Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen

Der Bundesrat hat in seiner 945. Sitzung am 13. Mai 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 (§ 4 Absatz 4 ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 4 Absatz 4 zu streichen.

Folgeänderungen:

In Artikel 1 ist § 37 Absatz 8 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Mit der Streichung soll eine - offenbar aufgrund eines redaktionellen Versehens - in den Gesetzentwurf geratene überflüssige Doppelregelung beseitigt werden.

§ 4 Absatz 4 ProstSchG regelt die Vorlage von Nachweisen für die erfolgten gesundheitlichen Beratungen der Prostituierten als Voraussetzung für die Verlängerung ihrer Anmeldebescheinigung. Dieselbe Regelung findet sich erneut - an systematisch richtiger Stelle - in § 5 Absatz 5 Satz 2 und 3 ProstSchG.

2. Zu Artikel 1 (§ 5 Absatz 1 ProstSchG)

In Artikel 1 ist in § 5 Absatz 1 das Wort "stellt" durch das Wort "soll" und das Wort "aus." durch das Wort "ausstellen." zu ersetzen.

Begründung:

Eine zwingende Verpflichtung zur Erteilung eines Nachweises der Anmeldebestätigung binnen fünf Werktagen kann von den zuständigen Behörden bei einer schwierigen Organisation von Beratungsgesprächen, insbesondere zur Gewinnung von Sprachmittlung sowie gegebenenfalls erforderlich werdenden ausländerrechtlichen Prüfungen, nicht in jedem Fall eingehalten werden.

Durch die "Soll"-Regelung wird es den zuständigen Behörden möglich, in Ausnahmefällen den Nachweis erst nach fünf Tagen zu erteilen, ohne dass Pflichten verletzt werden.

3. Zu Artikel 1 (§ 5 Absatz 2 Nummer 4 und Nummer 5 ProstSchG)

In Artikel 1 sind in § 5 Absatz 2 Nummer 4 und Nummer 5 jeweils das Wort "Anhaltspunkte" durch die Wörter "tatsächliche Anhaltspunkte" zu ersetzen.

Begründung:

Nach der Begründung zu § 5 Absatz 2 ProstSchG soll die zuständige Behörde nur bei tatsächlichen konkreten Anhaltspunkten tätig werden. Auch § 9 Absatz 2 ProstSchG sieht ein Tätigwerden der Behörden nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten vor.

Es ist daher auch im Wortlaut der Regelung des § 5 Absatz 2 ProstSchG eine Begrenzung des Anlasses zu einem Tätigwerden der Behörden nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten erforderlich.

4. Zu Artikel 1 (§ 11 ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 11 zu streichen. Folgeänderungen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Insbesondere die in § 11 Absatz 3 und Absatz 4 ProstSchG vorgesehenen Ermächtigungsgrundlagen für behördliche Anordnungen und weitere Maßnahmen sind verfassungsrechtlich bedenklich. Die hier vorgesehene Reglementierung der eigentlich erlaubnisfreien Prostitution steht im Widerspruch zur formulierten Zielsetzung des vorgeschlagenen Gesetzes, Prostituierte schützen zu wollen, und eröffnet weitgehende Eingriffsbefugnisse ohne erkennbare Notwendigkeit.

Die Absätze 3 und 4 beinhalten Generalklauseln, denen es an Bestimmtheit fehlt, und die sogar ein völliges Verbot der vom Grundgesetz nach Artikel 12 geschützten Prostitution ermöglichen. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargestellt, inwiefern bei der erlaubnisfreien Prostitution eine über die bestehenden Eingriffsbefugnisse nach den Ordnungsbehördengesetzen, den Polizeigesetzen oder dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch hinausgehende Gefahrenlage besteht. Die Ausübung der Prostitution unter den Vorbehalt der Beeinträchtigung sonstiger Belange des öffentlichen Interesses zu stellen, ist ein Freibrief für die Verdrängung jeglicher sichtbarer Prostitution.

5. Zu Artikel 1 (§ 15 Absatz 1 und Absatz 1a - neu - ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 15 Absatz 1 durch folgende Absätze zu ersetzen:

Begründung:

Die Formulierung "in der Regel" in § 15 Absatz 1 ProstSchG ist nicht hinreichend bestimmt und kann im Einzelfall bei der zuständigen Behörde zu einer anderen Beurteilung führen. Es ist daher eine Regelung zu treffen, die sich an den Zuverlässigkeitsregeln des Waffengesetzes orientiert und eine "absolute" Unzuverlässigkeit aufführt.

6. Zu Artikel 1 (§ 18 Absatz 2 Nummer 7 und Absatz 3 und § 37 Absatz 5 ProstSchG)

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Trennung von Arbeiten sowie Wohnen und Schlafen tatsächlich in der Arbeitswelt eine Selbstverständlichkeit ist. In vielen Branchen haben freiberuflich Tätige oder selbständige Unternehmerinnen und Unternehmer oft keine finanziellen Kapazitäten für die Anmietung von zusätzlichen Büroräumen. Entsprechende Ressourcen dürften sicherlich bei den meisten Prostituierten nicht vorhanden sein.

Überdies sind die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele für mögliche Ausnahmen unrealistisch. Es ist beispielsweise für Personen, die zur Ausübung der Prostitution nach Deutschland einreisen, kaum vorstellbar, innerhalb von ein bis zwei Tagen eine separate Unterkunft zu finden. Vielmehr ist zu befürchten, dass Bordellbetreiber, um der Auflage des Gesetzes zu genügen, zusätzlichen Wohnraum zur Verfügung stellen und damit eine ohnehin schon gegebene faktische Abhängigkeit von Prostituierten noch verstärkt würde.

