Beschluss des Bundesrates
Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die effiziente Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Europäischen Union: Transparenz des Schuldnervermögens KOM (2008) 128 endg.; Ratsdok. 7403/08

Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:

Zur Vorlage allgemein

Zu den einzelnen Fragen

6. Zu Frage 1:

Auch wenn dem Bundesrat rechtstatsächliche Erkenntnisse zu Umfang und Ausmaß der Schwierigkeiten bei der Sachaufklärung im Zuge grenzüberschreitender Vollstreckungsverfahren nicht vorliegen, dürfte es nicht von der Hand zu weisen sein, dass die unterschiedliche Ausgestaltung der Sachaufklärung in den einzelnen Mitgliedstaaten eine besondere Herausforderung für die grenzüberschreitende Vollstreckung darstellen kann.

Diese Herausforderung kann allein auf Gemeinschaftsebene nicht hinreichend gemeistert werden. Das Vollstreckungsrecht sowie die Strukturen der Vollstreckungsorgane sind innerhalb der jeweiligen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten organisch gewachsen. Sie sind in organisatorischer, technischer und personalwirtschaftlicher Hinsicht eng in den Kontext des jeweiligen Rechtspflegesystems eingebettet und unterliegen wie der Gerichtsaufbau der Hoheit der einzelnen Mitgliedstaaten. Ein Eingriff seitens der Gemeinschaft in diese Strukturen, etwa im Wege der Vollharmonisierung der Sachaufklärungsinstrumente oder gar des Vollstreckungsrechts insgesamt, wäre nicht nur kompetenzrechtlich fragwürdig, er würde auch Verwerfungen in der nationalen Rechtspflege nach sich ziehen, die in ihrem Folgen nicht überschaubar wären.

Dies gilt namentlich auch für Pfändungsschutzbestimmungen, die Ergebnis einer komplexen, in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Lebensverhältnisse im Ergebnis häufig unterschiedlich ausgefallenen Abwägung zur Sicherung des Existenzminimums sind.

Geboten und zu begrüßen wären demgegenüber unterstützende Maßnahmen der Gemeinschaft, namentlich durch eine Verbesserung der Informationen zum nationalen Vollstreckungsrecht. Insoweit ist zu beklagen, dass die Darstellungen zum Vollstreckungsrecht im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes (vgl. http://ec.europa.eu/civiljustice/enforce_judgement/enforcejudgement_gen_de.htm ) sich derzeit im Wesentlichen auf eine Beschreibung der Vollstreckungsvoraussetzungen und einzelner Vollstreckungsmaßnahmen beschränken, aber in der Regel weder auf die zur Ermittlung geeigneter Vollstreckungsobjekte verfügbaren Sachaufklärungsinstrumente eingehen noch praktisch verwertbare Hinweise zur Vollstreckung von erlangten Titeln beinhalten. Der Nutzen dieser Informationen hält sich daher derzeit in Grenzen.

7. Zu Frage 2:

Ein Handbuch, das umfassend und stets aktualisiert über die Vollstreckungssysteme der Mitgliedstaaten einschließlich der Sachaufklärung informiert, könnte Parteien und Rechtsanwälten die Ermittlung der für die grenzüberschreitende Vollstreckung einschlägigen Rechtsvorschriften wesentlich erleichtern und damit - gegebenenfalls gemeinsam mit der Festlegung gemeinschaftsweiter Mindeststandards - den bestehenden Schwierigkeiten abhelfen. Bei der Erstellung eines derartigen Handbuchs sollte ein besonderes Augenmerk auf seine praktische Verwendbarkeit gelegt werden. Ein derartiges Handbuch könnte neben der umfassenden Beschreibung der Vollstreckungssysteme der Mitgliedstaaten beispielsweise auch Angaben über die übliche Dauer einer Vollstreckung und deren Kosten sowie Adresslisten, praktische Hinweise (wie etwaig benötigte Formulare) und Verweise auf weiter gehende Informationsquellen enthalten.

Um sicherzustellen, dass die Betroffenen den Zugang zu den für sie aufbereiteten Informationen auch ohne Weiteres finden, sollte das Handbuch ebenso wie die Informationen des Europäischen Justiziellen Netzes im Internet zugänglich sein. Dabei scheint es ratsam, anstelle einer gesonderten Darstellung die nötigen Informationen in die vorhandenen Darstellungen zur Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen einzuarbeiten (vgl. http://ec.europa.eu/civiljustice/enforce_judgement/enforcejudgement_gen_de.htm ).

