Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament und den Rat: Mehrjahresverträge für die Qualität der Schieneninfrastruktur KOM (2008) 54 endg.; Ratsdok. 6295/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 15. Februar 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 06. Februar 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 07. Februar 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 835/98 = AE-Nr. 983215 und AE-Nr. 061244

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat
Mehrjahresverträge für die Qualität der Schieneninfrastruktur

1. Allgemeiner Kontext

1.1. Finanzierung der Schieneninfrastruktur

Die gemeinschaftliche Verkehrspolitik zielt auf die Errichtung und Optimierung von Verkehrsinfrastruktur und ihre solide Verwaltung in Bezug auf Qualität, Zuverlässigkeit, Flexibilität und Kundenorientierung. Dazu müssen geeignete Finanzquellen erschlossen werden. Sechs Jahre nach Verabschiedung des Eisenbahninfrastrukturpakets1 herrscht noch immer Sorge hinsichtlich der langfristigen Finanzierung der vorhandenen Schieneninfrastruktur, der Qualität der Infrastrukturleistungen sowie der Frage, wie die Leistung der Infrastrukturbetreiber verbessert werden kann. Dies ist das Ergebnis umfassender Konsultationen der Interessengruppen, die zwischen Mai 2006 und September 2007 stattgefunden haben2.

In dieser Mitteilung werden die Maßnahmen beschrieben, die die Mitgliedstaaten und die Infrastrukturbetreiber ergreifen sollten, um einen angemessenen Fahrwegbetrieb bei ausgeglichener Finanzstruktur zu gewährleisten. Die Kommission empfiehlt die einheitliche und uneingeschränkte Anwendung dieser Maßnahmen in der gesamten Europäischen Union.

Sie wird aber auch Vorschläge für verbindliche Rechtsvorschriften in Betracht ziehen, um dafür zu sorgen, dass der Schienenverkehrsmarkt in der EU und die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Schaffung von Bahninfrastruktur voll miteinander im Einklang stehen.

1.2. Strategischer Rahmenplan für die Errichtung von Schieneninfrastruktur

Die Bereitstellung von Schienenverkehrsinfrastrukturen ist wesentlicher Bestandteil eines wettbewerbsfähigen Schienenverkehrsmarkts. An der Errichtung der Infrastruktur sind zwei Akteure beteiligt, nämlich die Mitgliedstaaten, in der Regel die öffentliche Hand als Eignerin der Infrastruktur, und die Infrastrukturbetreiber. Ihren jeweiligen Aufgaben entsprechend, wie sie in den Rechtsvorschriften für den Eisenbahnsektor festgelegt sind, haben sie im Rahmen eines kohärenten Konzepts über Umfang, Art und Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen zu entscheiden.

Die erste Voraussetzung ist ein schlüssiger strategischer Rahmen für die Verkehrspolitik. Auf der Grundlage von Bedarfsprognosen sollte der Staat im Rahmen seiner Verkehrspolitik den langfristigen Infrastrukturbedarf für alle Verkehrsträger bestimmen. Hieraus sollten sich die notwendigen Parameter ergeben, anhand deren über die bestmögliche Qualität der Infrastruktur und den Umfang des Schienennetzes entschieden werden kann. Dies kann zur Stilllegung von Strecken führen, auf denen nach vernünftigem Ermessen keine Nachfrage mehr zu erwarten ist, beziehungsweise zum Ausbau von Kapazitäten auf den Strecken mit steigender Nachfrage3.

1.3. Das Ausmaß staatlicher Eingriffe

Die EU-Mitgliedstaaten haben 2006 13,9 Mrd. € in die Instandhaltung4 und den Bau von Schieneninfrastruktur investiert, die Mittel für öffentlichprivate Partnerschaften (siehe Anhänge 1 und 2) nicht eingerechnet. Unter Berücksichtigung der Einnahmen aus den Nutzungsentgelten belaufen sich die Instandhaltungskosten auf ca. 35 Mrd. € pro Jahr. Diese Entgelte decken nur 30 % bis 50 % der Kosten ab, in Einzelfällen aber auch 10 % bzw. 100 %.

