Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto

A. Problem und Ziel

Basierend auf einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Juni 1997 regelt das im Jahr 2002 beschlossene Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) die Anerkennung von Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung, die von NS-Verfolgten in einem unter der NS-Herrschaft eingerichteten Ghetto ausgeübt wurde. Des Weiteren enthält das ZRBG besondere Regelungen zur Rentenberechnung und zur Zahlung dieser Renten in das Ausland. Nach dem ZRBG ergibt sich ein frühestmöglicher Rentenbeginn am 1. Juli 1997, sofern der Antrag bis zum 30. Juni 2003 gestellt wurde. Rund 90 Prozent der Anträge auf Renten nach diesem Gesetz waren jedoch auf der Grundlage einer engen Rechtsauslegung des BSG abgelehnt worden. Im Juni 2009 gab das BSG diese Rechtsauffassung auf. Aufgrund der veränderten Rechtsprechung konnte nachträglich in über 50 Prozent der zunächst abgelehnten Fälle eine Rente bewilligt werden. Wegen der im Sozialrecht allgemein geltenden vierjährigen Rückwirkungsfrist ( § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X) wurden diese Renten jedoch nicht ab Juli 1997, sondern in der Regel erst ab Januar 2005 gezahlt. Zum Ausgleich für den späteren Rentenbeginn wurden Rentenzuschläge geleistet. Von den überwiegend hochbetagten NS-Verfolgten, die unter unmenschlichen Bedingungen in einem Ghetto gearbeitet haben, wird die auf vier Jahre begrenzte Nachzahlung der Renten trotz der Zuschläge als großes Unrecht empfunden. Dies zeigte auch die zu dieser Thematik vom Deutschen Bundestag am 10. Dezember 2012 durchgeführte Anhörung von Sachverständigen. Die Bundesregierung möchte diesen offensichtlich unbefriedigenden Zustand verbessern. Mit diesem Gesetz soll den berechtigten Interessen der ehemaligen Ghettobeschäftigten an einer angemessenen Würdigung ihrer Ghettoarbeit in der gesetzlichen Rente Rechnung getragen werden.

B. Lösung

Die vierjährige Rückwirkungsfrist des § 44 Absatz 4 SGB X wird auf Renten nach diesem Gesetz nicht mehr angewendet. Die Antragsfrist 30. Juni 2003, die für einen Rentenbeginn zum 1. Juli 1997 einzuhalten war, wird gestrichen. Die Renten, die bisher wegen der vierjährigen Rückwirkungsfrist oder wegen verspäteter Antragstellung ab einem späteren Zeitpunkt gezahlt wurden, werden auf Antrag zum 1. Juli 1997 neu festgestellt und gezahlt, sofern die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente zu diesem Zeitpunkt erfüllt sind.

C. Alternativen

Einmalige Entschädigungszahlung, pauschal (auch teilweise) oder in Höhe der Rentennachzahlung, die sich nach der jeweiligen Versicherungsbiografie ergibt. Eine Entschädigungszahlung führt zu Ungleichbehandlungen unter den Berechtigten und entspricht darüber hinaus nicht den Erwartungen der ehemaligen Ghettoarbeiterinnen und Ghettoarbeiter nach einer individuellen sozialversicherungsrechtlichen Berücksichtigung ihrer Arbeit im Ghetto.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für den Fall, dass sich alle Personen mit Recht auf Neufeststellung für die Neufeststellung zu einem früheren Rentenbeginn entscheiden, ergeben sich Vorfinanzierungskosten in der gesetzlichen Rentenversicherung für die entstehenden Rentennachzahlungen von rund 340 Millionen Euro, die wegen der Absenkung der laufenden Renten über die weitere Rentenlaufzeit wieder zurückgeführt werden.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die etwa 40 000 Bürgerinnen und Bürger mit Recht auf Neufeststellung entsteht ein nicht bezifferbarer Aufwand für die Durchsicht der von den Rentenversicherungsträgern übersandten Aufklärungsschreiben, für die Entscheidung über den Antrag auf Neufeststellung der Rente sowie für die Übersendung ihrer Entscheidung an den Rentenversicherungsträger.

