normiert, dass die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Mitwirkung bedeutet aber gerade, dass die politische Willensbildung nicht allein den Parteien vorbehalten ist, sondern auch einer aktiven Zivilgesellschaft.

Es bedarf aber der Sicherstellung einer klaren Abgrenzung steuerbegünstigter Körperschaften zu den Parteien. Das Bundesverfassungsgericht fordert in ständiger Rechtsprechung eine Trennung zwischen steuerbegünstigter Betätigung und der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes in und durch Parteien. Das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes erschöpft sich nicht in der Stimmabgabe bei den Wahlen, sondern auch in der Einflussnahme auf den Prozess der politischen Willensbildung. Die deshalb bestehenden Beschränkungen der §§ 34g, 10b Abs. 2 Einkommensteuergesetz für Parteien und sonstige, vorrangig politisch agierende Vereinigungen sollen die Chancengleichheit unter den politischen Vereinigungen wahren und eine erhöhte steuerliche Begünstigung kapitalstarker Spenderinnen und Spender verhindern. Bei einer gesetzlichen Neuregelung muss dies - schon aus Gründen der Transparenz - berücksichtigt werden.