Zu Frage 3:

10. Zu Frage 4:

Ein Bedarf für eine weitere Erleichterung des Zugangs zu Melderegisterdaten, die über die Änderungen im Gesetzentwurf des Bundesrates zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (vgl. oben, Ziffer 5) hinausgeht, ist in Deutschland derzeit nicht ersichtlich. Eine umfassende und unkontrollierte Einsichtsmöglichkeit wäre ohnehin mit datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Grundrechten der Betroffenen nicht vereinbar.

Die deutschen Meldebehörden sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 des Melderechtsrahmengesetzes (MRRG) in der Regel befugt, dem Gläubiger Auskunft über die im Melderegister gespeicherte gegenwärtige Anschrift des Schuldners zu erteilen. Soweit der Gläubiger ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, darf ihm auch Auskunft über frühere Anschriften des Schuldners erteilt werden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 MRRG).

Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, reicht der Gerichtsvollzieher den Vollstreckungsauftrag derzeit in der Regel an den Gläubiger zurück, damit dieser eine Melderegisterauskunft einholt. Die Einholung von Melderegisterauskünften soll im Zuge des oben genannten Gesetzesentwurfs des Bundesrates erleichtert werden, indem dem Gerichtsvollzieher eine unmittelbare Befugnis zur Einholung von Melderegisterauskünften eingeräumt wird (§ 755 Satz 1 ZPO-E). Darüber hinaus sollen die Möglichkeiten zur Anschriftenermittlung erweitert werden, indem die Abfrage von Kontostammdaten und Sozialdaten zum Zweck der Anschriftenermittlung zugelassen wird (§ 755 Satz 2 i.V.m. § 802l Abs. 1 ZPO-E).

Zutreffend weist das Grünbuch darauf hin, dass das Melderegister in Deutschland gegenwärtig dezentral organisiert ist;

Meldebehörden sind in der Regel die Gemeinden. Solange der Schuldner seinen melderechtlichen Pflichten zur Mitteilung eines Anschriftenwechsels nachkommt, wird der Gläubiger durch die dezentrale Organisation aber nicht beeinträchtigt, da das Melderegister des Zuzugsorts das Melderegister des bisherigen Wohnorts über den Anschriftenwechsel informiert (§ 17 MRRG). Verfügt der Gläubiger zumindest über eine frühere Anschrift des Schuldners - was nach Titulierung der Forderung regelmäßig der Fall sein dürfte -, kann er deshalb über das Melderegister des bisherigen Wohnorts die aktuelle Anschrift ermitteln, wenn sich der Schuldner ordnungsgemäß umgemeldet hat. Hat der Schuldner gegen seine Meldepflichten verstoßen, ist dem Gläubiger auch durch ein zentrales Melderegister nicht gedient.

Unabhängig davon wird die Einholung von Melderegisterauskünften in Deutschland derzeit erleichtert. Einige Länder ermöglichen schon jetzt den landesweiten Abruf der Daten aller Meldebehörden in automatisierten Verfahren. Nachdem die bisherige Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes im Zuge der ersten Stufe der Föderalismusreform zu einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz erstarkt ist, plant die Bundesregierung derzeit ein neues Bundesmeldegesetz, das die Einrichtung eines zentralen Bundesmelderegisters vorsieht.

11. Zu Frage 5:

Die zu Zwecken der Sozialversicherung gespeicherten Daten (Sozialdaten) sind aus vollstreckungsrechtlicher Sicht von Interesse, weil sie einen Großteil der Bevölkerung abdecken und neben der aktuellen Anschrift des Versicherten auch Angaben zur Identifizierung typischerweise pfändbarer Vermögensgegenstände enthalten, nämlich Informationen über das Bestehen von Arbeitsverhältnissen, aus denen pfändbare Lohnansprüche resultieren können. Soll der Gläubiger in die Lage versetzt werden, auf diese Vermögensgegenstände zuzugreifen, müssen ihm Name und Anschrift des Arbeitgebers zugänglich gemacht werden.

Ein Zugriff allein der Vollstreckungsbehörde auf diese Daten genügt dagegen nur in denjenigen Mitgliedstaaten, in denen die Vollstreckung von Amts wegen erfolgt.

In Deutschland ist die Nutzung von Sozialdaten zu Vollstreckungszwecken derzeit noch öffentlichrechtlichen Gläubigern vorbehalten (vgl. § 68 Abs. 1 SGB X). Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (vgl. oben, Ziffer 5) öffnet diese Informationsquelle künftig auch privatrechtlichen Gläubigern (§ 802l Abs. 1 ZPO-E). Um sicherzustellen, dass nur denjenigen Gläubigern Sozialdaten übermittelt werden, die diese vollstreckungsrechtlich beanspruchen können, muss die Abfrage der Sozialdaten allerdings über den Gerichtsvollzieher erfolgen, der prüft, ob ein Auskunftsanspruch besteht.