E.2 Erfüllungsaufwand Wirtschaft

Der Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand, insbesondere werden keine neuen Informationspflichten eingeführt.

E.3 Erfüllungsaufwand Verwaltung

Für die Rentenversicherungsträger entsteht ein Erfüllungsaufwand für die Versendung der Aufklärungsschreiben und für die Neufeststellung der Renten, sofern sich die Berechtigten dafür entschieden haben. Hierfür entsteht ein einmaliger Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro.

F. Weitere Kosten

Durch Rentennachzahlungen wird das verfügbare Einkommen der betreffenden Rentnerhaushalte vorübergehend erhöht. Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 11. April 2014
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stephan Weil

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto mit Begründung und Vorblatt.

Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, um das Gesetzgebungsverfahren bis zur parlamentarischen Sommerpause abzuschließen.

Federführend ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Die Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gemäß § 6 Absatz 1 NKRG ist als Anlage beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 23.05.14

Besonders eilbedürftige Vorlage gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG.

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto

Das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2074) wird wie folgt geändert:

1. In § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 werden die Wörter "sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war" durch die Wörter "in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs lag" ersetzt.

2. § 3 wird wie folgt geändert:

3. Die folgenden §§ 4 und 5 werden angefügt:

" § 4 Auszahlung

Renten mit Zeiten nach diesem Gesetz sollen nur unmittelbar an die Berechtigten gezahlt werden.

§ 5 Verzinsung

Artikel 2
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Im Jahr 2002 hatte der Deutsche Bundestag einstimmig das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) beschlossen. Damit sollte Menschen, die in einem im vom Deutschen Reich besetzten oder diesem eingegliederten Gebiet befindlichen Ghetto eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausgeübt haben, ein Anspruch auf eine gesetzliche Rente insbesondere auch dann ermöglicht werden, wenn Bundesgebiets-Beitragszeiten nicht in dem nach auslandsrechtlichen Bestimmungen erforderlichen Umfang vorlagen (vergleiche BT-Drs. 014/8583). Die Beschäftigung muss nach § 1 Absatz 1 Satz 1 ZRBG "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen" und "gegen Entgelt ausgeübt" worden sein. Dies entspricht der allgemein im Sozialrecht geltenden Definition einer abhängigen Beschäftigung und sollte entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) insbesondere den Unterschied zu Zwangsarbeit verdeutlichen, für die kein Rentenanspruch entstand, sondern Entschädigungsleistungen aus der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" gezahlt wurden. Bei bis zum 30. Juni 2003 gestellten Anträgen nach dem ZRBG sollte die Rente ab 1. Juli 1997 rückwirkend gezahlt werden.

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG bis zum Juni 2009 waren allerdings rund 90 Prozent der Anträge abgelehnt worden, weil insbesondere die Beschäftigungsmerkmale "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen" (Freiwilligkeit) und "gegen Entgelt ausgeübt" angesichts der unmenschlichen Bedingungen in den Ghettos nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden konnten. Im Juni 2009 hat das BSG seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und neue Leitlinien zu den Kriterien Freiwilligkeit und Entgelt aufgestellt. Daraufhin haben die Träger der Rentenversicherung alle bisher erteilten ablehnenden Rentenbescheide überprüft. Aufgrund der veränderten Rechtsprechung konnte in über 50 Prozent dieser Fälle nachträglich eine Rente bewilligt werden.