Zu Buchstabe b:

Die für Wohnungsbordelle in § 18 Absatz 3 ProstSchG sowie nach der Übergangsregelung in § 37 Absatz 5 ProstSchG als Bestandsschutz aufgeführten Ausnahmetatbestände (unverhältnismäßiger Aufwand und Gewährleistung schützenswerter Interessen von Prostituierten, Beschäftigten und Kunden auf andere Weise) sind unbestimmt und lassen keine rechtssichere Auslegung zu.

7. Zu Artikel 7 Absatz 2 (Inkrafttreten)

In Artikel 7 Absatz 2 ist die Angabe "1. Juli 2017" durch die Angabe "1. Januar 2018" zu ersetzen.

Begründung:

Das Prostitutionsschutzgesetz soll zum allergrößten Teil am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Nach dem von der Bundesregierung angestrebten Zeitplan für das parlamentarische Verfahren kann es allerdings frühestens im Herbst 2016 verkündet werden. Damit bliebe den Ländern maximal ein dreiviertel Jahr für eine landeseinheitliche Regelung zur Ausführung des Gesetzes. Diese Zeit ist zu kurz bemessen. Denn auf Landesebene sind die notwendigen Umsetzungsfragen/-strukturen zu klären und gegebenenfalls in einem vollständig zu durchlaufenden Gesetzgebungsverfahren für ein Landesausführungsgesetz zu regeln. Soweit eine Aufgabenübertragung auf die kommunale Ebene erfolgen soll, ist zudem die notwendige Konnexitätsprüfung unter Beachtung der landesrechtlichen Anhörungsrechte und Fristen durchzuführen. Dies ist angesichts der Komplexität der hierdurch berührten Rechtsmaterien sowie der notwendigen Beteiligungsverfahren bei einem Inkrafttreten zum 1. Juli 2017 unrealistisch.

8. Zum Gesetzentwurf allgemein (Zum Erfüllungsaufwand der Verwaltung und für die Länder und Kommunen)

Der Bundesrat stellt fest, dass die Kosten, die mit dem Gesetzentwurf für die Haushalte der Länder und Kommunen verbunden sein werden, im Gesetzentwurf nur unzureichend spezifiziert und ausgewiesen sind. In der Berechnung des Erfüllungsaufwandes der Verwaltung sind beispielsweise die Mehrkosten für Widerspruchsverfahren oder für Übersetzungen und Sprachmittlung nicht enthalten.

Soweit in der Berechnung zu einzelnen Vorgaben des Gesetzentwurfs Kostenangaben zum einmaligen Umstellungsaufwand und zum dauerhaften jährlichen Aufwand gemacht werden, ist teilweise nicht erkennbar, auf welchen Berechnungsparametern (zum Beispiel Aufwand je Fall) diese beruhen. Daher ist die Berechnung nicht nachvollziehbar und prüfbar.

Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren - in Abstimmung mit den Ländern - eine nachvollziehbare und vollständige Einschätzung der Kosten des Gesetzesvorhabens vorzunehmen.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung zudem auf, die für die Länder und Kommunen entstehenden Kosten so weit als möglich zu begrenzen und mittels geeigneter Maßnahmen vollständig und dauerhaft durch den Bund zu kompensieren.

9. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe (§§ 11 bis 22 ProstSchG) sowie Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des Betreibers (§ 28 ProstSchG) vor. Regelungen für einen verbesserten Vollzug der Besteuerung im Prostitutionsgewerbe enthält der Gesetzentwurf hingegen nicht.

Der Bundesrat bittet deshalb, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob

Begründung:

Zu Buchstabe a und b:

Nach dem Gesetzentwurf wird die Zuverlässigkeit eines Betreibers u.a. auch davon abhängig gemacht, dass innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung keine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vergehens gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz vorliegt. Diese Deliktsform ist mit der einer Steuerhinterziehung vergleichbar und im Umfeld des einschlägigen Personenkreises ebenfalls zu beobachten. Deshalb sollte dies Eingang in die Voraussetzungen für die Zuverlässigkeit der Person nach § 15 Absatz 1 ProstSchG finden.

Um der zuständigen Behörde ein umfassendes Bild über die Zuverlässigkeit des Antragstellers zu ermöglichen, könnte sie ermächtigt werden, Erkundigungen über die steuerliche Zuverlässigkeit beim zuständigen Finanzamt einzuholen. Zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) bedarf es jedoch einer spezialgesetzlichen Regelung. Alternativ könnte geregelt werden, dass mit dem Antrag eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes vorzulegen ist.

Zu Buchstabe c:

Im Rahmen der steuerlichen Prüfungen besteht insbesondere das Problem, dass keine oder nicht ausreichende steuerliche Aufzeichnungen geführt werden. Auf die erheblichen Schwierigkeiten bei der Besteuerung im Bereich der Prostitution weist auch der Bundesrechnungshof in einem Bericht vom 24. Januar 2014 hin. Die in § 28 Absatz 1 bis 3 ProstSchG vorgesehenen Aufzeichnungen enthalten steuerlich relevante Informationen, die einen besseren Steuervollzug zumindest ermöglichen würden. Deshalb bietet sich eine Klarstellung dahin gehend an, dass den Betreiber eines Prostitutionsgewerbes eine Verpflichtung zur Vorlage der nach dem ProstSchG zu führenden und aufzubewahrenden Aufzeichnungen im Besteuerungsverfahren trifft.