Eine Einsichtnahmemöglichkeit des Gläubigers in die von den Finanzbehörden im Zuge von Steuerverfahren erhobenen personenbezogenen Daten des Schuldners zu Vollstreckungszwecken ist abzulehnen.

Im deutschen Recht verpflichtet § 30 der Abgabenordnung die Finanzbehörden, das Steuergeheimnis zu wahren. Den umfassenden Offenbarungspflichten des Steuerpflichtigen gegenüber den Finanzbehörden korrespondiert eine umfassende Verschwiegenheitspflicht der Amtsträger. Im Gegensatz zu den Sozialdaten stehen die Steuerdaten auch anderen öffentlichrechtlichen Gläubigern nicht zu Vollstreckungszwecken zur Verfügung. Das umfassende Steuergeheimnis dient dabei nicht nur dem Schutz des Steuerpflichtigen, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer erschöpfenden und gleichmäßigen Besteuerung. Die Neigung der Steuerschuldner, ihre geschäftlichen und privaten Verhältnisse im Zuge des Steuerverfahrens offen zu legen, ist umso stärker ausgeprägt, je mehr sie sich darauf verlassen können, dass ihre Angaben nicht in anderen Bereichen gegen sie verwendet werden. Eine Einschränkung des Steuergeheimnisses kommt deshalb nicht in Betracht.

Hinzu kommt, dass - ähnlich wie im Bereich des Handelsregisters - die Steuerdaten zu Vollstreckungszwecken ohnehin nur sehr eingeschränkt nutzbar sind. In der Regel werden sich den Steuerdaten lediglich die im Veranlagungszeitraum zu verzeichnenden Einkünfte, nicht aber konkrete, aktuell vorhandene Vermögenswerte entnehmen lassen. Aus vollstreckungsrechtlicher Sicht interessant könnten allenfalls Angaben zu Konten und Depots des Steuerpflichtigen sein. Zur Ermittlung von Konten und Depots des Schuldners sollte es den Mitgliedstaaten jedoch freigestellt bleiben, dem Gläubiger auch andere - ebenso leicht begehbare Wege - zu eröffnen.

Dies stellt der unter Ziffer 5 genannte Gesetzentwurf des Bundesrates bereits vollumfänglich sicher - unabhängig davon, ob dem Vorschlag des Bundesrates oder den im Wesentlichen auf Zuständigkeit und Verfahren bezogenen alternativen Vorstellungen der Bundesregierung in deren Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf des Bundesrates (vgl. BT-Drucksache 016/10069, S. 124 ff.) letztlich gefolgt wird: § 802l Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO-E ermöglicht es dem Gläubiger, über den Gerichtsvollzieher bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Auskünfte über das Bestehen eines Kontos oder Depots des Schuldners nebst Name und Anschrift des konto- bzw. depotführenden Kreditinstituts einzuholen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bzw. das Bundeszentralamt für Steuern können zur Erteilung der Auskünfte ihrerseits auf die von den Kreditinstituten nach § 24c Abs. 1 des Kreditwesengesetzes gespeicherten Kontostammdaten zurückgreifen, die jedem Konto oder Depot den Namen und die Anschrift eines Verfügungsberechtigten bzw. eines davon abweichenden wirtschaftlich Berechtigten zuweisen. Die durch Artikel 6 Nr. 23 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes in das Kreditwesengesetz eingefügte Regelung sollte das Instrumentarium der für die Bankenaufsicht zuständigen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zur Bekämpfung der Geldwäsche verbessern (vgl. BT-Drucksache 014/8017, S. 122). Wenngleich die Regelung nicht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht, wäre dennoch zu prüfen, ob andere Mitgliedstaaten im Rahmen der Bankenaufsicht oder zur Bekämpfung der Geldwäsche vergleichbare Systeme kennen, die zu Vollstreckungszwecken nutzbar gemacht werden könnten.

12. Zu Frage 6:

Ein grenzüberschreitender Informationsaustausch zwischen Vollstreckungsbehörden ist aus Sicht des Bundesrates wenig zielführend:

Nach deutschem Recht muss der Gläubiger die Vollstreckung eigenverantwortlich betreiben. Dazu muss er den jeweils zuständigen Vollstreckungsorganen konkrete Aufträge erteilen. Dem Grundsatz der Eigenverantwortung des Gläubigers kommt vor allen Dingen kostenrechtliche Bedeutung zu. Als Auftraggeber ist er zunächst zur Übernahme der Kosten der von ihm im Einzelnen erteilten Aufträge verpflichtet.

