Empfehlungen der Ausschüsse
Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen

945. Sitzung des Bundesrates am 13. Mai 2016

Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) der Finanzausschuss (Fz), der Gesundheitsausschuss (G), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zur Eingangsformel

Die Eingangsformel ist wie folgt zu fassen:

"Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:"

Begründung:

Die Zustimmungsbedürftigkeit ergibt sich aus Artikel 104a Absatz 4 des Grundgesetzes. Danach bedürfen Bundesgesetze, die Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründen und von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Artikel 104a Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes im Auftrag des Bundes ausgeführt werden, der Zustimmung des Bundesrates, wenn daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind.

Bei dem mit dem Gesetzentwurf beabsichtigten Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen handelt es sich um ein Bundesgesetz.

Das beabsichtigte Gesetz begründet Pflichten der Länder zur Erbringung von geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten.

In der Einzelbegründung zur Änderung von Artikel 104a des Grundgesetzes heißt es hierzu, vgl. BT-Drucksache 16/813, Seite 18:

"Die Vergleichbarkeit einer Dienstleistung mit Geld- und geldwerten Sachleistungen im Sinne des neuen Zustimmungstatbestandes ist dann gegeben, wenn sie unter vergleichbar engen Voraussetzungen wie dies bei Geld- oder Sachleistungen der Fall ist, einem Dritten Vorteile gewährt oder sonstige Maßnahmen gegenüber Dritten veranlasst, die zu einer erheblichen Kostenbelastung der Länder führen.

Soweit den Ländern durch den Bundesgesetzgeber keine wesentlichen Spielräume zu landeseigenen Bestimmung des Ausmaßes von Leistungspflichten eingeräumt werden, fällt zum Beispiel die Verpflichtung der Länder zur Schaffung und Unterhaltung von Aufnahmeeinrichtungen für die Unterbringung von Asylbegehrenden grundsätzlich unter den Begriff der Sachleistungen. Gleiches gilt zum Beispiel grundsätzlich für die Verpflichtung der Länder zur Erbringung von Schuldnerberatungen [Hervorhebung nur hier] oder zur Bereitstellung von Tagesbetreuungsplätzen."

Gemessen daran sind die in den §§ 7 bis 10 ProstSchG geregelten verschiedenen Pflichten der Landesbehörden als geldwerte Sachleistungen, jedenfalls aber als vergleichbare Dienstleistungen gegenüber Dritten anzusehen.

§ 7 ProstSchG verpflichtet die Behörde, bei der Anmeldung ein Informations- und Beratungsgespräch mit der Prostituierten zu führen.

§ 9 ProstSchG sieht weitergehende Maßnahmen bei besonderem Beratungs- und Unterstützungsbedarf vor.

§ 10 ProstSchG hat die gesundheitliche Beratung der Prostituierten zum Gegenstand. In dem Gesetzentwurf wird allein der jährliche Erfüllungsaufwand der Verwaltung für die gesundheitliche Beratung mit 6 991 281 Euro veranschlagt (vgl. BR-Drucksache 156/16 (PDF), Seite 50).

Das beabsichtigte Gesetz räumt den Ländern keine wesentlichen Spielräume zur landeseigenen Bestimmung des Ausmaßes der Leistungspflichten ein.

§ 7 Absatz 2 und § 8 ProstSchG machen umfangreiche Vorgaben dazu, was das Informations- und Beratungsgespräch mindestens umfassen muss und wie es ausgestaltet sein soll.

§ 9 ProstSchG zählt die Voraussetzungen für ein Einschreiten bei besonderem Beratungs- und Unterstützungsbedarf abschließend auf.

§ 10 ProstSchG legt den Prozess der gesundheitlichen Beratung in Einzelheiten fest.

§ 10 Absatz 1 Satz 2 ProstSchG räumt den Ländern zwar die Möglichkeit ein, eine andere Behörde als die für den Öffentlichen Gesundheitsdienst zuständige Behörde mit der Durchführung der gesundheitlichen Beratung zu betrauen. Auf das Ausmaß der Leistungspflichten hat dies aber keinen Einfluss.

Dem zuvor Gesagten korrespondiert, dass nach der oben zitierten Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung von Artikel 104a des Grundgesetzes die Verpflichtung der Länder zur Erbringung einer Beratungstätigkeit ausdrücklich als geldwerte Sachleistung genannt ist.

Das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen wird von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt. Die daraus entstehenden Ausgaben sind von den Ländern (und Kommunen) zu tragen.

2. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 2 ProstSchG)

In Artikel 1 sind in § 2 Absatz 2 die Wörter "sexuelle Dienstleitungen" durch die Wörter "wechselnden Partnern sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt nicht nur gelegentlich" zu ersetzen.

Begründung:*

[Die in § 2 ProstSchG enthaltene Begriffsbestimmung dehnt den Adressatenkreis der Vorschriften unverhältnismäßig weit aus. Weder ist, wie im Gewerberecht üblich, eine gewisse Dauer der Tätigkeit erforderlich, noch muss Geld gezahlt werden, die Erlangung jedes "vermögenswerten Vorteils" reicht. Aus der Definition ergibt sich ebenso nicht, dass diese sexuellen Dienstleistungen mehreren oder wechselnden Personen gegenüber erbracht werden müssen.

Infolgedessen führt die Regelung zu zahlreichen Abgrenzungsproblemen, die die Vollzugspraxis bereits bei der Einordnung von Tatbeständen vor kaum lösbare Probleme stellen muss, von der Frage der Beweisbarkeit oder der Möglichkeit der Kontrolle ganz abgesehen. Personen, die sich selbst nicht als Teil des Milieus verstehen, oder die sexuelle Beziehungen eingehen, "um damit gezielt den Erhalt oder die Steigerung des eigenen Lebensunterhalts zu sichern", müssen damit rechnen, als Prostituierte mit Anmelde- und Beratungspflichten belegt zu werden. Dies gilt auch für Personen, die Prostitution als Quelle des Gelderwerbs zunächst nur einige wenige Male für sich erproben möchten. Sie werden von Gesetzes wegen von Anfang an als Prostituierte mit entsprechenden bußgeldbewehrten Pflichten behandelt. Schließlich erfasst die Legaldefinition auch solche Konstellationen, in denen, etwa bei Obdachlosigkeit und Armut, sexuelle Dienstleistungen gegen Unterkunft und Nahrung im Rahmen eines unausgesprochenen gegenseitigen

Gefälligkeitsverhältnisses gewährt werden.]