Auf diese nachträglich bewilligten Fälle wurde die vierjährige Rückwirkungsfrist angewendet ( § 44 Absatz 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X), die im Sozialrecht allgemein bei zu Unrecht erfolgten bestandskräftigen Ablehnungen gilt. Die Renten wurden somit nicht ab dem für rechtzeitig gestellte und bewilligte Erstanträge geltenden Rentenbeginn Juli 1997 gezahlt, sondern regelmäßig erst ab Januar 2005. Nach den allgemeinen Regelungen des Rentenrechts werden Rentenzuschläge gezahlt in Höhe von 6 Prozent für jedes Jahr, in dem die Rente nach dem Lebensalter 65 nicht bezogen wird. Aufgrund des verschobenen Rentenbeginns ergaben sich bei den nachträglich bewilligten Renten zusätzliche Zuschläge für die in der Regel 7 1/2 Jahre, in denen die Rente nicht gezahlt wurde, und damit bis zu 45 Prozent höhere monatliche Renten als bei Rentenleistungen bereits ab Juli 1997. Die Zuschläge sind das Spiegelbild zu den Abschlägen bei vorzeitigem Rentenbeginn. Bezogen auf die durchschnittliche Rentenlaufzeit wird so im Ergebnis - unabhängig vom Zeitpunkt des tatsächlichen Zahlungsbeginns - in der Summe das gleiche Rentenvolumen ausgezahlt. Inwieweit die Rentenzuschläge den späteren Rentenbeginn im Einzelfall ausgleichen, ist von der noch verbleibenden Rentenlaufzeit (inklusive der einer Hinterbliebenenrente) abhängig.

Das BSG hat die Anwendbarkeit der vierjährigen Rückwirkungsfrist auf Verfahren nach dem ZRBG und die Übereinstimmung der Vorschrift mit dem Grundgesetz bestätigt (vergleiche unter anderem die Urteile vom 7. Februar 2012, Az. B 13 R 40/11 R, und 8. Februar 2012, Az. B 5 R 38/11 R).

Von den Rentenberechtigten wird der spätere Rentenbeginn trotz der hohen Rentenzuschläge überwiegend als ungerecht empfunden. Dies wurde auch in den Äußerungen der Vertreter der Verfolgtenverbände bei der zu dieser Thematik durchgeführten Sachverständigenanhörung im Dezember 2012 deutlich.

Vor diesem Hintergrund ermöglicht dieses Gesetz, dass künftig auch die nachträglich nur für vier Jahre rückwirkend bewilligten Renten nach dem ZRBG auf Antrag bereits ab Juli 1997 ausgezahlt werden können; in diesem Fall allerdings ohne die entsprechenden Rentenzuschläge. Um Ungleichbehandlungen unter den Berechtigten zu vermeiden, können künftig auch diejenigen, die zum Beispiel wegen befürchteter Aussichtslosigkeit angesichts der jahrelangen restriktiven Bewilligungspraxis einen Antrag auf eine Rente nach dem ZRBG nicht innerhalb der bisher geltenden Antragsfrist 30. Juni 2003 gestellt oder ihren Antrag im Laufe des für sie belastenden Verwaltungsverfahrens wieder zurückgenommen haben, ihre Rente bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen rückwirkend ab Juli 1997 erhalten.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Die Antragsfrist 30. Juni 2003 entfällt. Ferner wird die Anwendbarkeit des § 44 Absatz 4 SGB X auf Renten mit Zeiten nach diesem Gesetz ausgeschlossen. Allen Rentenberechtigten, deren Rente wegen der Anwendung von § 44 Absatz 4 SGB X oder wegen verspäteter Antragstellung bereits mit einem späteren Rentenbeginn bewilligt wurde, wird ein Recht auf Neufeststellung eingeräumt, nach dem die Rente zu einem früheren Zeitpunkt, frühestens vom 1. Juli 1997 an, gezahlt werden kann.

III. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 des Grundgesetzes - GG - (Sozialversicherung).

IV. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen vereinbar.

V. Gesetzesfolgen

1. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für den Fall, dass sich alle Berechtigten mit Recht auf Neufeststellung für die Neufeststellung zu einem früheren Rentenbeginn entscheiden, ergeben sich Vorfinanzierungskosten in der gesetzlichen Rentenversicherung für die entstehenden Rentennachzahlungen von rund 340 Millionen Euro, die wegen der Absenkung der laufenden Renten über die weitere Rentenlaufzeit wieder zurückgeführt werden.