Kennt der Gläubiger die pfändbaren Vermögensgegenstände des Schuldners nicht, muss er die zuständigen Vollstreckungsorgane mit entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen beauftragen, etwa den Gerichtsvollzieher mit der Abfrage von Kontenstamm- oder Sozialdaten (vgl. § 802l ZPO-E). Erfährt der Gläubiger auf diese Weise von einem Kontoguthaben oder einem Lohnanspruch des Schuldners, muss er beim zuständigen Vollstreckungsgericht die Pfändung der Forderung beantragen.

Dies gilt in gleicher Weise für inländische Gläubiger wie für Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten. Wollen Gläubiger aus anderen Mitgliedstaaten inländisches Kontoguthaben eines Schuldners ermitteln und anschließend pfänden, können und müssen sie sich unmittelbar an den Gerichtsvollzieher bzw. das Vollstreckungsgericht wenden. Da stets das Vollstreckungsrecht desjenigen Staates anzuwenden ist, in dem sich das Vollstreckungsobjekt befindet, muss der ausländische Gläubiger Vollstreckungshandlungen in Deutschland auch dann selbst beantragen, wenn die Vollstreckung in seinem Heimatstaat von Amts wegen erfolgt.

Vor diesem Hintergrund existiert derzeit keine Rechtshilfe in Vollstreckungsverfahren. Die Einrichtung entsprechender Strukturen wäre auch nicht sinnvoll. Auf diese Weise würden die Verfahren gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage verkompliziert und der Aufwand der grenzüberschreitenden Vollstreckung zumindest teilweise vom jeweiligen Gläubiger auf die Allgemeinheit verlagert. Vom Gläubiger kann - zumal im Fall der Veröffentlichung eines Handbuchs über die Vollstreckungssysteme der Mitgliedstaaten (vgl. oben) - erwartet werden, dass er sich über das im jeweiligen Vollstreckungsstaat geltende Verfahren informiert und die erforderlichen Anträge unmittelbar stellt.

13. Zu den Fragen 7 bis 9:

Auch die Einführung einer Europäischen Vermögenserklärung erscheint weder geboten noch zweckmäßig.

Da die Anforderungen an den Inhalt der Selbstauskunft des Schuldners über sein Vermögen und das Verfahren zur Abgabe dieser Auskunft durch das jeweils geltende Vollstreckungsrecht definiert werden, ist eine Harmonisierung dieses Teilbereichs nicht sinnvoll. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass das nationale Recht regelmäßig besondere Rechtsfolgen an die Selbstauskunft des Schuldners knüpft, im deutschen Recht beispielsweise die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (näher dazu unten, Ziffer 14). Auch wird je nachdem, ob die Vollstreckung eigenverantwortlich vom Gläubiger zu betreiben oder von Amts wegen durchzuführen ist, ein anderes Verfahren zu beachten sein. Schließlich ist zu bedenken, dass die unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten zur Pfändbarkeit von Vermögensgegenständen dazu führen, dass ein einheitliches Formular für eine Europäische Vermögenserklärung entweder sehr abstrakt und damit wenig praxistauglich oder aber sehr ausführlich und damit sowohl aufwändig als auch komplex ausfallen müsste.

Eine umfassende Angleichung des Vollstreckungsrechts der Mitgliedstaaten aus Anlass einer vergleichsweise geringen Zahl von grenzüberschreitenden Vollstreckungen wäre unverhältnismäßig und angesichts der unterschiedlichen sachenrechtlichen Verhältnisse und der Unterschiede im Erkenntnisverfahren auch nicht möglich.

Zweckmäßiger erscheint es daher auch hier, die Mitgliedstaaten im Zuge der Festlegung von Mindeststandards der Sachaufklärung zu verpflichten, in ihrem jeweiligen Vollstreckungsrecht dem Schuldner grundsätzlich eine Verpflichtung zur Abgabe einer Selbstauskunft über sein Vermögen aufzuerlegen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Angaben des Schuldners so bestimmt sein müssen, dass sie Grundlage eines Vollstreckungsauftrags des Gläubigers sein können, insbesondere ist der Schuldner bei Forderungen zur Angabe des Forderungsgrundes und zur Bezeichnung der Beweismittel zu verpflichten. Dem Gläubiger ist nicht damit gedient, wenn der Schuldner lediglich durch Ankreuzen von Kästchen erklärt, dass er über Vermögen einer bestimmten Kategorie verfügt.