(Die in § 2 ProstSchG-E enthaltene Begriffsbestimmung dehnt den Adressatenkreis der Vorschriften unverhältnismäßig weit aus. Weder ist, wie im Gewerberecht üblich, eine gewisse Dauer der Tätigkeit erforderlich; noch muss Geld gezahlt werden, die Erlangung jedes "vermögenswerten Vorteils" reicht.

Aus der Definition ergibt sich ebenso wenig, dass diese sexuellen Dienstleistungen mehreren oder wechselnden Personen gegenüber erbracht werden müssen. Allein diese Definition entspricht jedoch dem Prostitutionsbegriff des Strafgesetzbuchs (vgl. dazu BGH NStZ-RR 1997, 294, Schönke/Schröder/Eisele StGB § 180a Rn. 3 bis 6, beckonline). Dies gilt auch für Personen, die Prostitution als Quelle des Gelderwerbs zunächst nur für sich erproben möchten. Die Ausübung der Prostitution kann zwar bereits bei der ersten unmittelbar auf eine entgeltliche sexuelle Betätigung zielenden Handlung vorliegen, sofern die Tätigkeit auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Ist jedoch von vornherein nur eine einmalige Handlung, etwa zum Ausprobieren geplant, liegt noch keine Prostitution im Sinne des Strafgesetzbuchs vor. (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 1 Ss 397/04 (PDF) I 148/04 -, juris).

Eine an das Strafgesetzbuch angelehnte Begrifflichkeit ist nicht allein aus rechtssystematischen Gründen vorzugswürdig. Sie verhindert auch zahlreiche Abgrenzungsprobleme, die die Vollzugspraxis bereits bei der Einordnung von Tatbeständen vor kaum lösbare Probleme stellen muss, von der Frage der Beweisbarkeit oder der Möglichkeit der Kontrolle ganz abgesehen. Personen, die sich selbst nicht als Teil des Milieus verstehen, oder die sexuelle Beziehungen eingehen, "um damit gezielt den Erhalt oder die Steigerung des eigenen Lebensunterhalts zu sichern", müssen damit rechnen, als Prostituierte mit Anmelde- und Beratungspflichten belegt zu werden. Schließlich erfasst die Legaldefinition derzeit auch solche Konstellationen, in denen, etwa bei Obdachlosigkeit und Armut, sexuelle Dienstleistungen gegen Unterkunft und Nahrung im Rahmen eines unausgesprochenen gegenseitigen

Gefälligkeitsverhältnisses gewährt werden.)

3. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 3 ProstSchG)

Der Bundesrat bittet, [im weiteren Gesetzgebungsverfahren] zu prüfen, inwiefern die Anwendung der gewerberechtlichen Vorschriften für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes bereits auf Kleinstbetriebe, die nur aus zwei Personen bestehen, sachgerecht und verhältnismäßig ist.

Begründung:

Die im Gesetzentwurf enthaltenen Vorschriften über den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes (§§ 12 bis 28 ProstSchG) gelten bereits dann, wenn eine Person durch eine andere sexuelle Dienstleistungen anbietet. Somit ist für das Vorliegen eines Betriebes nicht die Anzahl der dort tätigen Personen ausschlaggebend, sondern die Frage, ob aus der Prostitution einer anderen Person ein wirtschaftlicher Gewinn gezogen wird. Auch kleinste Einheiten, die nur aus zwei Personen bestehen, bedürfen damit der Erlaubnis der zuständigen Behörde und müssen alle Voraussetzungen erfüllen, die etwa für große Laufhäuser gelten.

[Dies würde auch solche kleinen Betriebe treffen, die typischerweise von Frauen geführt werden und nicht selten besonders gute Arbeitsplätze bieten. Eine solche Gleichsetzung erscheint unverhältnismäßig.]

Überdies wären entsprechende kleine Einheiten regelmäßig nur in Gewerbe- und Industriegebieten zulässig. Diese Verdrängung an den Stadtrand läuft dem angestrebten Ziel des verbesserten Schutzes von Prostituierten diametral zuwider. Hinzu kommt, dass kleine Betriebe dort der Konkurrenz durch Großbetriebe ausgeliefert sind, was ihre wirtschaftliche Lage weiter erschwert.

4. Zu Artikel 1 (§§ 3 bis 11 ProstSchG)

In Artikel 1 sind die §§ 3 bis 11 zu streichen.

Folgeänderungen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die im Gesetzentwurf vorgesehene Regulierung des Prostitutionsgewerbes als wichtigen und notwendigen Schritt zur Verbesserung der Situation von Menschen, die in der Prostitution tätig sind. Die Einführung einer Erlaubnispflicht, die sich auf Betreiberzuverlässigkeit, Betriebskonzepte und Arbeitsbedingungen bezieht, ist eine notwendige Ergänzung des Prostitutionsgesetzes aus dem Jahr 2002. Sie entspricht auch den Forderungen des Bundesrates, die dieser bereits mit Beschluss vom 11. April 2014 formuliert hat (vgl. BR-Drucksache 071/14(B) HTML PDF ).

Der Bundesrat lehnt dagegen die vorgesehene Anmeldepflicht und die Pflicht zur gesundheitlichen Beratung von Prostituierten als stigmatisierend und in ihrer Ausgestaltung rechtlich bedenklich ab. Die Vorschriften sind nicht geeignet, das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten zu stärken; statt dessen bergen sie die Gefahr, Menschen, die sich für diese Tätigkeit entschieden haben, aber auf den Schutz durch Anonymität angewiesen sind, in die Illegalität zu treiben.