2. Erfüllungsaufwand 2.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für die Bürgerinnen und Bürger entsteht durch die Regelungen dieses Gesetzentwurfs ein zusätzlicher, nicht bezifferbarer Erfüllungsaufwand. Dieser besteht darin, dass die etwa 40 000 Personen mit Recht auf Neufeststellung die ihnen von den Rentenversicherungsträgern übersandten Aufklärungsschreiben auswerten und sich dann entscheiden müssen, ob sie den Antrag auf Neufeststellung ihrer Rente stellen oder ob es bei der bisherigen Rente bleiben soll. Ihre Entscheidung müssen sie dem Rentenversicherungsträger mitteilen.

2.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Der Wirtschaft entsteht kein Erfüllungsaufwand, insbesondere werden keine neuen Informationspflichten eingeführt.

2.3 Erfüllungsaufwand für die Verwaltung

Für die Rentenversicherungsträger entsteht durch die Regelungen dieses Gesetzentwurfs ein Erfüllungsaufwand aufgrund der Einbeziehung des Rentenbestandes. Dies bedeutet, dass in insgesamt rund 40 000 Fällen Aufklärungsschreiben versandt werden müssen, aus denen sich die Auswirkungen einer Neufeststellung im jeweiligen Einzelfall ergeben. Anschließend ist die Rente in den Fällen neu festzustellen, in denen sich die Berechtigten für die Neufeststellung entschieden haben. Hierfür entsteht ein einmaliger Aufwand von rund 100 Minuten je Vorgang, sodass bei angenommenen Kosten von 36 Euro je Stunde (durchschnittliche Lohnkosten in der öffentlichen Verwaltung laut Leitfaden zur Ermittlung und Darstellung des Erfüllungsaufwands in Regelungsvorhaben der Bundesregierung) ein Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro entsteht. Für das zweimalige Anschreiben der Berechtigten (Aufklärung und Erteilung des Bescheides) entstehen Druckkosten und Portokosten von rund 100 000 Euro.

3. Weitere Kosten

Durch Rentennachzahlungen wird das verfügbare Einkommen der betreffenden Rentnerhaushalte vorübergehend erhöht. Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

4. Weitere Gesetzesfolgen

Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen der Gesetzesänderungen wurden geprüft. Es ergaben sich keine Hinweise auf eine unterschiedliche Betroffenheit von Frauen und Männern.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto)

Zu Nummer 1

In Angleichung an die Formulierung in § 1 Absatz 1 der Richtlinie der Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war (Anerkennungsrichtlinie), wird rückwirkend zum 1. Juli 1997 geregelt, dass das ZRBG nunmehr dann Anwendung findet, wenn das Ghetto in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs lag. Damit können wie bei der Anerkennungsrichtlinie auch Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto anerkannt werden, das zwar nicht in einem Gebiet lag, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, das aber dennoch dem nationalsozialistischen Einfluss unterworfen war, wie zum Beispiel die Slowakei oder Rumänien.

Zu Nummer 2

Nach der bisher geltenden Fassung des § 3 Absatz 1 mussten Anträge auf eine Rente nach dem ZRBG bis zum 30. Juni 2003 gestellt worden sein, um eine rückwirkende Antragstellung zum 18. Juni 1997 zu fingieren. Diese Frist wird nunmehr gestrichen. Damit können Berechtigte eine Rente nach dem ZRBG zum frühestmöglichen Rentenbeginn 1. Juli 1997 erhalten, ohne dass eine Antragsfrist eingehalten werden muss.

Die Anwendung des § 44 Absatz 4 SGB X wird für Renten nach diesem Gesetz ausgeschlossen (Absatz 3). Dies stellt sicher, dass die Renten angesichts des Schicksals und des hohen Alters der Verfolgten in jedem Fall von Juli 1997 an gezahlt werden können, sofern die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente zu diesem Zeitpunkt erfüllt sind.