Von Bedeutung ist weiterhin, dass sich die Offenbarungspflicht des Schuldners nicht auf sein im Inland belegenes Vermögen beschränken darf, sondern sein gesamtes, für die zu vollstreckende Forderung haftendes Vermögen umfassen muss. Sinnvollerweise sollte die Verpflichtung zur Abgabe der Selbstauskunft zudem nicht erst nach einem erfolglosen Vollstreckungsversuch des Gläubigers entstehen, sondern bereits dann, wenn der Schuldner trotz Aufforderung die titulierte Forderung nicht befriedigt.

Entscheidend ist schließlich, dass die Verlässlichkeit der Selbstauskunft in den einzelnen Mitgliedstaaten vergleichbar ist. So müssen sich auch die Sanktionen zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Abgabe der Selbstauskunft in erster Linie in das System der jeweiligen Rechtsordnung einfügen; eine Harmonisierung erscheint insoweit nachrangig.

Das deutsche Recht sanktioniert beispielsweise die Weigerung der Abgabe der Selbstauskunft in zweifacher Hinsicht: Zum einen wird gegen den Schuldner auf Antrag des Gläubigers die Zwangshaft angeordnet, zum anderen wird er in das Schuldnerverzeichnis eingetragen (vgl. unten, Ziffer 14). Die Festsetzung eines Zwangsgeldes erscheint demgegenüber wenig sinnvoll, da seine Beitreibung mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert wäre wie die Vollstreckung der Forderung des Gläubigers.

Ebenfalls nicht geeignet für eine gemeinschaftsweite Harmonisierung erscheint schließlich die Zulassung von Ratenzahlungen. Auch hier sind die Unterschiede zwischen der Vollstreckung von Amts wegen einerseits und der eigenverantwortlichen Vollstreckung des Gläubigers andererseits zu beachten. Zwar kennt das deutsche Recht die Möglichkeit der gütlichen Erledigung durch die Vereinbarung von Ratenzahlungen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass Schuldner häufig bereit sind, zur Abwendung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen besondere Anstrengungen zu unternehmen, um den Gläubiger durch Ratenzahlung befriedigen zu können. Zu beachten ist aber, dass der Gläubiger, dessen Forderung tituliert ist, einen Anspruch auf sofortige und vollständige Leistung hat. Ein Vollstreckungsaufschub zu Gunsten von Ratenzahlungen ist daher grundsätzlich nur möglich, wenn der Gläubiger dem ausdrücklich oder stillschweigend zustimmt. Allein ein Angebot des Schuldners, Raten zu zahlen, kann demgegenüber selbst dann nicht genügen, wenn die Restforderung besichert wird. Andernfalls könnte sich der Schuldner in der Vollstreckung einen "Justizkredit" zu Lasten des Gläubigers verschaffen.

14. Zu Frage 10:

Soweit die gemeinschaftsweite Vorgabe einer Selbstauskunft des Schuldners über sein Vermögen überdacht wird, sollte das im deutschen Recht damit eng verknüpfte Institut des Schuldnerverzeichnisses in die Überlegungen einbezogen werden.

Das Schuldnerverzeichnis dient der Warnung des Geschäftsverkehrs vor kreditunwürdigen Schuldnern. In das Schuldnerverzeichnis werden nicht Vermögensgegenstände, sondern die Namen der Schuldner eingetragen, welche die Abgabe einer Selbstauskunft über ihr Vermögen pflichtwidrig verweigern, oder die zur Befriedigung der titulierten Forderung des Gläubigers nicht in der Lage sind.

Die Einsicht in das Schuldnerverzeichnis steht grundsätzlich jedermann offen; der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht eine bundesweite Einsicht über das Internet vor (vgl. § 882h ZPO-E).

Die Erfahrungen der deutschen Gerichtsvollzieher zeigen, dass die drohende Eintragung in das Schuldnerverzeichnis wegen des damit verbundenen Verlusts der Kreditwürdigkeit viele Schuldner dazu bewegt, entweder pfändbare Vermögenswerte frühzeitig zu offenbaren oder dem Gläubiger durch besondere Anstrengungen bzw. mit Hilfe Dritter zumindest eine Befriedigung durch Ratenzahlung anzubieten, die diesen dazu bewegt, einem Vollstreckungsaufschub zuzustimmen.