Die Konzeption des Abschnitts 2 des Gesetzentwurfs leidet an dem Mangel, nicht klar genug zwischen der Bekämpfung des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung als Straftat einerseits und der Ausübung der Prostitution als einer von der Berufsfreiheit nach Artikel 12 Grundgesetz geschützten Tätigkeit andererseits zu unterscheiden. Es wird ein Sonderordnungsrecht geschaffen, das auf Gefahrenabwehr fokussiert ist. Da die Anmeldepflicht mit der Prüfung weiterer Voraussetzungen verknüpft wird, wird Prostitution zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

Es bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere im Hinblick auf die in Artikel 12 Grundgesetz garantierte Berufsfreiheit, die in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsrechte der Betroffenen sowie die Verfassungsgrundsätze der Normenklarheit und Verhältnismäßigkeit.

Bereits die in § 2 ProstSchG enthaltene Begriffsbestimmung - Prostituierte sind danach "Personen, die sexuelle Dienstleistungen erbringen" - dehnt den Adressatenkreis der Vorschriften unverhältnismäßig weit aus. Weder ist, wie im Gewerberecht üblich, eine gewisse Dauer der Tätigkeit erforderlich; noch muss Geld gezahlt werden; die Erlangung jedes "vermögenswerten Vorteils" reicht. Aus der Definition ergibt sich ebenso nicht, dass diese sexuelle Dienstleistungen mehreren oder wechselnden Personen gegenüber erbracht werden müssen. Die Regelung ist unbestimmt und führt zu zahlreichen Abgrenzungsproblemen, die die Vollzugspraxis bereits bei der Einordnung von Tatbeständen vor kaum lösbare Probleme stellen muss, von der Frage der Beweisbarkeit oder der Möglichkeit der Kontrolle ganz abgesehen. Personen, die sich selbst nicht als Teil des Milieus verstehen, und die sexuelle Beziehungen eingehen, "um damit gezielt den Erhalt oder die Steigerung des eigenen Lebensunterhalts zu sichern", müssen damit rechnen, als Prostituierte mit Anmelde- und Beratungspflichten belegt zu werden. Dies gilt auch für Personen, die Prostitution als Quelle des Gelderwerbs zunächst nur einige wenige Male für sich erproben möchten; sie werden von Gesetzes wegen von Anfang an als Prostituierte mit entsprechenden bußgeldbewehrten Pflichten behandelt.

Die Anmeldepflicht sowie die zu ihrer Erfüllung vorausgesetzte gesundheitliche Beratungspflicht sind zudem nicht geeignet, den angestrebten Gesetzeszweck eines erhöhten Schutzes für Prostituierte zu erreichen. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Prostituierten diesen Pflichten nicht nachkommen wird, weil er wegen der nach wie vor bestehenden Stigmatisierung auf Anonymität angewiesen ist. Dies wird durch Schätzungen bestätigt, nach denen etwa in Wien rund die Hälfte der Prostituierten der dort geltenden Pflicht zur Anmeldung nicht nachkommt. Es ist zu befürchten, dass die Einführung dieser Pflichten eine große Zahl von Prostituierten in intransparente, illegale Bereiche ausweichen lässt und damit ihre Vulnerabilität noch erhöht. Sie werden dadurch vermehrt der Gefahr von Übergriffen ausgesetzt, ihre Möglichkeiten, Mittel des Rechtsstaates zu nutzen, sind geschwächt, der Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten ist erschwert.

Die gesetzliche Vorgabe, sowohl die Anmeldebescheinigung als auch die Bescheinigung über die erfolgte Gesundheitsberatung mitzuführen, erhöht die Gefahr eines unfreiwilligen Outings sowie die Erpressbarkeit durch Kunden, die sich die Bescheinigungen vorlegen lassen können und damit persönliche Daten in Erfahrung bringen. Bereits durch das Anmeldeverfahren selbst ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Frage gestellt, geht es hier doch um die Erhebung und Verarbeitung von Daten, die das Sexualleben betreffen und deshalb besonderem Schutz unterliegen. Diesen Schutz im Interesse einer ordnungsbehördlichen Kontrolle oder für die Erreichung einer besseren Beratung aufzuheben, ist unverhältnismäßig.

Die Annahme, Menschenhandelsopfer könnten im Rahmen der Anmeldung identifiziert und unterstützt werden, ist lebensfremd. Die Identifikation der Opfer ist selbst für geschulte Polizeibeamtinnen und -beamte eine große Herausforderung und bei einem einmaligen Kontakt kaum möglich. Hinzu kommen sprachliche und kulturelle Barrieren. Der nach dem Gesetzentwurf verlangte "kommunikative Austausch" kann keine Grundlage für eine seriöse Einschätzung bieten. Vielmehr besteht die Gefahr, dass subjektive Vorstellungen von Prostitution, einschließlich persönlicher moralischer Bewertungen, bei der Entscheidung über die Erteilung der Anmeldebescheinigung zum Tragen kommen. Im Übrigen ist das Hauptproblem bei der Verfolgung des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung die mangelnde Aussagebereitschaft der Opfer. Nicht selten fehlt den Betroffenen ein Opferbewusstsein, oder aber sie haben Angst vor Repressalien gegen sich oder Angehörige, wenn sie sich offenbaren. Eine Behörde, von der man sich die Erteilung der notwendigen Anmeldebescheinigung erhofft, ist nicht der Ort, an dem die Darlegung einer schwierigen Lebenssituation oder gar einer Zwangslage naheliegt; dies umso weniger, als viele Migrantinnen und Migranten im Heimatland schlechte Erfahrungen mit staatlichen Stellen gemacht haben. Gerade Frauen in Abhängigkeitsverhältnissen werden sich anmelden müssen, damit die Hintermänner sie ungefährdet weiter ausbeuten können. Wird aber Personen, bei denen sich später herausstellt, dass sie Opfer von Menschenhandel sind, eine Anmeldebescheinigung erteilt - und Erfahrungen in Wien mit der dort geltenden Anmeldepflicht zeigen, dass diese Fallkonstellation nicht selten vorkommt -, schwächt dies die Position der Betroffenen. Es kann der Eindruck entstehen, die Ausbeutung sei durch eine staatliche Genehmigung legitimiert.

