Beschluss des Bundesrates
Gesetz zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) Nr. 2017/745 und die Verordnung (EU) Nr. 2017/746
(Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz - MPEUAnpG)

Der Bundesrat hat in seiner 988. Sitzung am 27. März 2020 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 5. März 2020 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes zuzustimmen.

Der Bundesrat hat ferner die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst

Anlage
Entschließung zum Gesetz zur Anpassung des Medizinprodukterechts an die Verordnung (EU) Nr. 2017/745 und die Verordnung (EU) Nr. 2017/746 (Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz - MPEUAnpG)

Zu Artikel 4 Nummer 2 und Nummer 4 (§§ 71, 127 SGB V)

Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen des Bundes, im Rahmen dieses Gesetzes eine weitere Verbesserung der Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu regeln.

Die Änderungen gehen jedoch über das Ziel hinaus und bergen die Gefahr von negativen Auswirkungen auf die Versicherten, die Leistungserbringer, die Krankenkassen und deren Aufsichtsbehörden. Das bewährte Beitrittsverfahren im Hilfsmittel-Vertragswesen, das gerade erst durch den Bundesgesetzgeber mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6. Mai 2019 gestärkt wurde, sollte nicht durch bürokratische Einzelvertragsverhandlungen, kostenträchtige Schiedsverfahren und verwaltungsintensive Aufsichtsanordnungen ersetzt werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren um Streichung der hier vorgenommenen Änderungen. Hilfsweise sollte auf ein länderbezogenes Schiedsverfahren der Verbände abgestellt werden.

Begründung:

Die geplante Regelung ist unzweckmäßig und unnötig. Die befürchteten Versorgungslücken für Versicherte bestehen im Rahmen der aktuellen Rechtslage nicht; diese würden erst durch die beabsichtigten Rechtsänderungen erzeugt.

Das bewährte Beitrittsverfahren, das gerade erst durch den Bundesgesetzgeber mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 6. Mai 2019 gestärkt wurde, wird unnötig diskreditiert. Im Ergebnis sollte dieses nicht durch bürokratische Einzelvertragsverhandlungen, kostenträchtige Schiedsverfahren und verwaltungsintensive Aufsichtsanordnungen ersetzt werden. Im Streitfalle, der in der derzeitigen Praxis nur selten auftritt, wäre die Anrufung des Sozialgerichts im einstweiligen Rechtsschutz der etablierte, zweckmäßige Weg.

Anders als in anderen Leistungsbereichen, in denen die Leistungserbringer einen Sicherstellungsauftrag haben (zum Beispiel Ärzte, Krankenhäuser) oder homogene Leistungen nach einheitlichen Standards erbringen (zum Beispiel Arzneimittel, Heilmittel), ist die Hilfsmittelversorgung heterogen gestaltet, um den vielfältigen Bedarfen der Versicherten, aber auch den unterschiedlichen Möglichkeiten der Anbieter sowie dem Wirtschaftlichkeitsgebot gerecht werden zu können.

Das Schiedsverfahren in der vorgesehenen Ausgestaltung des § 127 SGB V ist aufgrund der sich aus der hohen Anzahl von Leistungserbringern und Produktuntergruppen ergebenden Vielzahl von Einzelverträgen unnötig und extrem bürokratisch sowie in der Praxis für Krankenkassen aufgrund des dafür notwendigen Personals kaum durchführbar, wenn eine größere Zahl der Antragsberechtigten diese Möglichkeit nutzen wird.

Die Qualität der Hilfsmittelversorgung ergibt sich im Wesentlichen aus dem Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes. Die Gesetzesänderung wird für die Versicherten keine Qualitätsgewinne bringen - es wird lediglich absehbar teurer für die Solidargemeinschaft: Das Beitrittsrecht der Leistungserbringer zu Hilfsmittelverträgen würde hier dazu führen, dass stets der teuerste geschiedste Preis zur Anwendung kommt. Im Ergebnis würde sich die Hilfsmittelversorgung bundesweit vereinheitlichen und regionale Anpassungen würden ebenso verschwinden, wie Möglichkeiten den Versicherten eine bessere Qualität als die Mindestleistungen nach dem Hilfsmittelverzeichnis anzubieten. Bevorzugt würden von Schiedsverfahren mittel- bis langfristig große Leistungserbringer, die einheitliche Vorgehensweisen und stückpreismäßig günstigere Kalkulationen vornehmen können. Es bestünde die Gefahr, dass zum Beispiel kleine Handwerksbetriebe dem bundesweit vereinheitlichten Wettbewerb nicht mehr gewachsen sein könnten. Sie würden zudem durch die unionsweiten Vertragsbekanntmachungen weiter unter Druck gesetzt.

Zudem würde erheblicher Mehraufwand bei den Aufsichtsbehörden anfallen. Hilfsweise akzeptabel wäre allenfalls die Einführung eines Schiedsverfahrens auf Landesebene zwischen den maßgeblichen Verbänden und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen. In dieser Ausgestaltung erscheinen Schiedsverfahren noch für alle Beteiligten praktikabel umsetzbar sowie an regionalen Bedarfen orientierbar.

Die besonderen Aufsichtsmittel, die gemäß § 71 SGB V eingeführt werden sollen, dehnen die dort vorhandenen besonderen Aufsichtsmittel zur Beendigung der den Kassenwettbewerb erheblich verzerrenden "Kodierverträge" auf den Leistungsbereich der Hilfsmittel aus und sollen sich sogar zusätzlich bereits auf Vertragsabsichten erstrecken. Diese Neuregelung ist anscheinend dem durch das Bundesamt für Soziale Sicherung nicht auf dem Aufsichtswege beendeten Fehlverhalten einzelner bundesunmittelbarer Ersatzkassen geschuldet. Es besteht aber keine generelle Problematik, die diese systemwidrige Beeinflussung des Vertragsgeschäfts für einen bestimmten Leistungsbereich, wie hier Hilfsmittel, erfordern würde. Zudem würde auch diesbezüglich erheblicher Mehraufwand bei den Aufsichtsbehörden anfallen, der nicht im Rahmen bestehender Stellen und Mittel geleistet werden kann, für Aufgaben, die dem Wesen der Rechtsaufsicht fremd sind.