Die mit einem späteren Rentenbeginn bewilligten Renten können mit Wirkung zum frühestmöglichen Rentenbeginn 1. Juli 1997 neu festgestellt werden. Begünstigt von dieser Regelung sind diejenigen Berechtigten, denen bereits eine Rente mit späterem Rentenbeginn unter Anwendung von § 44 Absatz 4 SGB X bewilligt worden ist (Absatz 4). Des Weiteren profitieren auch diejenigen von der Regelung, die ihren Rentenantrag nicht bis einschließlich 30. Juni 2003 gestellt hatten, und deren Rente deshalb erst vom Antragsmonat an bewilligt worden ist (Absatz 5).

Eine Neufeststellung nach den Absätzen 4 und 5 hat nach den allgemeinen Regelungen des Rentenversicherungsrechts in Bezug auf den Zugangsfaktor folgende Auswirkungen: Bei der Berechnung der Rente zu dem nunmehr früheren Rentenbeginn ist der dann geltende geringere Zugangsfaktor zu berücksichtigen. Der monatliche Rentenbetrag vermindert sich daher rückwirkend um die bisher für den späteren Rentenbeginn gezahlten Rentenzuschläge.

Mit dem Antragsrecht erhalten die Berechtigten die Möglichkeit zu wählen, ob sie die Neufeststellung ihrer Rente mit der Folge einer Rentennachzahlung und einem verminderten monatlichen Rentenbetrag wünschen oder ob es bei dem bisherigen Rentenbetrag ohne weitere Nachzahlung bleiben soll. Im Falle des Versterbens der Berechtigten geht der Anspruch auf die Rentennachzahlung unter den Voraussetzungen der allgemein im Sozialrecht geltenden §§ 56 bis 59 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) auf die Rechtsnachfolger über.

Absatz 6 regelt als lex specialis zu den einschlägigen Vorschriften des SGB I und des SGB X, dass im Falle einer Neufeststellung nach Absatz 4 oder 5 der bisherige Rentenbescheid für die Vergangenheit und für die Zukunft aufgehoben wird (Absatz 6 Satz 1) und die durch den früheren Rentenbeginn entstehende Rentennachzahlung mit der aus der verminderten Rentenhöhe entstandenen Überzahlung aufzurechnen ist (Absatz 6 Satz 2). Hierdurch wird sichergestellt, dass nach einer Neufeststellung nach Absatz 4 und 5 insgesamt keine höheren Rentenbeträge ausgezahlt werden, als sich bei einer Bewilligung zum frühestmöglichen Rentenbeginn von Anfang an ergeben hätten. Eine Ungleichbehandlung derjenigen, deren Renten neu festgestellt werden, und derjenigen, deren Renten bereits aufgrund ihres ersten Antrages ab Juli 1997 bewilligt wurden, wird dadurch vermieden.

Absatz 7 gewährleistet, dass alle Rentenberechtigten durch die zuständigen Träger der Rentenversicherung über die Möglichkeit und die individuellen Auswirkungen einer Neufeststellung informiert werden. Diese Information soll sehr kurzfristig in einfacher, verständlicher Weise und möglichst in der jeweiligen Landessprache erfolgen, damit sichergestellt ist, dass die hochbetagten Verfolgten ihr Recht auf Neufeststellung unproblematisch und schnell wahrnehmen können.

Zu Nummer 3

Zu § 4 (Auszahlung)

Die Regelung stellt in Anlehnung an § 4 Absatz 1 der Anerkennungsrichtlinie sicher, dass die überwiegend hochbetagten Berechtigten unmittelbar nach Erhalt ihres Rentenbescheides in der Regel selbst über ihre Rentennachzahlung verfügen können. Hierdurch wird unter anderem vermieden, dass Rentennachzahlungen auf das Konto eines bevollmächtigten Rechtsbeistandes überwiesen werden und den Berechtigten erst nach Verrechnung mit Honorarforderungen zur Verfügung stehen. Das Bedürfnis der Berechtigten, über ihre Nachzahlung unmittelbar verfügen zu können, ist in diesen Fällen höher zu bewerten als das Bedürfnis der Rechtsbeistände nach einem unmittelbaren Ausgleich ihrer Honorarforderungen.