Zu Recht weisen Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel darauf hin, dass es für Opfer bei erteilter Anmeldebescheinigung in einem möglichen Strafprozess noch schwieriger würde, eine Zwangslage zu beweisen.

Ebenso ist die vorgesehene gesundheitliche Pflichtberatung abzulehnen, da sie alle Voraussetzungen für eine gute, an den Bedarfen der jeweiligen Klientinnen und Klienten orientierte Beratung ignoriert und zudem fachlichen Standards zuwiderläuft. Es ist eine valide Erfahrung, dass Pflichtberatungen keine oder nur sehr begrenzte Wirkung entfalten können. Zudem ist Anonymität gerade bei schwer erreichbaren, besonders vulnerablen Personen unverzichtbar. Insofern sieht § 19 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ausdrücklich die Möglichkeit der geschützten anonymen Beratung vor und hat sich in der Praxis bewährt. Die erfolgreiche HIV-Präventionspolitik der Bundesregierung bestätigt eindrucksvoll die Erkenntnis, dass eine Beratung zu Fragen des sexuellen Verhaltens nur zielführend ist, wenn sie freiwillig erfolgt und anonym möglich ist. Die Einhaltung der Anonymität wurde auch in der Evaluation des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2007 als entscheidender Faktor für die Wirkung einer gesundheitlichen Beratung und die Bereitschaft, sich untersuchen zu lassen, beschrieben. Die nunmehrige Abkehr von diesem wichtigen Prinzip gefährdet nicht nur die bisherige erfolgreiche Praxis, sie höhlt auch die Vorschrift des § 19 IfSG aus und ebnet den Weg für die Einführung weiterer Pflichtberatungen für andere vulnerable Gruppen.

Wie die im Herbst des Jahres 2015 durch das federführende Bundesministerium veranlasste Anhörung gezeigt hat, werden die dargestellten umfangreichen und schwerwiegenden Bedenken von wichtigen Verbänden geteilt. Dies gilt nicht nur für die Interessenvertretungen der Menschen in der Prostitution selbst (Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen und Bundesverband sexuelle Dienstleistungen eingetragener Verein), sondern auch für Verbände wie den Deutschen Juristinnenbund, den Deutschen Frauenrat, die Diakonie Deutschland oder die Deutsche Aidshilfe. Es fehlt an Augenmaß, die Regelungen sind durch "fürsorgerische Bevormundung" gekennzeichnet, statt auf die Fähigkeit zur Selbstbestimmung bei Prostituierten abzustellen und diese zu stärken.

5. Hilfsempfehlung zu Ziffer 4

Zu Artikel 1 (§§ 3 bis 9 ProstSchG)

In Artikel 1 sind die §§ 3 bis 9 zu streichen.

Folgeänderungen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Der Bundesrat lehnt die vorgesehene Anmeldepflicht von Prostituierten als stigmatisierend und in ihrer Ausgestaltung als rechtlich bedenklich ab. Die Vorschrift ist nicht geeignet, das Selbstbestimmungsrecht von Prostituierten zu stärken; statt dessen birgt sie die Gefahr, Menschen, die sich für diese Tätigkeit entschieden haben, aber auf den Schutz durch Anonymität angewiesen sind, in die Illegalität zu treiben.

Die Anmeldepflicht ist zudem nicht geeignet, den angestrebten Gesetzeszweck eines erhöhten Schutzes für Prostituierte zu erreichen. Es ist davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Prostituierten diesen Pflichten nicht nachkommen wird, weil er wegen der nach wie vor bestehenden Stigmatisierung auf Anonymität angewiesen ist. Dies wird durch Schätzungen bestätigt, nach denen etwa in Wien rund die Hälfte der Prostituierten der dort geltenden Pflicht zur Anmeldung nicht nachkommt. Es ist zu befürchten, dass die Einführung dieser Pflichten eine große Zahl von Prostituierten in intransparente, illegale Bereiche ausweichen lässt und damit ihre Vulnerabilität noch erhöht. Sie werden dadurch vermehrt der Gefahr von Übergriffen ausgesetzt. Ihre Möglichkeiten, Mittel des Rechtsstaates zu nutzen, sind geschwächt, der Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten ist erschwert.

Die gesetzliche Vorgabe, die Anmeldebescheinigung mitzuführen, erhöht die Gefahr eines unfreiwilligen Outings sowie der Erpressbarkeit durch Kunden, die sich die Bescheinigungen vorlegen lassen können und damit persönliche Daten in Erfahrung bringen. Bereits durch das Anmeldeverfahren selbst ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Frage gestellt, geht es hier doch um die Erhebung und Verarbeitung von Daten, die das Sexualleben betreffen und deshalb besonderem Schutz unterliegen. Diesen Schutz im Interesse einer ordnungsbehördlichen Kontrolle oder für die Erreichung einer besseren Beratung aufzuheben, ist unverhältnismäßig.

