Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt KOM (2007) 51 endg.; Ratsdok. 6297/07

Europäische Kommission Brüssel, den 11. September 2007
Vizepräsidentin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
DrHarald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,
Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. März 2007 mit dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (KOM (2007) 51 endg.; Ratsdok. 6297/07).

In Übereinstimmung mit der Entscheidung der Kommission, welche die nationalen Parlamente auffordert, auf ihre Vorschläge zu reagieren, um die politische Willensbildung und Rechtsetzung auf europäischer Ebene zu verbessern, begrüßen wir diese Gelegenheit, auf Ihre Anmerkungen einzugehen. Ich füge die Stellungnahme der Kommission bei. Ich hoffe, mit dieser Antwort auch einen Beitrag zu Ihren Debatten im Bundesrat zu leisten.

Ich sehe der Fortsetzung unseres politischen Meinungsaustausches erwartungsvoll entgegen.


Mit freundlichen Grüßen
Margot Wallström

Commission européenne, B-1049 Bruxelles / Europese Commissie, B-1049 Brussel - Belgium. Telephone: (32-2) 299 11 11.


EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, Juli 2007

Bemerkungen der Europäischen Kommission zu einem Beschluss des Deutschen Bundesrates KOM (2007) 51 - Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt

Die Kommission dankt dem deutschen Bundesrat für die Übersendung seines Beschlusses vom 30. März 2007 zu dem vorstehend genannten Vorschlag.

Grundsätzlich begrüßt der Bundesrat darin die Absicht der Kommission, gemäß Artikel 174 EGV ein hohes Schutzniveau im Umweltbereich zu gewährleisten. Er stimmt mit der Kommission darin überein, dass Umweltkriminalität wirksam bekämpft werden muss und dass Umweltstraftaten häufig grenzüberschreitend begangen werden und grenzüberschreitende Wirkungen haben. Der Bundesrat erkennt auch an, dass die Gemeinschaft eine Annexkompetenz zum Erlass einer Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt hat, sofern dies erforderlich ist, um die Wirksamkeit der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu gewährleisten. Der deutsche Bundesrat hat jedoch folgende kritische Bemerkungen zu dem Vorschlag der Kommission vorgebracht:

Zu der Frage der Zuständigkeit sei daran erinnert, dass der EuGH mit seinem Urteil vom 13. September 2005 den Rahmenbeschluss 2003/80/JHA über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt wegen Verstoßes gegen Artikel 47 EGV mit der Begründung für nichtig erklärt hatte dass die Artikel 1 bis 7 des Rahmenbeschlusses wegen ihres Zieles und Inhalts den Schutz der Umwelt zum Hauptzweck hatten und deshalb in Anwendung von Artikel 175 EGV hätten erlassen werden müssen. Die Kommission hat dieses Urteil1 dahingehend ausgelegt dass die Gemeinschaft jegliche Maßnahme in Bezug auf das Strafrecht der Mitgliedstaaten ergreifen darf, die für die wirksame Durchführung einer Gemeinschaftspolitik erforderlich ist. Diese Auffassung wird vom Europäischen Parlament geteilt2. Derartige Maßnahmen können Bestimmungen über die Art und Höhe von strafrechtlichen Sanktionen einbeziehen. Sie können sich auf Straftatbestände nach nationalem Recht erstrecken, wenn mit diesem ein mit einer Gemeinschaftspolitik verfolgtes Ziel angestrebt wird, Tatbestände, die wegen ihrer besonders schwerwiegenden Ergebnisse keinen Verstoß gegen Umweltschutzgesetze erfordern sowie Tatbestände, die sich auf vom Euratom-Vertrag erfasste Tätigkeiten beziehen. Dies geht eindeutig aus dem Urteil hervor, wonach Artikel 2 des annullierten Rahmenbeschlusses, der alle genannten Verstoßarten einbezog im Rahmen von Artikel 175 EGV hätte erlassen werden können.

Zur Notwendigkeit der vorgesehenen Maßnahmen möchte die Kommission betonen, dass sich im Rahmen einer gründlichen Vorbereitung, bei der sämtliche vom Bundesrat angesprochenen Gesichtspunkte geprüft und berücksichtigt wurden, das Erfordernis einer gemeinschaftlichen Herangehensweise bei strafrechtlichen Maßnahmen im Umweltschutzbereich herausgeschält hat. Die Kommission hat mehrere Studien in Auftrag gegeben3 (die letzte im Jahr 2007), aus denen hervorgeht, dass sich gegenwärtig die strafrechtliche Ahndung von Verstößen gegen Umweltgesetze in den Mitgliedstaaten erheblich unterscheidet, und häufig nicht streng genug ist, um abschreckend wirken zu können. So schwanken z.B. die Höchststrafen der Mitgliedstaaten für den illegalen Handel mit bedrohten Arten zwischen 4 000 und 150 000 EUR. Geldstrafen von wenigen 1 000 EUR lassen sich ohne Weiteres als unerhebliche Geschäftskosten einstufen, wenn man die hohen erzielbaren Gewinne berücksichtigt. Erhebliche Abweichungen bestehen auch bei den Gefängnishöchststrafen, die zwischen 6 Monaten und 6 Jahren schwanken.

In ihrer Folgenabschätzung4 hat die Kommission die verschiedenen Optionen bei der Verwirklichung des Zieles eines besseren Umweltschutzes über das Strafrecht miteinander verglichen. Ihre sorgfältige Analyse hat zu dem Ergebnis geführt, dass in zukünftige Rechtsvorschriften auch Bestimmungen über subjektive Tatbestandsmerkmale, über Teilnahme, Anstiftung und den Umfang der Verantwortlichkeit juristischer Personen einbezogen werden müssen. Derartige Vorschriften sind bereits in dem für nichtig erklärten Rahmenbeschluss enthalten. Der Richtlinienentwurf schließt nicht aus, dass die Mitgliedstaaten allgemeine strafrechtliche Regeln z.B. in Bezug auf mögliche Verteidigungsmittel anwenden.

Der Richtlinienentwurf wurde außerdem so abgefasst, dass keine größeren Änderungen an den Strafrechtssystemen der Mitgliedstaaten erforderlich werden, und berücksichtigt die nationalen Rechtstraditionen wie z.B. die fehlende strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen in einigen Mitgliedstaaten und die Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Deshalb umfasst die Liste der Straftatbestände in dem Vorschlag nur die schwerwiegendsten Umweltverstöße, und gelten die Mindesthöhen von Höchststrafen nur für die Taten, die unter erschwerenden Umständen begangen werden.

Abschließend ist die Kommission der Auffassung, dass Bedarf an einem gemeinschaftlichen Vorgehen im Bereich des Umweltstrafrechts besteht, und dass die Gemeinschaft dafür zuständig ist, die in dem Richtlinienvorschlag dargelegten Maßnahmen zu ergreifen, um diese Probleme wirksam angehen zu können.