Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen
Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Gender Mainstreaming

Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen
Sechzehnte Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung

Bundeskanzleramt Berlin, den 23. Februar 2006
Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen zu erlassende

mit Begründung und Vorblatt.

Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.


Mit freundlichen Grüßen
Hildegard Müller

Sechzehnte Verordnung
zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung4

Auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16. August 2002 (BGBl. I S. 3165) und dem Organisationserlass vom 22. November 2005 (BGBl. I S. 3197) verordnet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Artikel 1
Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung

Die Straßenverkehrs-Ordnung vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565, 1971 I S. 38), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3716), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Weitere Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung

In § 21 Abs. 1a Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung, die zuletzt durch Artikel 1 dieser Verordnung geändert worden ist, werden die Wörter "amtlich genehmigt" durch die Wörter "den in Artikel 2 Abs. 1 Buchstabe c der Richtlinie 91/671/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 über die Gurtanlegepflicht und die Pflicht zur Benutzung von Kinderrückhalteeinrichtungen in Kraftfahrzeugen (ABl. EG (Nr. ) L 373 S. 26), der durch Artikel 1 Nr. 3 der Richtlinie 2003/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. April 2003 (ABl. EU (Nr. ) L 115 S. 63) neugefasst worden ist, genannten Anforderungen genügen" ersetzt.

Artikel 3
Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am Tage nach der Verkündung in Kraft. Artikel 2 tritt am 8. April 2008 in Kraft.


Der Bundesrat hat zugestimmt.
Berlin, den . . .
Der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Begründung

I. Allgemeines

Hintergrund: Am 8. April 2003 wurde die "Richtlinie 2003/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/671/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 t" verabschiedet 5 . Mit seiner Entschließung vom 26. Juni 2000 zur Verbesserung der Verkehrssicherheit hatte sich der Rat für weitere Maßnahmen ausgesprochen. Darunter befindet sich auch der Ausgangspunkt für die nun aktuelle Änderungsrichtlinie: "Änderung der Richtlinie 91/671/EWG dahingehend, dass die Pflicht zum Anlegen von Sicherheitsgurten auf alle Kraftfahrzeuge, die von der Konstruktion her bereits mit solchen Vorrichtungen ausgestattet sind, ausgedehnt und die Benutzung zugelassener Rückhaltesysteme für Kinder zwingend vorgeschrieben wird." 6. Mit der vorliegenden Änderungsrichtlinie 2003/20/EWG wird der bisherige gemeinsame europäische Sicherheitsstandard der Richtlinie 91/671/EWG zur Gurtanlegepflicht und zur Kindersicherung in Kraftfahrzeugen, die im Wesentlichen nur Kraftfahrzeuge der Klassen M17 und M28 erfasste, ausgeweitet. Die ausrüstungsrechtlichen Vorgaben für Sicherheitsgurte ergeben sich aus der Richtlinie 96/36/EG der Kommission vom 17. Juni 1996 zur Anpassung der Richtlinie 77/541/EWG des Rates über Sicherheitsgurte und Rückhaltesysteme.

1. Wesentlicher Inhalt der EG-Richtlinie und Anpassungsbedarf im deutschen Recht

Auf Grund der Tatsache, dass die Vorschriften über die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen mit Sicherheitsgurten EG-rechtlich sukzessive harmonisiert wurden und nunmehr Sicherheitsgurte bei Neufahrzeugen aller Fahrzeugkategorien verbindlich vorgeschrieben sind, ist es konsequent, europaweit auch eine grundsätzliche verhaltensrechtliche Verpflichtung zum Anlegen von Sicherheitsgurten vorzuschreiben.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Änderungsrichtlinie liegt auf der ordnungsgemäßen Sicherung von Kindern in Fahrzeugen. Es wird grundsätzlich vorgeschrieben, dass Kinder bis zu einer Größe von 150 cm mit Kinderrückhalteeinrichtungen (gemäß Regelung 044/03 (PDF) der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen oder der Richtlinie 077/541/EWG) gesichert werden. Die Festlegung des Alters der Kinder ist den Mitgliedstaaten überlassen. In Bussen konnte insbesondere hinsichtlich der Sicherung von Kindern unter 3 Jahren keine Einigkeit erzielt werden, so dass diese Altersgruppe vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen wurde. Die Änderungsrichtlinie sieht weiterhin eine Reihe von Ausnahmemöglichkeiten vor.