Die Annahme, Menschenhandelsopfer könnten im Rahmen der Anmeldung identifiziert und unterstützt werden, ist lebensfremd. Die Identifikation der Opfer ist selbst für geschulte Polizeibeamtinnen und -beamte eine große Herausforderung und bei einem einmaligen Kontakt kaum möglich. Hinzu kommen sprachliche und kulturelle Barrieren. Der nach dem Gesetzentwurf verlangte "kommunikative Austausch" kann keine Grundlage für eine seriöse Einschätzung bieten. Vielmehr besteht die Gefahr, dass subjektive Vorstellungen von Prostitution, einschließlich persönlicher moralischer Bewertungen, bei der Entscheidung über die Erteilung der Anmeldebescheinigung zum Tragen kommen. Im Übrigen ist das Hauptproblem bei der Verfolgung des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung die mangelnde Aussagebereitschaft der Opfer. Nicht selten fehlt den Betroffenen ein Opferbewusstsein, oder sie haben Angst vor Repressalien gegen sich oder Angehörige, wenn sie sich offenbaren. Eine Behörde, von der man sich die Erteilung der notwendigen Anmeldebescheinigung erhofft, ist nicht der Ort, an dem die Darlegung einer schwierigen Lebenssituation oder gar einer Zwangslage naheliegt; dies umso weniger, als viele Migrantinnen und Migranten im Heimatland schlechte Erfahrungen mit staatlichen Stellen gemacht haben. Gerade Frauen in Abhängigkeitsverhältnissen werden sich anmelden müssen, damit die Hintermänner sie ungefährdet weiter ausbeuten können. Wird aber Personen, bei denen sich später herausstellt, dass sie Opfer von Menschenhandel sind, eine Anmeldebescheinigung erteilt - und Erfahrungen in Wien mit der dort geltenden Anmeldepflicht zeigen, dass diese Fallkonstellation nicht selten vorkommt -, schwächt dies die Position der Betroffenen. Es kann der Eindruck entstehen, die Ausbeutung sei durch eine staatliche Genehmigung legitimiert.

Zu Recht weisen Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel darauf hin, dass es für Opfer bei erteilter Anmeldebescheinigung in einem möglichen Strafprozess noch schwieriger würde, eine Zwangslage zu beweisen.

6. Hilfsempfehlung zu Ziffer 4

Zu Artikel 1 (§ 10 ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 10 zu streichen.

Folgeänderungen:*)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die vorgesehene gesundheitliche Pflichtberatung ist abzulehnen, da sie alle Voraussetzungen für eine gute, an den Bedarfen der jeweiligen Klientinnen und Klienten orientierte Beratung ignoriert und zudem fachliche Standards verletzt. Es ist eine valide Erfahrung, dass Pflichtberatungen keine oder nur sehr begrenzte Wirkung entfalten können. Zudem ist Anonymität gerade bei schwer erreichbaren, besonders vulnerablen Personen unverzichtbar. Insofern sieht § 19 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ausdrücklich die Möglichkeit der geschützten anonymen Beratung vor und hat sich in der Praxis bewährt. Die erfolgreiche HIV-Präventionspolitik der Bundesregierung bestätigt eindrucksvoll die Erkenntnis, dass eine Beratung zu Fragen des sexuellen Verhaltens nur zielführend ist, wenn sie freiwillig erfolgt. Die Einhaltung der Anonymität wurde auch in der Evaluation des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2007 als entscheidender Faktor für die Wirkung einer gesundheitlichen Beratung und die Bereitschaft, sich untersuchen zu lassen, beschrieben. Die nunmehrige Abkehr von diesem wichtigen Prinzip gefährdet nicht nur die bisherige erfolgreiche Praxis, sie höhlt auch die Vorschrift des § 19 IfSG aus und ebnet den Weg für die Einführung weiterer Pflichtberatungen für andere vulnerable Gruppen.

7. Hilfsempfehlung zu Ziffer 4 und Ziffer 6

Zu Artikel 1 (§ 5 Absatz 4 Satz 3 - neu - und § 10 Absatz 2 bis 6 ProstSchG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die derzeit gute Akzeptanz von gesundheitlicher Beratung gründet auf der Freiwilligkeit und Anonymität bei der Wahrnehmung dieser Angebote. Die freiwillige Wahrnehmung dieser Angebote sollte weiterhin gefördert werden. Die verpflichtende Gesundheitsberatung soll somit durch einen Anreiz zur freiwilligen Wahrnehmung gesundheitlicher Beratung ersetzt werden. Als Anreiz (Bonuslösung) wird eine altersbezogene Verlängerung der Gültigkeit der Anmeldebescheinigung gewählt.

8. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 2, § 5 Absatz 3 ProstSchG)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Folgeänderungen:*)

Begründung:

Die Regelung der Anmeldepflicht für Prostituierte bedarf einer bundesweit einheitlichen Regulierung. Dies erfordert eine Streichung von § 3 Absatz 2 ProstSchG sowie des § 5 Absatz 3 Satz 1 zweiter Halbsatz und Satz 2 ProstSchG.

Der aktuelle Gesetzentwurf verzichtet zwar auf eine kommunale Beschränkung, wie sie zunächst in § 3 Absatz 2 ProstSchG vorgesehen war, überlässt die Ausgestaltung aber den Ländern (§ 3 Absatz 2 und § 5 Absatz 3 ProstSchG). Dies führt zu sehr heterogenen Regelungen, die letztlich zum Nachteil der Betroffenen gereichen, da ihnen schwerlich abverlangt werden kann, die unterschiedlichen Bestimmungen der Länder zu kennen. Vor allem nichtdeutsche Prostituierte aus der EU oder aus Drittstaaten, die häufig wechselnd in verschiedenen Ländern tätig sind, wären bei der vorgeschlagenen Regulierung entweder gefährdet, gegen jeweiliges Landesrecht zu verstoßen oder würden gezielt die Länder aufsuchen, deren Regelungen besonders "liberal" sind, so dass sich in absehbarer Zeit dort Schwerpunkte im Bereich der Prostitution bilden könnten. Dies führt zu einer entsprechenden Belastung der Länder und läuft der erklärten Zielrichtung des Gesetzentwurfs zuwider.

Die hohe Mobilität der Prostituierten erfordert eine praktikable und rechtssichere länderübergreifende Regelung.