Die Kofinanzierung von Verkehrsinfrastruktur durch die EU erfolgt in erster Linie über den TEN-Haushalt sowie im Rahmen der Kohäsions- und der Regionalfonds. Dabei geht es um den Bau und die Modernisierung des transeuropäischen Schienennetzes und damit nur um einen kleinen Teil der Eisenbahninfrastruktur.

Nach dem Gemeinschaftsrecht müssen die Wegeentgelte sich an den Grenzkosten orientieren, die durch den Betrieb eines zusätzlichen Zuges entstehen. Eine volle Kostendeckung ist nur in Ausnahmefällen und unter bestimmten Voraussetzungen möglich5. Häufig leisten die Mitgliedstaaten den entscheidenden Beitrag zur finanziellen Stabilität ihrer Infrastrukturbetreiber. Diese müssen einen Großteil ihrer Instandhaltungsausgaben aus ihren Einnahmen oder aus staatlichen Mitteln finanzieren. Angesichts dieser Mittelübertragungen stellt sich die Frage, in welcher Beziehung der Staat und die Infrastrukturbetreiber zueinander stehen.

2. Stand der Umsetzung

2.1. Der Rechtsrahmen in der Europäischen Union

Das EU-Recht sieht die Schaffung von Anreizen vor, um die mit den Infrastrukturleistungen verbundenen Kosten und die entsprechenden Wegeentgelte zu senken. Die Kosten müssen verringert werden, wobei ein gebührendes Augenmerk auf die Sicherheit sowie auf die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung zu richten ist.

Während für das Sicherheitsmanagement und die Meldung von Unfalldaten detaillierte Gemeinschaftsvorschriften bestehen, gibt es für die Überwachung der Infrastrukturleistungen noch keine derartigen Anforderungen.

Den Mitgliedstaaten steht es frei, dieser Verpflichtung entweder durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen und/oder durch vertragliche Vereinbarungen nachzukommen, die als Mehrjahresverträge bezeichnet werden6. Die Laufzeit solcher Vereinbarungen beträgt mindestens drei Jahre und übersteigt damit die übliche jährliche Finanzplanung. Die Vertragsbedingungen und die Modalitäten der Zahlungen müssen für die gesamte Vertragslaufzeit im Voraus vereinbart werden.

In einigen europäischen Ländern haben die Infrastrukturbetreiber wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Mehrjahresverträgen gesammelt. Nach Ansicht der Kommission sollte dieser Ansatz als vorbildliches Verfahren genutzt und noch stärker darauf zurückgegriffen werden.

Sie hat die Mitgliedstaaten deshalb aufgefordert, für die Instandhaltung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur auch in Zukunft Verträge mit den Infrastrukturbetreibern zu schließen. Dies bildet auch die geeignete Grundlage für ein leistungsorientiertes System7.

2.2. Sonstige Rechtsvorschriften

Neben den vorgenannten Bestimmungen, die sich unmittelbar auf Mehrjahresverträge beziehen enthalten die Eisenbahnrichtlinien der EU weitere Vorschriften, die für die Umsetzung hilfreich sein können:

Hinsichtlich der geforderten Unabhängigkeit der Geschäftsführung von Infrastrukturbetreibern und des wirtschaftlichen Charakters ihrer Tätigkeiten gibt es weitere Bestimmungen, die die Zulässigkeit und die Transparenz staatlicher Mittelübertragungen betreffen:

2.3. Derzeitige Verwendung von Mehrjahresverträgen

Je nach Mitgliedstaat werden Mehrjahresverträge sehr unterschiedlich eingesetzt (siehe Anhang 4). In etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten werden diese Verträge weder verwendet noch ist dies vorgesehen. Einige Mitgliedstaaten stellen überhaupt keine Mittel für die Instandhaltung der Infrastruktur bereit, in anderen werden derzeit die ersten Verträge ausgehandelt und einige Mitgliedstaaten bereiten gerade eine Vertragsverlängerung für einen weiteren Mehrjahreszeitraum vor. Gleichzeitig planen immer mehr Mitgliedstaaten, diese Verträge einzuführen, nachdem die Voraussetzungen des ersten Eisenbahnpakets geschaffen wurden.