In Deutschland besteht bereits ein sehr hohes Sicherheitsniveau. Seit 1976 (Vordersitze in Pkw), 1984 (Rücksitze in Pkw) und 1992 (Lkw und Busse, soweit nicht stehenden Fahrgäste zugelassen sind) sind Gurte während der Fahrt anzulegen. 1993 wurde die Pflicht zur Sicherung von Kindern bis zu einem Alter von 12 Jahren und einer Größe von 150 cm mit Kinderrückhaltesystemen eingeführt (Ausnahme: Busse ab 3,5 t zGM). Damit entspricht das deutsche Niveau der Sicherung von Kindern mit Kinderrückhalteeinrichtungen und des Anlegens von Gurten bereits den Anforderungen nach der Richtlinie 2003/20/EG.

Anpassungsbedarf besteht bei der Beförderung kleiner Kinder in nicht mit Gurten ausgerüsteten Fahrzeugen der Klassen M1 und N1, der Anpassung des "Familienprivilegs", der Festlegung, dass in M1 und N1 Fahrzeugen nicht mehr Personen befördert werden dürfen, als Sitzplätze vorhanden sind sowie bei der Vorgabe, dass ältere Kinderrückhalteeinrichtungen, die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen, ab April 2008 nicht mehr verwendet werden dürfen. Diese Änderungen auch ins deutsche Recht zu übernehmen liegt im Interesse der Verkehrssicherheit.

2. Kosten, Auswirkungen auf das Preisgefüge

Bund und Ländern entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Der Wirtschaft, insbesondere den mittelständischen Unternehmen, entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Auswirkungen auf Einzelpreise sowie das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, ergeben sich nicht.

3. Gender Mainstreaming

Gleichstellungspolitische Auswirkungen der Regelungen sind nicht gegeben. Die Verordnung bietet keine Grundlage für verdeckte Benachteiligungen, Beteiligungsdefizite oder die Verfestigung tradierter Rollen.

II. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung der StVO)

1. Zu Artikel 1 Nr. 1a) ( § 21 Abs. 1 StVO)

Abs. 1 Satz l: Nach deutschem Recht gibt es für Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 bisher keine ausdrückliche Verpflichtung, nur so viele Personen zu befördern, wie Sicherheitsgurte vorhanden sind. Zwar fordert die Richtlinie 2003/20/EG dies nicht ausdrücklich; aus dem Sachzusammenhang ist der Artikel 6b aber so zu verstehen, dass nach Ablauf einer Frist, in der Ausnahmen erteilt werden können, dieser Grundsatz gilt. Dies liegt auch im Interesse der Verkehrssicherheit. Unfälle von Fahrzeugen, in denen die Zahl der Insassen über der mit Sicherheitsgurten ausgestatteten Zahl von Sitzplätzen lag, haben in der Vergangenheit zu schwerwiegenden Folgen für die Insassen geführt. Eine eindeutige Regelung dürfte die Akzeptanz dieser Regelung erhöhen.

Die Straßenverkehrsbehörden können jedoch innerhalb des von der Richtlinie vorgesehenen Zeitraumes (sechs Jahre ab dem 8. April 2003) Ausnahmen von diesem Grundsatz erteilen, um keine unzumutbaren Härten auftreten zu lassen. Allerdings muss bei der Entscheidung zwischen dem Interesse des Einzelnen und der allgemeinen Verkehrssicherheit abgewogen werden.

Abs. 1 Satz 2 dient der Klarstellung. In Kraftfahrzeugen, die keine vorgeschriebenen Gurte aufgrund der Tatsache haben, dass sie wegen ihres Alters noch nicht von der Ausrüstungsverpflichtung mit Sicherheitsgurten erfasst wurden (z.B. Oldtimer), dürfen nur so viele Personen befördert werden, wie Sitzplätze vorhanden sind.

Abs. 1 Satz 3 dient der Klarstellung.