9. Zu Artikel 1 (§ 4 Absatz 4 ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 4 Absatz 4 zu streichen.

Folgeänderungen:

In Artikel 1 ist § 37 Absatz 8 wie folgt zu ändern:

Begründung:

Mit der Streichung soll eine - offenbar aufgrund eines redaktionellen Versehens - in den Gesetzentwurf geratene überflüssige Doppelregelung beseitigt werden.

§ 4 Absatz 4 ProstSchG regelt die Vorlage von Nachweisen für die erfolgten gesundheitlichen Beratungen der Prostituierten als Voraussetzung für die Verlängerung ihrer Anmeldebescheinigung. Dieselbe Regelung findet sich erneut - an systematisch richtiger Stelle - in § 5 Absatz 5 Satz 2 und 3 ProstSchG.

10. Zu Artikel 1 (§ 5 Absatz 1 ProstSchG)

In Artikel 1 ist in § 5 Absatz 1 das Wort "stellt" durch das Wort "soll" und das Wort "aus." durch das Wort "ausstellen." zu ersetzen.

Begründung:

Eine zwingende Verpflichtung zur Erteilung eines Nachweises der Anmeldebestätigung binnen fünf Werktagen kann von den zuständigen Behörden bei einer schwierigen Organisation von Beratungsgesprächen, insbesondere zur Gewinnung von Sprachmittlung sowie gegebenenfalls erforderlich werdenden ausländerrechtlichen Prüfungen, nicht in jedem Fall eingehalten werden.

Durch die "Soll"-Regelung wird es den zuständigen Behörden möglich, in Ausnahmefällen den Nachweis erst nach fünf Tagen zu erteilen, ohne dass Pflichten verletzt werden.

11. Zu Artikel 1 (§ 5 Absatz 2 Nummer 4, Nummer 5 ProstSchG)

In Artikel 1 sind in § 5 Absatz 2 Nummer 4 und Nummer 5 jeweils das Wort "Anhaltspunkte" durch die Wörter "tatsächliche Anhaltspunkte" zu ersetzen.

Begründung:

Nach der Begründung zu § 5 Absatz 2 ProstSchG soll die zuständige Behörde nur bei tatsächlichen konkreten Anhaltspunkten tätig werden. Auch § 9 Absatz 2 ProstSchG sieht ein Tätigwerden der Behörden nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten vor.

Es ist daher auch im Wortlaut der Regelung des § 5 Absatz 2 ProstSchG eine Begrenzung des Anlasses zu einem Tätigwerden der Behörden nur bei tatsächlichen Anhaltspunkten erforderlich.

12. Hilfsempfehlung zu Ziffer 4 und Ziffer 5

Zu Artikel 1 (§ 5 Absatz 3 ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 5 Absatz 3 wie folgt zu fassen:

(3) Die Anmeldebescheinigung ist örtlich unbeschränkt gültig."

Begründung:

In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, die Einführung einer bundesweit einheitlich geregelten Anmeldepflicht für Prostituierte sei notwendig, um die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit sicherzustellen und einer Zersplitterung der Rechtslage vorzubeugen. Dies stellt die Öffnungsklausel für die Länder, die es zulässt, abweichende Regelungen zur räumlichen Geltung der Anmeldebescheinigung treffen zu können, in Frage. Sie kann bedeuten, dass sich die Lebensverhältnisse in Deutschland für Prostituierte in erheblicher Weise auseinanderentwickeln. Damit widerspricht der Bundesgesetzgeber nicht nur seiner selbst angeführten Absicht, sondern verlässt auch die von ihm selbst zur Begründung für eine konkurrierende Gesetzgebung angeführte verfassungsrechtliche Grundlage des Artikels 74 Absatz 1 Nummer 7 (öffentliche Fürsorge) und Nummer 11 (Recht der Wirtschaft) in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 2 Grundgesetz.

13. Hilfsempfehlung zu Ziffer 4

Zu Artikel 1 (§ 7 Absatz 3 ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 7 Absatz 3 zu streichen.

Begründung:

Nach § 7 Absatz 3 ProstSchG soll die zuständige Behörr oder dem Prostituierten während des Beratungsgesprächs Informationen zur Ausübung der Prostitution in geeigneter Form zur Verfügung stellen. Diese sollen in einer Sprache verfasst sein, die die oder der Prostituierte versteht und in Papier- oder elektronischer Form ausgehändigt werden. Es besteht kein Anspruch auf muttersprachliche Information und Beratung. Anlassbezogen kann Sprachmittlung hinzugezogen werden.

Diese Vorgaben bezüglich der Informationspflicht der Behörde sind restriktiv und werden dem angestrebten Schutzzweck nicht gerecht. In Anbetracht des in § 7 Absatz 2 ProstSchG beschriebenen Umfangs an notwendig zu vermittelnden Informationen erscheint es angesichts der vielfach bestehenden sprachlichen und kulturellen Barrieren kaum vorstellbar, diese Informationen in schriftlicher oder elektronischer Form adäquat zu vermitteln. Vollkommen ausgeschlossen erscheint es, dass im Rahmen dieses "kommunikativen Austauschs" in einer Behörde sogar Menschenhandelsopfer erkannt werden können.

14. Hilfsempfehlung zu Ziffer 4

Zu Artikel 1 (§ 11 ProstSchG)

In Artikel 1 ist § 11 zu streichen. Folgeänderungen: *)

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Insbesondere die in § 11 Absatz 3 und Absatz 4 ProstSchG vorgesehenen Ermächtigungsgrundlagen für behördliche Anordnungen und weitere Maßnahmen sind verfassungsrechtlich bedenklich. Die hier vorgesehene Reglementierung der eigentlich erlaubnisfreien Prostitution steht im Widerspruch zur formulierten Zielsetzung des vorgeschlagenen Gesetzes, Prostituierte schützen zu wollen, und eröffnet weitgehende Eingriffsbefugnisse ohne erkennbare Notwendigkeit.