In Belgien, Bulgarien, Estland, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Österreich, Rumänien und dem Vereinigten Königreich haben Infrastrukturbetreiber Mehrjahresverträge mit ihren jeweiligen Staaten geschlossen. Einige Staaten wie das Vereinigte Königreich sind dabei, Verträge zu verlängern, während in anderen Ländern, z.B. Deutschland, solche Verträge erstmals vorbereitet werden. In Bulgarien, Irland, den Niederlanden, Österreich, der Slowakei, Ungarn und dem Vereinigten Königreich werden Zahlungen für die Infrastrukturleistungen bereits an Qualitätskriterien geknüpft12.

3. Unterschiedliche Finanzierung der Instandhaltung

Die Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnsektors hängt in hohem Maße von der Verfügbarkeit und der Qualität der Infrastruktur ab. Der Instandhaltung der Infrastruktur werden aber nicht immer die Bedeutung und die Finanzmittel zuteil, die die Eisenbahnunternehmen erwarten, um mit anderen Verkehrsarten konkurrieren zu können.

Fast ein Drittel der Infrastrukturbetreiber gibt an, dass sie nicht über genügend Mittel für die Netzinstandhaltung verfügen13. Die Ausgaben für die Instandhaltung je Streckenkilometer sind je nach Mitgliedstaat sehr unterschiedlich und schwanken zum Teil um das bis zu 30-fache14. In manchen Mitgliedstaaten erhielten die Infrastrukturbetreiber zwischen 2003 und 2006 keine staatlichen Mittel, obwohl sie über Netze von erheblicher Größe verfügen. Die Mitgliedstaaten, die der EU 2004 beigetreten sind, investierten in dem Jahr 280 Mio. € in die Errichtung von Infrastruktur, gegenüber mehr als 13 Mrd. € in der EU-15 (siehe Anhang 1).

Aus dieser Diskrepanz wird deutlich, dass sich in manchen Netzen ein Instandhaltungsrückstand aufstauen kann, der von den Infrastrukturbetreibern allein finanziell nicht zu bewältigen ist.

Die nachstehende Grafik veranschaulicht die Entwicklung von Eigenkapital und Schulden der großen Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber in Europa in den Jahren 1995 bis 2004. Während das Eigenkapital ständig abnahm, haben die Schulden sich vervielfacht.

Neben der Infrastrukturinstandhaltung sind dafür noch weitere Gründe verantwortlich, z.B. fehlender Ausgleich für die Übernahme gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen. Das Ergebnis jedoch, nämlich mangelnde finanzielle Stabilität, bleibt dasselbe.

Im Jahr 2006 bewegten sich die Instandhaltungsausgaben je Streckenkilometer zwischen minimalen 220 € in der Slowakei, 16 000 € in Polen, 160 000 € in Deutschland und sogar 360 000 € im Vereinigten Königreich15. Diese enormen Unterschiede, die die durch die verschiedenen Kostenniveaus bedingten Differenzen übersteigen, lassen vermuten, dass in einigen Fällen keine nachhaltige Instandhaltung erfolgt, und andererseits nicht alle europäischen Infrastrukturbetreiber die vorhandenen Kosteneinsparungspotenziale in derselben Weise genutzt haben.