2. Zu Artikel 1 Nr. 1b) (§ 21 Abs. 1a StVO)

Die Änderung ist durch die Richtlinie 2003/20/EG bedingt, die nur noch erlaubt, dass ein drittes Kind im Alter von drei Jahren und darüber und mit einer Körpergröße von weniger als 150 cm durch einen Sicherheitsgurt für Erwachsene gesichert wird, wenn die Verwendung von zwei Kinderrückhalteeinrichtungen auf den Rücksitzen von Fahrzeugen der Klassen M1 und N1 aus Platzgründen die Verwendung einer dritten Kinderrückhalteeinrichtung nicht zulässt.

3. Zu Artikel 1 Nr. 1c) (§ 21 Abs. b (neu) StVO)

Die Änderung ist durch die Richtlinie 2003/20/EG bedingt, die eine Beförderung von Kindern unter drei Jahren in nicht mit Gurten ausgerüsteten Fahrzeugen der Klassen Ml, N1, N2 und N3 nicht gestattet, bzw. für Kinder ab drei Jahren eine Beförderung nur auf den Rücksitzen gestattet. Die Vorschrift gilt nicht für Kraftomnibusse (Klassen M2 und M3). Von dieser zwingend erforderlichen Anpassung der StVO an das EG-Recht wird nur eine geringe Fallzahl von Kraftfahrzeugen betroffen sein, da in Deutschland die Ausrüstung solcher Fahrzeuge mit Gurten spätestens seit Mitte der 70er Jahre in Pkw sowie sukzessive auch in Lkw vorgeschrieben worden ist. Die Regelung ist aus Verkehrssicherheitserwägungen sinnvoll.

4. Zu Artikel 1 Nr. 2 ( § 49 StVO)

Damit wird für fast alle Fahrzeuge das Prinzip eingeführt, im Grundsatz nur noch so viele Personen zu befördern, wie Sitzplätze vorhanden sind, die mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sind. Da die Richtlinie 2003/20/EG hier einen Übergangszeitraum einräumt, wird zunächst davon abgesehen, einen Ordnungswidrigkeitentatbestand für die neu eingeführten Pflichten zu schaffen.

Im übrigen Folgeänderung.

Zu Artikel 2 (Weitere Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung)

Auf Grund europaweiter Harmonisierung ist nur noch eine Genehmigung nach der Regelung 044/03 (PDF) der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen oder nach der Richtlinie 77/541/EWG und den nachfolgenden Änderungen dieser Regelung oder Richtlinie möglich. Von daher ist eine andere amtliche Genehmigung, wie sie bisher in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vorgesehen war, nicht mehr möglich.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Artikel 3 enthält die Vorschrift über das (gespaltene) Inkrafttreten.

Nach den deutschen Vorschriften müssen Kinderrückhaltesysteme nach der Regelung 44 der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) genehmigt sein und ein entsprechendes Prüfzeichen tragen. Seit dem 12. September 1995 sind nur noch Kinderrückhaltesysteme neu genehmigungsfähig, die der neuen Fassung der ECE-Regelung 044/03 (PDF) entsprechen.

Zum Teil befinden sich noch ältere, nach der vorhergehenden Fassung 044/02 genehmigte Systeme auf dem Markt, die den heutigen Sicherheitsanforderungen jedoch nicht mehr entsprechen. Diese Systeme dürfen zur Zeit noch weiter verkauft und verwendet werden. Im Interesse der Verkehrssicherheit und einer sicheren Beförderung von Kindern sieht die Richtlinie 2003/20/EG ein Auslaufen der Verwendung dieser Kinderrückhaltesysteme bis zum 8. April 2008 vor. Deshalb wird für diesen Sachverhalt ein Inkrafttreten am 8. April 2008 vorgesehen.


1 ABI. EU (Nr. ) L 115/63 vom 09.05.2003
2 Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit höchstens 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz
3 Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 5 Tonnen
4 Die Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2003/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. April 2003 zur Änderung der Richtlinie 91/671/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen (ABI. EU (Nr. ) L 115 S. 63)
5 ABI. EU (Nr. ) L 115/63 vom 09.05.2003
6 ABI. EU (Nr. ) C 218/2 vom 31.07.2000
7 Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit höchstens 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz
8 Fahrzeuge zur Personenbeförderung mit mehr als 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und einer zulässigen Gesamtmasse bis zu 5 Tonnen