Die Absätze 3 und 4 beinhalten Generalklauseln, denen es an Bestimmtheit fehlt, und die sogar ein völliges Verbot der vom Grundgesetz nach Artikel 12 geschützten Prostitution ermöglichen. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargestellt, inwiefern bei der erlaubnisfreien Prostitution eine über die bestehenden Eingriffsbefugnisse nach den Ordnungsbehördengesetzen, den Polizeigesetzen oder dem Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch hinausgehende Gefahrenlage besteht. Die Ausübung der Prostitution unter den Vorbehalt der Beeinträchtigung sonstiger Belange des öffentlichen Interesses zu stellen, ist ein Freibrief für die Verdrängung jeglicher sichtbarer Prostitution.

15. Zu Artikel 1 (§ 15 Absatz 1, Absatz 1

In Artikel 1 ist § 15 Absatz 1 durch folgende Absätze zu ersetzen:

Begründung:

Die Formulierung "in der Regel" in § 15 Absatz 1 ProstSchG ist nicht hinreichend bestimmt und kann im Einzelfall bei der zuständigen Behörde zu einer anderen Beurteilung führen. Es ist daher eine Regelung zu treffen, die sich an den Zuverlässigkeitsregeln des Waffengesetzes orientiert und eine "absolute" Unzuverlässigkeit aufführt.

16. Zu Artikel 1 (§ 18 Absatz 2 Nummer 7 und Absatz 3 und § 37 Absatz 5 ProstSchG)

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Trennung von Arbeiten sowie Wohnen und Schlafen tatsächlich in der Arbeitswelt eine Selbstverständlichkeit ist. In vielen Branchen haben freiberuflich Tätige oder selbständige Unternehmerinnen und Unternehmer oft keine finanziellen Kapazitäten für die Anmietung von zusätzlichen Büroräumen. Entsprechende Ressourcen dürften sicherlich bei den meisten Prostituierten nicht vorhanden sein.

Überdies sind die in der Gesetzesbegründung genannten Beispiele für mögliche Ausnahmen unrealistisch. Es ist beispielsweise für Personen, die zur Ausübung der Prostitution nach Deutschland einreisen, kaum vorstellbar, innerhalb von ein bis zwei Tagen eine separate Unterkunft zu finden. Vielmehr ist zu befürchten, dass Bordellbetreiber, um der Auflage des Gesetzes zu genügen, zusätzlichen Wohnraum zur Verfügung stellen und damit eine ohnehin schon gegebene faktische Abhängigkeit von Prostituierten noch verstärkt würde.

Zu Buchstabe b:

Die für Wohnungsbordelle in § 18 Absatz 3 ProstSchG sowie nach der Übergangsregelung in § 37 Absatz 5 ProstSchG als Bestandsschutz aufgeführten Ausnahmetatbestände (unverhältnismäßiger Aufwand und Gewährleistung schützenswerter Interessen von Prostituierten, Beschäftigten und Kunden auf andere Weise) sind unbestimmt und lassen keine rechtssichere Auslegung zu.

17. Zu Artikel 1 (§§ 29, 31 ProstSchG)

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um Prüfung, inwieweit die in den §§ 29 und 31 ProstSchG normierten Betretungsrechte für Wohnungen in Hinblick auf den grundgesetzlichen Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz) enger gefasst werden können.

Begründung:

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass Kontroll- und Betretungsrechte zur Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben unerlässlich sind. Allerdings sind die Personenkontroll- und Betretungsrechte (§ 29 Absatz 1 Nummer 4 und Absatz 2 ProstSchG) sehr umfassend und gehen teilweise weit über vergleichbare Befugnisse nach § 29 Gewerbeordnung, § 3 Schwarzarbeitsgesetz oder § 22 Arbeitsschutzgesetz hinaus. Erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Regelungen scheinen angesichts des schwerwiegenden Eingriffs in die Privatsphäre bei Ausübung einer erlaubnisfreien Tätigkeit angezeigt.

Dies gilt insbesondere für diejenigen Fallgestaltungen, bei denen ein Betretungsrecht für Wohnungen und alle weitergehenden Befugnisse bereits dann zugestanden werden, wenn Tatsachen die bloße Annahme rechtfertigen, dass eine Wohnung (oder sonstige Räumlichkeiten oder ein Fahrzeug) für die Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt wird, ohne die Befugnisse deutlich auf die Überwachung des Prostitutionsgewerbes zu beschränken (§ 31 Absatz 1 Nummer 2 ProstSchG). In Zusammenschau mit der sehr weitgehenden Ausdehnung der Legaldefinition der Prostituierten werden hierdurch dem Denunziantentum Tor und Tür geöffnet.

Ferner greift § 29 Absatz 1 Nummer 4 ProstSchG mit der Befugnis zur Durchführung jederzeitiger bezüglich Inhalt und Umfang nicht beschränkter Personenkontrollen am Ort der Prostitutionsausübung massiv in die Intimsphäre bzw. in das Persönlichkeitsrecht von Prostituierten und Freiern ein. Die mündliche und schriftliche Auskunftspflicht erstreckt sich nach § 30 Absatz 1 ProstSchG zudem auch auf die Prostituierten, so dass diese vom Umfang der Pflichten und durch das Fehlen von Belehrungspflichten hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 StPO schlechter gestellt und geschützt werden als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen der Arbeitsschutzgesetze.

18. Zu Artikel 1 (§ 32 Absatz 1 und 2 ProstSchG)

In Artikel 1 sind in § 32 die Absätze 1 und 2 zu streichen.

Folgeänderungen:

Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Die gesetzliche und mit Bußgeld von bis zu 50 000 Euro (§ 33 Absatz 1 Nummer 3 ProstSchG; § 33 Absatz 3 Satz 1 ProstSchG) bewehrte Kondompflicht ist mangels Kontrollierbarkeit abzulehnen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs ist für den Einsatz von Scheinfreiern gegenüber Prostituierten kein Raum. Andere Formen der Kontrolle sind nur schwer vorstellbar und würden die Intimsphäre der Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigen.