Trotz von Beginn an sehr hoher Standards konnte die Sicherheit im Eisenbahnsektor noch weiter verbessert werden. Für die Qualität der Infrastruktur trifft dies allerdings nicht immer in der gleichen Weise zu. Reichen die Einnahmen für die Instandhaltung großer und mitunter überdimensionierter Netze nicht aus, so leidet darunter die Qualität der Infrastrukturleistungen. Ohne die Festlegung und Veröffentlichung (einheitlicher) Leistungsindikatoren ist es schwierig, Defizite in der Infrastrukturqualität aufzudecken. Erst nach langer Zeit, wenn die zulässigen Geschwindigkeiten aus Sicherheitsgründen herabgesetzt werden müssen, wird das wahre Ausmaß des Problems deutlich.

In der Fallstudie in Anhang 6 wird beschrieben, wie infolge schlechter Infrastruktur die Qualität der Verkehrsdienste nachlässt und die Kunden sich schließlich anstatt der Schiene für die Straße entscheiden. Hierdurch entsteht ein Teufelskreis, da die Infrastrukturbetreiber aufgrund sinkender Einnahmen weniger Geld für die Instandhaltung ausgeben können.

Ähnliche Probleme sind zu beobachten, wenn für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Schienenpersonenverkehr kein angemessener Ausgleich gezahlt wird.

Abbildung: Eigenkapital- und Schuldenentwicklung der Eisenbahnen in den Ländern Mittel- und Osteuropas

4. Die Funktion von Mehrjahresverträgen

Mehrjahresverträge stellen eine langfristige Finanzierungsvereinbarung für die Instandhaltung der Infrastruktur dar. Der Anhang 3 enthält eine Übersicht über die wesentlichen Elemente von Mehrjahresverträgen und den Nutzen, den solche Vereinbarungen bei sorgfältiger Vorbereitung und Aushandlung bringen können.

4.1. Langfristige Finanzierungsgrundlage für die Instandhaltung

Über viele Jahre erfolgte die Bahninstandhaltung in erster Linie auf der Grundlage von technischen Kriterien und festen Erneuerungsintervallen. Die Schieneninfrastruktur muss aber vielmehr auf die künftige Verkehrsnachfrage zugeschnitten werden, damit das Beförderungsvolumen wächst und höhere Einnahmen aus den Nutzungsentgelten erzielt werden. Durch Mehrjahresverträge sollten beide Seiten verpflichtet werden, langfristige Betrachtungen anzustellen und auf der Grundlage der von den Infrastrukturbetreibern erstellten Geschäftspläne und damit des künftigen Dienstleistungsbedarfs entsprechende Instandhaltungspläne zu entwickeln. In dem im Rahmen der Konsultation durchgeführten Seminar gelangte man zu dem Ergebnis, dass Mehrjahresverträge auch einen fundierteren Ausgleich ermöglichen zwischen den Interessen der Steuerzahler und der Nutzer, Instandhaltung und Netzqualität sowie kurzfristiger Instandhaltung und Erneuerung.

4.2. Ergänzung der Entgeltregelung

In einer Situation, in der die meisten Infrastrukturbetreiber nicht in der Lage sind, mit den Einnahmen aus den Nutzungsentgelten die gesamte Instandhaltung zu finanzieren, werden die im Rahmen von Mehrjahresverträgen geleisteten Zahlungen dazu dienen, die Nutzungsentgelte zu ergänzen und so die notwendige finanzielle Stabilität zu gewährleisten.

Deshalb müssen Mehrjahresverträge mit der Entgeltrahmenregelung im Einklang stehen, die wiederum den bestehenden Entgeltbestimmungen16 entsprechen muss, ohne dem Recht des Infrastrukturbetreibers zur Festsetzung dieser Entgelte vorzugreifen17.

4.3. Wirksame Kostenkontrolle

Durch eine langfristige Planung der Bahninstandhaltung und -erneuerung können die Einheitskosten gesenkt werden, da die Ausrüstung und das Personal besser an Art und Umfang der geplanten Arbeiten angepasst werden können und der kurzfristige Bedarf an außerplanmäßigen Eingriffen abnimmt. Dies gilt sowohl für die interne als auch für die ausgelagerte Instandhaltung.