Zu § 5 (Verzinsung)

§ 5 regelt die Verzinsung der Nachzahlung.

Absatz 1 gewährleistet, dass sich das für eine Verzinsung maßgebliche Fälligkeitsdatum im Sinne von § 44 Absatz 1 SGB I wie bei den bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bewilligten Renten nach dem ZRBG nach dem Verkündungsdatum des ZRBG richtet.

Absatz 2 regelt, dass sich der früheste Beginn der Verzinsung einer nach § 3 Absatz 4 oder 5 entstehenden Nachzahlung nach dem ersten vollständig eingereichten Rentenantrag richtet. Für diese Fälle gilt § 44 Absatz 2 SGB I nicht.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Zu Absatz 1

Die Vorschrift regelt das grundsätzliche Inkrafttreten des Gesetzes zum ersten Kalendertag des Monats nach seiner Verkündung.

Zu Absatz 2

Abweichend von Absatz 1 treten die Änderungen in § 1 Absatz 1 rückwirkend zum 1. Juli 1997 in Kraft. Damit wird sichergestellt, dass auch in den Fällen, in denen Anträge nach diesem Gesetz bisher abgelehnt wurden, weil das Ghetto sich nicht in einem vom Deutschen Reich besetzten oder diesem eingegliederten Bereich befand, das aber in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs lag, Leistungen nach diesem Gesetz bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen regelmäßig zum frühestmöglichen Beginn 1. Juli 1997 gezahlt werden können.

Anlage

Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates gem. § 6 Abs. 1 NKRG: NKR-Nr. 2837:
Entwurf eines ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto

Der Nationale Normenkontrollrat hat den Entwurf des oben genannten Regelungsvorhabens geprüft.

I. Zusammenfassung

Bürgerinnen und Bürger

Einmaliger Erfüllungsaufwand: Dieser dürfte im Regelfall gering sein.

Wirtschaft

Erfüllungsaufwand: Keine Auswirkung

Verwaltung

Einmaliger Erfüllungsaufwand: 2,5 Mio. Euro (abhängig von der Zahl der Antragsteller)

Einmaliger Erfüllungsaufwand pro Fall: Rund 60 Euro

Der Nationale Normenkontrollrat macht im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellungen der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsvorhaben geltend.

II. Im Einzelnen

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) geändert werden.

Für Bürgerinnen und Bürger kann auf Grund des Entwurfs Erfüllungsaufwand entstehen. Dieser fällt dann an, wenn ein ZRBG-Berechtigter das vom Rentenversicherungsträger übersandte Aufklärungsschreiben zur Rechtsänderung auswertet und sich dann dafür entscheidet, einen Antrag auf Neufeststellung der Rente zu stellen. Dieser Antrag soll in der Mitteilung bestehen, dass eine Neufeststellung gewünscht ist. Aktuell gibt es rund 40.000 ZRBG-Berechtigte, die eine Neufeststellung beantragen könnten.

Für die Rentenversicherungsträger entsteht durch die Regelungen dieses Gesetzentwurfs in zweifacher Hinsicht Erfüllungsaufwand:

Das Ressort geht auf Basis der Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund davon aus, dass sich der einmalige Zeitaufwand für die Aufklärungsschreiben inklusive der Berechnungen sowie die Neufestsetzung auf rund 100 Minuten beläuft. Bei maximal 40.000 Fällen entstünde Erfüllungsaufwand in Höhe von 2,4 Mio. Euro. Hinzu kämen Druck- und Portokosten von rund 100.000 Euro.

Der Nationale Normenkontrollrat macht im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags keine Einwände gegen die Darstellungen der Gesetzesfolgen im vorliegenden Regelungsvorhaben geltend.

Dr. Ludewig Dr. Dückert
Vorsitzender Berichterstatterin