Die Hoffnung, Prostituierte könnten unter Berufung auf die Kondompflicht eher die Anwendung des Kondoms sicherstellen, verkennt die Bedingungen, unter denen Menschen in der Sexarbeit arbeiten. Der große Konkurrenzdruck führt allenfalls dazu, die Leistung "ohne" hochpreisiger anzubieten.

Der beste Gesundheitsschutz liegt in der Stärkung des Gesundheitsbewusstseins der Betroffenen selbst. Notwendig sind deshalb zielgruppenspezifische Präventionsangebote, die auch das Umfeld, einschließlich der Kunden, einbeziehen.

Zielführend sind ein Werbeverbot für ungeschützten Verkehr, wie es im Gesetzentwurf enthalten ist (§ 32 Absatz 3 ProstSchG) sowie die Pflicht der Betreiber zur Bereitstellung von Kondomen (§ 24 Absatz 2 Satz 2 ProstSchG).

19. Zu Artikel 7 Absatz 2 (Inkrafttreten)

In Artikel 7 Absatz 2 ist die Angabe "1. Juli 2017" durch die Angabe "1. Januar 2018" zu ersetzen.

Begründung:

Das Prostitutionsschutzgesetz soll zum allergrößten Teil am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Nach dem von der Bundesregierung angestrebten Zeitplan für das parlamentarische Verfahren kann es allerdings frühestens im Herbst 2016 verkündet werden. Damit bliebe den Ländern maximal ein dreiviertel Jahr für eine landeseinheitliche Regelung zur Ausführung des Gesetzes. Diese Zeit ist zu kurz bemessen. Denn auf Landesebene sind die notwendigen Umsetzungsfragen/-strukturen zu klären und gegebenenfalls in einem vollständig zu durchlaufenden Gesetzgebungsverfahren für ein Landesausführungsgesetz zu regeln. Soweit eine Aufgabenübertragung auf die kommunale Ebene erfolgen soll, ist zudem die notwendige Konnexitätsprüfung unter Beachtung der landesrechtlichen Anhörungsrechte und Fristen durchzuführen. Dies ist angesichts der Komplexität der hierdurch berührten Rechtsmaterien sowie der notwendigen Beteiligungsverfahren bei einem Inkrafttreten zum 1. Juli 2017 unrealistisch.

20. Zum Gesetzentwurf allgemein (Zum Erfüllungsaufwand der Verwaltung und für die Länder und Kommunen)

Der Bundesrat stellt fest, dass die Kosten, die mit dem Gesetzentwurf für die Haushalte der Länder und Kommunen verbunden sein werden, im Gesetzentwurf nur unzureichend spezifiziert und ausgewiesen sind. In der Berechnung des Erfüllungsaufwandes der Verwaltung sind beispielsweise die Mehrkosten für Widerspruchsverfahren oder für Übersetzungen und Sprachmittlung nicht enthalten.

Soweit in der Berechnung zu einzelnen Vorgaben des Gesetzentwurfs Kostenangaben zum einmaligen Umstellungsaufwand und zum dauerhaften jährlichen Aufwand gemacht werden, ist teilweise nicht erkennbar, auf welchen Berechnungsparametern (zum Beispiel Aufwand je Fall) diese beruhen. Daher ist die Berechnung nicht nachvollziehbar und prüfbar.

Vor diesem Hintergrund bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren - in Abstimmung mit den Ländern - eine nachvollziehbare und vollständige Einschätzung der Kosten des Gesetzesvorhabens vorzunehmen.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung zudem auf, die für die Länder und Kommunen entstehenden Kosten so weit als möglich zu begrenzen und mittels geeigneter Maßnahmen vollständig und dauerhaft durch den Bund zu kompensieren.

21. Zum Gesetzentwurf allgemein

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsgewerbe (§§ 11 bis 22 ProstSchG) sowie Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des Betreibers (§ 28 ProstSchG) vor. Regelungen für einen verbesserten Vollzug der Besteuerung im Prostitutionsgewerbe enthält der Gesetzentwurf hingegen nicht.

Der Bundesrat bittet deshalb, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob

Begründung:

Zu Buchstabe a und b:

Nach dem Gesetzentwurf wird die Zuverlässigkeit eines Betreibers u.a. auch davon abhängig gemacht, dass innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung keine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vergehens gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz vorliegt. Diese Deliktsform ist mit der einer Steuerhinterziehung vergleichbar und im Umfeld des einschlägigen Personenkreises ebenfalls zu beobachten. Deshalb sollte dies Eingang in die Voraussetzungen für die Zuverlässigkeit der Person nach § 15 Absatz 1 ProstSchG finden.

Um der zuständigen Behörde ein umfassendes Bild über die Zuverlässigkeit des Antragstellers zu ermöglichen, könnte sie ermächtigt werden, Erkundigungen über die steuerliche Zuverlässigkeit beim zuständigen Finanzamt einzuholen. Zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) bedarf es jedoch einer spezialgesetzlichen Regelung. Alternativ könnte geregelt werden, dass mit dem Antrag eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes vorzulegen ist.

Zu Buchstabe c:

Im Rahmen der steuerlichen Prüfungen besteht insbesondere das Problem, dass keine oder nicht ausreichende steuerliche Aufzeichnungen geführt werden. Auf die erheblichen Schwierigkeiten bei der Besteuerung im Bereich der Prostitution weist auch der Bundesrechnungshof in einem Bericht vom 24. Januar 2014 hin. Die in § 28 Absatz 1 bis 3 ProstSchG vorgesehenen Aufzeichnungen enthalten steuerlich relevante Informationen, die einen besseren Steuervollzug zumindest ermöglichen würden. Deshalb bietet sich eine Klarstellung dahin gehend an, dass den Betreiber eines Prostitutionsgewerbes eine Verpflichtung zur Vorlage der nach dem ProstSchG zu führenden und aufzubewahrenden Aufzeichnungen im Besteuerungsverfahren trifft.