Bei einer jährlichen Haushaltsplanung müssen die budgetierten Mittel vor Jahresfrist ausgegeben werden, auch wenn eine Verschiebung der Arbeiten kosteneffizienter wäre.

Dasselbe gilt auch für den umgekehrten Fall. Bei einer Umwandlung jährlicher in mehrjährige Mittelzuweisungen können die Infrastrukturbetreiber flexibler mit den Geldern umgehen und sie bedarfsgerechter einsetzen, anstatt den strengen Regeln für öffentliche Ausgaben zu folgen.

Die nachstehende Tabelle enthält Angaben über das Einsparungspotenzial von Instandhaltungskosten entsprechend den Angaben von Infrastrukturbetreibern und Verkehrsministerien im Rahmen der Konsultation. Aus den Antworten ergeben sich insgesamt Einsparungsmöglichkeiten von schätzungsweise 580 Mio. €, und zwar nur in den Staaten, in denen noch keine Mehrjahresverträge geschlossen wurden. Davon entfallen allein 370 Mio. € auf eine effizientere Planung der Instandhaltungsarbeiten (siehe Folgenabschätzung).

Tabelle: Einsparung von Instandhaltungskosten.

Mehrjahresverträge führen zu geringeren Instandhaltungskosten durch Erwartete Kostensenkung Anzahl der Antworten
effizientere Nutzung der Ressourcen 2 - 5% 6
effizientere Auslagerung der Instandhaltung 5-10% 3
Reduzierung des Personaleinsatzes 0,1- 3% 3

Unter dem Druck der Devise "use it or lose it" nehmen die Instandhaltungstätigkeiten zum Jahresende tendenziell zu. Die öffentlichen Haushalte gehorchen einer Logik, nach der bei unvollständiger Mittelausschöpfung das nachfolgende Budget gekürzt wird. Darüber hinaus führen umfangreiche Instandhaltungsarbeiten zu diesem Zeitpunkt zu mehr Verspätungen und Betriebsstörungen. Die Abschaffung der jährlichen zugunsten einer Mehrjahresplanung führt zu weniger Störungen, da die Instandhaltung so geplant werden kann, dass der Betrieb so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Nach der allgemeinen Einführung effizienter leistungsabhängiger Entgeltregelungen wird sich dieses Konzept noch stärker auszahlen, da die Nutzer bei Störungen, die vom Infrastrukturbetreiber verursacht werden, Anspruch auf Entschädigung haben.

Wenn Mehrjahresverträge nur einen Teil der Lebenszykluskosten abdecken, beispielsweise nur die Erneuerungs- oder nur die Instandhaltungskosten, so kann dies zu einer Überschreitung der Lebenszykluskosten führen oder die Infrastrukturbetreiber dazu veranlassen zu wenig Instandhaltung zu betreiben in der Gewissheit, dass die Kosten der Erneuerung später vom Staat erstattet werden können. Eine solche Verzögerung der Instandhaltung kann zu einer Verschlechterung der Infrastrukturqualität führen.

4.4. Leistungsvergleich und Regulierungsaufsicht

Die Infrastrukturbetreiber dürfen nicht verlangen, dass Informationen, insbesondere bestimmte Kostendaten, vertraulich behandelt werden. Die Infrastrukturleistungen unterliegen in der Regel keinem Wettbewerb, da die Infrastruktur ein natürliches Monopol darstellt. Mit der Verpflichtung zur Offenlegung von Finanzdaten wird dem Recht der Öffentlichkeit entsprochen über die Verwendung öffentlicher Mittel unterrichtet zu werden.

Sobald Leistungsziele effizienter festgelegt werden können, ist auch leichter zu bestimmen, wie die einzelnen Infrastrukturbetreiber gegenüber ihren Wettbewerbern aufgestellt sind. Die Kosteneffizienz kann dann nicht nur anhand der Daten des jeweiligen Infrastrukturbetreibers eines Landes beurteilt werden, sondern auch anhand von dessen Leistung im Vergleich zu anderen Infrastrukturbetreibern. Gleichzeitig sorgen die Regulierungsstellen dafür, dass die Infrastrukturbetreiber ihrer Verpflichtung nachkommen, Infrastrukturschäden zu melden, noch bevor der Schienenverkehr durch weitere Geschwindigkeitsbegrenzungen beeinträchtigt wird.

4.5. Verbesserung der Leistung und der Qualitätskontrolle

Mehrjahresverträge erleichtern den Übergang von einem internen Ansatz, bei dem den Infrastrukturbetreibern bestimmte Ausgaben erstattet werden, zu einem externen Ansatz, also zu leistungsabhängigen und ergebnisorientierten Zahlungen. Die Qualitätsindikatoren müssen dabei der SMART18-Systematik entsprechen.

Derzeit gibt es zwei Gruppen von Qualitätsindikatoren: Die erste Gruppe bezieht sich auf die Qualität des Zugbetriebs, z.B. Geschwindigkeit und Sicherheit, die zweite auf die Infrastrukturleistungen. In der ersten Gruppe werden u. a. Verspätungen infolge von Geschwindigkeitsbegrenzungen und Daten über Eisenbahnunfälle erfasst, die für die entsprechenden Statistiken gemeldet werden müssen. Als Indikatoren für die Infrastrukturleistungen kommen Instandhaltungsausgaben je Streckenkilometer in Frage oder der Prozentanteil der Strecken, für die Geschwindigkeitsbegrenzungen gelten. Die meisten dieser Daten werden von den Infrastrukturbetreibern für ihre Entgelterhebung bereits erfasst und berechnet.

Sich häufende Störungen (z.B. Schienenbrüche oder -risse) sind Frühwarnindikatoren für eine zunehmend schlechtere Infrastruktur. Eine kürzere Restlebensdauer von Infrastruktureinrichtungen kann ein Hinweis auf unnachhaltige Instandhaltung, d. h. kontinuierlichen Verfall des Schienennetzes, sein. Ein weiterer wichtiger Leistungsindikator ist die Fahrwegverfügbarkeit, wobei zwischen geplanter und nicht geplanter Verfügbarkeit unterschieden wird. Bei der Aggregation der Verfügbarkeit eines Infrastrukturnetzes sollten die Daten für die einzelnen Netzabschnitte nach der Bedeutung der jeweiligen Strecken gewichtet werden.

Als Grundvoraussetzung für die Überwachung des Zustands ihrer Anlagen müssen Infrastrukturbetreiber ein Infrastrukturregister führen. Für das transeuropäische Eisenbahnnetz sind solche Register bereits vorgeschrieben19. Durch sie sollen die Infrastrukturbetreiber über das Datum der Inbetriebnahme und die voraussichtliche Lebensdauer der Anlagen informiert werden. Die Register sind somit für die Beurteilung des Instandhaltungsbedarfs von großer Bedeutung.

In nachstehender Abbildung werden die vom britischen Infrastrukturbetreiber Network Rail und seinen Eisenbahnunternehmen verursachten Verspätungen (in Minuten) grafisch dargestellt. Durch die Einführung von Mehrjahresverträgen sind die infrastrukturbedingten Verspätungen (untere Kurve) kontinuierlich zurückgegangen.

Abbildung: Nach Verursachern aufgeschlüsselte Gesamtverspätungen

Legende:

Millions of minutesMillionen Minuten
share* (percent)Prozentanteil*
Between TOCsVerursacht durch mehrere Eisenbahnunternehmen
TOC-specificVerursacht durch ein bestimmtes Eisenbahnunternehmen
Note:* Network Rail share is the percentage of the total over the whole year*Hinweis: Die Prozentangaben geben jeweils den Anteil von Network Rail an der Gesamtverspätung eines Jahres wieder
Source: DIT Rail PerformanceQuelle: DIT Rail Performance

Der Staat, die Regulierungsstellen und die Infrastrukturnutzer, insbesondere Eisenbahnunternehmen und Versender, können die Leistungen verschiedener Infrastrukturbetreiber miteinander vergleichen (Benchmarking) und entsprechende Ziele vereinbaren. Sie verfügen dadurch bei der Aufstellung ihrer Geschäftspläne über bessere Informationen über die zu erwartende Infrastrukturqualität. Ferner können die Nutzer die Instandhaltung im Hinblick auf die zu erwartende Nachfrage beurteilen und überwachen20.

4.6. Garantie der Wirksamkeit vertraglicher Vereinbarungen

Im Interesse der Glaubwürdigkeit müssen vertragliche Vereinbarungen Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung enthalten. Zunächst muss der Vertrag klare und transparente Verfahren für die Feststellung der Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen vorsehen, wie etwa eine Unterfinanzierung oder die Nichtbeachtung finanzieller Vereinbarungen durch den Staat, die den Infrastrukturbetreiber an der Vertragserfüllung hindern. Umgekehrt kann auch der Infrastrukturbetreiber es versäumen, eine oder mehrere der vereinbarten Leistungskriterien zu erfüllen. Die diesbezügliche Aufsicht sollte nicht der Staat oder der Infrastrukturbetreiber, sondern eine unabhängige Stelle übernehmen. In der Praxis hat sich hierfür eine unabhängige, starke und kompetente Regulierungsstelle als das am besten geeignete Instrument erwiesen, sofern diese Stelle nicht zum Auftraggeber gehört und über qualifizierte Mitarbeiter sowie über die nötigen Haushaltsmittel und Datenzugriffsrechte verfügt.

Als Sanktionen kommen u. a. Strafgelder (Geldbußen) in Frage, eine der Leistungsverringerung entsprechende Kürzung der Finanzmittel, die Neubesetzung von Führungspositionen oder die Neuzuweisung von Infrastrukturen an einen anderen Betreiber.

Vor der Verhängung von Sanktionen sollten die Vertragsparteien (zusammen mit der Regulierungsstelle) jedoch auf eine einvernehmliche Lösung hinwirken.

Die Sanktionen sollten gestaffelt und dem Verstoß angemessen sein. Zunächst könnten sich die Parteien, gegebenenfalls unter Vermittlung einer Aufsichtsstelle, auf einen Konsens einigen. Kommt der Infrastrukturbetreiber seinen Vertragspflichten nicht nach, so kann der Staat in seiner Funktion als Aktionär Sanktionen verhängen, beispielsweise durch die Neubesetzung von Führungspositionen. Ferner ist es möglich, Strafgelder zu verhängen oder die Bedingungen der Franchise zu ändern, wobei bestimmte Teile der Infrastruktur einem anderen Betreiber übertragen werden.

Kommt der Staat seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nach, so führt dies in der Regel zu geringeren Qualitätsanforderungen oder einer Verringerung der Netzgröße. Auch in diesem Fall sollte die Regulierungsstelle als Vermittlerin auftreten und/oder an der Neuverhandlung des Vertrags mitwirken. Die Infrastrukturbetreiber sollten in der Lage sein zu beurteilen, inwieweit unterschiedliche Finanzausstattungen sich auf die Qualität der Infrastruktur auswirken. Dieser Prozess kann mit Hilfe eines Modells zur Untersuchung der Input-Output-Beziehungen transparenter gestaltet werden.

5. Förderung bewährter Verfahren bei der Verwendung von Mehrjahresverträgen

Aus den oben genannten Gründen ist der weitere Handlungsbedarf auf drei Ebenen, nämlich der Mitgliedstaaten, der Infrastrukturbetreiber und der Regulierungsstellen, zu betrachten.

Nach der besten Praxis sollten die Mitgliedstaaten Mehrjahresverträge mit ihren Infrastrukturbetreibern schließen, die die Elemente enthalten und den Nutzen verfolgen, wie sie in Anhang 3 beschrieben werden. Können solche Verträge nicht geschlossen werden, so sollten die Mitgliedstaaten die Infrastrukturbetreiber zumindest verpflichten, für mehr als drei Jahre Ressourcen bereitzustellen, entweder unternehmenseigene oder externe durch die Vergabe von Aufträgen.

Die Mitgliedstaaten und ihre Infrastrukturbetreiber müssen gewährleisten, dass die Mehrjahresverträge mit den strategischen nationalen Verkehrsplänen und den Geschäftsplänen der Infrastrukturbetreiber im Einklang stehen. Dasselbe gilt auch für die Infrastrukturkonzessionen und die zwischen Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreibern bestehenden Rahmenverträge.

Der Staat sollte die interessierten Kreise zu jedem Vorschlag über einen Mehrjahresvertrag konsultieren bevor neue Verträge geschlossen oder bestehende Bestimmungen neu verhandelt werden. Anschließend verhandelt er über Größe und Qualität des Netzes.

Die Mitgliedstaaten sollten ihre Anstrengungen verstärken, um die Kosten und die Entgelte für die Bereitstellung und Nutzung der Infrastruktur zu senken. Zu diesem Zweck sollten die Mitgliedstaaten über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren konkrete Einsparungsziele vereinbaren und ihre Verwirklichung überwachen und durchsetzen.

Die Infrastrukturbetreiber sollten den Zustand aller ihrer Strecken mindestens einmal jährlich prüfen. Auf den Hauptstrecken sollte diese Prüfung häufiger vorgenommen werden.

Auf der Grundlage dieser Prüfungen müssen die Infrastrukturbetreiber Indikatoren festlegen und veröffentlichen, anhand deren die Infrastrukturqualität und das Leistungsniveau für jedes Jahr der Vertragsdauer beurteilt und prognostiziert werden können.

Staatliche Eingriffe in den Infrastrukturbetrieb sollten auf die vertraglich vorgesehenen Fälle beschränkt werden. Die Infrastrukturbetreiber sind bei der Verfolgung der vereinbarten Ziele weitgehend unabhängig in ihrer Geschäftsführung. Andernfalls ist die Vereinbarung oder der Vertrag neu auszuhandeln.

Die Infrastrukturbetreiber sollten in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen auf eine unzureichende Instandhaltung von Strecken und sich daraus ergebende Defizite in der Infrastrukturqualität hinweisen. Andernfalls werden die betreffenden Infrastrukturen außer Betrieb genommen. Diese Informationen müssen so rechtzeitig erfolgen, dass sie von den Nutzern als Frühwarnsystem verwendet werden können.

Eine unabhängige Stelle sollte damit beauftragt werden, die Einhaltung von Mehrjahresverträgen zu überwachen und bei Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien zu vermitteln. Dazu sind eine angemessene Personalausstattung und Sachkenntnis erforderlich.

Schließlich können Mehrjahresverträge auch eine Vorstufe für effizientere Ausschreibungen von Infrastrukturleistungen bilden. Da es schwierig ist, ein nationales Infrastrukturnetz in seiner Gesamtheit auszuschreiben, können bei der Ausschreibung mehrere Infrastrukturbetreiber, Schienennetz-Nutzungsbedingungen, Entgeltsysteme und Zugangsbedingungen eine Rolle spielen. Um mögliche Beeinträchtigungen zu minimieren, sind als Schutzmaßnahmen einfache und diskriminierungsfreie Zugangsbestimmungen vorzusehen die die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften gewährleisten.

Die Kommission wird die Möglichkeit erwägen, mehrere dieser Empfehlungen in ihren für 2008 geplanten Vorschlag für eine Neufassung des ersten Eisenbahnpakets zu übernehmen.